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Arbeitsrecht
24.11.2022
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Streitwert – Zwischenzeugnis – hilfsweise Zeugnis

LAG Nürnberg, Beschluss vom 29.7.2021 – 2 Ta 72/21

Volltext: BB-Online BBL2022-2803-3

Leitsatz

Festsetzung von insgesamt einem Monatsgehalt für Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und hilfsweise eines qualifizierten Endzeugnisses.

§§ 63, 68 GKG

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 26.03.2021 zum 30.06.2021, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses und hilfsweise die Erteilung eines endgültigen Zeugnisses. Das durchschnittliche Monatseinkommen des Klägers betrug 7.105,63 € brutto.

Das Verfahren endete durch Feststellung eines gerichtlichen Vergleichs. Darin einigten sich die Parteien unter anderem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2021 die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit inhaltlichen Vorgaben, die Erteilung verschiedener Arbeitspapiere sowie die Rücknahme einer gleichlautenden vor dem Arbeitsgericht Paderborn eingereichten Klage. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vergleich (Blatt 106-107 der Akten) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 28.06.2021 setzte das Arbeitsgericht den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf 21.316,89 € (= drei Monatsgehälter) und den überschießenden Vergleichswert auf 9.947,88 € fest.

Mit Schriftsatz vom 05.07.2021 beantragte der Beklagtenvertreter den Beschluss zu korrigieren. Für das Verfahren sei ein Streitwert von 35.528,15 € anzusetzen (fünf Monatsgehälter) und der Vergleichswert entsprechend höher festzusetzen.

Mit Beschluss vom 06.07.2021 half das Arbeitsgericht dem als Streitwertbeschwerde ausgelegten Antrag teilweise ab und setzte den Verfahrensstreitwert auf 28.422,52 € (drei Monatsgehälter für den Bestandsstreit, ein Monatsgehalt für den Zeugnisantrag) und den überschießenden Vergleichswert auf 2.842,25 € (jeweils 10% eines Monatsgehalts für die Ausstellung von insgesamt vier Arbeitspapieren) fest.

Nach Vorlage des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht gab dieses den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 28.07.2021. Der Beklagtenvertreter ist der Auffassung, dass für den hilfsweise gestellten Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses neben dem Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ein weiteres Monatsgehalt als Verfahrensstreitwert festzusetzen sei. Darüber hinaus sei die Verpflichtung zur Rücknahme der Klage vor dem Arbeitsgericht Paderborn zu bewerten. Wie das Arbeitsgericht auf einen überschießenden Vergleichswert von 2.842,25 € komme, könne nicht nachvollzogen werden. Die anderen Beteiligten gaben keine Stellungnahme ab.

Aus den Gründen

B.

I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Beklagtenvertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.

II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Verfahrensstreitwert zurecht auf vier Monatsgehälter festgesetzt. Ein überschießender Vergleichswert war jedoch nicht festzusetzen. Dies konnte vom Landesarbeitsgericht gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG von Amts wegen korrigiert werden.

1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.

2. Der Verfahrensstreitwert war auf vier Monatsgehälter festzusetzen.

a. Für den Streit um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses waren drei Monatsgehälter festzusetzen, § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG.

b. Hinzu kommt ein Monatsgehalt für die Zeugnisanträge. Dies gilt auch beim Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses, hilfsweise eines qualifizierten Endzeugnisses (LAG Nürnberg 30.10.2020 - 2 Ta 123/20 Rn 13 und 19 ff; Ziff. I.29.3 Streitwertkatalog).

3. Ein Vergleichsmehrwert war nicht festzusetzen.

a. Eine Einigungsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit fällt gem. Nr. 1000 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages an, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder einen Rechtsanspruch beseitigt wird. Dem tragen die Regelungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Ziffer I Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit Rechnung, wonach ein Vergleichsmehrwert nur festzusetzen ist, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dabei muss gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Abzustellen ist auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.

b. Ist der Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses bereits im Verfahrensstreitwert bewertet, fällt für die Einigung auf bestimmte Inhalte des zu erteilenden Zeugnisses ein Vergleichsmehrwert nicht an (ausführlich LAG Nürnberg 30.10.2020 - 2 Ta 123/20 Rn 19 ff juris; 23.12.2020 - 2 Ta 145/20, juris)

c. Die Vereinbarung hinsichtlich der Arbeitspapiere erhöht den Wert des Vergleichs nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass hierdurch ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis erledigt worden wäre. Es handelt sich bei diesen beiden Punkten lediglich um Gegenleistungen zur Beilegung des Rechtsstreits. Dementsprechend war der angegriffene Beschluss von Amts wegen zu korrigieren. Auf diese Möglichkeit wurden die Beteiligten hingewiesen.

d. Die Verpflichtung zur Rücknahme der Klage vor dem Arbeitsgericht Paderborn erhöht den Vergleichswert nicht. Jener Rechtsstreit betraf dieselben Streitgegenstände ohne zusätzlichen wirtschaftlichen Wert. Mit dem Vergleich erledigte sich der dortige Rechtsstreit in der Sache unmittelbar. Wären die Anträge im vorliegenden Verfahren gestellt worden, wären sie lediglich wiederholt worden ohne jeden eigenen Wert. Auch der Streitwertkatalog sieht in Ziff. I.Nr. 25 Vorbemerkung für die Bemessung des Vergleichswerts bei der Miterledigung anderer rechtshängiger Verfahren eine verfahrensübergreifende Betrachtung vor. Nicht zu entscheiden ist über den Verfahrensstreitwert vor dem Arbeitsgericht Paderborn.

e. Auch hinsichtlich der übrigen Vereinbarungen im Vergleich ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass hierdurch ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis erledigt worden wäre. Es handelt sich lediglich um Gegenleistungen zur Beilegung des Rechtsstreits.

C.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.

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