Hessisches LSG: Unfall während Spaziergang in der Pause kein Arbeitsunfall
Hessisches LSG, Urteil vom 14.6.2019 – L 9 U 208/17
ECLI:DE:LSGHE:2019:0614.L9U208.17.00
Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2019-1913-1
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LEITSÄTZE DER REDAKTION
1. Ein Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben.
2. Ein Spaziergang während einer Arbeitspause steht mit der versicherten Tätigkeit nur dann in innerem Zusammenhang, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für eine weitere betriebliche Betätigung erforderlich ist. Ein solcher innerer Zusammen- hang kann nur dann angenommen werden, wenn der Versicherte aufgrund besonderer Belastungen durch die bisher verrichtete betriebliche Tätigkeit zur Durchführung des Spaziergangs veranlasst war, um sich zu erholen und seine Arbeitsfähigkeit für die nachfolgende betriebliche Tätigkeit wiederherzustellen oder jedenfalls zu erhalten.
SGB VII § 8 Abs. 1
Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1962 geborene Kläger war seit 1990 Fondsmanager bei der C. Investment GmbH, C-Stadt. Er betreute (in nicht leitender Position) drei international anlegende Aktienfonds, einen seit 1992, einen anderen seit 1994 und einen dritten seit dem Jahr 2010. Arbeitsbeginn und Arbeitsende sowie Dauer, Zeitpunkt und Häufigkeit von persönlich bedingten Arbeitsunterbrechungen/Pausen konnte er selbst bestimmen und innerhalb des Arbeitszeitrahmens von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr individuell gestalten, wobei die durchschnittliche Vertragsarbeitszeit 39 Stunden in der Woche betrug.
Am 1. April 2014 begab sich der Kläger mit seinem PKW gegen kurz nach 10:00 Uhr von seinem Wohnort in der A-Straße in A-Stadt auf den Weg zu seiner Arbeitsstelle in der D-Straße in D-Stadt, wo er gegen 11:15 Uhr ankam. Nachdem er dort zunächst einen Termin mit einem Unternehmensvorstand einer großen Werbeagentur wahrnahm, bearbeitete er an seinem Schreibtisch E-Mails und führte Gespräche mit Brokern. Gegen 13:25 Uhr verließ er sodann durch die Haupteingangstür das Firmengebäude, um spazieren zu gehen und „Luft zu schnappen“. Vor dem Gebäude standen andere Mitarbeiter der Firma in kleinen Gruppen auf dem Bürgersteig und unterhielten sich, wodurch der Blick des Klägers vom Boden abgelenkt wurde. Im Eingangsbereich des Gebäudes vor dem Bürgersteig stolperte er sodann über eine 2 cm vorstehende Bodenplatte, fiel zu Boden und stützte sich mit beiden Handgelenken ab.
Um 13:40 Uhr suchte er den Durchgangsarzt Dr. E. auf, bei dem er über Schmerzen im rechten Patellabereich mit Schürfwunde und Schmerzen im Rücken klagte. An den Handgelenken zeigten sich keine offenen Wunden. Festgestellt wurde eine schmerzeingeschränkte Beweglichkeit beim Beugen und Strecken der beiden Handgelenke, rechts mehr als links. Die Röntgenaufnahmen des rechten Handgelenkes zeigten keinen Hinweis auf frische knöcherne Verletzungen. Als Erstdiagnose gab Dr. E. multiple Prellungen der Handgelenke beidseits und des rechten Knies an.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2014 lehnte die Beklagte „Ansprüche auf Entschädigungsleistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 1. April 2014“ ab, weil die Pause des Klägers ein eigenwirtschaftliches Gepräge gehabt habe, so dass sie nicht unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Hiergegen legte der Kläger unter dem 27. Juni 2014 Widerspruch ein, den er nicht begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 19. November 2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass der Spaziergang nicht der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit in der Mittagspause gedient habe, sondern im Hinblick auf die an diesem Tag bereits angefallene Arbeitsbelastung ausschließlich zur unbedingt erforderlichen Regeneration erforderlich gewesen sei, um die Arbeit hiernach fortsetzen zu können. Er sei im Bankengewerbe als Angestellter mit sehr aufwändigen und geistig anstrengenden Arbeiten befasst. Am Unfalltag habe es sich nicht um eine standardisierte Pause gehandelt, sondern der betreffende Weg habe ausschließlich den Sinn gehabt, im Hinblick auf die zuvor getätigten anstrengenden Dienstgeschäfte kurz Luft zu schnappen, um so die Arbeits- und Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Für den Nachweis einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung, die die versicherte Tätigkeit unterbreche, trage die Beklagte die objektive Beweislast. Den Beweis, dass der betreffende Gang vorwiegend der privaten Sphäre entsprungen sei, habe die Beklagte nicht einmal ansatzweise erbracht. Die Pausen während der Arbeitszeit seien grundsätzlich wie die Arbeit selbst versichert, solange sie am Arbeitsplatz oder an anderen dafür vorgesehenen Stellen, z. B. einem Pausenraum, verbracht würden. Verunglücke ein Versicherter während einer Pause infolge einer Tätigkeit, die er währenddessen ausübe, bestehe der innere Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nur, wenn diese Tätigkeit dem Betrieb zu dienen bestimmt gewesen sei. Spaziergänge seien, auch wenn sie außerhalb des Betriebsgeländes vorgenommen würden, dann versichert, wenn die Arbeitsbedingungen sie zur Erholung erforderlich machten, der Spaziergang also aus besonderen Gründen notwendig sei. Vorliegend handele es sich aufgrund der stressbedingten Faktoren des konkreten Arbeitsplatzes des Klägers und der am Unfalltag bis zur Unterbrechung der eigentlichen Arbeitsleistung angefallenen Belastung um einen Gang, der ausschließlich den Zweck gehabt habe, den Kopf für weitere Aufgaben des Arbeitstages „frei zu bekommen“ und so nach dieser Unterbrechung die Arbeitsleistung wieder vollumfänglich mit der höchstmöglichen und im vorliegenden Fall auch unbedingt erforderlichen Konzentration erbringen zu können. Im Übrigen sei der betreffende Unfall aber auch als Wegeunfall anzuerkennen, denn im Hinblick darauf, dass sich der Unfall im Eingangsbereich ereignet habe, sei dieser Weg noch als Pausenweg und nicht als Pausenverrichtung mit privateigenem Hintergrund zu qualifizieren. Analog der Rechtsprechung bezüglich des Wegs zur Kantine bzw. des Wegs zum Essenseinkauf sei der Weg bis zu einem beruhigten Bereich noch versichert. Versicherungsschutz bleibe selbst bei privatwirtschaftlichen Tätigkeiten gegen Auswirkungen von Betriebsgefahren grundsätzlich erhalten. Vor dem sich aus der Notwendigkeit der Anwesenheit des grundsätzlich Versicherten an der Arbeitsstätte ergebenden Gefahren, die sich unabhängig von der tatsächlich ausgeübten eigenwirtschaftlichen Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalls verwirklichen könnten, sei diese damit grundsätzlich geschützt. Auch dies sei vorliegend der Fall, da der Sturz maßgeblich durch die Beschaffenheit des Bodens im Eingangsbereich der Betriebsstätte verursacht worden sei.
Das Sozialgericht hat eine schriftliche Auskunft der Arbeitgeberin des Klägers eingeholt und den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung befragt. Es hat sodann die Klage mit Urteil vom 7. Juli 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit ausgeübt habe, weil der Gang nach draußen in die Sonne in keinem inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Beschäftigung als Fondsmanager gestanden habe. Es bestünden bereits Zweifel daran, dass der Kläger, wie von ihm behauptet, über das übliche Maß hinaus belastet gewesen sei und ihn dies bewogen habe, das Bürogebäude zu verlassen. Eine besondere Belastungssituation aufgrund des Tagesgeschehens hätten die Ermittlungen der Kammer nicht ergeben. Der Kläger habe keine Tätigkeiten geschildert, aus denen sich in der Zeit zwischen der Anreise zum Büro bis zur Unterbrechung seiner Tätigkeit etwa dreieinhalb Stunden später eine derart hohe Belastung ergeben habe, die eine Unterbrechung der Arbeit zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich gemacht hätte. Weder die anspruchsvolle Tätigkeit des Klägers noch der von ihm geschilderte Stau hätten besondere Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit gehabt. Der Kläger besitze ausreichend Erfahrung und Routine, um seine Tätigkeit zu bewältigen. Besondere Belastungen wie etwa Vertretungstätigkeit oder Betreuung eines Projekts, die den Kläger über das in seinem Beruf übliche normale Maß hinaus belastet hätten, lägen nicht vor. Durch die weitgehend freie Arbeitseinteilung habe der Kläger auch die Möglichkeit gehabt, etwaige Stressbelastungen zu kompensieren. Eine besondere Arbeitsbelastung sei auch im Vorverfahren mit keinem Wort erwähnt worden. Die Unterbrechung der Tätigkeit sei zudem nicht geringfügig gewesen, sondern erheblich, so dass der Versicherungsschutz nicht fortbestanden habe.
Gegen das dem Klägervertreter am 13. Dezember 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Dezember 2017 Berufung beim Sozialgericht Darmstadt eingelegt.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er bleibe dabei, dass er ausschließlich zum Zwecke der Wiederherstellung seiner Arbeitskraft den betreffenden Gang getätigt habe. Das Sozialgericht habe im Übrigen übersehen, dass sich der Unfall noch auf dem Gelände der Arbeitsstätte des Klägers ereignet habe. Wenn dem Sozialgericht zu folgen sei und es sich bei der streitgegenständlichen Verrichtung tatsächlich um einen privat ausgerichteten Spaziergang gehandelt habe, dann handele es sich bei dem in Rede stehenden Weg um einen Weg zum Spaziergang und nicht um den Spaziergang, denn ein Spaziergang beginne nicht bereits im Büro oder auf einer belebten Straße, sondern erst in dem Bereich, wo aufgrund der örtlichen Gegebenheiten der Erholungszweck des Spazierganges erreicht werden könne. Damit sei analog der Rechtsprechung betreffend des Weges zur bzw. zurück zur Kantine oder des Weges zur Toilette vorliegend der Unfall auf dem Weg vor dem Spaziergang geschehen und stehe damit auch unter Versicherungsschutz.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Juli 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2014 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 1. April 2014 ein Arbeitsunfall gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Im Übrigen verkenne der Kläger, dass nicht alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf der Arbeitsstätte versichert seien. Außer in der Schifffahrt gebe es keinen so genannten Betriebsbann. Dementsprechend stünden auch nicht alle Wege eines Beschäftigten zu und von der Arbeitsstätte oder auf der Arbeitsstätte selbst unter Unfallversicherungsschutz, sondern nur solche Wege, die durch die Ausübung der Beschäftigung oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt seien.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegen haben.
Aus den Gründen
I. Die Berufung, über die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist zulässig, aber unbegründet.
1. Über die Berufung kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
2. Die zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
a) Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass ein Arbeitsunfall vorliegt, wahlweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG oder mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 12).
b) Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass das Ereignis vom 1. April 2014 ein Arbeitsunfall gewesen ist.
Anspruchsgrundlage für das Feststellungsbegehren der Klägerin ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach kann der Versicherte auch die Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind, wobei diese Norm nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelnen Anspruchselemente umfasst, was prozessual durch § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG bestätigt wird, wonach eine Feststellungsklage auch darauf gerichtet sein kann, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 16 ff.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 1. April 2014 als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten (haftungsbegründende Kausalität) objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 31. August 2017 - B 2 U 11/16 R -, juris, Rn. 10). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der Kläger hat zwar einen Unfall erlitten, als er beim Gehen über eine hervorstehende Steinplatte stolperte und stürzte, wodurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkte. Dadurch hat er auch einen Gesundheitserstschaden erlitten, nämlich Prellungen im Bereich der Handgelenke und des rechten Knies. Er war zum Unfallzeitpunkt zudem gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes Versicherter in der Gesetzlichen Unfallversicherung, weil er als Fondsmanager aufgrund seines Arbeitsvertrages nichtselbstständige Arbeit für den Unternehmer verrichtete und deshalb zum Kreis der originär Beschäftigten § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zählte. Die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfallereignisses - das Gehen - stand allerdings nicht in einem sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit als Fondsmanager.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt hat; es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, sog. innerer/sachlicher Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher nach den gesetzlichen Vorgaben der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Maßgeblich hierfür ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird, sog. objektivierte Handlungstendenz (BSG, Urteil vom 27. November 2018 - B 2 U 7/17 R -, juris, Rn. 11).
Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls und damit auch für den sachlichen Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, mithin auch für das Vorliegen einer betriebsdienlichen Verrichtung, trägt der Kläger (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 R -, juris, Rn. 25).
Die Tätigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt war nicht aufgrund arbeitsvertraglicher Pflichten betriebsdienlich (1), sondern prinzipiell eine eigenwirtschaftliche Verrichtung (2), die auch nicht ausnahmsweise unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung stand (3).
(1) Eine Betriebsdienlichkeit des Spazierengehens aufgrund arbeitsvertraglicher Pflichten des Klägers liegt nicht vor.
Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter liegt vor, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu angesetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG, Urteil vom 5. Juli 2017 - B 2 U 5/15 R -, juris, Rn. 17).
Das Spazierengehen gehört nicht zu der sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Hauptpflicht des Klägers. Er hat dadurch auch keine Nebenpflicht erfüllt, unabhängig davon, ob der Spaziergang notwendig war, die Arbeitsfähigkeit aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Denn eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung (oder Wiederherstellung) der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen besteht prinzipiell nicht (BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 5/15 R - juris, Rn. 18). Der Kläger hat auch keine objektiv nicht geschuldete Handlung vorgenommen in der vertretbaren, aber irrigen Annahme, damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen.
(2) Die vom Kläger zur Zeit des Unfallereignisses vorgenommene Verrichtung war prinzipiell privatnütziger (eigenwirtschaftlicher) Natur.
Zu den privatnützigen Verrichtungen gehören prinzipiell alle Tätigkeiten, die jeder Mensch unabhängig von versicherter Tätigkeit ausübt, wie etwa ruhen, schlafen, joggen, schwimmen, fernsehen, einkaufen, essen, trinken, rauchen oder Verrichtung der Notdurft. Sie sind auch dann unversichert, wenn sie in den räumlichen Grenzen des Betriebes vorgenommen werden oder sich an einer Betriebseinrichtung ereignen. Einen sogenannten Betriebsbann, d. h. die Erfassung aller Unfälle, die sich in einem Betrieb ereignen, gleichviel, ob sie durch eine Verrichtung verursacht sind, also im inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit stehen, gibt es (gemäß § 10 SGB VII) in der gesetzliche Unfallversicherung nur in der See- und Binnenschifffahrt (BSG, Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R -, juris). Daher stehen auch nicht alle Wege eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und/oder auf der Arbeitsstätte unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung, sondern nur solche Wege, bei denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges gegeben ist, weil der Weg durch die Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt ist (BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 5/15 R –, juris, Rn. 25). Auch während einer Arbeitspause besteht Versicherungsschutz nur für Verrichtungen, die - obschon der Versicherte sich in der Pause befindet - gleichwohl dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 - B 2 U 30/00 R -, juris).
Ein Spaziergang in der Arbeitspause ist mithin grundsätzlich dem privaten und damit unversicherten Lebensbereich zuzuordnen, weil hiermit in gleicher Weise wie durch Essen und Trinken Grundbedürfnisse gestillt werden, die ein jeder Mensch unabhängig davon hat, ob er einer versicherten Tätigkeit nachgeht oder nicht (Wagner, in: jurisPK-SGB VII, § 8 Rn. 68, Stand: 31. Mai 2019).
(3) Es liegt auch keine Konstellation vor, in der ausnahmsweise eine an sich unversicherte eigenwirtschaftliche Verrichtung unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung steht.
(a) Ein Versicherungsschutz ergibt sich zunächst nicht aus einer besonderen Betriebsgefahr.
Verunglückt ein Betriebsangehöriger, weil eine besondere Betriebsgefahr während einer privaten Verrichtung auf ihn einwirkt, besteht unabhängig der für diesen Moment festzustellenden Handlungstendenz Versicherungsschutz, da die Gesetzliche Unfallversicherung den Zweck hat, Beschäftigte gegen Gefahren zu versichern, denen sie wegen ihrer Beschäftigung dort ausgesetzt sind, und gleichzeitig den Unternehmer von möglichen Schadensersatzansprüchen ihrer Beschäftigten freizustellen (BSG, Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R -, juris, Rn. 25). Die vorstehende Bodenplatte ist aber keine besondere Betriebsgefahr in diesem Sinne. Wesentliche Ursache des Unfalles war zudem die Unachtsamkeit des Klägers, der seinen Blick statt auf den Boden zu seinen Kollegen gerichtet hatte. Dahinstehen kann deshalb, ob der Bereich, in dem die Platte lag, überhaupt noch zur Betriebsstätte gehört.
(b) Der Spaziergang war auch nicht ausnahmsweise aufgrund der objektivierten Handlungstendenz des Klägers betriebsdienlich. Es kann daher dahinstehen, ob für den Fall, dass eine betriebsdienliche Verrichtung vorliegen würde, der von dem Kläger zurückgelegte Weg ein Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 SGB VII oder ein Weg nach § 8 Abs. 2. Nr. 1 SGB VII wäre, was im Wesentlichen davon abhängt, ob sich der Unfall innerhalb oder außerhalb des Betriebsgeländes ereignet hat.
(aa) Verunglückt ein Versicherter während einer Pause (Arbeitsunterbrechung) infolge einer Tätigkeit, die er während der Pause ausübt, besteht der innere Zusammenhang nur, wenn diese Tätigkeit dem Betrieb zu dienen bestimmt war (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 - B 2 U 30/00 R -, juris, Rn. 16). Ein Spaziergang während einer Arbeitspause steht mit der versicherten Tätigkeit nur dann in innerem Zusammenhang, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für eine weitere betriebliche Betätigung erforderlich ist (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 - B 2 U 30/00 R -, juris, Rn. 17). Nur wenn der Versicherte aufgrund besonderer Belastungen durch die bisher verrichtete betriebliche Tätigkeit zur Durchführung des Spaziergangs veranlasst war, um sich zu erholen und seine Arbeitsfähigkeit für die nachfolgende betriebliche Tätigkeit wiederherzustellen oder jedenfalls zu erhalten, kann ein solcher innerer Zusammenhang angenommen werden (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 - B 2 U 30/00 R -, juris, Rn. 17). Das allgemeine Interesse des Unternehmers daran, dass Arbeitspausen in vernünftiger Weise zur Erholung und Entspannung verwendet werden, damit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erhalten bleibt, reicht nicht aus, um den inneren Zusammenhang zwischen der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit und dem Verhalten in der Pause zu begründen; ein innerer Zusammenhang ist nur anzunehmen, wenn die bisherige betriebliche Tätigkeit als wesentliche Ursache eine besondere Ermüdung des Versicherten verursacht hat, die ohne die betriebliche Tätigkeit gar nicht oder erst später aufgetreten wäre (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 - B 2 U 30/00 R -, juris, Rn. 17).
Eine derartige Ausnahmesituation lag vor dem Spaziergang des Klägers nicht vor, denn dieser war zuvor keinen besonderen betrieblichen Belastungen ausgesetzt gewesen. Der Kläger hat seine Arbeitstätigkeit erst um 11:15 Uhr begonnen und hatte zu diesem Zeitpunkt eine Autofahrt von ca. einer Stunde hinter sich. Die Tätigkeiten, die er bis zum Unfallzeitpunkt ausgeübt hat, sind im Vergleich zu den üblichen Tätigkeiten des Klägers nicht besonders belastend gewesen. Der Kläger übte vielmehr im Wesentlichen seit vielen Jahren prinzipiell die gleiche Tätigkeit aus. Besonderheiten an dem Unfalltag oder in der Zeit unmittelbar davor sind nicht ersichtlich. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger seinen Spaziergang zur Erholung und Entspannung durchführte, ohne dass Anlass hierfür eine besondere beruflich bedingte Ausnahmesituation war. Auf eine vermeintlich besondere Belastung hat sich der Kläger erstmals im Klageverfahren berufen. Insbesondere seine schriftliche Stellungnahme im Rahmen der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 28. April 2014, wonach er das Firmengebäude verlassen habe, um „bei strahlendem Sonnenschein etwas herum zu gehen und frische Luft zu schnappen“, bestätigt, dass der Spaziergang dem allgemeinen Bedürfnis der Entspannung und Erholung diente, nicht aber dazu, um eine besondere Belastung auszugleichen.
(bb) Schließlich war auch der Weg des Klägers „zur Pause“ nicht entsprechend den Grundsätzen über versicherte Wege im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme oder der Verrichtung der Notdurft versichert.
Wege, die der Beschäftigte während der Arbeitszeit zum Aufsuchen der Toilettenräume zurücklegt, sind grundsätzlich unfallversichert, weil sie zweifach mit der Betriebstätigkeit verknüpft sind; denn sie dienen zum einen der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Zum anderen handelt es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich an der Arbeitsstätte anwesend zu sein, um dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten (BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 15/15 R -, juris, Rn. 17). Aus den gleichen Gründen steht auch der während einer Arbeitspause zurückgelegte Weg zur Nahrungsaufnahme oder zum Einkauf von Lebensmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung (siehe BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 17/07 R -, juris, Rn. 30).
Diese Grundsätze sind nicht auf den streitgegenständlichen Spaziergang übertragbar. Es fehlt bereits an einer Vergleichbarkeit von Nahrungsaufnahme und Toilettengang einerseits und einem Spaziergang andererseits. Erstere sind (aus biologischen Gründen) bei jedem Menschen zwingend erforderlich, was für einen Spaziergang nicht gilt. Zudem stellt bei einem Spaziergang, unabhängig von der – hier zu verneinenden – Frage, ob er zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit notwendig war, bereits der Weg selbst das Ziel, nämlich die Erholung, dar, so dass eine Abgrenzung zwischen der privatnützigen Verrichtung einerseits und dem versicherten Weg andererseits nicht möglich ist. Eine klare Abgrenzung zwischen betriebsdienlicher und eigenwirtschaftlicher Verrichtung ist aber in der Gesetzlichen Unfallversicherung im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 5 Juli 2016 - B 2 U 5/15 R -, juris, Rn. 21).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
III. Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.