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Arbeitsrecht
12.03.2020
Arbeitsrecht
LAG Hamburg: Twitter-Account der Arbeitgeberin - Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG

LAG Hamburg, Beschluss vom 13.9.2018 – 2 TaBV 5/18

Volltext: BB-ONLINE BBL2020-699-1

Leitsatz

Unterhält die Arbeitgeberin einen Twitter-Account, besteht zumindest aufgrund der Funktionalität "Antwort" ein Mitbestimmungsrecht des (Gesamt-)Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

§ 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG.

Sachverhalt

A.

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats beim Betreiben eines Twitteraccounts durch die Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.) betreibt bundesweit durch verschiedene Tochtergesellschaften in insgesamt 30 Betriebsstätten Lichtspieltheater in Form so genannter Multiplex-Kinos. Die Tochtergesellschaften betreiben weit überwiegend Kinobetriebe. Der Gesamtbetriebsrat (Antragsteller/Beteiligter zu 1.) ist auf Grundlage eines Tarifvertrags gemäß § 3 BetrVG allein für die Kinobetriebe der Tochterunternehmen der Arbeitgeberin gebildet.

Die Arbeitgeberin unterhält auf der Internetplattform Twitter einen Account (@x) mit der Internetseite https://twitter.com/x. Der Account ist keinem Lichtspieltheater zugeordnet und wird unternehmensübergreifend für die Kinobetriebe genutzt. Die Administration der Internetseite erfolgt durch eigene Mitarbeiter der Arbeitgeberin in der Hamburger Zentralverwaltung durch ein sogenanntes Social Media Team.

Über Twitter können angemeldete Nutzer telegrammartige Kurznachrichten bis zu 140 Zeichen Länge verbreiten. Die Nachrichten werden „Tweets“ genannt. Twitter beinhaltet darüber hinaus die Funktionen „Antwort“, „Erwähnung“ und „Retweet“. Diese werden von Twitter wie folgt beschrieben:

„Eine Antwort ist eine Reaktion auf den Tweet einer anderen Person. Du kannst einen Tweet beantworten, indem du in einem Tweet auf das Antwort-Symbol klickst oder tippst. Wenn du jemand anderem antwortest, erhält dieser Tweet den Hinweis „Antwort an...“, wenn er in der Timeline auf deiner Profilseite angezeigt wird. Wenn jemand auf einen deiner Tweets antwortet, siehst du „Antwort an dich“ bzw. „antwortet dir“ über dem Tweet und du erhältst eine Mitteilung auf dem Tab „Mitteilungen“. Wenn zwei Nutzer einander antworten, sehen nur relevante Personen, zum Beispiel solche, die der antwortenden Person oder Person in der Unterhaltung folgen, die Antwort in ihrer Timeline. Wenn du auf eine Antwort in deiner Timeline klickst oder tippst, wird sie erweitert, und es wird der ursprüngliche Tweet angezeigt, auf den sich die Antwort bezieht. Antworten von Personen mit geschützten Tweets sind nur für ihre Follower sichtbar. (...)

Eine Erwähnung ist ein Tweet, der im Tweet-Text den @Nutzernamen einer anderen Person enthält. Wir fassen diese Nachrichten sowie alle deine Antworten in deinem Tab „Mitteilungen“ zusammen. Wenn du mehrere @Nutzernamen in deinen Tweet aufnimmst, können alle diese Personen deinen Tweet in ihrem Tab „Mitteilung“ sehen. Wenn du auf Twitter die Profilseite eines anderen Accounts besuchst, siehst du dort keine Tweets, die ihn erwähnen. Du kannst jedoch Twitter nach Tweets durchsuchen, in denen der @Nutzername erwähnt wird.

Ein Tweet, den du an deine Follower weiterleitest, wird als Retweet bezeichnet. So kannst du ganz einfach Neuigkeiten und interessante Entdeckungen auf Twitter weitergeben. Wenn du dem Tweet einen eigenen Kommentar hinzufügen möchtest, kannst du die Funktion zum Zitieren von Tweets nutzen. Bei Verwendung des Symbols Retweet von Twitter verweist dein Retweet oder zitierter Tweet auf den von dir geteilten Tweet. Hinweis: Wenn ein Nutzer auf deinen zitierten Tweet antwortet, wird der Autor des ursprünglichen Tweets der Unterhaltung nicht automatisch hinzugefügt. Wenn du den Autor des ursprünglichen Tweets angeben möchtest, musst du seinen Nutzernamen erwähnen.“

Die Tweets der Arbeitgeberin sind für jedermann, d.h. auch für nicht registrierte Twitter Nutzer, auf der Internetseite https://twitter.com/x sichtbar. Antworten von angemeldeten Twitter-Nutzern auf Tweets der Arbeitgeberin sind für die Arbeitgeberin auf ihrem Account (@x) einsehbar. Sofern es sich nicht um eine geschützte Antwort handelt, ist die Antwort darüber hinaus zumindest für alle Twitter-Nutzer mit eigenem Twitter-Account sichtbar, wobei zwischen den Beteiligten die Art der Darstellung streitig ist. Unstreitig kann die Arbeitgeberin Antworten, die sie auf ihre Tweets erhält, nicht löschen. Diese Möglichkeit hat nur Twitter, sofern die Antwort gegen die Regularien von Twitter verstößt, weil sie z.B. strafbare Äußerungen beinhaltet.

Die Funktionen “Antwort“, „Erwähnung“ und „Retweet“ können von den Nutzern nicht separat aktiviert oder deaktiviert werden.

Auf ihrer Internetseite (https:// x.com/de/unternehmen/social-media.html) führt die Arbeitgeberin zur Nutzung von sozialen Netzwerken in ihren Unternehmen u.a. Folgendes aus:

„(...) Social Media ist für x eine großartige Möglichkeit, um aktiv den Kontakt zu seinen Gästen zu suchen. Die Vielfalt digitaler Medien und Technologien ermöglicht es unseren Gästen, sich untereinander auszutauschen, aber auch uns, sich mit ihnen zu vernetzen. x stellt sich der Verantwortung und schafft mehr Transparenz und Offenheit gegenüber den Kinobesuchern von heute. Wir suchen den offenen Meinungsaustausch und möchten uns mit unserem jungen und dynamischen Online-Team nach außen hin präsentieren. (...)“

Speziell zu Twitter schreibt sie:

„(...) Twitter bietet x eine direkte und unkomplizierte Möglichkeit, mit Followern in Kontakt zu treten, Fragen zu beantworten und Sympathien zu wecken. / Professionelle Tools, geschulte und motivierte Mitarbeiter und das Gefühl, mit den Nachrichten etwas bewegen zu können – das ist es, was Twitter für uns ausmacht. Sie möchten x auf Twitter folgen? Wir freuen uns auf Sie.“

Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 (1 ABR 7/15) zur betrieblichen Mitbestimmung bei Facebook fasste der Gesamtbetriebsrat in seiner Sitzung am 06./07. Januar 2017 den Beschluss, das vorliegende Beschlussverfahren wegen der Deaktivierung des sozialen Netzwerkes „Twitter“ einzuleiten und beauftragte zugleich seinen Verfahrensbevollmächtigten mit der Durchführung des Beschlussverfahrens. Die Arbeitgeberin lehnt eine Deaktivierung von Twitter ab.

Der Gesamtbetriebsrat hat vorgetragen, unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 (1 ABR 7/15) unterliege auch die Nutzung der Twitter-Seite durch die Arbeitgeberin der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats. Die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei analog auf die Nutzung von Twitter anzuwenden.

Bei der von der Arbeitgeberin betriebenen Twitter-Seite mit den dort eröffneten Funktionen “Antwort“, „Retweet“ und „Erwähnung“ handele es sich um eine technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, die zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer bestimmt sei. Dieses Mitbestimmungsrecht habe die Arbeitgeberin verletzt.

Die genannten Funktionen ermöglichten es den Nutzern von Twitter, Postings zum Verhalten und zur Leistung der bei den Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer auf der Seite der Arbeitgeberin einzustellen. Je nach dem Inhalt dieser Beiträge könnten die Beiträge namentlich oder situationsbedingt bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden. Solche Beiträge könnten in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingreifen. Es entstehe ein ständiger Überwachungsdruck. Die Twitter-Seite sei damit zur Überwachung bestimmt.

Es könne auch keine Rolle spielen, ob Postings direkt auf der von der Arbeitgeberin betriebenen Seite eingestellt werden oder über einen recht einfachen Umweg auffindbar seien.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,

1. der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) es bis zu einer abweichenden Vereinbarung mit dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) oder der Entscheidung einer, die Zustimmung des Antragstellers ersetzenden Einigungsstelle zu untersagen, bei der Internetplattform Twitter die Veröffentlichung der Seite https://twitter.com/x aufrecht zu erhalten;

2. hilfsweise, der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) es bis zu einer abweichenden Vereinbarung mit dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) oder Entscheidung einer, die Zustimmung des Antragstellers ersetzenden Einigungsstelle zu untersagen, den Nutzern der Internetplattform Twitter die Seite https://twitter.com/x zur Übermittlung von Informationen in Form von „Antworten“ auf Tweets der Antragsgegnerin zur Verfügung zu stellen;

3. weiter hilfsweise, der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) es bis zu einer abweichenden Vereinbarung mit dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) oder Entscheidung einer, die Zustimmung des Antragstellers ersetzenden Einigungsstelle zu untersagen, den Nutzern der Internetplattform Twitter die Seite https://twitter.com/x zur Übermittlung von Informationen in Form von „Retweets“ zu Tweets der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) zur Verfügung zu stellen;

4. weiter hilfsweise, der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) es bis zu einer abweichenden Vereinbarung mit dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) oder Entscheidung einer, die Zustimmung des Antragstellers ersetzenden Einigungsstelle zu untersagen, den Nutzern der Internetplattform Twitter die Seite https://twitter.com/x zur Übermittlung von Informationen in Form von „Erwähnungen“ der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) zur Verfügung zu stellen;

5. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 € anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, dem Gesamtbetriebsrat stehe der begehrte Unterlassungsanspruch nicht zu. Die Veröffentlichungen auf der Internetplattform Twitter seien nicht mitbestimmungspflichtig.

Twitter unterscheide sich in seinen Funktionsweisen von Facebook und anderen Social-Media-Plattformen in einem wesentlichen Punkt: Die Nutzer setzten nur eigene Nachrichten („Tweets“) ab und richteten diese an andere Personen. Twitter beinhalte daher stets nur eigene Beiträge der Nutzer von ihren jeweiligen Accounts. Sie, die Arbeitgeberin, schreibe („twittere“) über interessante Angebote, neue Kinofilme usw. Was Nutzer hingegen über ihre Unternehmen twitterten, könne von ihr nicht beeinflusst werden, da dies nicht „auf“ der eigenen Twitter-Seite von Cinemaxx geschehe, sondern bei den einzelnen Nutzern. Sie habe damit keine Möglichkeit, Nutzern das Twittern über oder an sie zu untersagen oder dies technisch zu unterbinden. Lediglich das Löschen ihres eigenen Twitter-Auftritts wäre eine Möglichkeit, keinerlei Nachrichten mehr über diesen Social-Media-Dienst zu erhalten.

Das Betreiben der Unternehmenspräsenz auf dem sozialen Netzwerk Twitter stelle damit keine technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar, die dazu bestimmt sei, das Verhalten und die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen. Hierfür geeignete Funktionen halte die Internetseite Twitter nicht bereit. Auch die Ermöglichung der Übermittlung von Informationen durch die Funktionen „Antwort“, „Retweet“ und „Erwähnung“ seien nicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

Die vom Betriebsrat in Bezug genommene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 (Az. 1 ABR 7/15) sei wegen der erheblichen Unterschiede zwischen den Funktionsweisen von Facebook und Twitter nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 06. Dezember 2017 (28 BV 6/17, Bl. 110 ff. d.A.) die Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hauptantrag sei unbegründet, weil die von der Arbeitgeberin genutzte Twitter-Seite keine technische Einrichtung iSd § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 13. Dezember 2016 (1 ABR 7/15) könne ein Unterlassungsanspruch bezogen auf den Betrieb der Seite nur bestehen, wenn sämtliche Funktionen der Twitter-Seite aufgrund der derzeit zur Verfügung stehenden Auswertungsmöglichkeiten es der Arbeitgeberin ermöglichen würden, das Verhalten und die Leistung von Beschäftigten zu überwachen. Dies sei bei Twitter nicht der Fall.

Auch der Umstand, dass es bei Twitter – anders als bei Facebook – nicht möglich sei, einzelne Funktionen zu deaktivieren, führe nicht zum Erfolg des Hauptantrags. Die Nutzung der vom Gesamtbetriebsrat beanstandeten Funktionen „Antwort“, „Retweet“ und „Erwähnung“ ermögliche es nicht, Postings zum Verhalten und zur Leistung von Arbeitnehmern auf der Seite der Arbeitgeberin einzustellen. Hierin unterscheide sich Twitter von Facebook. Etwaige Kommentare der Twitter-Nutzer würden nicht auf der Seite der Arbeitgeberin gespeichert; die Kommentare verblieben vielmehr auf den jeweiligen Seiten bzw. Accounts der Kommentierenden. Die Arbeitgeberin stelle damit keine Plattform zur Verfügung, auf welcher Kommentare eingestellt werden können. Auch wenn sie durch den Betrieb ihres Twitter-Accounts dazu motiviere, Kommentare abzugeben, so geschehe dies jedenfalls nicht auf der von ihr selbst betriebenen Seite.

Die Kommentare der Twitter-Nutzer befänden sich letztlich nicht in der Sphäre der Arbeitgeberin; deshalb sei auch unerheblich, dass sie aufgrund einer Suche auf anderen Accounts als demjenigen der Arbeitgeberin auffindbar seien. Auf der öffentlichen Seite der Arbeitgeberin werde ein solcher Kommentar nicht eingestellt; der Kommentar sei nur für die Personen sichtbar, die den Kommentierenden abonniert haben.

Die hilfsweise gestellten Anträge zu 2. bis 4. seien unbegründet, weil sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet seien. Unstreitig könne die Arbeitgeberin die genannten Funktionen nicht isoliert deaktivieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des genannten Beschlusses Bezug genommen.

Der Beschluss wurde dem Gesamtbetriebsrat am 05. Februar 2018 zugestellt. Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist am 05. März 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Mit einem am 05. April 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Gesamtbetriebsrat die Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Auf diesen Antrag hin ist die Beschwerdebegründungsfrist bis zum 05. Mai 2018 verlängert worden. Die Beschwerdebegründung ist am Montag, den 07. Mai 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Gesamtbetriebsrat trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, das Arbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2016 (1 ABR 7/15) ausdrücklich entschieden habe, dass es sich bei der von der Arbeitgeberin betriebenen Facebook-Seite mit der Möglichkeit, Besucher-Beiträge einzustellen, um eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handele. Deshalb sei die Entscheidung auch auf die Nutzung der Twitter-Seite übertragbar. Darüber hinaus führe das Arbeitsgericht fälschlicherweise aus, dass die Postings der Nutzer nicht auf dem Account der Arbeitgeberin abgegeben und gespeichert würden. Dies sei falsch. Letztlich komme es aber darauf an, dass es sich bei der Seite „https://twitter.com/x“ und bei dem Nutzernamen „@x“ um

 „den offizielle(n) Kanal der x Kinos in Deutschland“

handele – dies ergebe sich aus dem unstreitigen Inhalt des in der Beschwerdebegründung auf Seite 4 (Bl. 151 d.A.) aufgeführten Screenshots der genannten Seite. Die Arbeitgeberin stelle daher die Grundlage zur Verfügung, dass es überhaupt zurechenbare Beiträge gebe. Dass sich die Beiträge bzw. Kommentare auf Tweets der Arbeitgeberin in deren Sphäre befänden, werde durch die Screenshots (Seite 5, 6 der Beschwerdebegründung, Bl. 152, 153 d.A.) belegt. Die Antworten auf Tweets der Arbeitgeberin seien sogar für Twitter Nutzer ohne eigenen Twitter-Account sichtbar. Der Screenshot auf Seite 11 ihrer Beschwerdebegründung (Bl. 158 d.A.) zeige ein Beispiel, wie es zu einer Verhaltens- und Leistungskontrolle kommen könne.

Der Gesamtbetriebsrat hat in der mündlichen Anhörung der Beteiligten vor der Kammer am 18. Juli 2018 klargestellt, dass es ihm mit seinem Hauptantrag um die Löschung des Twitter-Accounts der Arbeitsgeberin geht. Er beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 06. Dezember 2017, zugestellt am 05. Februar 2017 zum Az. 28 BV 6/17

1. die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2. zu verpflichten, es zu unterlassen, bei der Internetplattform Twitter die Veröffentlichung der Seite https://twitter.com/x aufrechtzuerhalten, solange nicht die Zustimmung des Antragstellers und Beteiligten zu 1. oder eine die Zustimmung ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle vorliegt;

2. hilfsweise, der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) es bis zu einer abweichenden Vereinbarung mit dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) oder Entscheidung einer, die Zustimmung des Antragstellers ersetzenden Einigungsstelle zu untersagen, den Nutzern der Internetplattform Twitter die Seite https://twitter.com/x zur Übermittlung von Informationen in Form von „Antworten“ auf Tweets der Antragsgegnerin zur Verfügung zu stellen;

3. weiter hilfsweise, der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) es bis zu einer abweichenden Vereinbarung mit dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) oder Entscheidung einer, die Zustimmung des Antragstellers ersetzenden Einigungsstelle zu untersagen, den Nutzern der Internetplattform Twitter die Seite https://twitter.com/x zur Übermittlung von Informationen in Form von „Retweets“ zu Tweets der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) zur Verfügung zu stellen;

4. weiter hilfsweise, der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) es bis zu einer abweichenden Vereinbarung mit dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) oder Entscheidung einer, die Zustimmung des Antragstellers ersetzenden Einigungsstelle zu untersagen, den Nutzern der Internetplattform Twitter die Seite https://twitter.com/x zur Übermittlung von Informationen in Form von „Erwähnungen“ der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) zur Verfügung zu stellen;

5. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 € anzudrohen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt zur Begründung vor, das Arbeitsgericht habe zu Recht festgestellt, dass Twitter im Gegensatz zu Facebook es nicht ermögliche, Kommentare auf einer Seite der Arbeitgeberin einzustellen. Auch Beiträge mit der Bezeichnung „@x“ würden nicht auf der Seite der Arbeitgeberin gespeichert, sondern nur auf den Accounts der jeweiligen Verfasser. Hinsichtlich der vom Gesamtbetriebsrat erwähnten Suchfunktion von Twitter sei zu berücksichtigen, dass mit Hilfe dieser Funktion völlig unabhängig von einem Twitter-Account der Arbeitgeberin Kommentare über ihre Unternehmen und deren Arbeitnehmer auffindbar seien.

Die Darstellungsweise der Tweets ausweislich der vom Gesamtbetriebsrat vorgelegten Screenshots (Seite 5, 6 der Beschwerdebegründung, Bl. 152, 153 d.A.) entspreche nach ihrer Kenntnis nicht mehr der aktuellen Darstellungsweise. Antworten von Twitter-Nutzern auf ihre Tweets seien für andere Twitter-Nutzer erst sichtbar, wenn sie auf den Nutzernamen („@Nutzername“) des Antwortenden klickten. Dieser Umstand belege umso mehr, dass es sich nicht um in ihrer Sphäre bzw. auf ihrer Seite befindliche Antworten handele.

Auch ohne einen eigenen Account „@x“ könnten Twitter-Nutzer jederzeit über ihre Unternehmen und ihre Arbeitnehmer Nachrichten verfassen („twittern“); diese Posts seien über die Verknüpfung „#x“ und die Suchfunktion bei Twitter für jedermann einsehbar.

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf die Beschwerdebegründung vom 07. Mai 2018 (Bl. 148 ff. d.A.) und auf die Beschwerdebeantwortung vom 08. Juni 2018 (Bl. 177 ff. d.A.) verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Beteiligten und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG).

Aus den Gründen

B.

Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats hat überwiegend Erfolg. Sie ist zulässig und – mit Ausnahme der Höhe des anzudrohenden Ordnungsgeldes (Antrag zu Ziffer 5.) - auch begründet.

I.

An dem Verfahren waren lediglich der antragstellende Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin zu beteiligen – eine Beteiligung der örtlichen Betriebsräte war ebenso wenig erforderlich wie eine Beteiligung der kinobetreibenden Tochterunternehmen der Arbeitgeberin.

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Das ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist. Eine unmittelbare Betroffenheit der anderen in einem Konzern bestehenden Arbeitnehmervertretungen scheidet aus, wenn es um die Mitbestimmung an einer Entscheidung des Arbeitgebers geht, die denknotwendig oberhalb der Ebene der einzelnen Betriebe und Unternehmen getroffen wird (BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 -, juris, Rn. 13 m.w.N.).

2. Die vom Gesamtbetriebsrat begehrte Entscheidung berührt nach diesen Grundsätzen nicht die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der örtlichen Betriebsräte. Die Entscheidung über die Einrichtung und die Nutzung des Twitteraccounts („@x“) hat die Arbeitgeberin als konzernweite Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings getroffen. Der Twitter-Account wird ausschließlich von der Arbeitgeberin betrieben und von ihrem Social-Media-Team für ihre Tochter-/ Kinounternehmen betreut. Damit handelt es sich um eine Maßnahme, die sämtliche Kinounternehmen einheitlich betrifft und daher weder durch die örtlichen Betriebsräte noch durch die einzelnen Kinounternehmen geregelt werden kann.

II.

Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG statthaft. Sie ist auch zulässig, da sie gemäß §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG iVm. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist. Die Antragsbefugnis und Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers ergibt sich aus dem Tarifvertrag i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, auf dessen Grundlage der Gesamtbetriebsrat – abweichend von den Strukturen des BetrVG - unternehmensübergreifend für sämtliche Kinounternehmen errichtet worden ist. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Bildung des Gesamtbetriebsrats sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.

III.

Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist weitgehend begründet, weil der Antrag zu Ziffer 1 vollumfänglich begründet ist; der Antrag zu Ziffer 5 ist mit Ausnahme der Höhe des anzudrohenden Ordnungsgeldes ebenfalls begründet. Die nur hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. gestellten Anträge zu Ziff. 2 bis 4. fielen daher nicht zur Entscheidung an.

1. Der Antrag zu Ziff. 1. ist zulässig und begründet.

a. Mit dem Antrag zu Ziffer 1. begehrt der Gesamtbetriebsrat eine Unterlassungsverpflichtung von der Arbeitgeberin (§ 890 Abs. 1 ZPO). Er will erreichen, dass die Arbeitgeberin es unterlässt, die Seite https://twitter.com/x weiter zu betreiben, solange nicht seine Zustimmung oder eine die Zustimmung ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle vorliegt. Ein Unterlassen iSd § 890 Abs. 1 ZPO liegt auch vor, wenn ein aktives Verhalten erforderlich ist, damit der Schuldner seiner Pflicht, etwas zu unterlassen, nachkommen kann (BAG vom 13. Dezember 2016, aaO, Rn. 17). Die Arbeitgeberin soll der Unterlassungsverpflichtung nachkommen, indem sie ihren Twitter-Account („@x“) löscht – dieses Antragsverständnis haben die Beteiligten in der Anhörung vor der Kammer bestätigt. Mit der Löschung des Accounts besteht auch die o.a. Seite nicht mehr. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin kann erkennen, welches Verhalten von ihr verlangt wird.

b. Der Anspruch des Betriebsrats folgt aus § 87 Abs. 1 BetrVG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, steht dem Betriebsrat bei einer Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu. Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (vgl. zuletzt BAG, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 1 ABR 53/16 –, juris, Rn. 18). Der Unterlassungsanspruch beinhaltet auch die Verpflichtung, die zur Umsetzung der Unterlassungsverpflichtung oder zur Beseitigung des mitbestimmungswidrigen Zustands erforderlichen Handlungen vorzunehmen (BAG, Beschluss vom 16. Juni 1998 – 1 ABR 68/97 –, juris, Rn. 33).

aa. Die Arbeitgeberin hat das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verletzt, indem sie für ihre Kinobetriebe einen Twitter-Account „@x“ eingerichtet hat und nutzt.

bb. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind. Die auf technischem Wege erfolgende Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung oder der Durchführung des Arbeitsverhältnisses bergen die Gefahr in sich, dass sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden, die anonym personen- oder leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert, verknüpft und sichtbar macht. Den davon ausgehenden Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts von Arbeitnehmern soll das Mitbestimmungsrecht entgegenwirken. „Überwachung“ im Sinne des Mitbestimmungsrechts ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können (BAG, Beschluss vom 19. Dezember 2017 – 1 ABR 32/16 –, juris, Rn. 15).

cc. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist Twitter mit seinen vorgegebenen Funktionen eine technische Einrichtung iSd § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Arbeitgeberin nutzt mit den bei ihr vorhandenen EDV-Einrichtungen eine von Twitter Inc. bereitgestellte webbasierte Software. Durch die Eröffnung und die Nutzung eines Accounts für die Seite https://twitter.com/x hat sie die technische Einrichtung eingeführt und wendet sie an.

 (1) Twitter beinhaltet nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten die Funktion „Antwort“, die, anders als die Funktion „Besucher-Beiträge“ bei Facebook, von den Nutzern nicht deaktiviert werden kann. Die Funktion „Antwort“ ermöglicht den Twitter-Nutzern, auf die Tweets der Arbeitgeberin Antworten zum Verhalten und zur Leistung der Arbeitnehmer auf Twitter einzustellen. Diese Antworten sind sowohl für die Arbeitgeberin als auch für registrierte Twitter-Nutzer sichtbar. Ob die Antworten auch für nicht-registrierte bzw. angemeldete Twitter-Nutzer in der Darstellung ausweislich der Screenshots auf den Seiten 5, 6 der Beschwerdebegründung (Bl. 152, 153 d.A.) einsehbar sind, indem der Nutzer auf einen bereits beantworteten Tweet der Arbeitgeberin klickt, kann dahin gestellt bleiben. Denn auch wenn die Antworten auf die Tweets der Arbeitgeberin nur für registrierte Nutzer und nur nach Betätigen des Links des Antwortenden (@Antwortenden) einsehbar wären, wäre eine Mitbestimmungspflicht nach den vorstehenden Grundsätzen gegeben. Je nach dem Inhalt der Antwort kann die Arbeitgeberin diese namentlich oder situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zuordnen und zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwenden, sofern die Nachricht entsprechende Aussagen beinhaltet.

 (2) Der Umstand, dass es sich dabei um Antworten auf Tweets der Arbeitgeberin handelt, mithin um „reaktiv“ abgegebene Beiträge (vgl. Fitting, BetrVG, 29. Auflage 2018, § 87 Rn. 223a für die Kommentar-Funktion bei Facebook) rechtfertigt keine andere Bewertung. Das Mitbestimmungsrecht setzt nicht voraus, dass die technische Einrichtung auf die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der Arbeitnehmer ausgerichtet ist oder dass der Arbeitgeber eine solche beabsichtigt (Wiese/Gutzeit in Wiese, Gemeinschaftskommentar BetrVG, Bd. II, 2018, § 87 Rn. 532 f; Klebe in Däubler, BetrVG, 16. Auflage 2018, § 87 Rn. 185, jeweils m.w.N.). Überwachung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist bereits das Sammeln von Daten, die Aussagen zum Verhalten und zur Leistung von Arbeitnehmern beinhalten. Ob die Arbeitgeberin eine Auswertung und weitere Verarbeitung dieser Daten beabsichtigt, ist unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Daten eine vernünftige und abschließende Beurteilung des Verhaltens und der Leistung der Arbeitnehmer erlauben. Es genügt, dass ein Tweet bzw. eine Antwort in Verbindung mit weiteren gewonnenen Erkenntnissen eine Beurteilung ermöglicht (so BAG vom 13. Dezember 2016, aaO, Rn. 40 für die Funktion „Besucher-Beiträge“ auf Facebook). Demgemäß ist es weder erforderlich, dass die Arbeitgeberin selbst Beiträge über Arbeitnehmer verfasst, noch dass sie Twitter-Nutzer explizit auffordert, Tweets zum Verhalten und zur Leistung von Beschäftigten an sie zu richten.

 (3) Twitter ist zumindest aufgrund der Funktion „Antwort“ eine technische Einrichtung, die dazu geeignet ist, Daten über das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu sammeln. Die Arbeitgeberin nutzt Twitter – genauso wie Facebook und andere Social-Media-Plattformen - nicht nur, um sich nach außen zu präsentieren, sondern auch um einen „offenen Meinungsaustausch“ mit ihren Kunden zu erreichen. Speziell zu Twitter wirbt sie auf ihrer Homepage damit, dass

 „(...) Twitter [...]x eine direkte und unkomplizierte Möglichkeit [bietet], mit Followern in Kontakt zu treten, Fragen zu beantworten und Sympathien zu wecken.“

Dass Twitter in diesem Sinne auch genutzt wird, belegt der beispielhaft vom Gesamtbetriebsrat auf Seite 11 der Beschwerdebegründung vorgelegte Tweet eines Nutzers mit der Bitte, dass im Kino das Licht ausgemacht wird, weil der Film bereits angelaufen ist. In diesem Sinne wäre es auch denkbar, dass Twitter-Nutzer auf Tweets der Arbeitgeberin zu neuen Filmen antworten und sich nicht nur über den Film, sondern auch über den Service bzw. bestimmte Mitarbeiter äußern. Der Arbeitgeberin ist zwar zuzugestehen, dass Twitter-Nutzer unabhängig vom Account der Arbeitgeberin und der Twitter-Seite https://twitter.com/x über die Kinounternehmen und die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer Tweets verbreiten können, die von jedermann einsehbar und über die Suchfunktion bzw. die Verknüpfung mit „#x“ auch gezielt auffindbar sind. Mit der Nutzung eines eigenen Twitteraccounts als Kommunikationsmittel bietet die Arbeitgeberin ihren Kunden jedoch gezielt eine Plattform, sich über ihre Unternehmen und ihre Mitarbeiter ihr gegenüber öffentlich zu äußern.

 (4) Dass die Antworten auf die Tweets der Arbeitgeberin „auf den Accounts der Antwortenden verbleiben“ und von der Arbeitgeberin nicht gelöscht werden können, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet insoweit keine einschränkende Auslegung.

 (a) § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dient – wie bereits ausgeführt – dem Schutz des Persönlichkeitsrechts vor Beeinträchtigungen durch technische Überwachungseinrichtungen (BAG vom 19. Dezember 2017, aaO, Rn.15). Das Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten gegenüber Dritten und in der Öffentlichkeit zu bestimmen (BAG vom 13. Dezember 2016, aaO, Rn. 39 mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 – Rn. 37).

(b) Nach dieser Maßgabe ist der Speicherort für die Frage des Schutzzwecks unerheblich; maßgeblich ist vielmehr die Frage, für wen die Nachrichten einsehbar sind. Durch arbeitnehmerbezogene, an die Arbeitgeberin gerichtete Tweets und deren Veröffentlichung auf Twitter werden die Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Sie müssen jederzeit damit rechnen, dass Twitter-Nutzer den Twitter-Account bzw. Tweets der Arbeitgeberin nutzen, um die Arbeitgeberin mit Hilfe der Funktion „Antwort“ über das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu informieren. Unabhängig von der Darstellungsart sind diese Antworten nicht nur der Arbeitgeberin, sondern zumindest auch den registrierten Twitter-Nutzern und damit einer unbestimmten Anzahl von Personen zugänglich. Dass die Antworten von der Arbeitgeberin – anders als Besucher-Beiträge bei Facebook – nicht gelöscht werden könne – erhöht eher noch den Überwachungsdruck und die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Mitarbeiter. Selbst wenn eine Antwort auf einen Tweet der Arbeitgeberin beispielsweise einen Unterschlagungs- oder Betrugsvorwurf beim Kassier Vorgang oder eine sonstige ehrkränkende Äußerung über einen Mitarbeiter enthält, kann die Arbeitgeberin die Antwort nicht sofort selbst löschen, sondern muss sich erst an Twitter Inc. wenden in der Hoffnung, dass Twitter Inc. ihren Löschungsantrag umgehend bearbeitet. Bis zur Löschung können zumindest alle Twitter-Nutzer mit eigenem Account, die der Unterhaltung des Antwortenden oder von „@x“ folgen, mit weiteren Tweets sich an der Unterhaltung über den Mitarbeiter beteiligen. Auf diese Weise kann sich mitunter eine einen einzelnen Mitarbeiter betreffende Antwort exponentiell in der Öffentlichkeit verbreiten. Twitter ist als Kurznachrichtendienst durch die Verknüpfung mit den Symbolen „@“ und „#“ gerade auch darauf ausgerichtet, Nachrichten (Tweets) schnell und unkompliziert zu verbreiten und auffindbar zu machen.

 (5) Ob und inwieweit die Funktionen „Erwähnung“ und „Retweet“ Überwachungsmöglichkeiten iSd § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG begründen, kann dahingestellt bleiben. Die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung, ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung von Twitter in Gänze bestehe nicht, weil nicht sämtliche Funktionen es der Arbeitgeberin ermöglichten, aufgrund der derzeit zur Verfügung stehenden Auswertungsmöglichkeiten das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen, teilt die Kammer nicht. Diese Auffassung findet auch in der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 (1 ABR 7/15) keine Stütze. Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung eine Mitbestimmungspflicht hinsichtlich Facebook mit seinen vorgegebenen Funktionen aufgrund der derzeitigen Auswertungsmöglichkeiten verneint. In Bezug auf die optional nutzbare Funktion „Besucher-Beiträge“ hat es demgegenüber eine Mitbestimmungspflicht und damit einhergehend einen Unterlassungsanspruch – ungeachtet einer technischen Auswertungsmöglichkeit - bejaht. Wenn – wie im Streitfall – die technische Einrichtung eine zur Überwachung iSd § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geeignete Funktion enthält, die vom Nutzer nicht deaktiviert werden kann, gebietet der Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eine Erstreckung des Mitbestimmungsrechts auf die technische Einrichtung in Gänze. Dass sich die Nutzungsbedingungen, und damit auch die Möglichkeit der Deaktivierung einzelner Funktionen ändern können, wenn Twitter Inc. eine Änderung vornimmt, ist rechtlich unbeachtlich. Eine Mitbestimmungspflicht kann derzeit nicht allein deshalb verneint werden, weil Twitter Inc. eventuell zukünftig Änderungen an Twitter vornehmen wird.

 (6) Für die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist es auch nicht erforderlich, dass die Daten über das Verhalten und die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers durch die technische Einrichtung selbst und automatisch erhoben oder ausgewertet werden. Vielmehr genügt es, dass die Daten aufgrund der Funktion „Antwort“ manuell eingegeben und mittels der von Twitter eingesetzten Software einer dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzten Zugriffs- und Verbreitungsmöglichkeit zugeführt werden. Sie sind deshalb nicht mit einem an die Arbeitgeberin gerichteten Beschwerdebrief vergleichbar (für Facebook: BAG vom 13. Dezember 2016, aaO., Rn. 41; ebenso: Klebe in Däubler, BetrVG, 16. Auflage 2018, § 87 Rn. 198; Ricardi/Maschmann in Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 87, Rn. 495; Ley, Anm. zu BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016, BB 2017, 1216; ablehnend: Worzalla in Hess, BetrVG, 10. Aufl. 2018, § 87 Rn. 360; Wisskirchen, Die Digitalisierung – eine technische Herausforderung für das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, BB 2017, 21055 ff.).

 (a) Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Arbeitsgerichts Heilbronn zugrunde liegt (ArbG Heilbronn, Urteil vom 08. Juni 2017 – 8 BV 6/16 -, juris). Diese Entscheidung betrifft die Nutzung einer Smartphone-App, die ein Lebensmitteleinzelhandelsun-ternehmen seinen Kunden u.a. für ein „Filial-Feedback“ zur Verfügung gestellt hat. Die über die App eingegebenen Kundenkommentare waren nur von der Arbeitgeberin bzw. dem von ihr beauftragten Dienstleistungsunternehmen einsehbar. Dies ist im Streitfall gerade nicht der Fall. Der Überwachungsdruck und die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer sind bei einer öffentlichen Datenverbreitung ungleich größer (vgl. auch Greif, Arbeitsrechtliche Implikationen von Unternehmensfacebookprofilen, NZA 2015, (1106 ff. (1107)). Die Nutzung eines sozialen Netzwerks wie Twitter, das dem Arbeitgeber eine direkte und öffentliche Kommunikation mit seinen Kunden ermöglicht und von einer unbegrenzten Anzahl von Menschen – z.T. weitgehend anonym - anstelle einer geschützten „analogen“ Kommunikation, etwa in Form eines Beschwerdebriefs oder einer persönlichen Beschwerde, genutzt wird, bedarf zum Schutz der Arbeitnehmer einer betrieblichen Regelung, insbesondere zu der Frage, wie mit den aus der Nutzung resultierenden Erkenntnissen über die Leistung und das Verhalten einzelner Arbeitnehmer umgegangen wird.

 (b) Soweit argumentiert wird, bei einer rein manuellen Dateneingabe gebe es keine ansatzweisen objektivierbaren Daten und daher keinen Überwachungsdruck für die einzelnen Arbeitnehmer (so Worzalla, Hess, BetrVG, 10. Aufl. 2018, Rn. 360), so teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Auch die manuell eingegebenen Daten können einen überprüfbaren Tatsachenkern beinhalten und die Arbeitgeberin zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen veranlassen. Damit ist die für § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erforderliche Überwachungseignung gegeben. Die Überwachung durch die Öffentlichkeit, die mittels Twitter mit der Arbeitgeberin und über sie kommunizieren soll, ist - anders als bei einer nur punktuellen Überwachung, z.B. durch eine Videokamera - auch nicht begrenzt und daher nicht minder schwerwiegend.

2. Der zulässige Antrag zu Ziffer 5. ist nur insoweit begründet, als der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € angedroht werden soll (§ 890 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist die sich aus § 23 Abs. 3 BetrVG bei groben Verstößen gegen die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebende Begrenzung des Ordnungsgeldes auf einen Betrag von bis zu 10.000,00 € auch beim allgemeinen Unterlassungsanspruch gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 –, Rn. 138).

C.

I.

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Für arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren werden gerichtliche Kosten (Gebühren und Auslagen) nicht erhoben (§ 2 Abs. 2 GKG). Eine gesonderte Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten ist wegen der Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens nicht zu treffen (BAG, Beschluss vom 02. Oktober 2007 – 1 ABR 59/06 –, juris Rn. 11).

II.

Gegen diesen Beschluss ist für die Arbeitgeberin die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zuzulassen, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 92 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Klärungsbedürftig, da bisher weder höchstrichterlich entschieden noch hinsichtlich ihrer Beantwortung offenkundig, ist die Rechtsfrage, ob ein Kurznachrichtendienst wie Twitter, der sich in seiner Funktionsweise von Facebook unterscheidet und dessen Funktionen „Antwort“, „Erwähnung“ und „Retweet“ nicht deaktiviert werden können, vollumfänglich der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt und einen Unterlassungsanspruch gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG begründen kann.

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