LAG Rheinland-Pfalz: Prüfungspflicht bei Stellenbesetzung
LAG Rheinland-Pfalz , Beschluss vom 10.09.2010 - Aktenzeichen 6 TaBV 10/10 (Vorinstanz: ArbG Mainz vom 18.01.2010 - Aktenzeichen 4 BV 51/09; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Redaktionelle Leitsätze: 1. Die Arbeitgerberin ist gemäß § 81 SGB IX zur Prüfung verpflichtet, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können; welche Maßnahmen die Arbeitgeberin im Einzelnen "zur Prüfung" ergreifen muss, ist nicht besonders geregelt. 2. Um der gesetzlichen Prüfpflicht zu genügen, muss wegen der Verschiedenartigkeit der Behinderung und der unterschiedlichen Anforderungen der Arbeitsplätze eine konkrete Prüfung erfolgen; insbesondere ist der Agentur für Arbeit ausreichend Zeit einzuräumen. 3. Wird der Arbeitsagentur keine konkrete Stellenbeschreibung übersandt sondern nur eine (wie auch immer geartete) telefonische Zusammenfassung vorgetragen, ist nicht feststellbar, dass eine eineinhalb Seiten umfassende und komplexe Stellenausschreibung so dargestellt ist, dass der Arbeitsagentur eine ad hoc-Prüfung ermöglicht wird; da die Prüfung auch bundesweit erfolgt, ist dafür ein gewisser Zeitraum zu veranschlagen, weshalb die telefonische Abklärung einer ordnungsgemäßen Prüfpflicht widerspricht. 4. Auch wenn das Fehlen einer Eintragung im Vermittlungssystem der Arbeitsagentur der Sphäre der Arbeitsagentur zugeordnet werden muss, ist dieser Umstand doch ein Indiz dafür, dass ein den Zielen des § 81 SGB IX genügendes Prüfverfahren nicht stattgefunden hat. 5. Hat der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, kann die Arbeitgeberin, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorläufig durchführen (§ 100 BetrVG); Zweck des § 100 BetrVG ist es, der Arbeitgeberin unaufschiebbare Maßnahmen trotz Fehlens der Betriebsratszustimmung vorläufig zu ermöglichen. 6. Die vorläufige Durchführung einer personellen Maßnahme gemäß § 100 BetrVG ist an das Vorliegen sachlicher Gründe, die Erforderlichkeit der Maßnahme und die Dringlichkeit geknüpft; für die Ausnahmeregelung sind strenge Maßstäbe anzulegen. 7. Sachliche Gründe sind solche, die aus einer ordnungsgemäßen Betriebsführung erwachsen; persönliche Wünsche des Bewerbers nach vorläufiger Einstellung ohne zusätzliche Erfordernisse sind unerheblich. 8. Die Befürchtung der Arbeitgeberin, dass die Bewerberin im Falle einer Verzögerung bei der Einstellung nicht mehr für das Unternehmen zu gewinnen ist, stellt für sich gesehen keinen Vorläufigkeitsgrund dar. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1; SGB IX § 81; Redaktionelle Normenkette: BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1; BetrVG § 100; SGB IX § 81;
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