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Arbeitsrecht
10.01.2008
Arbeitsrecht
: Streikrecht der Lokführer

Sächsisches LAG, Urteil vom 2.11.2007 - 7 SaGa 19/07

sachverhalt:

Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob der Verfügungsbeklagten zu untersagen ist, zum Zwecke des Abschlusses eines Tarifvertrages ihre Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks durchzuführen.

In der Vergangenheit wurden innerhalb des DB-Konzerns durchweg jeweils inhaltsgleiche Tarifverträge zwischen der Arbeitgeberseite einerseits und den Gewerkschaften TRANSNET/GDBA und der GDL andererseits abgeschlossen. Diese wurden bislang einheitlich auf alle 134.000 Beschäftigten (inklusive Beamte) innerhalb ihres Geltungsbereiches angewandt.

Die Verfügungsbeklagte schloss zuletzt mit dem 51. Änderungstarifvertrag vom 10.03.2005 in der Entgeltrunde 2005 wiederum inhaltlich gleiche tarifliche Regelungen wie die TRANSNET und GDBA mit dem Agv MoVe ab. Darüber hinaus wurden tarifliche Regelungen zur Beschäftigungssicherung (BeSiTV), die nach Auslaufen des vorangegangenen Beschäftigungsbündnisses einen weitgehenden Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31.12.2010 für mindestens fünf Jahre beschäftigte Arbeitnehmer vorsahen, Regelungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg (Abschlussvereinbarung vom 28.02.2005, MaBetTV) sowie Regelungen zur Kürzung des Jahresurlaubes ohne Entgeltausgleich um einen Tag (Abschlussvereinbarung vom 28.02.2005, AZTV-S) vereinbart. Ziel dieser Maßnahmen war es, eine Reduzierung der Arbeitskosten um insgesamt 5,5 % zu erreichen Im DB-Konzern umfasst der Personalbestand des Fahrpersonals insgesamt 32.000 Mitarbeiter. Die geschätzten Angaben zum Organisationsgrad im Bereich des Fahrpersonals sowie die Angaben zur Mitgliedschaft bei den Gewerkschaften TRANSNET/GDBA sowie der Verfügungsbeklagten sind zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.

Am 19.03.2007 übergab die Verfügungsbeklagte dem Agv MoVe den Entwurf eines FPTV und eines Einführungs- und Sicherungstarifvertrages für den FPTV (Einführungs- TV zum FPTV) und forderte ihn auf, in Tarifverhandlungen über diesen Entwurf einzutreten. Mit Schreiben vom 19.03.2007 kündigte die Verfügungsbeklagte verschiedene Tarifverträge zum 30.06.2007. Nicht gekündigt wurden der Beschäftigungssicherungsvertrag (BeSiTV), der Tarifvertrag über die Erfolgsbeteiligung für die Arbeitnehmer (MaBeTV) sowie der Tarifvertrag zur Sicherung und Anpassung von Entgeltdifferenzen (KonzernZÜTV).

Im Rahmen von Tarifverhandlungen schloss der Verfügungsbeklagte zu 3. mit der TG TRANSNET/GDBA am 09.07.2007 einen neuen Tarifvertrag ab für alle Arbeitnehmer, einschließlich des Fahrpersonals. Die Laufzeit beginnt am 01.07.2007 und endet am 31.01.2009. Er sieht eine Erhöhung des Monatstabellenentgeltes um 4,5 % zum Jahr 2008 sowie eine Erhöhung der Ergebnisbeteiligung 2007 um 600,00 € vor. In § 9 vereinbarten die Tarifvertragsschließenden unter der Überschrift „Konkurrenzklausel" eine Revisionsklausel, die von den Beteiligten unterschiedlich ausgelegt wird.

Zur Durchsetzung des FPTV rief die Verfügungsbeklagte erstmals am 02.07.2007 zu flächendeckenden Streiks im Personen- und Güterverkehr am 03.07.2007 zwischen 05:00 Uhr und 09:00 Uhr auf. Die für den 10.07.2007 angekündigten flächendeckenden Streiks wurden durch die Arbeitsgerichte Düsseldorf und Mainz mit unterschiedlichen Begründungen untersagt. Mit Schreiben vom 13.07.2007 erklärte der Bundesvorsitzende der Verfügungsbeklagten dem AgV MoVe gegenüber, dass das bisherige Forderungspaket nicht aufrechterhalten werde und sämtliche friedenspflichtrelevanten Themen und Bereiche aus dem Forderungspaket dieser Tarifrunde herausgehalten würden. Es werde nunmehr der Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages zur Regelung von Entgelt und Arbeitszeit für das Fahrpersonal gefordert. Bezüglich Entgelt und Arbeitszeit würden die bisherigen Forderungen aufrechterhalten. Im Rahmen der Verhandlungen vom 19.07.2007 und den Gesprächen vom 17. und 18.07.2007 wurden die Tarifforderungen durch die Verfügungsbeklagte präzisiert und hinsichtlich der Entgeltforderung auf nunmehr mindestens 31 % erhöht. Die Verfügungsbeklagte übergab der Arbeitgeberseite am 19.07.2007 ein Schreiben, in dem das „Forderungspaket der GDL zur Tarifrunde 2007" dargestellt ist. Hinsichtlich der fünf formulierten Forderungen wird auf die Anlage Ast 11 (Bl. 342 d. A.) Bezug genommen.

Nachdem die Verhandlungen am 19.07.2007 scheiterten, rief die Verfügungsbeklagte auf der Grundlage bereits vorliegender Beschlüsse des Hauptvorstandes und der Tarifkommission zu einer Urabstimmung über einen bundesweiten unbefristeten Streik mit Schreiben vom 24.07.2007 auf. Das Ergebnis der Urabstimmung wurde am 06.08.2007 durch die Verfügungsbeklagte bekannt gemacht. Die Verfügungsbeklagte rief daraufhin zu einem bundesweiten Streik der Lokführer am 09.08.2007 im Güterverkehr auf. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 06.08.2007 (7 Ga 15/07) wurde auf Antrag der DB Regio Netz GmbH sowie auf Antrag der Railion Deutschland AG und der DB Fernverkehr AG durch das Arbeitsgericht Nürnberg am 08.08.2007 (13 Ga 65/07) sowie erneut durch das Arbeitsgericht Chemnitz mit Beschluss vom 08.08.2007 (7 Ga 16/07) auf Antrag der Verfügungsklägerin zu 2. und des Verfügungsklägers zu 3. des vorliegenden Rechtsstreits Streikmaßnahmen untersagt.

In der Widerspruchsverhandlung vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (13 Ga 65/07) schlossen die Parteien, nachdem der Verfügungskläger zu 3. des vorliegenden Rechtsstreits und weitere DB-Unternehmen dem dortigen Verfahren beigetreten waren, am 10.08.2007 folgenden Vergleich:

„(1.) Der Arbeitgeber ist bereit, Tarifverhandlungen zu führen, einerseits mit der GDL, mit dem Ziel, bis 30. September 2007 einen eigenständigen Tarifvertrag abzuschließen, der Entgelt- und Arbeitszeitregelungen für Lokomotivführer umfasst, andererseits mit der TG, um den Entgeltstruktur im Übrigen neu zu regeln.

(2.) Die Tarifverhandlungen werden parallel, jedoch in enger

Kooperation zwischen TG und GDL geführt, mit dem Ziel, ein konflikt- und widerspruchsfreies Ergebnis zu erhalten.

(3.) Über die spezifischen Entgelt- und Arbeitszeitregelungen hinaus werden die sonstigen Tarifbedingungen von GDL und TG inhalts- und wortgleich zusammengefasst.

(4.) Während der Verhandlungen besteht Friedenspflicht."

Am 29.08.2007 legte die Verfügungsbeklagte als Verhandlungsgrundlage einen Entwurf eines Fahrpersonaltarifvertrages vor, dessen Inhalte im Wesentlichen dem ursprünglichen Entwurf vom 19.03.2007 geforderten FPTV entsprach. Der persönliche Geltungsbereich war nunmehr auf die Lokführer beschränkt.

In einem Rundschreiben vom 10.09.2007 machte die Verfügungsbeklagte deutlich, dass ein eingeständiger Tarifvertrag für die Lokführer lediglich ein Zwischenziel sei und der Tarifvertrag für das gesamte Fahrpersonal weiterhin angestrebt werde. Mit Schreiben vom 25.09.2007 unterbreitete die Arbeitgeberseite der Verfügungsbeklagten ein Angebot zur Übernahme der Konditionen des am 09.07.2007 abgeschlossenen Tarifvertrages, zur Führung von Gesprächen zur Entgeltgruppenstruktur für die Lokführer sowie parallel dazu für die anderen Berufsgruppen. Darüber hinaus wurden Verhandlungen über höhere Verdienstmöglichkeiten für Lokführer - zwischen 2,5 % und 5 % - bei gleichzeitiger Änderung der Rahmenbedingungen des AZTV-S (Bl. 337, 338 d. A.) angeboten. Dieses Angebot wurde durch die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 26.09.2007 abgelehnt und zugleich die Durchführung erneuter Streiks angekündigt.

Im Anschluss an die Sitzung der Tarifkommission erklärte die Verfügungsbeklagte am 01.10.2007 das Moderationsverfahren für gescheitert und kündigte bundesweite Streikmaßnahmen im Personen- und Güterverkehr für den 05.10.2007 an. Mit dem am 02.10.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragten die Verfügungskläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung von Streiks.

Die Verfügungskläger vertreten die Ansicht, dass die Durchführung eines Streiks zur Erreichung eines ausschließlich für das Fahrpersonal geltenden Tarifvertrages unverhältnismäßig und rechtswidrig sei. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit könnte ein solcher Tarifvertrag, wenn er im Streikwege durchgesetzt werden würde, nicht zur Geltung kommen, da er aufgrund des Grundsatzes der Tarifeinheit durch den bereits mit den Gewerkschaften TRANSNET/GDBA und dem Agv MoVe abgeschlossenen Tarifvertrag verdrängt würde.

Mit der Verfügungsbeklagten sollte gemäß der Moderationsvereinbarung nur dann ein eigenständiger Tarifvertrag geschlossen werden, wenn die Kooperation zwischen den Gewerkschaften der TG und der GDL gelungen und ein konflikt- und widerspruchsfreies Ergebnis erzielt worden wäre.

Ein Streik zur Durchsetzung eines Spartentarifvertrages verletzte darüber hinaus das Prinzip der Arbeitskampfparität, da die Gewerkschaftszugehörigkeit der jeweiligen Arbeitnehmer auf Verfügungsklägerseite nicht bekannt sei und daher mit eigenen Kampfmaßnahmen in rechtmäßiger Weise auf den Streik nicht reagiert werden könne.

Die Rechtswidrigkeit des Streiks ergebe sich darüber hinaus aus dem Gesichtspunkt der Friedenspflichtverletzung.

Es sei auch ein Verfügungsgrund gegeben, da die Verfügungsbeklagte bewusst besonders große Störungen im gesamten Zugverkehr der Verfügungskläger und deren Mitgliedsunternehmen verursachen wolle.

Die Verfügungskläger haben beantragt:

1. a) Der Verfügungsbeklagten wird es untersagt, ihre Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer, die bei der Verfügungsklägerin zu 1., der Verfügungsklägerin zu 2., der DB Verkehrs AG, der Railion Deutschland AG, der DB Regio NRW GmbH, der S-Bahn Hamburg GmbH, der S-Bahn Berlin GmbH oder der DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH beschäftigt sind, zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben der vorgenannten Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers zu 3. durchzuführen, um den Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages mit den in Anlage Ast 11 genannten Inhalten durchzusetzen. Hilfsweise:

1. b) Der Verfügungsbeklagten wird es für die Dauer der Laufzeit des BeSiTV, des MaBetTV und des KonzernZÜTV untersagt, ihre Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer, die bei der Verfügungsklägerin zu 1., der Verfügungsklägerin zu 2., der DB Verkehr AG, der Railion Deutschland AG, der DB Regio NRW GmbH, der S-Bahn Hamburg GmbH, der S-Bahn Berlin GmbH oder der DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH beschäftigt sind, zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben der vorgenannten Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers zu 3. durchzuführen, um den Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages mit den in Anlage Ast 11 genannten Inhalten durchzusetzen.

2. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von € 250.000,00 (i. W. zweihundertfünfzigtausend Euro), ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen, an ihrem Bundesvorsitzenden, angedroht. Die Verfügungsbeklagte hat beantragt:

1. die Anträge der Antragstellerinnen an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Frankfurt am Main zu verweisen bzw. das Verfahren, soweit es den Arbeitgeberverband, den Verfügungskläger zu 3. angeht, an das Arbeitsgericht Berlin zu verweisen,

2. den Antrag als unzulässig, weil als unbestimmt, zurückzuweisen,

3. den Antrag als Globalantrag als unbegründet zurückzuweisen,

4. den Antrag insgesamt als unbegründet abzuweisen,

5. den Antrag des Verfügungsklägers zu 3. als unzulässig wegen fehlender Prozessführungsbefugnis zurückzuweisen sowie weitere Hilfsanträge.

Die Verfügungsbeklagte vertritt die Ansicht, dass ein Verfügungsanspruch nicht gegeben sei, da die Teilnahme von nicht Organisierten oder der Verfügungsbeklagten angehörenden Mitgliedern an Arbeitskampfmaßnahmen, zu denen die Verfügungsbeklagte aufrufen sollte, in jeder Hinsicht rechtmäßig wäre.

Ein Verstoß gegen die tarifvertragliche Friedenspflicht sei nicht gegeben, da die in dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Nürnberg für die Dauer des Moderationsverfahrens vereinbarte vertragliche, gewillkürte Friedenspflicht mit dem Fristablauf gegenstandslos geworden sei. Eine sich aus der Geltung von Tarifverträgen für die Tarifvertragsparteien ergebende immanente Friedenspflicht sei seit dem 30.06.2007 nicht mehr gegeben, denn die Verfügungsbeklagte habe die für die von ihr genannten Tarifforderungen maßgeblichen Tarifverträge wirksam zum 30.06.2007 gekündigt. Die erhobenen Tarifforderungen berührten die ungekündigten Tarifverträge nicht. Die geltend gemachte „Verzahnung" mit den ungekündigten Tarifverträgen, bestehe nicht.

Eine Unverhältnismäßigkeit ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Tarifeinheit. Der von der Verfügungsbeklagten angestrebte Tarifvertrag wäre auch bei Beachtung der vom BAG vertretenen Lehre von der Tarifeinheit der für das Fahrpersonal speziellere Tarifvertrag, so dass die dann eintretende Situation auch unter Beachtung dieses Grundsatzes zu lösen wäre.

Der Arbeitskampf für einen eigenständigen Tarifvertrag sei auch nicht deshalb als rechtswidrig zu kategorisieren, weil ein solcher Tarifvertrag nach dem Inkrafttreten sofort durch einen geltenden Tarifvertrag verdrängt werde.

Eine Paritätsstörung infolge einer fehlenden Aussperrungsbefugnis der Klägerseite sei nicht gegeben. Der mit der TG geschlossene Tarifvertrag ändere hieran nichts, da die Arbeitnehmer aus diesem Tarifvertrag noch keine Rechte ableiten könnten. Schließlich könne ein ökonomischer Schaden als allgemeines Abwägungskriterium zur Beurteilung der Zulässigkeit des Streiks als eigenständige Kategorie nicht herangezogen werden. Der beim Gegner eintretende Schaden sei arbeitskampfimma- nent und damit rechtlich irrelevant, da er nicht einmal ansatzweise dazu geeignet wäre, eine Existenzgefährdung herbeizuführen oder ihn gar zu vernichten. Auch ein evtl. bei Dritten infolge der vernetzten Wirtschaftsbeziehungen einer modernen Wirtschafts- und Verkehrsgesellschaft eintretender Schaden sei hinzunehmen, da es anderenfalls zu einem verfassungswidrigen Streikverbot im Verkehrsbereich kommen würde.

Das Arbeitsgericht hat der Verfügungsbeklagten untersagt, zum Streik bei der DB Fernverkehr AG und der Railion Deutschland AG aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben dieser beiden Unternehmen durchzuführen, um den Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages mit den in der Anlage Ast 11 genannten Inhalten durchzusetzen und die Klageanträge im Übrigen zurückzuweisen. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 577 - 592 d. A.) Bezug genommen. Gegen das der Verfügungsbeklagten am 10.10.2007 zugestellte Urteil vom 05.10.2007 hat diese am 16.10.2007 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 19.10.2007 begründet.

Die Verfügungskläger haben am 18.10.2007 gegen das am 10.10.2007 zugestellte Urteil Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 25.10.2007 begründet. Die Verfügungsbeklagte lässt vortragen, dass sie nunmehr von ihrem Recht nach § 927 ZPO Gebrauch mache, da eine erhebliche Änderung der Umstände seit dem Erlass der einstweiligen Verfügung zu Gunsten der Verfügungskläger eingetreten sei. Nach Verkündung und Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils habe der Arbeitgeberverband die Verhandlungsführung abgegeben.

Nunmehr würde ausschließlich die Konzernobergesellschaft, die Deutsche Bahn AG also, repräsentiert durch ihre Vorstandsmitglieder Suckale und Rausch, der GDL Angebote machen oder Angebote der GDL ablehnen. Es treffe zwar zu, dass Frau Suckale auch Vorstandsvorsitzende des Arbeitgeberverbandes sei, sie sei nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils aber ausschließlich als Vorstandsmitglied der DB AG, aufgetreten. Daraus ergebe sich zwingend, dass der Arbeitgeberverband nicht mehr als „Prozessstandschafter" seiner Mitgliedsfirmen agiere, sondern die Mitgliedsfirmen das Kommando selbst übernommen hätten.

Soweit das Arbeitsgericht auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit abstelle, so argumentiere es lediglich mit Unterstellungen und Vorurteilen und nicht mit substantiierten Tatsachenbehauptungen, die überdies von der Antragstellerseite auch nicht glaubhaft gemacht worden seien. Aus einer vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebenen offiziellen Publikation ergebe sich dagegen, dass die Eisenbahn im Personenverkehr lediglich einen Anteil von 3 % des Gesamtverkehrsaufkommens, gemessen an der Anzahl der beförderten Personen pro Verkehrsträger, besitze. Absolut ohne jede Begründung, wissenschaftliche Absicherung und Glaubhaftmachung durch die Antragsteller sei auch die Feststellung, dass der Personenfernverkehr und der Güterverkehr nicht bestreikt werden dürften. So würde im Fernverkehr lediglich ein Zehntel der Personenzahlen des Nahverkehrs befördert. Im Güterverkehr betrage der Anteil der Eisenbahnen am Gesamtverkehrsaufkommen lediglich 8, 5 %. Im Übrigen sei die Deutsche Bahn AG auf der Schiene keineswegs mehr ein Monopolanbieter, denn der Marktanteil privater Güterbahnen in Deutschland betrage knapp 15 %. Daraus ergebe sich, dass die vom Arbeitsgericht aufgestellten verkehrsökonomischen Prämissen schlechterdings und grundlegend falsch seien.

Ein Streik mache ökonomisch und rechtlich nur dann einen Sinn, wenn er der anderen Seite wehtue. Daraus folge, dass nur ein Streik über alle Bereiche des Konzerns hinweg dem immanenten Erfordernis zur Funktionalität und Teleologie eines Streiks genügen könne. Bei der Deutschen Bahn AG handele es sich um ein weltweit aufgestelltes Logistikunternehmen, es unterliege daher der Streikgefahr und einer gewissen wirtschaftlichen Anfälligkeit. Dies habe aber nicht das Geringste mit eine Paritätsstörung oder einer Störung der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Arbeitskampfes zu tun. Daher sei es auf dieser Ebene nicht zulässig, Gemeinwohlgesichtspunkte oder Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Es sei eine politische Grundentscheidung der Bundesrepublik gewesen, die Eisenbahn und den mit ihr bewegten Verkehr aus der unmittelbaren Obhut des Staates und damit der unmittelbaren Einflussnahme im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge herauszunehmen. Es wäre eine groteske Wettbewerbsverzerrung, wenn die Antragstellerseite die Vorteile des freien Verkehrs am Kapitalmarkt und am Wirtschaftsleben einer globalen Welt als Aktiengesellschaft genießen könnte, sie aber gleichzeitig un- ter dem Schutzschirm von staatlicher Fürsorge stünde und mit dem Einsatz von Beamten operieren könnte.

Das Streikrecht diene zwar nicht dazu, dem Allgemeinwohl zu schaden, das Streikrecht werde von einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung jedoch auch dann hingenommen, wenn es Gemeinwohlberührungspunkte negativer Art gebe. Aus der Auffassung des BVerfG ergebe sich im Gegensatz zu der des Arbeitsgerichts, dass das Streikrecht als solches bereits gemeinwohlorientiert sei. Werde das Streikrecht unter Hinweis auf das Gemeinwohl im Keim und zu früh erstickt, leide das Gemeinwohl gerade dadurch Schaden, weil das Streikrecht als Ausdruck der Tarifautonomie seine segensreiche ökonomische, politische und gesellschaftliche Wirkung in einer freiheitlichen Grundordnung nicht mehr ausüben könne.

Selbst wenn man der Auffassung des Arbeitsgerichts, Mobilität sei ein Gemeinwohlelement höchster Güte, folgen sollte, so sei dies nicht richtig, weil der Eisenbahnverkehr bei diesem Gut der Allgemeinheit eine absolut untergeordnete, teilweise marginale Rolle spiele. Abgesehen davon, beschäftigen die Verfügungskläger im Fahrpersonal 40 % Beamte. Es sei nicht denkbar, wie es hierbei zu einer Gemeinwohlbeeinträchtigung kommen sollte.

Gründe der Verhältnismäßigkeit könnten daher auch nicht im Entferntesten herangezogen werden, um abstrakte und nicht näher von der Antragstellerseite definierte Streikankündigungen der Verfügungsbeklagten zu untersagen. Eine pauschale Untersagung von Arbeitskämpfen im Eisenbahnverkehr wäre in sich und per se unverhältnismäßig, weil sie dazu führen würde, dass Art. 9 Abs. 3 GG für den gesamten Bereich von mehreren hunderttausenden Arbeitnehmern im Verkehrsgewerbe völlig wirkungslos wären.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 05.10.2007 - 7 Ga 26/07 -, zugestellt am 12.10.2007, teilweise abzuändern bzw. gemäß § 927 ZPO aufzuheben, insoweit den Anträgen entsprochen wurde und die Anträge der Verfügungskläger insgesamt abzuweisen.

Die Berufung der Verfügungskläger vom 17.10.2007 zurückzuweisen.

Die Verfügungskläger beantragen,

1. a) Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 05. Oktober 2007 (Az.: 7 Ga 26/07) wird abgeändert. Der Verfügungsbeklagten wird es untersagt, ihre Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer, die bei der Verfügungsklägerin zu 1., der Verfügungsklägerin zu 2., der DB Verkehr AG, der Railion Deutschland AG, der DB Regio NRW GmbH, der S-Bahn Hamburg GmbH, der S-Bahn Berlin GmbH oder der DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH beschäftigt sind, zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben der vorgenannten Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers zu 3. durchzuführen, um den Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages mit den in Anlage Ast 11 genannten Inhalten durchzusetzen. Hilfsweise:

1. b) Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 05. Oktober 2007 (Az.: 7 Ga 26/07) wird abgeändert. Der Verfügungsbeklagten wird es für die Dauer der Laufzeit des BeSiTV, des MaBetTV und des KonzernZÜTV untersagt, ihre Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer, die bei der Verfügungsklägerin zu 1., der Verfügungsklägerin zu 2., der DB Verkehr AG, der Railion Deutschland AG, der DB Regio NRW GmbH, der S-Bahn Hamburg GmbH, der S-Bahn Berlin GmbH oder der DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH beschäftigt sind, zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben der vorgenannten Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers zu 3. durchzuführen, um den Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages mit den in Anlage Ast 11 genannten Inhalten durchzusetzen.

2. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von € 250.000,00 (i. W. zweihundertfünfzigtausend Euro), ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen, an ihrem Bundesvorsitzenden, angedroht.

3. Die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen. Die Verfügungskläger haben unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ausgeführt, seit Erlass der einstweiligen Verfügung seien keine veränderten Umstände eingetreten, die schon zur Aufhebung der erstinstanzlichen Ent- scheidung führen könnten. Der Verfügungsbeklagten sei bestens bekannt, dass die vorliegende Tarifauseinandersetzung von der Öffentlichkeit als Tarifkonflikt zwischen „der Bahn" einerseits und der „Lokführergewerkschaften/den Lokführern" andererseits aufgefasst werde. Bereits vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils habe selbst die Verfügungsbeklagte in ihren eigenen Pressemitteilungen die „Bahn" als Tarifgegner bzw. Arbeitgeber bezeichnet. Aus etwaigen Ungenauigkeiten beider Seiten in der Presseberichterstattung könne daher beim besten Willen nicht auf einen Wechsel in der Verhandlungsführung geschlossen werden. Schließlich strebe die Verfügungsbeklagte auch keine Firmentarifverträge an, sondern einen atypischen Flächentarifvertrag für den gesamten Konzern der DB AG, eben mit dem Arbeitgeberverband. Nichts anderes gelte für die Arbeitgeberseite. Abgesehen davon, wäre für einen derartigen Antrag das Ausgangsgericht zuständig. Das Arbeitsgericht komme im Rahmen seiner Entscheidung aufgrund eines unzutreffenden Tatsachen- und Rechtsverständnisses zu den fehlerhaften Schluss, die Arbeitskampfparität sei nicht gestört, weil die Arbeitgeberseite zur Aussperrung berechtigt und in der Lage sei. Dabei werde verkannt, dass zwischen den Verfügungsklägern und der TG TRANSNET/GDBA während der laufenden Tarifauseinandersetzung Friedenspflicht bestehe. Die Arbeitgeberseite sei daher rechtlich an Aussperrungen gegenüber Mitgliedern der TG TRANSNET/GDBA gehindert. Die Verfügungsbeklagte wolle zudem in den angestrebten Tarifverträgen außerdem eine Klausel durchsetzen, die eine Tarifanwendung für die Mitglieder der TG ausschließe. Da die Mitglieder der TG daher niemals in den Genuss des angestrebten Spartentarifvertrages kommen könnten, dürften sie auch deshalb nicht ausgesperrt werden. Im Übrigen würde das Verständnis des Arbeitsgerichts zu völlig lebensfremden Konsequenzen führen. Die Gewerkschaftsmitglieder der TG sollen als Belohnung dafür, dass die Verfügungsbeklagte einen ausschließlich organisationspolitisch zu Lasten der TG motivierten Arbeitskampf führe, durch die Arbeitgeberseite ausgesperrt werden dürfen, ohne mit Streikunterstützungszahlungen der Verfügungsbeklagten oder der TG-Gewerkschaften rechnen zu können.

Abgesehen davon, sei es rechtswidrig, nur Mitglieder der streikführenden Gewerkschaft auszusperren. Die Aussperrung der anders oder nicht organisierten Arbeit- nehmer komme schon aus faktischen Gründen nicht in Betracht, da keine Möglichkeit bestehe, die Gewerkschaftszugehörigkeit in Erfahrung zu bringen, weil insoweit ein Fragerecht ausgeschlossen sei. Die Aussperrung selbst aller Arbeitnehmer des Fahrpersonals sei kein taugliches Mittel, denn sie würde letztlich der Verfügungsbeklagten und deren organisationspolitischen Interessen in die Hände spielen.

Der von der Verfügungsbeklagten erstrebte FPTV wäre nach dem Grundsatz der Tarifeinheit unanwendbar. Daher könne ein Streikrecht für einen unanwendbaren Tarifvertrag nicht anerkannt werden. Insoweit irre das Arbeitsgericht, wenn es zwar zugestehe, dass das BAG bisher vom Grundsatz der Tarifeinheit nicht abgewichen sei, im Übrigen aber glaube, dem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG dennoch den Vorrang einräumen zu müssen, weil hierfür höchstrichterliche Entscheidungen von Landesarbeitsgerichten sprächen. Es sei nicht zulässig, das Tarifsystem im einstweiligen Verfügungsverfahren zu ändern, zumal eine Reihe von Folgeproblemen aus dem BetrVG und von Tarifverweisungsklauseln nicht gelöst werden könnten. Es würde zudem ein sog. Gewerkschaftshopping sowie eine Balkanisierung und ein Hochschaukeln der Konditionen entstehen. Die Streikmaßnahmen stellten daher einen Rechtsmissbrauch in Gestalt einer unzulässigen Rechtsausübung dar.

Durch die Untersagung des Streiks sei keine Verletzung von Grundrechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verbunden, denn die Verfügungsbeklagte missbrauche das Streikrecht zu organisationspolitischen Zwecken. Als weitere verfassungsimmanente Schranken seien die Grundrechtpositionen der übrigen vom Streik der Verfügungsbeklagten betroffenen Personen zu berücksichtigen.

Dies betreffe die Grundrechte des Verfügungsklägers zu 3. und der Gewerkschaften TRANSNET und GDBA, die Verfügungsklägerinnen zu 1. und 2. sowie die betroffenen Dritten, also Kunden des DB-Konzerns.

Der Streik verletze zudem die relative Friedenspflicht während der Laufzeit des BeSiTV, MaBetTV und des KonzernZÜTV. Es bestehe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts durchaus ein innerer Zusammenhang bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, auch ohne ausdrückliche Vereinbarung. Der Verfügungskläger zu 3. habe sich zu einem weitgehenden Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31.12.2010 nur deshalb bereiterklärt, weil dieser Beschäftigungssicherung als wirtschaftliche Gegenleistung die vereinbarte Reduzierung der Arbeitskosten um 5,5 % für die Dauer der Laufzeit des BeSiTV gegenüberstand. Hier hätten die Tarifvertragsparteien sogar ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen den maßgeblichen Tarifverträgen hergestellt, nämlich durch die Vereinbarungen vom 14.12.2004 sowie 28.02.2005. So sei vereinbart worden, dass die Ausnahme oder Nichtannahme der Tarifregelungen von BeSiTV, des MaBetTV und des AZTV-S durch jede Tarifvertragspartei nur einheitlich und insgesamt erfolgen könne. Gleiches gelte für die Abschlussvereinbarung vom 28.02.2005. Mit ihrer Arbeitskampfforderung um Erhöhung des monatlichen Tabellenentgelts um mindestens 31 %, die Streichung des Arbeitszeit-Erhöhungsfaktors und die Mindestanrechnung von sechs Stunden Arbeitszeit pro Schicht, verletze die Verfügungsbeklagte daher die Friedenspflicht aus den Tarifregelungen des „Beschäftigungspakets".

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zu gemeinsamen Verhandlungen mit dem Verfügungskläger zu 3. über einen neuen Entgelttarifvertrag in Form eines Flächentarifvertrages durch den Vergleichsabschluss vor dem Arbeitsgericht Nürnberg nicht aufgehoben worden. Gleiches gelte hinsichtlich des Gesprächsergebnisses vom 27. August 2007. Danach werden Tarifverhandlungen parallel und in enger Kooperation zwischen der TG und der Verfügungsbeklagten geführt mit dem Ziel ein konflikt- und widerspruchsfreies Ergebnis zu erzielen.

Darüber hinaus seien sämtliche Streiks, die wegen ihrer Auswirkungen auf den Bahnverkehr das Gemeinwohl schädigen, aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig, sofern sie die Durchsetzung eines Tarifvertrages bezwecken, der nur der Besserstellung einer kleinen Minderheit von Arbeitnehmern diene.

Das eigentliche Schutzgut der Koalitionsfreiheit von Art. 9 Abs. 3 GG sei die Tarifautonomie. Das Streikrecht sei nur Mittel zur Erreichung eines verlässlichen Regelwerkes in Gestalt eines Tarifvertrages. Demzufolge seien nur solche Arbeitskampfmittel verfassungsrechtlich geschützt, die erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen. Streiks zur Durchsetzung eines Spezialistentarifver- trages stellten hingegen nicht die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sicher, sondern führen gerade zu einer Situation, die die Funktionsfähigkeit des Tarifsystems erheblich störe.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien die Streikauswirkungen gerade im Personennahverkehr für die Allgemeinheit besonders gravierend. Allein im schienengebundenen Nahverkehr würden täglich 4,6 Mio. Fahrgäste befördert. Der Personennahverkehr werde in beträchtlichem Umfang von Berufstätigen, Schülern und Studenten benutzt. Gerade für Schüler bestehe in der Regel keine Ausweichmöglichkeit. Es stimme auch nicht, dass die Streiks im Personennahverkehr zu keine Einnahmeausfälle beim DB-Konzern geführt hätten. Tatsächlich enthielten die Verkehrsverträge mit den Bestellern die Klausel, wonach das Bestellerentgelt entfällt, wenn ein Zug ausfällt.

Zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass Streiks im Fern- und Güterverkehr zu unerträglichen Beeinträchtigungen des Gemeinwohls führen würden. Der Fern- und Güterverkehr unterfalle dem verfassungsrechtlichen Gewährleistungsauftrag des Bundes nach § 87 e Abs. 4 GG. Daher seien die Belange des Personenfern- und des Güterverkehrs im Konfliktfall unter Beachtung des Grundsatzes der praktischen Konkordanz zum Ausgleich zu bringen. Würde der Personenfernverkehr streikbedingt ausfallen, so könnten die Folgen weder von anderen Verkehrsträgern aufgefangen werden, noch könnten preislich und zeitlich andere Angebote als Ersatz dienen.

Zwar betrage der Anteil der Eisenbahnen am Verkehrsaufkommen im Güterverkehr 17,2 %, die Bedeutung des Eisenbahngüterverkehrs erschließe sich aber erst, wenn man die Marktanteile nach einzelnen Massengütern betrachte. Bei der Automobilindustrie, den Tonverkehren nach Italien, der Kohleversorgung im Allgemeinen, der Kohleversorgung einzelner Kraftwerke, dem Transport von Erz und Kohle, Stahl, Mineralölprodukte, Chemieverkehre, Düngemittel und dem KV-Hafenverkehr sei es so gut wie unmöglich, auf andere Verkehrsmittel auszuweichen.

Käme es zu Streiks der Verfügungsbeklagten sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr, so hätte dies hohe wirtschaftliche Schäden zur Folge. Unter Berücksichtigung von Einnahmeausfällen, erhöhten Transportkosten kalkuliere das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) einen volkswirtschaftlichen Schaden von ca. € 500. Mio pro Streiktag.

Zur Ergänzung des beiderseitigen Sachvortrags im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst übergebenen Unterlagen, sowie die Ausführungen der mündlichen Verhandlung, Bezug genommen.

aus den gründen:

A. Die Berufung der Verfügungsbeklagten sowie die Berufung der Verfügungskläger ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Rechtsmittel sind auch gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungen sind somit insgesamt zulässig.

B. Das Rechtsmittel der Verfügungsbeklagten ist auch begründet. Die Berufung der Verfügungskläger ist erfolglos.

I. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten war die Entscheidung des Arbeitsgerichts, nicht schon gemäß § 927 Abs. 1 ZPO wegen veränderter Umstände aufzuheben. Abgesehen davon, dass ein solcher Antrag an das Ausgangsgericht zu richten wäre, hier also das Arbeitsgericht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 927 Rnr. 11), lägen auch die entsprechenden Voraussetzungen nach § 927 Abs. 1 ZPO nicht vor.

Soweit die Verfügungsbeklagte unterstellt, der Verfügungskläger zu 3. habe als Arbeitgeberverband die Verhandlungsführung abgegeben und sei als „Prozessstandschafter" seiner Mitgliedsfirmen nicht mehr zuständig, lässt sich das mit der gegebenen Begründung nicht nachvollziehen. Wie die Verfügungskläger nachgewiesen haben, hatte selbst die Verfügungsbeklagte vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils in ihren eigenen Pressemitteilungen die „Bahn" als Tarifgegner bzw. Arbeitgeber bezeichnet.

Abgesehen davon, dass allein aus etwaigen Ungenauigkeiten beider Seiten in der Presseberichterstattung noch nicht schon auf einen Wechsel in der Verhandlungsführung geschlossen werden kann, verhält sich die Verfügungsbeklagte auch insoweit widersprüchlich. Sie selbst hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben vom 01.11.2007 vorgelegt, in dem sie gerade gegenüber dem Verfügungskläger zu 3. ihre Bereitschaft zu Notfallarbeiten während der Streikmaßnahmen anzeigt. Demnach geht die Verfügungsbeklagte selbst davon aus, dass ihr Ansprechpartner hinsichtlich Tarifverhandlungen weiterhin der Verfügungsbeklagte zu 3. ist. Im Übrigen wurde ein schriftliches Angebot des Ag MoVe vom 15.10.2007, gerichtet an die GDL zu den Akten gereicht, welches ein Angebot als Grundlage für Tarifverhandlungen enthält. Das Schreiben trägt die Unterschriften von Frau Suckale und Herrn Bayreuther.

II. Die erstinstanzliche Entscheidung war auch nicht schon wegen „Forum Shoppen" bzw. „Gerichtspflückens" aufzuheben.

Der Verfügungsbeklagten ist zuzugeben, dass das Verhalten der Verfügungskläger, einstweilige Verfügungen zur Unterlassung von Streiks gegen die GDL, bei mehreren Arbeitsgerichten anhängig zu machen und alle Anträge, die an das Arbeitsge- richt Frankfurt verwiesen wurden, wieder zurückzunehmen, den Eindruck erwecken könnte, dass es den Verfügungsklägern darum ging zu verhindern, dass das Arbeitsgericht Frankfurt über Unterlassungsanträge zu entscheiden hatte. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass eben das vorgenannte Arbeitsgericht wegen des Sitzes der Verfügungsbeklagten durchaus örtlich zuständig ist.

Abgesehen davon, dass das Arbeitsgericht Chemnitz mit Beschluss vom 04.10.2007 unanfechtbar (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG) seine örtliche Zuständigkeit angenommen hat, steht einer Überprüfung des beschrittenen Rechtswegs auch die Vorschrift des § 65 ArbGG entgegen. Danach prüft das Berufungsgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

Aber selbst dann, wenn man die durchaus berechtigten Bedenken der Verfügungsbeklagten dahingehend berücksichtigt, dass mit der von den Verfügungsklägern praktizierten Verfahrensweise unterschiedliche und gegensätzliche Entscheidungen von Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten, in einem einzigen Arbeitskampf ergehen können und eine höchstrichterliche Entscheidung durch das BAG nicht möglich ist, so rechtfertigt dies im vorliegenden Fall nicht, ausnahmsweise von der Nichtanwendbarkeit der §§ 48 Abs. 1, 65 ArbGG auszugehen. Unstreitig sind bei anderen Arbeitsgerichten derzeit keine weiteren einstweiligen Verfügungen in Bezug auf den Arbeitskampf zwischen den Parteien anhängig.

Auch kein anderes Landesarbeitsgericht ist mit dem Streik befasst. Daher ist derzeit nicht zu befürchten, dass es zu den zuvor genannten abschließenden und unterschiedlichen Entscheidungen kommen kann.

Soweit die Verfügungsbeklagte gerade in diesem Zusammenhang die Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung in Frage stellt, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar haben die Verfügungsbeklagten bereits im Juli bzw. August 2007 entsprechende Unterlassungsanträge bei verschiedenen Arbeitsgerichten anhängig gemacht, über die unterschiedlich entschieden wurde, teilweise durch Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Frankfurt. Die Rücknahme der dortigen Verfahren vor einer Sachentscheidung, indiziert aber im vorliegenden Fall nicht, dass es für das vorliegende Verfahren an der Dringlichkeit fehlt. In diesem Zusammen- hang muss berücksichtigt werden, dass sich die hiesigen Verfahrensbeteiligten vor dem Arbeitsgericht Nürnberg am 10.08.2007 auf ein Moderationsverfahren geeinigt haben und sich die Verfügungsbeklagte bis zum 27.08.2007 verpflichtet hat, keine Streikmaßnahmen durchzuführen. Unter dem 27.08.2007 haben sich die Verfahrensbeteiligten sodann auf die Durchführung weiterer Tarifvertragshandlungen verständigt und gleichzeitig eine Friedenspflicht bis zum 30.09.2007 vereinbart. Die Antragsschrift im Ausgangsverfahren, die am 02.10.2007 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, begehrt die Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen, zu denen von der Verfügungsbeklagten ab 05.10.2007 aufgerufen wurde.

In Anbetracht der von den Tarifvertragsparteien ab 10.08.2007 bis zum 30.09.2007 vereinbarten „Friedenspflicht" stellt der Streikaufruf der Verfügungsbeklagten zum 05.10.2007 einen neuen Sachverhalt dar, der nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den früheren Streikmaßnahmen steht. Dies betrifft daher auch die vormalige Antragstellung bei verschiedenen Arbeitsgerichten. Daher kann dem Antrag vom 02.10.2007 nicht schon aus diesem Grunde vorweg die Dringlichkeit abgesprochen werden.

C. Soweit der Verfügungsbeklagten untersagt worden war, ihre Mitglieder und sonstigen Arbeitnehmer, die bei der DB Fernverkehr AG oder Railion Deutschland AG beschäftigt sind, zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben dieser beiden Unternehmen durchzuführen, um den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages mit den in Anlage Ast 11 genannten Inhalten durchzusetzen, war das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz abzuändern und auch der entsprechende Antrag abzuweisen. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch im Arbeitskampf grundsätzlich zulässig (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Gloge, ArbGG, 5. Aufl., § 62 Rnr. 91). Die Verfahrensgarantie aus Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen, da sie nur für rechtmäßige Arbeitskämpfe gilt (Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 2. Auflage, Rz. 766).

Sollen Arbeitskampfmaßnahmen untersagt werden, ist gemäß den §§ 64 Abs. 6, 62 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO Voraussetzung für den Erlass einer entsprechenden Untersagungsverfügung, dass die Verfügungskläger einen zu sichernden Anspruch haben, und dass ein Verfügungsgrund gegeben ist.

1. Ein Verfügungsanspruch besteht, wenn ein rechtswidriger Arbeitskampf verhindert werden soll. Eine Streikmaßnahme kann angesichts der Bedeutung des Streikrechts (Art. 9 Abs. 3 GG) im einstweiligen Verfügungsverfahren aber nur dann untersagt werden, wenn sie eindeutig rechtswidrig ist und dies glaubhaft gemacht wird. Auch muss bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, welchen Umfang die gestellten Anträge haben. Anträge, die den Arbeitskampf insgesamt verhindern sollen, greifen in die grundsätzlich geschützte Rechtsposition des Verfügungsgegners so stark ein, dass der Kernbereich des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG gefährdet sein kann (Germelmann u. a., § 62 Rnr. 92). Die beantragte Untersagungsverfügung muss daher zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. Zur Prüfung, ob eine auf Unterlassung eines Arbeitskampfes gerichtete einstweilige Verfügung im Sinne des § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, hat eine Interessenabwägung stattzufinden, in die sämtliche in Betracht kommenden materiellrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien einzubeziehen sind (Hess. LAG 02.05.2003 - 9 SaGa 637/03; LAG Köln 12.12.2005 - 2 Ta 457/05 - NZA 2006, 62; Hess. LAG 11.01.2007 - 9 SaGa 2098/06; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Aufl., S. 362 bis 364).

2. Ein Verfügungsgrund liegt nach dem Gesetz vor, wenn die Besorgnis besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne eine alsbaldige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird, oder wenn zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen die Regelung eines einstweiligen Zustandes nötig ist.

D. Zentraler und angemessener Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes ist nach der Rechtsprechung des BAG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn (BAG 21.04.1971 - GS 1/68 - BAGE 23, 292; BAG 12.03.1985 - 1 AZR 636/82 - BAGE 48, 195; BAG 11.05.1993 - 1 AZR 649/92 - BAGE 73, 141; BAG 19.06.2007 - 1 AZR 396/06 - NZA 2007, 1055).

Auch das Bundesverfassungsgericht hat dieses Prinzip als angemessenen Maßstab für die fachgerichtliche Überprüfung von Arbeitskampfmaßnahmen anerkannt (BVerfG 04.07.1995 -1 BvF 2/86 - BVerfGE 92, 365; BVerfG 10.09.2004 - 1 BvR 1191/03 - AP Nr. 167 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Im Schrifttum wird das Gebot der Verhältnismäßigkeit ebenfalls überwiegend als zentraler Grundsatz für die Durchführung von Arbeitskämpfen und deren rechtliche Beurteilung erachtet (Kissel, Arbeitskampfrecht § 29; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I S. 1130; Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 8 Rn. 3 ff).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eignet sich als Maßstab für die rechtliche Beurteilung von Arbeitskampfmaßnahmen deshalb, weil durch die Ausübung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit regelmäßig in ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen des unmittelbaren Kampfgegners oder von Dritten eingegriffen wird. Es bedarf daher einer Abwägung kollidierender Rechtspositionen. Das Abwägungspostulat der Verhältnismäßigkeit erfordert stets eine Würdigung, ob ein Kampfmittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfziels geeignet und erforderlich und bezogen auf das Kampfziel angemessen (proportional bzw. verhältnismäßig im engeren Sinn) eingesetzt worden ist (BAG 11.05.1993 - 1 AZR 649/92 - BAGE 73, 141; BAG 12.03.1985 - 1 AZR 636/82 - BAGE 48, 195; BAG 19.06.2007 - 1 AZR 396/06 - NZA 2007, 1055).

E. Gemessen an vorstehenden Voraussetzungen ist ein Streik der Verfügungsbeklagten zur Herbeiführung eines eigenständigen Tarifvertrags mit den aus der Anlage Ast 11 ersichtlichen Regelungstatbeständen kein ungeeignetes Kampfmittel und daher auch nicht schon aus diesem Grunde rechtswidrig.

I. 1. Streiks genießen - wie andere Arbeitskampfmaßnahmen - grundsätzlich den Schutz der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit. Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere die Tarifautonomie. Dementsprechend schützt das Grundrecht als koalitionsmäßige Betätigung auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Die Wahl der Mittel, mit denen die Koalitionen die Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge zu erreichen versuchen und die sie hierzu für geeignet halten, überlässt Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen selbst (BVerfG 04.07.1995 - 1 BvF - BVerfGE 92, 365). Sie haben daher einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Arbeitskampfmaßnahme geeignet ist, Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben. Der Beurteilungsspielraum erfasst nicht nur die Frage, welches Kampfmittel eingesetzt wird, sondern auch, wem gegenüber dies geschieht (BAG 18.02.2003 - 1 AZR 142/02 - BAGE 105, 5).

Nur wenn das Kampfmittel zur Erreichung des zulässigen Kampfziels offensichtlich ungeeignet ist, kann eine Arbeitskampfmaßnahme aus diesem Grunde für rechtswidrig erachtet werden (BVerfG 10.09.2004 - 1 BvR 1191/03; BAG 19.06.2007 - 1 AZR 396/06).

2. Auch wenn Streiks dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG unterfallen, bedeutet dies nicht, dass sie deshalb stets zulässig wären. Ihre Zulässigkeit richtet sich vielmehr nach der Ausgestaltung des Grundrechts durch die Rechtsordnung (BVerfG 26.06.1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212). Zwar unterliegt die Ausgestaltung in erster Linie dem Gesetzgeber, soweit es um das Verhältnis der Kampfparteien als gleichgeordnete Grundrechtsträger geht, muss die Ausformung jedoch nicht zwingend durch gesetzliche Regelungen erfolgen. Das Arbeitskampfrecht ist gesetzlich weitgehend ungeregelt geblieben. Gleichwohl müssen die Gerichte für Arbeitssachen, die vor sie gebrachten Streitigkeiten über die Rechtsmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen entscheiden und können sich dem nicht mit dem Hinweis auf fehlende gesetzliche Regelungen entziehen. Sie müssen vielmehr bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Grundsätzen ableiten, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblich sind (BVerfG 02.03.1993 - BVerfGE 88, 103).

II. Die Verfügungsbeklagte verfolgt mit ihrem Arbeitskampf keine rechtswidrigen Ziele. Dies gilt für die in der Anlage Ast 11 genannten Regelungstatbestände.

1. Die Verfügungsbeklagte genießt, was unstreitig ist, als Gewerkschaft den Schutz nach Art. 9 Abs. 3 GG. Im Rahmen der Tarifautonomie ist sie auch berechtigt, Tarifverträge abzuschließen und zu diesem Zweck Arbeitskämpfe zu führen. Ein Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, muss aber einen rechtmäßigen Inhalt haben. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (BAG 10.12.2002 - 1 AZR 96/02 - BAGE 104, 155).

2. Die Verfügungsbeklagte fordert einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal/Lokführer, der u. a. Regelungen hinsichtlich der Erhöhung der Monatsarbeitsentgelte sowie der Arbeitszeit enthalten soll. Die einzelnen Punkte, die in dem Schreiben des Bundesvorsitzenden der Verfügungsbeklagten vom 18.07.2007 (Anlage Ast 11) aufgeführt sind, sind solche, die zu den Arbeits- und Wirtschaftsbe- dingungen nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG zählen. Sie zielen auf die Gestaltung von Arbeitsbedingungen und sind daher grundsätzlich durch Tarifvertrag regelbar. Die Forderungen sind auch bestimmt genug, insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil unter C 1 d Bezug genommen.

III. Den Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsbeklagten in Form von Streiks steht nicht die Wahrung der Friedenspflicht entgegen. Insbesondere verstößt die Verfügungsbeklagte mit ihren Tarifzielen gemäß der Anlage Ast 11 nicht gegen ihre relative Friedenspflicht aus den ungekündigten tariflichen Regelungen zur Beschäftigungssicherung (BeSiTV), Mitarbeiterbeteiligung (MaBetTV) sowie dem KonzernZÜTV.

1. Bei der Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts sind aber zunächst die Grenzen zu beachten, welche die Tarifvertragsparteien für etwaige Arbeitskämpfe selbst gezogen haben. Wesentliche Beschränkungen ihrer Arbeitskampffreiheit begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig selbst durch den Abschluss von Tarifverträgen und die sich daraus ergebende Friedenspflicht (BAG 19.06.2007 - 1 AZR 396/06 - NZA 2007, 1055).

a) Die mit einem Tarifvertrag verbundene Friedenspflicht schützt einen Arbeitgeber davor, im Wege eines Streiks auf den Abschluss eines Tarifvertrags über dieselbe Regelungsmaterie in Anspruch genommen zu werden. Sie muss nicht besonders vereinbart werden, sondern ist dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent. Sofern die Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben, wirkt sie nicht absolut, sondern relativ und bezieht sich nur auf die tarifvertraglich geregelten Gegenstände (BAG 18.02.2003 - 1 AZR 142/02 - BAGE 105, 5; BAG 10.12.2002 - 1 AZR 96/02 - BAGE 104, 155; LAG Niedersachsen 02.06.2004 - 7 Sa 819/04 - LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 74). Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln (BAG 10.12.2002 - aaO; Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn. 81 ff; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 682). Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt haben, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollen, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG aaO; LAG Niedersachsen aaO).

b) Die Verletzung der Friedenspflicht und die Verfolgung rechtswidriger Ziele hat die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks zur Folge. Offengelassen hat das BAG bisher die Frage, ob bei einem Streik, der um den Abschluss eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, bereits die Rechtswidrigkeit einer nur untergeordneten Forderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führt. Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder rechtswidrigen Forderung um eine Hauptforderung handelt, soll dies zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führen (vgl. BAG 10.12.2002 - aaO).

2. Von vorstehenden Grundsätzen ausgehend, verfolgt die Verfügungsbeklagte mit ihrer Tarifforderung keine Ziele, mit denen sie gegen die Friedenspflicht aus noch ungekündigten Tarifverträgen zwischen ihr und den Verfügungsklägern verstößt.

a) Dies gilt zunächst für die Absicht, überhaupt einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal/Lokführer abzuschließen.

b) Aber auch die anderen Regelungsinhalte aus dem Forderungspaket der GDL vom 18. Juli 2007, wie die Erhöhung der Monatstabellenentgelte um mindestens 31 %, die ersatzlose Streichung des Arbeitszeit-Erhöhungsfaktors 1.025, die Tarifierung eines verbindlichen Jahresruhetagsplanes, die Veränderung der Arbeitszeitbestimmungen sowie die Verkürzung der ununterbrochenen Fahrzeit auf der Lokomotive um eine Stunde, stellen keinen Verstoß gegen die relative Friedenspflicht dar. c) Die Verfügungsbeklagte hat, was unstreitig ist, alle mit der Arbeitgeberseite abgeschlossenen Tarifverträge, die das Entgelt und die Arbeitszeit betreffen zum 30.06.2007 gekündigt. Gerade diese Punkte aber betreffen die wesentlichen Forderungen aus dem Forderungspaket.

Das Arbeitsgericht ist in diesem Zusammenhang bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, da die Abgrenzung im Rahmen eines „inneren Zusammenhangs" oder bei einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise" kaum möglich ist, könnte ein die Friedenspflicht auslösender Sachzusammenhang nur dann verlässlich angenommen werden, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart hätten. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Verfügungskläger berufen sich hinsichtlich des Bestehens einer relativen Friedenspflicht in erster Linie auf den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung (BeSiTV), den Tarifvertrag zu einer Mitarbeiterbeteiligung (MaBetTV) und den Tarifvertrag hinsichtlich die Zulage-Überleitung (Konzern- ZÜTV). Ausgangspunkt bei deren Abschluss im Jahre 2005 sei die Prämisse gewesen, die Arbeitskosten um 5,5 % zu reduzieren und im Gegenzug weitgehend auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31.12.2010 zu verzichten.

d) Mit ihren Tarifzielen beabsichtigt die Verfügungsbeklagte weder die Beschäftigungssicherung zu erweitern, noch die Mitarbeiterbeteiligung und das Zulagensystem abzuändern.

Die Auffassung der Verfügungskläger, es handele sich bei den vorgenannten Tarifverträgen um ein einheitliches „Paket" und aus dem engen Sachzusammenhang ergebe sich, dass bei den Tarifverhandlungen im Jahre 2007 hinsichtlich von Lohnerhöhungen nur ein ganz bestimmter Prozentsatz in Betracht komme und Änderungen bei der Arbeitszeit ausgeschlossen wären, lassen sich aus dem behaupteten Sachzusammenhang jedenfalls nicht schon herleiten.

e) Das gilt letztlich auch für die beiden Vereinbarungen vom 14.12.2004 sowie vom 28.02.2005. Sie betreffen nämlich zunächst die Entgeltrunde für das Jahr 2005. Soweit in Ziffer IV der Vereinbarung vom 28.02.2005 hinsichtlich von Verhandlungen einer künftigen Entgeltregelung zu einem „Flächentarifvertrag Schiene" an der Reduzierung der Arbeitskosten von 5,5 % festgehalten wird, so sagt dies nichts über die tatsächlichen Lohnerhöhungen für die Zukunft aus. Solches behaupten die Verfügungskläger auch nicht konkret. Sie geben an, der geplanten Kostensenkung könne nur dann Rechnung getragen werden, wenn auch im Jahre 2007 moderate Lohnerhöhungen vereinbart würden bei Beibehaltung der Arbeitszeitregelungen. Die Verfügungskläger haben aber weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass nur durch die mit der TG TRANSNET/GDBA im Jahre 2007 abgeschlossenen Tarifverträge und den darin getroffenen Vereinbarungen das angestrebte Ziel zu erreichen war. Die von der Verfügungsbeklagten verlangte Vergütungserhöhung um wenigstens 31 % und Änderungen bei der Arbeitszeit stellen, wie bei Tarifforderungen üblich, Maximalforderungen dar. Ob diese tatsächlich durchsetzbar sind, mag dahinstehen. Jedenfalls hat die Verfügungsbeklagte mit den von ihr erhobenen Forderungen, die den Tarifabschluss mit der TG TRANSNET/GDBA übertreffen würden, nicht schon gegen die relative Friedenspflicht aus ungekündigten Tarifverträgen verstoßen.

3. Dem Arbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass mit Ablauf des 30.09.2007 keine „Friedenspflichtverletzung" aus dem vor dem Arbeitsgericht Nürnberg abgeschlossenen Vergleich hinsichtlich des Moderationsverfahrens vorliegt. Die Verfügungsbeklagte ist auch nicht verpflichtet, auf dem von der Arbeitgeberseite zuletzt unterbreiteten Angebots zunächst Verhandlungen zu führen und erst bei deren Scheitern, zum Streik aufzurufen.

a) Aus dem Ultima-Ratio-Prinzip folgt, dass Arbeitskampfmaßnahmen erst dann ergriffen werden dürfen, wenn ohne sie ein Tarifabschluss im Wege von Verhandlungen nicht zu erreichen ist. Dies bedeutet, dass grundsätzlich vor einem Streik Forderungen über den Inhalt des abzuschließenden Tarifvertrags erhoben und in der Regel auch erfolglos Verhandlungen darüber geführt sein müssen (BAG 21.06.1988 - 1 AZR 651/86 - BAGE 58, 364; BAG 09.04.1991 - 1 AZR 332/90;- NZA 1991, 2205; BAG 18.02.2003 - 1 AZR 142/02 - BAGE 105,5). Das Ultima- Ratio-Prinzip erfordert jedoch keine offizielle Erklärung des Scheiterns der Tarifvertragsverhandlungen. Vielmehr liegt in der Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen die freie, nicht nachprüfbare und daher allein maßgebende Erklärung der Tarifvertragspartei, dass sie die Verständigungsmöglichkeiten ohne Ausübung von Druck als ausgeschöpft ansieht (BAG 21.06.1988 aaO; BAG 18.02.2003 aaO).

b) Die Verfügungsbeklagte hat zuletzt im Rahmen des Moderationsverfahrens Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite geführt. Sie brachten offensichtlich keine Annäherung. Daraufhin hat die Verfügungsbeklagte durch ihren Geschäftsführer mit Schreiben vom 01.10.2007 das Scheitern der Verhandlungen mit dem Verfügungskläger zu 3. erklärt.

Selbst wenn die Verfügungsklägerseite danach ein neues Angebot vorgelegt haben sollte, so führt dies nicht dazu, dass darüber erneut hätte verhandelt werden müssen. Die Verfügungsbeklagte hat es abgelehnt, auf der Basis des letzten Angebots zu verhandeln, vielmehr hat sie Arbeitskampfmaßnahmen eingeleitet.

Sie hat damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verständigungsmöglichkeiten ohne Ausübung von Druck als ausgeschöpft ansieht.

IV. Der Streik der GDL ist auch nicht deswegen unverhältnismäßig und daher rechtswidrig, weil der angestrebte Tarifvertrag nach dem Grundsatz der Tarifeinheit nicht zur Geltung kommen würde.

Das Streikrecht der Verfügungsbeklagten ist durch dieses Rechtsprinzip hier nicht eingeschränkt.

1. Wird ein Arbeitsverhältnis von mehreren Tarifverträgen erfasst, so liegt Tarifkonkurrenz vor (Wiedemann/Wank, 7. Aufl., § 4 TVG Rz. 268). Gelten in einem Betrieb mehrere Tarifverträge normativ nebeneinander, ohne dass sie auf einzelne Arbeitsverhältnisse gleichzeitig anwendbar sind, liegt Tarifpluralität vor (BAG 20.03.1991 - 4 AZR 455/90 - NZA 1991, 736). Zu ihr kommt es vor allem dann, wenn zwar der Arbeitgeber an die kollidierenden Tarifverträge gebunden ist, wegen unterschiedlicher Tarifbindungen der Arbeitnehmer auf einige Arbeitsverhältnisse, aber dieser und auf andere Arbeitsverhältnisse jener Tarifvertrag anzuwenden ist.

a) Nach der Rechtsprechung des BAG sind die Fälle der Tarifpluralität wie auch solche der Tarifkonkurrenz nach dem Prinzip der Tarifeinheit im Regelfall dahingehend aufzulösen, dass nur der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung kommt. Das ist der Tarifvertrag, der dem Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der dort tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht wird (BAG 05.09.1990 - 4 AZR 59/90 - AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz, BAG 04.12.2002 - 10 AZR 113/02 - RdA 2003, 375; BAG 23.03.2005 - 4 AZR 203/04 - AP Nr. 29 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG 15.11.2006 - 10 AZR 665/05 - AP Nr. 34 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Begründet wird der Grundsatz von der Tarifeinheit mit übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Rechtliche und tatsächliche Unzuträglichkeiten, die sich aus einem Nebeneinander von Tarifverträgen in einem Betrieb ergeben, würden dadurch vermieden. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge, die von verschiedenen Tarifvertragsparteien abgeschlossen wurden, in einem Betrieb nebeneinander, müsse zu praktischen, kaum lösbaren Schwierigkeiten führen. So würden Rechtsnormen eines Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gemäß § 3 Abs. 2 TVG für alle Betriebe gelten, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. Wäre dieser aber an zwei Tarifverträgen gebunden, müsste zumindest insoweit entschieden werden, welchem der Vorrang einzuräumen sei. Eine Abgrenzung zwischen Betriebsnormen und Inhaltsnormen bereite aber oft tatsächliche Schwierigkeiten, zumal hier auch Überschneidungen möglich sind. Die aufgezeigten tatsächlichen Schwierigkeiten könnten nur durch die betriebseinheitliche Anwendung eines Tarifvertrages vermieden werden. In den Kernbereich der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit würde dadurch nicht eingegriffen. Dass die Mitglieder der Gewerkschaft, deren Tarifvertrag verdrängt werde, ihren Tarifschutz verlören, sei hinzunehmen. Der nachrangige Tarifvertrag werde außerdem nur zeitweilig verdrängt. Es bleibe jeder Koalition, deren Tarifvertrag durch einen spezielleren Tarifvertrag einer anderen Koalition verdrängt werde, unbenommen, ebenfalls einen solchen speziellen Tarifvertrag abzuschlie- ßen, dafür zu werben und sich entsprechend zu betätigen (BAG vom 20.03.1991 - 4 AZR 455/90 - AP Nr. 29 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).

b) Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, werden gegen die vom BAG seit 1957 (Urteil v. 29.03.1957 - AP Nr. 4 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) vertretene Auffassung zum Prinzip der Tarifeinheit im überwiegenden Schrifttum erhebliche, vor allem verfassungsrechtliche, Bedenken geäußert (vgl. Wiedemann/ Wank, § 4 TVG Rz. 287 m. w. N.; Däubler/Zwanziger, § 4 TVG Rnr. 944; Bayreuther, NZA 2006, 642, 643; Buchner, BB 2003, 2121; Greiner, NZA 2007, 1023 ff; Hanau/Kania, Anm. zu BAG AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Heinze/Ricken, ZfA 2001, 159; Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, Diss. 1999, 412 ff; Kempen, NZA 2003, 415; Kraft, RdA 1992, 161 ff; Lindemann/Simon, BB 2006, 1852, 1856; C. Meyer, DB 2006, 1271; Rieble, BB 2003, 1227, 1228; Schaub, RdA 2003, 378, 380; Thüsing/von Medem ZIP 2007, 510 ff). Danach stelle die Rechtsprechung des BAG eine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die sich jedenfalls mit Praktikabilitätsüberlegungen allein nicht begründen lasse (Kraft, AuR 1994, 391, 392). Sie bedeute zudem einen Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit derjenigen Gewerkschaft, deren Tarifvertrag verdrängt werde. Ihr werde dadurch der Zugang zu einem bestimmten Unternehmen, u. U. zu einem ganzen Wirtschaftszweig versperrt. Zugleich liege auch ein Eingriff in die individuelle Koalitionsfreiheit desjenigen Arbeitnehmers vor, der unter den Geltungsbereich des verdrängten Tarifvertrages fällt (Hanau/Kania aaO). Art. 9 Abs. 3 GG schütze nicht nur den Bestand der Koalition an sich, ihre organisatorische Ausgestaltung, sondern auch ihre Betätigung, wozu insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. 2. Den Verfügungsklägern ist zuzugeben, dass ein Tarifabschluss mit der GDL zu einer Tarifkonkurrenz führen kann. In Anwendung des Prinzips der Tarifeinheit im Sinne der Rechtsprechung des BAG könnte dies dazu führen, dass der angestrebte Tarifvertrag mit der GDL verdrängt werden würde.

a) Der Verfügungsbeklagte zu 3. hat für die von ihm vertretenen Betriebe der Antragstellerseite am 09.07.2007 Tarifverträge mit der TG TRANSNET/GDBA abge- schlossen. Der Geltungsbereich dieser Tarifverträge erstreckt sich auch auf die von der GDL repräsentierten Arbeitnehmer des Fahrpersonals, darunter die Lokführer. Sollte die Arbeitgeberseite mit der Verfügungsbeklagten Tarifverträge abschließen, die sich inhaltlich nicht mit denen der TG TRANSNET/GDBA decken, so würde nach der Rechtsprechung des BAG, eine sog. Tarifpluralität zwischen den konkurrierenden Tarifverträgen vorliegen. Dies hätte bei strikter Anwendung des Prinzips der Tarifeinheit die Folge, dass der Tarifvertrag zur Anwendung käme, der dem Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der dort tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht wird (BAG 24.01.1990 - 4 AZR 561/89 - AP Nr. 126 zu § 1 TVG Tarifverträge- Bau). Dementsprechend definiert das BAG hierbei die „Spezialität" nicht in dem Sinne, dass sich der speziellere Tarifvertrag auf eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern, hier das Fahrpersonal/Lokführer, bezieht, sondern es definiert die „Spezialität" danach, ob der Tarifvertrag der Situation im Betrieb in räumlicher, betrieblicher, fachlicher und persönlicher Hinsicht am nächsten steht (BAG 20.03.1991 - 4 AZR 455/90 - NZA 1991, 736). Daher wird in der Regel der Tarifvertrag, der entsprechend dem überwiegenden Betriebszweck, auch bestimmt durch die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer, als der sachnähere in Betracht kommen.

b) Nach dieser gängigen Interpretation wird stets ein nur für einen (kleineren) Teil der Belegschaft geltender Tarifvertrag, insbesondere also ein Spezialisten- oder Spartentarifvertrag verdrängt (Greiner aaO m. w. N.). Dies hätte zum Ergebnis, dass ein von der GDL mit dem Verfügungskläger zu 3. abgeschlossener Tarifvertrag für das Fahrpersonal/Lokführer von den Regelungen der Tarifverträge zwischen der TG und dem Arbeitgeberverband verdrängt würde.

3. Die Berufungskammer teilt die Bedenken, die vor allem in der arbeitsrechtlichen Literatur gegen eine solche Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit vorgebracht werden.

a) Die vorzitierte Rechtsprechung des BAG zur Auflösung von Tarifpluralitäten wird allgemein auf die Formel „ein Betrieb - ein Tarifvertrag" verkürzt und daraus mehr oder weniger geschlossen, dass das BAG jede Tarifpluralität dem Prinzip der Tarifeinheit unterwerfen will und daher auch eine solche, die kraft unterschiedlicher Organisationszugehörigkeit bzw. einer privatautonom herbeigeführten mehrfachen Tarifbindung des Arbeitgebers (Bayreuther, NZA 2006, 642, 643). In diesem Zusammenhang muss aber beachtet werden, dass die einschlägigen Entscheidungen des BAG bei genauer Betrachtung zeigen, dass ihnen jeweils eine andere Sachkonstellation zugrunde gelegen hat, als im vorliegenden Fall. So ergab sich das Konkurrenzproblem hinsichtlich Verbands- und Firmentarifverträgen zu allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Oder es konkurrierten zwei Tarifverträge mit unterschiedlichen fachlichen Ausrichtungen. Wenn Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften miteinander konkurrierten, dann nur, weil Tarifverträge eine unterschiedliche fachliche Ausrichtung aufwiesen und daher zwangsläufig durch verschiedene Fachgewerkschaften abgeschlossen wurden. Soweit Entscheidungen eine echte Konkurrenz zwischen fachlich deckungsgleichen Tarifverträgen unterschiedlicher Gewerkschaften betrafen, so stand die Konkurrenz im Zusammenhang mit § 4 Abs. 5 TVG bzw. § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB (Bayreuther NZA 2007, 187, 188).

Konkret lässt sich aber feststellen, dass das BAG bisher noch nicht über einen Fall zu entscheiden hatte, wo der Arbeitgeber aufgrund privatautonomen Willensentschlusses an zwei Tarifverträge mit unterschiedlichen Gewerkschaften gebunden war (gewillkürte Tarifkonkurrenz).

b) Es spricht allerdings einiges dafür, dass das BAG auch den vorgenannten Fall konkurrierender Tarifverträge nach dem Prinzip der Tarifeinheit lösen würde. In der Entscheidung (BAG 05.09.1990 - 4 AZR 59/90 - AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) stellt es nämlich fest, dass es wegen der Tarifbindung des Arbeitgebers an zwei verschiedene Tarifverträge konkurrierender Tarifvertragsparteien nicht ausgeschlossen ist, dass wegen der Tarifbindung anderer Arbeitnehmer an den konkurrierenden Tarifvertrag dann mehrere miteinander konkurrierende Tarifverträge im selben Betrieb gleichzeitig Anwendung finden müssten. Dies widerspräche dem Prinzip der Tarifeinheit, nach dem in einem Betrieb nur die Tarifverträge einer Branche Anwendung finden sollen und die maßgebende Branche nach dem überwie- genden Betriebszweck bestimmt wird. Ob man dieser Aussage aber eine derartige apodiktische Wirkung für alle Fälle der Tarifpluralität zumessen muss, ist indes fraglich (vgl. Bayreuther NZA 2006, 643).

4. Würde man der Rechtsprechung des BAG die Wirkung beimessen, die die Kritiker der Tarifeinheit und die Verfügungskläger annehmen, so würde dies im Ausgangsfall bedeuten, dass ein Tarifvertrag, der nur für Fahrpersonal/Lokführer bei den Verfügungsklägern gelten soll, in Bezug zu einem konkurrierenden Tarifvertrag, der für alle Beschäftigten der Bahn, einschließlich Fahrpersonal/Lokführer abgeschlossen wurde, auch dann, wenn ersterer die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer des Fahrpersonals und der Lokführer gerade spezieller regelt, von dem umfassenderen Tarifvertrag immer verdrängt werden würde. Denn der hier „speziellere" Tarifvertrag würde eine tarifliche Ordnung nicht für den Betrieb insgesamt zur Verfügung stellen. Im Ergebnis würde sich eine solche Auslegung zur Tarifeinheit insbesondere gegen Spezialisten- oder Spartentarifverträge richten (Greiner aaO; Buchner, BB 2003, 2121, 2124; Rieble, BB 2003, 1227, 1228). Dies lässt sich aber mit dem grundgesetzlich geschützten Recht der Koalitionen nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbaren. Eine solche Anwendung des Begriffs der Tarifeinheit würde in bedenklicher Weise in die Koalitionsfreiheit als solche eingreifen.

5. Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG beschränkt sich nicht nur auf die Freiheit des Einzelnen, eine derartige Vereinigung zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben oder sie zu verlassen. Es schützt ebenso die Koalition selber in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihrer Betätigung, soweit diese gerade in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen besteht (BVerfG 26.06.1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212). Würde man jede Konkurrenz von Tarifverträgen dem Grundsatz der Tarifeinheit unterstellen, so würde dies dazu führen, dass die sog. positive Koalitionsfreiheit der Mitglieder einer Tarifvertragspartei, deren Tarifverträge verdrängt werden, in unzulässiger Weise eingeschränkt wird. Wollen sie sich nicht als Unorganisierte behandeln lassen, wären sie gezwungen, der Tarifvertragspartei beizutreten, deren Tarifvertrag den ihren verdrängt hat. Letztlich werden sie so um die in ihrem Tarifvertrag erkämpften Er- gebnisse gebracht (Däubler/Zwanziger aaO Rnr. 947). Keine Lösung des Konflikts um die Koalitionsfreiheit stellt auch die Möglichkeit dar, dass konkurrierende Gewerkschaften identische Tarifverträge mit der Arbeitgeberseite abschließen können.

6. Die strikte Anwendung des Prinzips der Tarifeinheit geht zudem an der Realität vorbei.

a) Das System des Tarifrechts und des damit korrespondierenden Arbeitskampfrechts ist letztlich auf das Industrieverbandsprinzip ausgerichtet und geht von starken mit sozialer und gesamtwirtschaftlicher Verantwortung handelnden mächtigen DGB-Gewerkschaften aus (Greiner, NZA 2007, 1023). Die Gewerkschaftsseite hat den Grundsatz der Tarifeinheit im Sinn von „ein Betrieb - eine Gewerkschaft" auch lange hochgehalten. Insoweit hat dieser Grundsatz auch in der Satzung des DGB seinen entsprechenden Niederschlag gefunden. So sieht § 16 der DGB-Satzung zur Durchsetzung des Grundsatzes die Möglichkeit eines Schiedsgerichts vor, um die Zuständigkeit miteinander konkurrierender DGB-Gewerkschaften klären zu können. Selbst konkurrierende Gewerkschaften haben sich zur Durchsetzung von gemeinsamen Zielen und zur Erhöhung ihrer Kampfkraft zu Tarifgemeinschaften zusammengeschlossen. So geschehen auch bei der Bahn, wo die TRANSNET, die GDBA sowie die GDL bis zum Jahre 2005 identischen Tarifverträge für ihre jeweiligen Mitglieder abgeschlossen haben.

b) In den letzten Jahren hat sich aber Streit entwickelt, bedingt durch die Fusion von Einzelgewerkschaften zu ver.di, das Nebeneinander von DGBMitgliedsgewerkschaften einerseits und von CGB-Mitgliedsgewerkschaften andererseits sowie die Bildung von kleinen Spezialisten- und Spartengewerkschaften.

7. Nach Meinung der Kammer muss es prinzipiell möglich sein, dass in einem Betrieb Tarifverträge von konkurrierender Gewerkschaft, für ihre jeweiligen Mitglieder zur Anwendung kommen.

a) Wenn die Rechtsprechung das Nebeneinander mehrerer konkurrierender Gewerkschaften in einem Betrieb als Realität ansieht, dann muss sie konsequenterweise auch die gewerkschaftliche Betätigung in Form des Abschlusses von Tarifverträgen für ihre Mitglieder akzeptieren und darf die Anwendbarkeit der Tarifverträge nicht am Prinzip der Tarifeinheit scheitern lassen. Dies wäre mit der durch Art.

9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit genauso unvereinbar, wie wenn man die Tarifpluralität dadurch zu vermeiden versuchte, in dem einer konkurrierenden Arbeitnehmervereinigung die Gewerkschaftseigenschaft abgesprochen wird (BAG 14.12.2004 - 1 ABR 51/03 - NZA 2005, 697).

Soweit dadurch Probleme entstehen, die sich insbesondere in Bezug auf das BetrVG oder von Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen ergeben, wird die Rechtsprechung entsprechende Lösungen finden. In diesem einstweiligen Verfügungsverfahren ist es jedenfalls nicht Aufgabe der Kammer, diese Aufgabe zu übernehmen.

b) In diesem Zusammenhang kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifpluralität als solche schon eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie darstellt.

So wird in diesem Zusammenhang angeführt, die Tarifpluralität berge die Gefahr eines „verwirrenden Gewimmels" von Tarifverträgen (Hanau NZA 2003, 128) und führe zu einer „Balkanisierung der Unternehmenslandschaft" (Bayreuther BB 2005, 2641). Klare, durchschaubare und einheitliche Tarifstrukturen durch Tarifeinheit im Betrieb seien verfassungsrechtlich höher einzuschätzen als die tarifrechtliche Absicherung jedes Arbeitnehmers durch „seinen" Tarifvertrag. Bei Zulassung von Tarifpluralität drohe ein „Überbietungswettbewerb" um bessere Arbeitsbedingungen. Keine Gewerkschaft wolle die erste mit einem Tarifabschluss sein (Meyer, DB 2006, 1271; Hromadka GS für Heinze, 2005, 388). Zunächst sei der Abschluss der Konkurrenz abzuwarten, um diesen dann mit dem eigenen Tarif übertrumpfen zu können. Außerdem bestehe bei Tarifpluralität für den Arbeitgeber ein erhöhtes Arbeitskampfrisiko, denn wegen unterschiedlicher Laufzeiten von Tarifverträgen verschiedener Gewerkschaften drohe dem Arbeitgeber ein Zustand permanenter Tarifverhandlungen und fortwährender Arbeitskämpfe (Meyer, NZA 2006, 1390).

c) Dabei muss aber bedacht werden, dass auch die Koalitionsfreiheit verfassungsimmanenten Schranken unterliegt. Eingriffe in sie können aufgrund von kollidierenden Grundrechten Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern gerechtfertigt sein, wenn die Eingriffe ihrerseits verhältnismäßig sind. Das bedeutet, dass der Eingriff in das eine Grundrecht durch das andere Grundrecht geeignet, erforderlich und angemessen sein muss.

Davon ausgehend, stellt sich der Eingriff in die Koalitionsfreiheit durch das Prinzip der Tarifeinheit im Betrieb jedenfalls nicht als angemessen dar. Denn der massive Eingriff bewirkt, dass das wichtigste Recht, das Art. 9 Abs. 3 GG gewährt, nämlich eigene Tarifverträge zur Geltung zu bringen bzw. für die Gewerkschaftsmitglieder das Recht, die von der eigenen Gewerkschaft ausgehandelten tariflichen Arbeitsbedingungen in Anspruch zu nehmen, entfällt. Diesem massiven Grundrechtseingriff stehen gegenüber die Interessen der Arbeitgeberseite, möglichst nur mit einer Gewerkschaft über Tarifverträge zu verhandeln und gegebenenfalls Arbeitskämpfe führen zu müssen, sowie der Wunsch der etablierten Gewerkschaften, keine Mitglieder an Konkurrenzorganisationen zu verlieren. Diese Ziele wiegen aber nicht schwerer als die Ausschaltung eines Tarifvertrages durch die Tarifeinheit im Betrieb. Letztlich kann es aber dahinstehen, ob das Prinzip der Tarifeinheit gänzlich aufgegeben werden muss, um Konkurrenzprobleme wie im Ausgangsfall zu lösen.

8. Die Koalitionsfreiheit gilt gemäß Art. 9 Abs. 3 GG für jedermann und für alle Berufe (BVerfG 26.06.1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212).

a) Daraus folgt, dass Gewerkschaften das Recht zusteht, nur für bestimmte Berufe oder Sparten als Koalition aufzutreten. Zur Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG gehört als koalitionsmäßige Betätigung auch der Abschluss von Tarifverträgen und Arbeitskampfmaßnahmen zu deren Erzwingung (BVerfG 10.09.2004 - 1 BvR 1191/03 - NZA 2004, 1338).

b) Aber selbst wenn man an den Grundsätzen der strikten Tarifeinheit festhält, dann darf dies nicht schon dazu führen, dass Spezialisten- oder Spartentarifverträ- ge stets durch allgemeinere, alle Arbeitnehmer eines Betriebes erfassende Tarifverträge verdrängt werden.

(1) In diesem Sinne muss auch die Entscheidung des BAG (Beschluss vom 14.12.2004 - 1 ABR 51/03 - NZA 2005, 697) als Bestätigung der Rechte von Minderheits- oder Spartengewerkschaften gesehen werden. Zur Tariffähigkeit einer Gewerkschaft führt das BAG aus: Im Hinblick auf die Durchsetzungskraft einer Minderheits- oder Spartengewerkschaft kann sich selbst bei einer nur kleinen Zahl von Mitgliedern die Möglichkeit, empfindlichen Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben, daraus ergeben, dass es sich bei den organisierten Arbeitnehmern um Spezialisten in Schlüsselstellungen handelt, die von der Arbeitgeberseite im Falle eines Arbeitskampfs kurzfristig überhaupt nicht oder nur schwer ersetzt werden können. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, durch die Anerkennung „kleiner" Gewerkschaften sei die den Tarifpartnern obliegende sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens gefährdet. Vielmehr ist auf Grund der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit jede Gewerkschaft berechtigt, für sich zu entscheiden, für welche Arbeitnehmer und in welchem Wirtschaftsbereich sie tätig werden will. Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der Tarifeinheit steht aber dem Nebeneinander mehrerer konkurrierender Gewerkschaften nicht entgegen. Vielmehr setzt er Tarifpluralität, also den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand, gerade voraus. Dementsprechend ist es einer Koalition unbenommen, sich um den Abschluss eines spezielleren, einen konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrags zu bemühen. Tarifpluralität kann dagegen nicht dadurch vermieden werden, dass einer konkurrierenden Arbeitnehmervereinigung die Gewerkschaftseigenschaft abgesprochen wird. Dies wäre mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit unvereinbart (BAG aaO).

(2) Die vorstehende Entscheidung ist zwar weder im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Tarifvertrages ergangen, noch musste über die Zulässigkeit von Arbeitskampfmitteln entschieden werden. Sie stellt nicht einmal das Prinzip der Tarifeinheit grundsätzlich in Frage. Wenn sie aber einer Gewerkschaft das Recht einräumt zu entscheiden, für welche Arbeitnehmer sie tätig sein will und auch „kleinen" Gewerkschaften, sofern sie die nötige Durchschlagskraft aufweisen, das prinzipielle Recht einräumt in Konkurrenz zu anderen Gewerkschaften aufzutreten und sich um den Abschluss eines speziellen Tarifvertrags zu bemühen, der einen konkurrierenden Tarifvertrag verdrängt, so kann dies nur bedeuten, dass eben auch der Spezialisten- oder Spartentarifvertrag, jedenfalls für die von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer, der speziellere und sachnähere sein kann. Die Tarifeinheit bezieht sich somit nicht mehr auf den Betrieb als ganzen, sondern auf die jeweiligen vom Geltungsbereich eines Tarifvertrags erfassten Arbeitsverhältnisse. Nur so lässt sich auch der Hinweis verstehen, Tarifpluralität setze gerade den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand voraus. Würde man eine andere Betrachtungsweise anstellen, dann könnte ein Spezialisten- oder Spartentarifvertrag der von einer kleinen, aber schlagkräftigen Gewerkschaft erstritten wurde, einen anderen, alle Arbeitsverhältnisse erfassenden Tarifvertrag, nicht verdrängen.

Dann wäre es auch nicht erforderlich, zunächst konkurrierende Tarifverträge abschließen zu lassen, um dann festzustellen, der Spezialisten- oder Spartentarifvertrag finde sowieso wegen der Tarifeinheit keine Anwendung.

(3) In diese Richtung tendiert auch jüngst das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.06.2007 - 11 Sa 208/07 - DB 2007, 2432), wenn es davon ausgeht, dass die Anerkennung von Spartengewerkschaften bezogen auf Berufssparten einer grundsätzlichen Verdrängung von Spartentarifverträgen durch im fachlichen/persönlichen Anwendungsbereich breiteren Tarifverträgen entgegensteht.

(4) Auch das Hessische LAG (Urteil vom 02.05.2003 - 9 SaGa 637/03) stellt darauf ab, dass die Tarifeinheit nicht dem Betätigungsrecht konkurrierender Gewerkschaften in einem Betrieb entgegensteht und, dass sich die Lösung des Problems konkurrierender Tarifverträge erst dann stellt, wenn solche Tarifverträge abgeschlossen wurden. Der Kernbereich des Instituts der Tarifvertragsfreiheit werde verletzt, wenn einer Gewerkschaft, der eine Tariffähigkeit zukommt, durch Vorverlagerung einer (gerichtlichen) Überprüfung eines Tarifvorrangs eines bereits existierenden Tarifvertrages innerhalb der Rechtmäßigkeitsprüfung eines angekündigten Streiks, die formelle Kompetenz, überhaupt Tarifnormen zu setzen, genommen wird. Welchen Inhalt ein Tarifvertrag im Rahmen von Arbeitskampfmaßnahmen letztendlich erhält, lasse sich aber erst nach dem Tarifabschluss bestimmen (Hessisches LAG aaO).

c) Selbst wenn man nicht davon ausgehen sollte, dass in einem Betrieb konkurrierende Tarifverträge Anwendung finden können und am Prinzip der Tarifeinheit festhält, so lässt sich im Ausgangsfall derzeit (noch) nicht feststellen, ob der von der GDL angestrebte Tarifvertrag für Fahrpersonal/Lokführer gegenüber den Tarifverträgen mit der TG TRANSET/GDBA, was die Arbeitsverhältnisse von Fahrpersonal/ Lokführer betrifft, der speziellere sein wird oder nicht. Das hängt letztlich von seinem genauen Inhalt ab, über den die Tarifvertragsparteien (gerade) streiten. Würde der Verfügungsbeklagten zum jetzigen Zeitpunkt das Arbeitskampfmittel des Streiks untersagt, wäre es ihr aber versperrt, einen spezielleren Tarifvertrag überhaupt zu erreichen.

V. Dem mit dem Arbeitskampf verfolgten Ziel auf Abschluss eines Tarifvertrages steht auch nicht eine gestörte Tarifparität seitens der Verfügungskläger entgegen.

1. Ein funktionierendes Tarifvertragssystem setzt annähernd gleichgewichtige Verhandlungschancen der Tarifvertragsparteien voraus. Die Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts hat deshalb zu gewährleisten, dass keine Tarifvertragspartei der anderen von vornherein ihren Willen aufzwingen kann (BAG 12.09.1984 - 1 AZR 342/83 - BAGE 46, 322; BAG 10.07.1980 - 1 AZR 822/79 - BAGE 33, 140).

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind insoweit die realen Kräfteverhältnisse maßgebend, ohne dass alle Besonderheiten des Arbeitskampfes berücksichtigt werden müssten. Der Grundsatz der Parität kann nur Kriterien erfassen, die einer typisierenden Betrachtung zugänglich sind. Situationsbedingte Vorteile bleiben notwendigerweise unberücksichtigt (BAG 10.06.1980 - 1 AZR 822/79 - BAGE 33, 140; BVerfG 26.06.1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212). Die Parität der Tarifvertragsparteien im Arbeitskampf setzt ihre Abwehrfähigkeit voraus. Diese darf durch den Arbeitskampf nicht grundlegend beeinträchtigt werden (BAG 24.04.2007 - 1 AZR 252/06 - NZA 2007, 987).

b) Konkrete Maßstäbe, nach denen das Kräftegleichgewicht der Tarifvertragsparteien beurteilt werden könnte, lassen sich Art. 9 Abs. 3 GG nicht entnehmen. Die Kampfstärke von Koalitionen hängt von einer im Einzelnen kaum überschaubaren Fülle von Faktoren ab, die in ihren Wirkungen schwer abschätzbar sind (vgl. BVerfG 04.07.1995 - 1 BvF 2/86 u. a. - BVerfGE 92, 365). Die Vorgabe, möglichst für Parität zwischen den Tarifvertragsparteien zu sorgen, genügt daher als Handlungsanweisung für die konkrete gerichtliche Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts allein in der Regel nicht. Es bezeichnet aber zumindest eine Grenze, die bei der gerichtlichen Ausgestaltung nicht überschritten werden darf. Durch diese darf die Parität, deren Bewahrung oder Herstellung sie gerade dienen soll, nicht beseitigt und ein vorhandenes Gleichgewicht der Kräfte nicht gestört oder ein Ungleichgewicht verstärkt werden (vgl. BVerfG 04.07.1995 aaO).

2. Den Vergütungsklägern ist zuzugeben, dass bei Aufgabe des Prinzips der Tarifeinheit oder bei den effizienten Streikmodellen von Sparten- und Spezialistengewerkschaften (Greiner aaO) auch die Arbeitskampfparität sichergestellt werden muss. Weniger dann, wenn eine gleich mächtige konkurrierende Gewerkschaft zum Arbeitskampf aufruft, sondern vor allem dann, wenn eine kleinere Spartengewerkschaft deren Mitglieder Schlüsselpositionen innehaben, einen Betrieb bestreiken, stellt sich die Frage, welche Abwehrmöglichkeiten oder Arbeitskampfmittel der Arbeitgeberseite zur Verfügung stehen. Hinsichtlich denkbarer Lösungsmöglichkeiten kann insoweit auf die Ausführungen von Greiner (NZA 2007, 1026 - 1028) Bezug genommen werden.

a) Im Zusammenhang mit der Anerkennung einer kleinen Gewerkschaft und im Rahmen der Prüfung deren Durchschlagskraft weist das BAG (14.12.2004 - 1 ABR 51/03 - NZA 2005, 697) darauf hin, bei einer nur kleinen Zahl von Mitgliedern könne sich die Möglichkeit einer Arbeitnehmervereinigung, empfindlichen Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben, auch daraus ergeben, dass es sich bei den organisierten Arbeitnehmern um Spezialisten in Schlüsselstellungen handelt, die von der Arbeitgeberseite im Falle eines Arbeitskampfes kurzfristig überhaupt nicht oder nur schwer ersetzt werden können. Es hat darin aber nicht schon eine Gefährdung der den Tarifpartnern obliegenden sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens gesehen. Vielmehr hat es der „kleinen" Gewerkschaft gerade zugebilligt, auf Grund der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit für sich zu entscheiden, für welche Arbeitnehmer und in welchem Wirtschaftsbereich sie tätig werden will. Es hat einer solchen Gewerkschaft auch das ausdrückliche Recht zugebilligt, sich um den Abschluss eines spezielleren, einen sogar konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrags zu bemühen (BAG aaO). Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass der Arbeitskampf einer kleinen aber mächtigen Gewerkschaft, deren Mitglieder Schlüsselpositionen einnehmen, nicht schon zu Lasten der Parität auf Arbeitgeberseite führt. Dass der Streik zur Existenzvernichtung der Verfügungskläger führen könnte, ist nicht einmal behauptet worden.

b) Würde den Lokführern jeglicher Streik für einen eigenständigen Tarifvertrag verboten, würde dies gerade nicht zur Herstellung der Parität im Kräfteverhältnis, sondern zur gänzlichen Ausschaltung des Streikrechts der Lokführergewerkschaft führen. Dies würde aber nicht zur Parität in Verhandlung und Arbeitskampf, sondern zum Schutz vor Verhandlung und Arbeitskampf führen. Die Herstellung von Parität in der Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit der widerstreitenden Sozialpartner kann hierauf schwerlich gestützt werden (so Thüsing auf S. 31 des von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Gutachtens).

3. Im Übrigen stellt sich für die Kammer im Rahmen dieses Verfahrens die Frage nach einer gestörten Kampfparität (noch) nicht und bleibt letztlich ohne Einfluss auf die getroffene Entscheidung. Angemerkt sei aber, dass die Verfügungsbeklagte bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nur befristete und begrenzte Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt hat im Rahmen ihrer Tarifautonomie. In deren Verlauf hat sich jedenfalls nicht gezeigt, dass die Verfügungskläger in eine derart bedrohliche Situation geraten wären, dass nur mit gerichtlicher Hilfe und zwar durch Verbot des Streiks eine wie auch immer geartete Parität hätte wieder hergestellt werden müssen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Verfügungsbeklagte der Arbeitgeberseite von vornherein ihren Willen aufzwingen kann (BAG 10.06.1980 - 1 AZR 822/79 - BAGE 33, 140). Vielmehr haben die Verfügungskläger auf den Arbeitskampf der Verfügungsbeklagten hin durch den Einsatz von verbeamteten Lokführern und solchen von anderen Gewerkschaften oder organisierten Kräften ihren Geschäftsbetrieb, wenn auch in eingeschränktem Umfang, aufrechterhalten. Sie selbst hat keine Arbeitskampfmittel ihrerseits ergriffen, ja nicht einmal behauptet, solche ergreifen zu wollen.

Es lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass bei einer Eskalation des Streiks und der Wirkungslosigkeit bisher anerkannter Abwehrkampfmitteln von den Verfügungsklägern doch noch eine gerichtliche Untersagung in Betracht kommen könnte.

F. Der Streik der Verfügungsbeklagten kann auch nicht deswegen untersagt werden, weil er unter Berücksichtigung der Gemeinwohlbindung offensichtlich unverhältnismäßig im engeren Sinne und somit rechtswidrig wäre.

I. 1. Nach der Rechtsprechung des BVerfG dürften Arbeitskämpfe nur eingeleitet und durchgeführt werden, soweit sie zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und sachlich erforderlich sind. Auch bei der Durchführung des Arbeitskampfes selbst, und zwar sowohl beim Streik als auch bei der Aussperrung, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Mittel des Arbeitskampfes dürften ihrer Art nach nicht über das hinausgehen, was zur Durchsetzung des erstrebten Zieles jeweils erforderlich ist. Der Arbeitskampf ist deshalb nur rechtmäßig, wenn und solange er nach den Regeln eines fairen Kampfes geführt wird. Bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die allerdings schon bei den Angriffskampfmitteln ansetzt, wäre eine gerichtliche Kontrolle der Tarifziele kaum zu vermeiden. Eine solche Kontrolle widerspräche aber dem Grundgedanken der Tarifautonomie (BVerfG 26.06.1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212). Selbstverständlich müssen aber auch die Gewerkschaften angesichts der Bedeutung ihrer Tätigkeit für die gesamte Wirtschaft und ihres Einflusses auf weite Bereiche des öffentlichen Lebens bei all ihren Aktivitäten das gemeine Wohl berücksichtigen (BVerfG 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 - BVerfGE 38, 281, 307). Die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit kann, obwohl sie ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet ist, jedenfalls zum Schutz von Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang gebührt (BVerfG 27.04.1999 - 1 BvR 2203/93 - 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 ).

Das BAG definiert die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn (proportional) als ein Arbeitskampfmittel, das sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt. Insoweit steht einer Arbeitskampfpartei keine Einschätzungsprärogative zu, geht es doch hierbei nicht um eine tatsächliche Einschätzung, sondern um eine rechtliche Abwägung. Allerdings ist bei dieser stets zu beachten, dass es gerade das Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme ist, durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben. Unverhältnismäßig ist ein Arbeitskampfmittel daher erst, wenn es sich auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellt (BAG 19.06.2007 - 1 AZR 396/06 - NZA 2007, 1055). Dabei sind die wirtschaftlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen, das Gemeinwohl darf nicht offensichtlich verletzt werden (BAG GS 21.04.1971 - GS 1/68 - AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).

Inwieweit Streiks im Hinblick auf das Gemeinwohl und Aspekte der Daseinsvorsorge unverhältnismäßig sind, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden.

2. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitskampf im Extremfall auch wegen Verstoßes gegen das Gemeinwohl rechtsmissbräuchlich sein kann. In der Regel werde man sich jedoch mit der Zurückhaltung der Kampfparteien im Hinblick auf geschuldete Notstandsarbeiten begnügen müssen (Otto, Arbeitskampf und Schlichtungsrecht, § 8 Rnr. 71; Thüsing, Gutachten S. 8). Andererseits sei die Gemeinwohlbindung eines Rechts oder einer Rechtsausübung durchaus kein nur dem Eigentum anhaftendes Phänomen.

Vielmehr gebe die Rechtsordnung zahlreiche Belege dafür, dass die Interessenverfolgung des Einzelnen zurückstehen müsse, wenn sie zu unangemessenen Nachteilen für die Allgemeinheit führe (Hanau/Thüsing in Thüsing, Tarifautonomie im Wandel, 2003, S. 35 ff). Zum Teil wird betont, dass eine Begrenzung durch den Begriff des „Gemeinwohls" nur in dem Sinne zu verstehen sei, dass Koalitionen zur Rücksichtnahme verpflichtet werden könnten, wo sie in unverhältnismäßiger Weise Drittinteressen bzw. Schutzgüter der Allgemeinheit gefährden oder beeinträchtigen (Scholz in Maunz/Dürig/Herzog, Art. 9 GG, Rnr. 274). Soweit es im Arbeitskampf zu einem Grundrechtskonflikt zwischen der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und anderen grundsätzlich geschützten Rechtsgütern unbeteiligter Dritter, wie z. B. Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum und Berufsfreiheit komme, müsse der Konflikt im Wege der praktischen Grundrechtskonkordanz gelöst werden. Die Beeinträchtigung des einen Rechtsguts müsse dem legitimen Zweck der Verwirklichung des mit ihm kollidierenden Grundrechts dienen; sie müsse hierzu geeignet, erforderlich und angemessen sein (vgl. Greiner aaO m. w. N.).

Wichtigster Anwendungsfall der Gemeinwohlschranke sei der Bereich der Daseinsvorsorge. Lebensnotwendige Betriebe könnten nicht in gleicher Weise wie die anderen stillgelegt werden. Was zur Daseinsvorsorge gehört, wird meist in allgemeinen Wendungen umschrieben. Es gehe um die Sicherung einer „Mindestversorgung der Bevölkerung" oder den „Vorrang der Wahrung elementarer Rechtsgüter" (Gamillscheg, aaO, S. 1176).

3. Was die Auswirkungen des Streikrechts und ihre Grenzen bei erheblicher Betroffenheit der Allgemeinheit im Bereich der Daseinsvorsorge betreffen, so wird so u. U. ein Streikverbot für Ärzte als gerechtfertigt angesehen, wenn es um die Grundversorgung der Kranken geht (Scholz in Maunz/Dürig/Herzog, Art. 9 G G Rnr. 350). Auch dann, wenn lebenswichtige Versorgungsbetriebe, wie Strom, Gas und Wasser betroffen sind, werden Streikverbote als zulässig anerkannt, auch wenn eine Warnung vorangehen sollte (Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 5. Aufl., 1999, S. 464). Streiks im Bereich des Verkehrswesens seien nicht von vornherein unzulässig, sie werden dies jedoch, wenn kein Ausweichen mehr möglich oder wenn hierdurch sämtliche Dienstleistungen gänzlich zum Erliegen kommen. Mit Blick auf die Grundversorgung dürfte besonders ein Streik im Nahverkehrsbereich weniger dagegen im Güter- und Fernverkehr Auswirkungen zeigen. Hier dürfte es problematisch sein, aktiv zu verhindern, dass Ersatzdienste und Ersatzpläne aufgestellt, durchgeführt und ein Minimum an Versorgung sichergestellt werden (Gamillscheg aaO, S. 1179). Schließlich kann auch die Dauer der Streiks im Einzelfall unverhältnismäßig sein, wenn dies etwa in der Konsequenz zu weit reichenden Störungen auch anderer Versorgungsunternehmen führt (Zöllner/Loritz, S. 464).

Im Übrigen setzt die Kritik an der Unschärfe des Gemeinwohlbegriffs an. Zu Recht weist Thüsing (S. 7 des Gutachtens) darauf hin, dass es eine allgemeine rechtlich anerkannte Definition des Gemeinwohls für das Arbeitsrecht nicht gibt.

II. Von vorstehenden Grundsätzen ausgehend, stellt ein Arbeitskampf der Verfügungsbeklagten keine unangemessene Beeinträchtigung anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen, insbesondere Dritter, dar. Jedenfalls gehen die Beeinträchtigungen Dritter nicht über das Maß hinaus, was erforderlich ist, um durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben.

1. Mögliche erhebliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit führen nicht schon zu einem generellen Verbot von Streikmaßnahmen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit. Vielmehr bedarf die Frage, wann ein Streik bei erheblicher Betroffenheit der Allgemeinheit als nicht mehr von der Koalitionsfreiheit gedeckt anzusehen ist, einer Einzelfallprüfung. Dafür müssen die tatsächlichen Umstände herangezogen werden. Zu berücksichtigen sind, ob es dem Streikgegner möglich ist, Ersatzdienstleistungen anzubieten, in welchem Umfang tatsächlich Personen und die Allgemeinheit von einem Streik betroffen sind und ob bzw. welche Ausweichmöglichkeiten für Betroffene bestehen. Außerdem ist relevant, welche Rechtsgüter betroffen sind (Gamillscheg, aaO § 24 S. 1179).

a) Laut einer offiziellen Zusammenstellung in der Broschüre „Verkehr in Zahlen" (2005/2006), herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, vorgelegt von der Verfügungsbeklagtenseite und im Wesentlichen von den Verfügungsklägern nicht bestritten, besitzt die Bahn im Personenverkehr einen Anteil von 3 % des Gesamtverkehrsaufkommens (gemessen an der Anzahl der beförderten Personen pro Verkehrsträger). Das sind 2,071 Mrd. Fahrgäste pro Jahr. Bei der Verkehrsleistung (Anzahl der beförderten Personen multipliziert mit der durchschnittlichen Beförderungsweite) ergibt sich ein Anteil von 6,6 %. Im Berufsverkehr beträgt der Anteil der Eisenbahnen 4,7 %, im Ausbildungsverkehr 4,5 %, im Geschäftsverkehr 2,3 %, im Freizeitverkehr 1,7 % und im Urlaubsverkehr 6,9 %. Insgesamt werden im schienengebundenen Nahverkehr täglich 4,6 Mio. Fahrgäste befördert, wobei die Transportmittel in beträchtlichem Umfang von Berufstätigen, Schülern und Studenten benutzt werden.

Im Fernverkehr werden täglich 320.000 Reisende befördert. Das entspricht einem Marktanteil der DB am Fernreiseverkehr von 13 %.

Was den Güterverkehr betrifft, beträgt der Anteil der Eisenbahnen am Verkehrsaufkommen rund 17,2 5 %, wobei die DB über einen Marktanteil von 14,3 % verfügt.

Auf den Straßenverkehr entfallen ca. 70 %, auf die Binnenschifffahrt ca. 10 %, der Rest auf sonstige Verkehrswege. Beim grenzüberschreitenden Verkehr liegt der Anteil der Eisenbahnen am Verkehrsaufkommen bei 10,6 %. Bei den branchenspezifischen Spezialtransporten bei ca. 19,4 %. Außerdem beträgt der Marktanteil privater Güterbahnen in Deutschland ca. 15 %.

b) Die Verfügungskläger behaupten, dass der bisherige Streik im Personennahverkehr zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen, insbesondere in den neuen Bundesländern, geführt hat. Die Verfügungskläger beziffern die den Pendlern angefallenen Kosten für Taxis allein auf 10 Mio. EUR. Der Verkehrsverbund Mittel- Sachsen GmbH habe der Regio AG außerdem angekündigt, bei künftigen Streiks, die im Rahmen von Notfallplänen erbrachten Leistungen nicht mehr abzunehmen und demzufolge auch kein Bestellerentgelt zu zahlen. Es müsse auch damit gerechnet werden, dass bei künftigen Streiks der Regionalverkehr in Sachsen völlig eingestellt werden müsse. Das hätte vor allem für Pendler, Schüler und Studenten schwerwiegende Folgen.

Was den Güterverkehr betrifft, so behauptet die Arbeitgeberseite, der volkswirtschaftliche Schaden belaufe sich pro Streiktag auf 167 Mio. EUR. Nach spätestens zwei Streiktagen wären gravierende Engpässe in den Bereichen Kohle, Metalle, Chemie und Fertigteile für Fahrzeugbau zu erwarten, die zwangsläufig zu Werkstillständen und Kraftwerksausfällen führen könnten. Insbesondere wäre die Stahlerzeugung in den neuen Bundesländern betroffen, Folge wäre eine Gefährdung von ca. 15.000 Arbeitsplätzen. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der umweltfreundliche Schienengüterverkehr für viele Unternehmen ein zentraler Teil ihres Logistikkonzeptes seien.

Im Hinblick auf den Personenverkehr habe bereits ein mehrstündiger Streik die Folge, dass die inländischen EC/ICE-Linien - von Ausnahmen abgesehen - nicht mehr verkehren könnten. Bereits gestartete Züge könnten ihre Reise nicht fortsetzen, es entstünden hohe psychische Belastungen für die Fahrgäste. Besonders sei auch der internationale Personenfernverkehr betroffen, so wären nahezu 80 ausländische Städte direkt und vertaktet miteinander verbunden.

2. Abgesehen davon, dass die Verfügungskläger ihre Behauptungen nicht glaubhaft gemacht haben, würde selbst dann, wenn die vorstehenden Angaben zutreffend wären, kein unverhältnismäßiger und somit rechtswidriger Arbeitskampf vorliegen, der die Untersagung von Streiks rechtfertigen könnte, denn die Verfügungskläger sind in der Lage eine Grundversorgung der vom Streik Betroffenen aufrechtzuerhalten.

a) Dass der Arbeitskampf der Verfügungsbeklagten vor allem das Leben und die Gesundheit der Allgemeinheit als das am stärksten geschützte Rechtsgut beeinträchtigen würde, behaupten selbst die Verfügungskläger nicht. Soweit aus ihren Ausführungen hinsichtlich der Versorgung von Kraftwerken hergeleitet werden könnte, dass dadurch die Elektrizitätsversorgung erheblich beeinträchtigt werden könnte, so sind diese Angaben zu vage und zudem nicht glaubhaft gemacht.

b) Tatsächlich geht es um den Bereich der Daseinsvorsorge in Bezug auf die Beförderung der Bahnkunden und die Beförderung von Gütern.

Bei Arbeitskampfmaßnahmen im Bereich der Daseinsvorsorge, wozu der Bahnverkehr als solcher gehört, muss es zunächst, um eine Grundversorgung zu sichern, einen Notdienst geben. Denn ein Arbeitskampf belastet die Allgemeinheit in besonderem Maße, wenn die ausfallenden Dienste nicht substituierbar sind. Notstandsarbeiten sind die Arbeiten, die die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Diensten und Gütern während eines Arbeitskampfs sicherstellen sollen (BAG 30.03.1982 - 1 AZR 265/80 - BAGE 38, 207; BAG 31.01.1995 - 1 AZR 142/94 - BAGE 79, 152). Würde man den Arbeitskampf gänzlich verbieten, so würde gerade nicht die Aufrechterhaltung eines Betriebs im Mindestmaß, sondern eine Vollversorgung im Bahnverkehr vorliegen (Thüsing, Gutachten S. 10).

c) Im Ausgangsfall hat das Arbeitsgericht weder beim Personennah-, noch beim Personenfern- und Güterverkehr Feststellungen dahingehend getroffen, ob es den Verfügungsklägern zunächst möglich ist, ein Mindestmaß an Versorgung im Güter- und Personenverkehr aufrechtzuerhalten.

Tatsache ist aber, dass bei den Verfügungsklägern neben den Lokführern der GDL eine große Zahl von Lokführern beschäftigt ist, die entweder Beamte oder Angehörige der TG TRANSNET/GDBA sind. Sie beteiligen sich nicht am Arbeitskampf. Daher bestehen für die Berufungskammer keine Zweifel daran, dass die Verfügungskläger mit den vorgenannten Lokführern einen eingeschränkten Fahrbetrieb im Sinne eines Mindestmaßes an Versorgung aufrechterhalten können.

Letztlich geben die Verfügungskläger selbst zu, wenn im Schriftsatz vom 01.11.2007 darauf hingewiesen wird, dass die Folgen des Streiks im Nahverkehr vor allem die neuen Bundesländer getroffen hat, weil dort nur wenige Beamte zur Sicherstellung einer Mindestversorgung zur Verfügung standen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Bundesvorsitzende der Verfügungsbeklagten im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ein Schreiben vom 01.11.2007 an den Verfügungsbeklagten zu 3. vorgelegt hat, aus dem sich die Bereitschaft der Verfügungsbeklagten ergibt, einen Notdienst zu organisieren.

Im Übrigen haben die Verfügungskläger weder dargelegt, noch glaubhaft gemacht, dass ihnen trotz des Streiks die Einrichtung eines Notdienstes nicht möglich ist, um eine Grundversorgung der Allgemeinheit im Verkehrsbereich aufrechtzuerhalten.

III. Streiks der Verfügungsbeklagten sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „unerträglichen Gemeinwohlbeeinträchtigung" zu untersagen.

1. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass das Streikrecht dann hinter den Interessen der Allgemeinheit zurückzutreten habe und schon eine relevante Gemeinwohlbeeinträchtigung vorliege, wenn die Belange unbeteiligter Dritter und der Allgemeinheit in unerträglicher Weise in Mitleidenschaft gezogen würden. Genauer gesagt, es müsse ein gesteigertes sachlich objektives öffentlich Interesse an der Unterlassung der Streikmaßnahmen vorhanden sein. Hier insbesondere in einem Fall von außergewöhnlicher Bedeutung. In Anbetracht der Tatsache, dass nicht nur die konkrete Arbeitsleistung Dritten gegenüber unmittelbar zu erbringen ist, sondern aufgrund der Gegebenheiten in Gestalt einer europaweiten Vernetzung wie zeitlichen Verzahnung der Ausführung von branchenspezifischen Spezialtransporten, die mit anderen Verkehrsmitteln nicht möglich wären und ein Ausweichen auf andere Anbieter nicht möglich ist, lägen die vorstehenden Voraussetzungen teilweise vor und deshalb müsse der Arbeitskampf gerade im Personenfern- und Güterverkehr untersagt werden.

2. Abgesehen davon, dass diese Auffassung nicht näher begründet wurde, neigt die Berufungskammer dazu, wenn überhaupt, dann eher davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung der Allgemeinheit im Personennahverkehr durch Streiks wesentlicher größer ist. Dies schon allein unter dem Gesichtspunkt, dass der schienengebundene Personennahverkehr, was unstreitig ist, von täglich 4, 6 Mio. Fahrgästen genutzt wird, darunter einer großen Zahl an Schülern, die nicht ohne weiteres auf andere Verkehrsmittel ausweichen können.

a) Was die Untersagung des Streiks im Personen- und Güterverkehr betrifft, so muss zunächst beachtet werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Untersagung von Streikmaßnahmen über die Auswirkungen eines Streiks nur Mutmaßungen angestellt werden können. Dies betrifft sowohl die erwarteten Beeinträchtigungen gegenüber Dritten, als auch die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.

Tatsache ist, dass nach den offiziellen Angaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (vgl. „Verkehr in Zahlen"), der Anteil der Bahn an der Gesamtverkehrsleistung im Personenverkehr lediglich 6,6 % beträgt. Selbst im Nahverkehr beträgt der Anteil am Berufsverkehr nur 4,7 % und der am Ausbildungsverkehr nur 4,5 %. Es mag stimmen, dass im schienengebundenen Nahverkehr täglich 4,6 Mio. Fahrgäste befördert werden, dass bedeutet aber noch lange nicht, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Fahrgäste im Streikfall auf andere Verkehrsmittel, wie Autos, Taxen oder Busse ausweichen können. Die bisherigen Streiks, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung von der Verfügungsbeklagten durchgeführt wurden, haben jedenfalls nicht dazu geführt, dass der Nahverkehr in unerträglicher Weise betroffen wurde. So konnte, was unstreitig ist, aufgrund von Notfahrplänen zumindest ein beschränkter Fahrbetrieb aufrechterhalten werden, wobei die Auswirkungen des Streiks, bedingt durch den Organisationsgrad der Lokführer, regional unterschiedlich waren. Da die Verfügungsbeklagte die Streiks auch vorher rechtzeitig angekündigt hatte, war es den Fahrgästen möglich, rechtzeitig für eine Ersatzbeförderung zu sorgen. Dass die Verfügungsbeklagten in Zukunft ohne Vorankündigung Streiks durchzuführen beabsichtigt, ist weder behauptet noch sonst wie ersichtlich.

Was den Fern- und Güterverkehr betrifft, so beträgt der Marktanteil der DB am Fernreiseverkehr unstreitig 13 %, am Güterverkehr 14,3 % und bei branchenspezifischen Spezialtransporten ca. 19,4 %. Auch in diesem Zusammenhang lassen sich über die Auswirkungen von Streiks nur Mutmaßungen anstellen. Es ist auch hier in Anbetracht der Möglichkeit der Verfügungskläger, anders organisierte Lokführer und Beamte einzusetzen, nicht ersichtlich, warum durch einen Streik der Verfügungsbeklagten die Kunden der Verfügungskläger in unerträglicher Weise in Mitleidenschaft gezogen würden.

Soweit die Verfügungskläger auf einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden hingewiesen haben, so behaupten sie einmal der tägliche Schaden betrage bis zu 500 Mio. EUR, an anderer Stelle bis zu 167 Mio. EUR. Schon diese Diskrepanz zeigt die fehlende Aussagekraft, so dass sich ein näheres Eingehen darauf erübrigt.

b) Soweit die Verfügungsbeklagten unter Berufung auf das von ihnen vorgelegte Gutachten von Herrn Prof. Hufen die Auffassung vertreten, aus Art. 87 e Abs. 4 GG ergebe sich eine besondere Verpflichtung der Bahn gegenüber der Allgemeinheit auf Beförderung im Güter- und Personenfernverkehr, so ist dem nicht zu folgen. Art. 87 e Abs. 4 GG betrifft, den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes und die Vorbehaltung des bestehenden Netzes in einem funktionsfähigen Zustand (Gersdorf in v. Mangoldt/Kleine/Starck, GG, 5. Auflage, Art. 87 e GG Rn. 63). Der verfassungsrechtliche Gewährleistungsauftrag des Art. 87 e Abs. 4 GG verpflichtet allein den Bund. Art. 87 e Abs. 4 GG entfaltet keinerlei verfassungsunmittelbare Bindungen gegenüber den Eisenbahnen des Bundes (Gersdorf aaO Rnr. 68).

3. Sofern man der Entscheidung des Arbeitsgerichts insoweit den Sinn unterstellt, dass die Streikforderungen der GDL in keinem Verhältnis zu den befürchteten Beeinträchtigungen stehen, so kann dem nicht gefolgt werden. Das widerspricht eindeutig der Rechtsprechung.

Bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die schon bei den Angriffskampfmitteln ansetzte, wäre eine gerichtliche Kontrolle der Tarifziele kaum zu vermeiden.

Eine solche Kontrolle widerspräche aber dem Grundgedanken der Tarifautonomie (BVerfG 26.06.1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212). Auch das BAG geht da- von aus, mit der Rechtskontrolle schon des Umfangs der Streikforderung würde deshalb eine nur potentielle Norm in Unkenntnis ihrer späteren Konkretisierung auf eine mögliche Grundrechtswidrigkeit überprüft. Das ist mit der Koalitionsbetätigungsfreiheit der Gewerkschaften aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren und widerspräche dem Grundgedanken der Tarifautonomie (BAG 24.04.2007 - 1 AZR 252/06 - NZA 2007, 987). Diese besteht auch darin, selbst über Arbeitskampfmodalitäten und -strategien und damit u. a. über das als erforderlich angesehene Maß einer Streikforderung entscheiden zu können. Ihre Grenze liegt dort, wo die Streikforderung gezielt auf die wirtschaftliche Existenzvernichtung des Gegners gerichtet wäre oder wenn sämtliche Dienstleistungen gänzlich zum Erliegen kommen (Gamillscheg aaO Rnr. 1179). Einen derartigen Vorwurf machen aber selbst die Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten nicht.

G. I. Der Streik der Verfügungsbeklagten erscheint aus vorstehenden Gründen unter keinem Gesichtspunkt als unverhältnismäßig und ist daher auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Damit fehlt es an einem Verfügungsanspruch. Da auch kein Verstoß gegen die Friedenspflicht festgestellt wurde, konnte auch dem Hilfsantrag auf zeitliche Untersagung des Streiks nicht entsprochen werden. Da schon kein Verfügungsanspruch für die begehrte Unterlassung vorliegt, bedurfte es keines Eingehens auf die Frage des Verfügungsgrundes.

II. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten war daher das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 05.10.2007 abzuändern, soweit es dem Antrag der Verfügungskläger stattgegeben hatte und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Berufung der Verfügungskläger war dagegen zurückzuweisen.

Die Verfügungskläger tragen die Kosten des Rechtsstreits, § 91 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.

gez. Leschnig gez. Preßer gez. Lipski

Vorsitzender Richter am ehrenamtliche ehrenamtlicher

Landesarbeitsgericht Richterin Richter

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