LAG Nürnberg: Streitwert – Abgabe einer Willenserklärung – Aufhebungsvertrag – Abfindung
LAG Nürnberg, Beschluss vom 22.8.2022 – 2 Ta 54/22
Volltext: BB-Online BBL2022-2291-2
Leitsatz
Der Streitwert einer Klage auf Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag mit darin enthaltener Zusage einer Abfindung richtet sich nicht nach § 42 Abs. 2 GKG (wie LAG Düsseldorf 25.07.2022 – 4 Ta 204/22).
Sachverhalt
Die Klägerin begehrte die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, der eine Abfindung von 15.000,- € und die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses enthielt. Den Aufhebungsvertrag hatte zuvor die beklagte Arbeitgeberin vorgeschlagen. Das Bruttomonatseinkommen der Klägerin betrug 2.269,68 €.
Das Verfahren endete durch Abschluss eines Vergleichs, wonach das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 27 ff der Akten Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 14.02.2022 setzte das Arbeitsgericht den Streitwert auf 6.809,04 € (= 3 Monatsgehälter) fest.
Hiergegen erhob der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 16.03.2022 Beschwerde und regte an, den Streitwert auf 24.078,72 € festzusetzen. Neben dem Bestandsstreit sei auch die im Aufhebungsvertrag enthaltene Abfindung und das Arbeitszeugnis zu berücksichtigen. § 42 Abs. 2 GKG sei in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar.
Mit Beschluss vom 14.07.2022 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab, da § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG entsprechend anwendbar sei, und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.
Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme bis 19.08.2022 ein. Soweit Stellungnahmen erfolgt sind, wird auf diese verwiesen.
Aus den Gründen
B.
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
II. Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Streitwert war auf 15.000,- € festzusetzen. Dies entspricht dem wirtschaftlichen Wert des Klageantrags.
1. Grundsätzlich ist für die Bewertung einer Klage auf Abgabe einer Willenserklärung darauf abzustellen, welcher wirtschaftliche Erfolg mit der Abgabe der Erklärung erstrebt wird. Dessen Wert ist gemäß § 48 Abs. 1 GKG iVm. § 3 ZPO zu schätzen (Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort Willenserklärung). Danach beträgt der Wert der vom Kläger erstrebten Willenserklärung 15.000,- €, der Höhe des Abfindungsbetrags. (vgl. LAG Düsseldorf 15.07.2022 - 4 Ta 204/22 - juris). Die im erstrebten Aufhebungsvertrag enthaltene Klausel, wonach die Beklagte dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis erteilt, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt und welches den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen nicht hindert, geht über den ohnehin bestehenden gesetzlichen Anspruch nach § 109 Abs. 1 GewO nicht hinaus.
Soweit die begehrte Willenserklärung auch die Aufhebung des Arbeitsvertrags beinhaltete, ergibt sich daraus kein zusätzliches wirtschaftliches Interesse des Klägers, das über die vorgenannten Interessen (Abfindung) hinausginge. Hierfür ist von der Klägerin jedenfalls nichts dargetan. Der in § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG für Bestandsstreitigkeiten vorgegebene Höchstwert von einem Vierteljahresentgelt ist bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses in der Abfindungszahlung jedenfalls nicht unterschritten.
2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der Gegenstandswert im vorliegenden Verfahren nicht gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG begrenzt. Die Regelung ist auf die hier gegebene Konstellation nicht anwendbar.
Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet.
Diese Regelung erfasst Bestandsstreitigkeiten sowie damit im Zusammenhang stehenden streitigen Abfindungszahlungen iSd. §§ 9, 10 KSchG. Ebenso erfasst sie Abfindungszahlungen, die in gerichtlichen Vergleichen zur Kompensation der Auflösung von Arbeitsverhältnissen vereinbart werden. Sie findet keine Anwendung auf Abfindungen, die auf gesonderten Rechtsgrundlagen beruhen wie etwa auf § 113 BetrVG, Tarifverträgen, Sozialplänen oder sonstigen Vereinbarungen. Bei diesen stellt die Abfindung keine Kompensation für die Hinnahme einer (möglicherweise) unwirksamen Kündigung dar, die zu dem Gegenstandswert einer Bestandsschutzklage gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 GKG nicht hinzuzurechnen ist. Sie erfordern vielmehr gerade eine wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist eine solche Abfindung selbst Streitgegenstand oder hat - bei vergleichsweiser Regelung - über einen Rechtsanspruch auf die Abfindung Streit oder Ungewissheit bestanden, ist ihr Wert streitwerterhöhend zu berücksichtigen (LAG Düsseldorf a.a.O. Rn 9; ebenso LAG Rh.-Pfalz 27.04.2015 - 8 Ta 12/15, juris, Rn. 20). Dem entspricht auch der Vorschlag in Ziff. I Nr. 1 letzter Absatz Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 09.02.2018 (NZA 2018, 498).
Hier ist die Willenserklärung auf Zusage einer Abfindung selbst Streitgegenstand. Die Abfindungszahlung ist gerade nicht lediglich Folge der begehrten Aufhebungsvereinbarung. Der Antrag der Klägerin umfasste ausdrücklich den gesamten Inhalt des Aufhebungsvertrags und damit auch die Zusage der Abfindung.
Sinn und Zweck der streitwertbegrenzenden Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GKG stehen dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Die Vorschrift will erreichen, dass der für die Existenz des Arbeitnehmers besonders bedeutsame Streit um das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses aus sozialen Gründen nicht mit einem zu hohen Kostenrisiko verbunden ist. Der Arbeitnehmer, der mit seiner Klage gerade nicht Bestandsschutz für sein Arbeitsverhältnis erreichen will, sondern umgekehrt dessen Auflösung, bedarf des Schutzes von § 42 Abs. 2 GKG jedenfalls dann nicht, wenn kein Streit darüber besteht, ob er das Arbeitsverhältnis beenden kann. So liegt der Fall hier. Die Klägerin könnte ihrerseits jederzeit kündigen. Ihr Interesse an der verlangten Willenserklärung ist nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses gerichtet, sondern allein auf die Abfindung. Sie ist aus diesem Grund in voller Höhe zu berücksichtigen (LAG Düsseldorf a.a.O Rn 11; LAG Rh.-Pfalz a.a.O Rn. 22).
C.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.