BAG: Prozessualer Rechtsmissbrauch bei unverfallbarer Betriebsrente
BAG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - 3 AZR 280/06 -
ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. b; BGB § 242; BetrAVG § 2 Abs. 1 und 5
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die bei vorzeitigem Ausscheiden erworbene Betriebsrentenanwartschaft des Klägers für Zeiträume zwischen seinem Ausscheiden und dem Eintritt des Versorgungsfalles auf Grund einer Regelung der Versorgungsordnung zu erhöhen ist.
Der Kläger ist am 15. März 1950 geboren. Er trat am 1. Januar 1980 in die Dienste der He GmbH. Die He GmbH wurde in der Folgezeit mit der L AG zur L-He AG verschmolzen. Diese wiederum wurde, nachdem sie wirtschaftlich bereits vorher zur Beklagten gehörte, im Oktober 1997 rechtlich auf die Beklagte verschmolzen. Der Kläger schied bei der Beklagten am 31. Dezember 2003 aus.
Bei allen genannten Unternehmen bestanden oder bestehen Versorgungszusagen, auch für den Kläger. Die früher bestehenden Versorgungszusagen wurden noch bei der L-He AG durch Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen dieser und ihrem Gesamtbetriebsrat vom 3. September 1997 (hiernach: GBV 97) vereinheitlicht. Diese Regelung lautet auszugsweise:
„1. Die bisher bei L-He AG bestehenden Regelungen über betriebliche Altersversorgung:
...
werden durch die für das Werk H geltende Versorgungsordnung der H D AG vom Oktober 1995 in der jeweils gültigen Fassung ersetzt.
Diese gilt dann für alle von der HD AG zum 01.04.1997 im Rahmen der Verschmelzung übernommenen Mitarbeiter der L-He AG. Sie gilt auch für Beschäftigte in den von der L-He AG abgetrennten, verselbständigten Firmen, allerdings ohne die dort nach dem 31.03.1997 neu eingetretenen Mitarbeiter.
Damit ist sichergestellt, daß nach dem 31.03.1997 für alle Mitarbeiter der HD AG und alle Mitarbeiter der L-He AG grundsätzlich die gleichen Regelungen für die betriebliche Altersversorgung gelten.
...
3. Die betriebliche Altersversorgung der übernommenen Mitarbeiter setzt sich zusammen aus den bei L-He AG zeitanteilig erworbenen Anwartschaften und den sich aus der Dienstzeit bei der H D AG nach Übernahme ergebenden Ansprüchen aufgrund der H Versorgungsordnung.
a) Die Bemessungsgrößen zur Ermittlung der zum 31.03.1997 erworbenen Anwartschaften auf Rentenleistungen bzw. Übergangsgeld werden nach der ratierlichen Berechnungsmethode analog § 2 BetrAVG ermittelt und als Jahresbetrag in DM ausgewiesen und festgeschrieben.
Grundsätzliche Bemessungsgrößen in diesem Sinne sind
- Altersrente gem. § 10 der ‚Versorgungsregelung der L-He AG' vom November 1991 (Eckwertrente),
- Altersrente gem. § 10 der ‚Versorgungsordnung der L AG' vom Februar 1988 (LRente),
- Ruhegeld bei Erreichen der festen Altersgrenze gem. § 7 der Richtlinien der He-Altersfürsorge GmbH vom 01.04.1985 in Verbindung mit Bedingungen 1984 für Ruhegehaltsabkommen (He-Rente),
- ...
Die Bemessungsgrößen
- L-Rente
- He-Rente ...
werden gem. § 3.4 der Versorgungsordnung der H D AG in gleicherweise, erstmalig zum 01.07.1997,
an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepaßt.
...
b) Für Dienstzeiten ab dem 01.04.1997 erwirbt der Mitarbeiter Anwartschaften nur noch nach der Versorgungsordnung der H D AG.
Bei der Ermittlung der Warte- und Unverfallbarkeitsfristen wird von dem für die Berechnung der Versorgungsansprüche bei der L-He AG maßgeblichen Datum ausgegangen.
4. Alle betroffenen Mitarbeiter erhalten eine schriftliche Mitteilung über die bei der L-He AG erworbenen Anwart- schaften.
..."
Die für den Betrieb H geltende Versorgungsordnung ist in der „Betriebsvereinbarung Nr. 10/95" (hiernach: BV 10/95) geregelt. Sie lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1 Art der Versorgungsleistungen
Die H D Aktiengesellschaft (nachfolgend Firma genannt) gewährt nach den Bestimmungen dieser Versorgungsordnung mit Rechtsanspruch folgende Versorgungsleistungen:
- Altersrente
...
§ 2 Voraussetzungen für die Gewährung der Versorgungsleistungen
2.1 Entstehung des Anspruchs
Der Anspruch auf die Versorgungsleistungen entsteht,
wenn bei einem unbefristet beschäftigten Mitarbeiter ...
b) der Versorgungsfall eintritt.
...
2.3 Versorgungsfall
Der Versorgungsfall tritt ein
a) für die Altersrente, wenn ein Mitarbeiter - nach Erreichen der Altersgrenze aus den Diensten der Firma ausscheidet. Die Altersgrenze ist mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht;
- nach mindestens 10 anrechnungsfähigen Dienstjahren vor Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheidet und volles Altersruhegeld der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, oder einen entsprechenden Nachweis zur Erfüllung der Voraussetzungen erbringt;
...
§ 3 Höhe und Berechnung der Altersrente
3.1 Die Höhe der Altersrente richtet sich nach den im Zeitpunkt des Versorgungsfalles bei der Firma erreichten anrechnungsfähigen Dienstjahren und der Rentengruppe aufgrund des rentenfähigen Einkommens.
...
3.3 Anrechnungen
Die nach dieser Versorgungsordnung zu gewährenden Renten dürfen zusammen mit Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten aus früheren Arbeitsverhältnissen 100 % des im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen durchschnittlichen monatlichen normierten Nettoeinkommens nicht überschreiten; ausgenommen bleiben die Teile von Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die gemäß BAG-Rechtsprechung nicht angerechnet werden dürfen. Das normierte Nettoeinkommen wird aus dem Bruttoeinkommen (ermittelt aus dem rentenfähigen Einkommen zuzüglich Urlaubsgeld, tariflichen Sonderzahlungen und Weihnachtsgeld mit derzeit 65 % einer Monatszahlung) unter Zugrundelegung der Lohnsteuerkarte 3/0, der Kirchensteuer sowie dem Arbeitnehmeranteil des nach dem jeweils gültigen Satz zu berechnenden Beitrages zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt. Die Höhe des Krankenversicherungsbeitrages richtet sich nach dem Beitragssatz der AOK. Die Mitgliedschaft in der Kirche wird unterstellt. Für den Kirchensteuersatz wird H (Sitz der Firma) zugrunde gelegt. Den anzurechnenden Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen stehen solche Renten, verrentete Kapitalleistungen oder einmalige Kapitalabfindungen gleich, die sich aus Versicherungsverträgen (z.B. Befreiungsversicherungen) ergeben, bei denen sich die Firma an der Aufbringung der Beiträge beteiligt hat. Es wird hierbei diejenige (fiktive) Rente zugrunde gelegt, die sich ohne Befreiung von der Versicherungspflicht ergeben hätte. Dabei bleiben die anteiligen Beträge, die auf freiwilliger Höher- oder Weiterversicherung beruhen, außer Betracht. Sofern die Begrenzung der Gesamtversorgung wirksam wird, darf eine Mindestrente in Höhe der halben ungekürzten Firmenrente nicht unterschritten werden. ...
3.4 Anpassung der Renten an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten
a) Die in der Rententabelle enthaltenen Rentenbeträge werden für die Anwartschaften und die laufenden Renten der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepaßt. Maßgebend ist der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Preisindex für die Lebenshaltung von Arbeitnehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen (nachfolgend Lebenshaltungskostenindex genannt). Es wird der Index berücksichtigt, der den Durchschnittswert des vergangenen Jahres darstellt.
b) Die Anpassungen erfolgen einheitlich im Abstand von 2 Jahren, jeweils zum 1. Juli. Die in der Rententabelle enthaltenen Rentenbeträge werden jeweils um den Prozentsatz verändert, um den sich seit der letzten Anpassung der Lebenshaltungskostenindex verändert hat, mindestens aber um 3 %. Ist die 3 %ige Anpassung für einen Zeitraum höher als der Anstieg des Lebenshaltungskostenindex, so wird der übersteigende Betrag bei der nächsten Anpassung berücksichtigt, mit der Maßgabe, daß die Mindestanpassung von 1,5 % pro Jahr nicht unterschritten wird. Die Rentenzahlbeträge werden auf volle DM kaufmännisch gerundet. Die Anpassung erfolgt jedoch auf der Basis der ungerundeten Beträge.
c) Sollten in dem Zeitraum, für den die Anpassung der Rentenbeträge jeweils erfolgt, aufgrund gesetzlicher oder tarifvertraglicher Regelungen von der Firma zusätzliche Leistungen erbracht werden müssen, die der Vermögensbildung, der Alterssicherung etc. der Arbeitnehmer oder der Ablösung solcher zusätzlichen Leistungen dienen, so werden diese Leistungen, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie sie steuerlich behandelt werden, bei zukünftigen Anpassungen der Rentenbeträge an den Lebenshaltungskostenindex berücksichtigt.
..."
Die in dieser Vereinbarung vorgesehenen Erhöhungen fanden in einem zweijährigen Rhythmus statt, nach dem die erste Anpassung ab dem Ausscheiden des Klägers zum 1. Juli 2005 vorzunehmen gewesen wäre. Regelungen auf Grund derer Leistungen nach § 3 Ziff. 3.4 Buchst. c auf die Steigerung wegen der Lebenshaltungskosten anzurechnen gewesen wären, gab es bis zum Ausscheiden des Klägers bei der Beklagten nicht.
Unter dem 22. März 2004 teilte die Beklagte dem Kläger die aus ihrer Sicht richtige Berechnung seiner unverfallbaren Anwartschaft mit. Dabei errechnete sie zunächst einen erreichten Besitzstand zum 31. März 1997, addierte die erreichbare Rente seit dem 1. April 1997 bis zum 65. Lebensjahr und errechnete zeitratierlich - unter Zugrundelegung eines Unverfallbarkeitsfaktors von 0,6809 - den Anteil, der der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zur möglichen Betriebszugehörigkeit zum 65. Lebensjahr entsprach. Alternativ errechnete sie, welche Besitzstände der Kläger tatsächlich schon erworben hatte. Diese Berechnung führte sie, soweit Zeiten vor dem 1. April 1997 betroffen waren, sowohl nach den für die Eckwertrente geltenden Bestimmungen der L-He AG als auch nach den Bestimmungen der für den Kläger anwendbaren He-Rente einschließlich ihrer Dynamisierung bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens durch. Sie stellte dabei fest, dass der nach der Berechnung für den Kläger höchst erreichbare Betrag sich ergab, wenn man den Besitzstand nach der Eckwertrente und den tatsächlich nach dem 1. April 1997 erworbenen Besitzstand zusammenzählte. Den sich so ergebenden Betrag von 255,40 Euro wies sie als unverfallbar aus.
Der Kläger ist mit dieser Berechnung nicht einverstanden. Er ist der Auffassung, die mindestens 3 %ige Anpassung auch der Anwartschaften an die Steigerung der Lebenshaltungskosten müsse ihm auch für Zeitpunkte nach seinem Ausscheiden bis zum Eintritt des Versorgungsfalles zugute kommen. Diese vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage betrifft die Berechnung einer Vielzahl von unverfallbaren Anwartschaften von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, weil der Kläger einer von ca. 770 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist, die im Rahmen einer Betriebsänderung bei der Beklagten ausgeschieden sind.
Der Kläger hat zunächst angenommen, zwischen seinem Ausscheiden und der Erreichung seines 65. Lebensjahres im Jahre 2015 wäre seine Anwartschaft auf 119,41 % gestiegen. Er hat dann die - rechnerisch unstreitige - von ihm insgesamt unter Berücksichtigung seines Besitzstandes nach den Regeln der He-Rente sowie der erreichbaren Rente nach der Versorgungsordnung der Beklagten ab dem 1. April 1997 noch erreichbare Rente mit 338,65 Euro errechnet. Zu diesem Betrag hat er 19,41 % hinzugezählt, was insgesamt zu einer erreichbaren Rente von 404,38 Euro führte. Diese hat er mit dem Unverfallbarkeitsfaktor von 0,6809 Euro multipliziert; das ergab 275,34 Euro.
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, über die von ihr berechnete Betriebsrentenanwartschaft von 255,40 Euro hinaus ab seinem 65. Lebensjahr ihm eine monatliche Betriebsrente in der von ihm errechneten Höhe zu zahlen. Darauf hingewiesen, dass in Wirklichkeit in dem genannten Zeitraum nicht sechs, sondern nur fünf Anpassungszeitpunkte liegen mit der Folge, dass die Steigerung nur 15,93 % betrage, hat der Kläger seinen Klageantrag unverändert gelassen. Er hat jedoch eingeräumt, dass nach fünfmaliger Anpassung die Steigerung nur auf 115,93 % erfolgt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Urteil den Streitwert auf 717,84 Euro festgesetzt. Daraufhin hat der Kläger Berufung eingelegt und zuletzt beantragt festzustellen, dass ihm über die von der Beklagten berechnete Betriebsrentenanwartschaft von 255,40 Euro hinaus insgesamt 275,34 Euro monatliche Betriebsrente ab Eintritt des Ver- sorgungsfalles mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 15. März 2015 zusteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Berufung sei schon unzulässig. Im Übrigen hält sie die Anwartschaft für richtig berechnet. Die Anpassung an die Lebenshaltungskosten solle nur ihren aktiven Mitarbeitern zugute kommen. Die Regelung enthalte zudem keine sichere Anpassung, weil auch geringere Lebenshaltungskostensteigerungen zu berücksichtigen seien und zudem die Möglichkeit bestehe, dass die Anrechnung noch nicht vorhersehbarer tariflicher Leistungen erfolge. Der Mindestanpassung sei seinerzeit keine tatsächliche Relevanz beigemessen worden, da die jährlichen Lebenshaltungskostensteigerungen zum Zeitpunkt der erstmaligen Einführung des Mindestanpassungsfaktors jeweils deutlich über 1,5 % jährlich gelegen hätten. Die Einführung der Mindeststeigerung sei allein steuerlich motiviert gewesen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung für zulässig, aber unbegründet gehalten und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Antrag nur insoweit weiter, als er festgestellt wissen will, dass die Beklagte ihm über die von ihr berechnete Betriebsrentenanwartschaft von 255,40 Euro hinaus insgesamt 268,47 Euro monatliche Betriebsrente ab Eintritt des Versorgungsfalles mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 15. März 2015 schuldet. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Aus den Gründen:
Der Rechtsstreit ist nur noch mit dem in der Revisionsinstanz verringerten Klageantrag Gegenstand der Entscheidung des Revisionsgerichts. Insoweit hat die Revision Erfolg. Nur in diesem Umfang hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
A. Die - auch in der Revisionsinstanz zu beachtenden (BAG 23. März 2004 - 3 AZR 35/03 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 64 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 38, zu I 1 der Gründe) - Prozessfortführungsvoraussetzungen liegen vor. Die Berufung ist zulässig. I. Der Berufungsstreitwert ist erreicht.
Das Arbeitsgericht hat den Streitwert für den auch in der Berufungsinstanz vollständig weiterverfolgten Klageantrag auf 717,84 Euro und damit höher als den für die Statthaftigkeit der Berufung notwendigen Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 600,00 Euro (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) festgesetzt. An diese Festsetzung sind die Rechtsmittelinstanzen gebunden, wenn sie nicht offensichtlich unrichtig ist (vgl. BAG 23. Mai 1985 - 2 AZR 264/84 -, zu II 1 b und c der Gründe). Die Festsetzung des Arbeitsgerichts ist nicht offensichtlich unrichtig. Es hat sich am Klageantrag orientiert. Das ist - schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - sachgemäß (vgl. auch BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 105/03 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39, zu I 2 b der Gründe; BGH 9. November 2004 - VIII ZB 36/04 - NJW-RR 2005, 714 f.), jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig. Ebenso wenig ist es offensichtlich unrichtig, dass das Arbeitsgericht keinen Abschlag deshalb vorgenommen hat, weil nur ein Feststellungsantrag im Raum stand. Ein wirtschaftliches Vollstreckungsrisiko macht die Beklagte nicht geltend; es ist auch nicht naheliegend. Der Kläger hat mit seinem Berufungsantrag auch die Beseitigung dieser Beschwer erstrebt.
II. Es kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit einer vom Kläger eingelegten Berufung überhaupt Zulässigkeitsbedenken unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs unterliegen kann, wenn der ursprüngliche Klageantrag die Berufungssumme des § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG überstiegen hat und der Kläger eine nach dem Verfahrensverlauf gebotene Reduzierung seines Zahlungsantrags unter die Berufungssumme unterlässt. Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der Kläger auf Grund der grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalls wegen der Vielzahl betroffener ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten auch für den Fall des Zurückbleibens seines Antrags hinter der Berufungssumme auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG vertrauen konnte, scheidet, wie schon das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers, das die Zulässigkeit seines Rechtsmittels in Frage stellen könnte, aus.
B. Auf Grund des bisherigen Vortrages der Parteien und der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht entschieden werden, ob und in welcher Höhe dem Kläger ein Anspruch zusteht, so dass der Rechtsstreit im eingangs genannten Umfange an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 ZPO). Rechte aus der GBV 97 und der BV 10/95 stehen dem Kläger nicht zur Seite. Es bedarf aber der Klärung, inwieweit er sich erfolgreich auf § 2 Abs. 1 und 5 BetrAVG stützen kann.
I. Aus der GBV 97 iVm. der BV 10/95 kann der Kläger nichts herleiten. Die GBV 97 beschränkt sich darauf, vorangegangene Versorgungsordnungen abzulösen und unter gleichzeitiger Regelung von Übergangsfragen die Geltung der BV 10/95 anzuordnen. Die BV 10/95 ihrerseits regelt nur die Berechnung der Betriebsrente im Versorgungsfall (§ 3 iVm. dazu erstellten Tabellen, die die Rentengruppe festlegen). Versorgungsfall ist nach § 2 Ziff. 2.3 Buchst. a der BV 10/95 lediglich das Ausscheiden aus den Diensten der Arbeitgeberin nach Erreichen der Altersgrenze oder bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente wegen des Bezugs gesetzlicher Altersrente. Der Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles ist dort nicht geregelt. Es liegt also eine Versorgungsordnung vor, die lediglich Bestimmungen für den Fall der Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalles, aber nicht für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens trifft.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass in § 3 Ziff. 3.4 BV 10/95 auch Steigerungen der Anwartschaften vorgesehen sind. Diese Regelung hat während eines laufenden Arbeitsverhältnisses Bedeutung, weil die Anwartschaftssteigerungen im bestehenden Arbeitsverhältnis maßgeblich für die im Eintritt des Versorgungsfalles zu zahlende Ausgangsrente sind, die dann ihrerseits wiederum den in der Versorgungsordnung vorgesehenen Steigerungen unterliegt.
II. Unverfallbare Anwartschaften können dem Kläger deshalb lediglich nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 2 Abs. 1 und 5 BetrAVG zustehen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat vor Eintritt des Versorgungsfalles nach Vollendung des 35. Lebensjahres geendet, die Betriebszugehörigkeit betrug mehr als zwölf Jahre und die Versorgungszusage hat mindestens drei Jahre bestanden, so dass er - was die genannten Regelungen voraussetzen - mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden ist (§ 30f Satz 1 BetrAVG). Auf Grund des bisherigen Vortrages der Parteien und der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen sich jedoch nicht alle Rechenschritte, die zur Berechnung der danach unverfallbaren Anwartschaft erforderlich sind, durchführen. Es bedarf vielmehr weiterer Sachaufklärung.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG hat bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der Altersgrenze - hier mit dem 65. Lebensjahr - ein vorher, dh. vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Anwartschaft, wie der Kläger, einen Anspruch mindestens auf die Höhe des Teils der ohne das vorzeitige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze, hier des 65. Lebensjahres, entspricht. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz BetrAVG bleiben bei der Berechnung dieses Teilanspruchs sowohl Veränderungen in den Versorgungsregeln als auch der Bemessungsgrundlagen für die Leistung außer Betracht, soweit sie nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten.
Unverfallbar ist deshalb nicht die konkret zum Zeitpunkt des Ausscheidens erworbene Anwartschaft, sondern die nach den Regeln der Unverfallbarkeit zu errechnende Teilrente. Das ist der Teil der erreichbaren Vollrente, der dem Anteil der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze entspricht. Die unverfallbare Anwartschaft setzt deshalb zunächst die Errechnung der erreichbaren Vollrente voraus. Dabei gelten Veränderungssperre und Festschreibeeffekt. Festzustellen ist nicht die bei Eintritt des Versorgungsfalles tatsächlich erreichte oder erreichbare Altersversorgung, sondern eine fiktive. Auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles kommt es nicht an. Zugrunde zu legen ist vielmehr zum einen die bei Ausscheiden geltende Versorgungsordnung und sind zum anderen die Bemessungsgrundlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens. Dabei sind die zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden Bemessungsgrundlagen auf den Zeitpunkt des Versorgungsfalles hochzurechnen (vgl. BAG 12. März 1991 - 3 AZR 63/90 - AP BetrAVG § 7 Nr. 68 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 41, zu II 1 der Gründe). Auszugehen ist von einem unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und der Bemessungsgrundlagen (BAG 22. November 1994 - 3 AZR 767/93 - BAGE 78, 279, zu I 1 der Gründe). Bemessungsgrundlagen sind alle für die Höhe des Versorgungsanspruchs maßgeblichen Berechnungsgrößen. Sie verändern sich nicht, wenn sie einem Wechsel unterliegen und die künftige Entwicklung nicht eindeutig vorgezeichnet ist. Dann wirkt der Festschreibeeffekt. Wenn die Faktoren dagegen ohne weiteres hochgerechnet werden können, greift der Festschreibeeffekt nicht ein. Er betrifft nur variable Einflussgrößen.
Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass bereits beim Ausscheiden des Arbeitnehmers der Umfang der Versorgungsanwartschaft endgültig feststeht (BAG 20. Juni 2000 - 3 AZR 872/98 - KTS 2002, 163, zu 4 a der Gründe). Er hat es deshalb auch in Kauf genommen, dass die Versorgungsanwartschaft sich für ausscheidende Arbeit- nehmer einerseits und im Betrieb verbleibende Arbeitnehmer andererseits unterschiedlich darstellt.
Bemessungsgrundlage im Sinne des Gesetzes sind die jeweils einzelnen in der Versorgungsordnung vorgesehenen Rechenschritte. Eine zusammenfassende Beurteilung einzelner dieser Rechenschritte durch Verbindung mit anderen ist nicht möglich. Das würde dem Grundsatz der Rechtssicherheit und damit dem Zweck der Regelung in § 2 Abs. 5 BetrAVG widersprechen. Dies wird bestätigt durch § 2 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 bis 3 BetrAVG, der die Anrechnung anderweitiger Versorgungsleistungen betrifft. Diese Bestimmungen setzen voraus, dass Anrechnungsregeln eine eigene Bemessungsgrundlage darstellen. Gleiches muss für andere Rechenschritte gelten.
2. Für die Errechnung der fiktiven Vollrente des Klägers bedeutet dies:
a) Zu Recht geht der Kläger davon aus, dass ihm die in den für ihn maßgeblichen Versorgungsregeln festgeschriebene mindestens 3 %ige Dynamisierung der Anwartschaften im von den Versorgungsregeln vorgesehenen zweijährigen Anpassungsmechanismus zugute kommt.
aa) Das betrifft zunächst die unter der Geltung der BV 10/95 zurückgelegte Beschäftigungszeit seit dem 1. April 1997. Auf Grund der Verweisung in der GBV 97 gilt insoweit § 3 Ziff. 3.4 der BV 10/95. Danach werden nicht nur die laufenden Renten, sondern auch die Anwartschaften grundsätzlich nach der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst (Buchst. a). Diese Anpassung erfolgt in zweijährigen Abständen, jeweils zum 1. Juli (Buchst. b Satz 1). Dabei ist aber auf Jahre berechnet ein Mindestanpassungssatz von 3 % garantiert (Buchst. b Satz 2). Zwar sieht die Regelung ebenfalls (Buchst. b Satz 3) eine Berücksichtigung von abweichenden, niedrigeren Steigerungen im Lebenshaltungskostenindex vor, jedoch nur „mit der Maßgabe, daß die Mindestanpassung von 1,5 % pro Jahr nicht unterschritten wird", es also bei dem Mindestanpassungssatz von 3 % auf zwei Jahre bezogen verbleibt. Ziff. 3 Buchst. a der GBV 97 hat zudem für die Bemessungsgrößen „L-Rente", die beim Kläger nicht einschlägig ist, und der für den Kläger maßgeblichen „He-Rente" eine entsprechende Anpassung vorgesehen. Eine vergleichbare Regelung findet sich jedoch nicht für solche Anwartschaften, die der Kläger unter der Geltung der Versorgungsordnung der L-He AG aus November 1991 - „Eckwertrente" - erworben hat. Diese Anwartschaften sind nach der GBV 97 nicht dynamisiert.
bb) Diese Regelungen sind - entgegen einer von der Beklagten in den Vorinstanzen vertretenen Ansicht - wirksam. Dass bei Abschluss der Regelung möglicherweise deshalb nicht absehbar war, ob die Mindestanpassungsbestimmung jemals Anwendung finden würde, weil die tatsächliche Inflationsrate bei Einführung der Regelung deutlich höher war, ändert nichts an ihrer Rechtsverbindlichkeit. Die Beklagte hat auch weder etwas dafür vorgetragen, noch ist sonst etwas dafür ersichtlich, dass sie versucht hätte, schon während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses eine Anpassung der Bestimmung herbeizuführen. Auch dass die Regelung steuerlich motiviert war, ändert nichts an ihrer Rechtsgültigkeit; diese war vielmehr Voraussetzung für die steuerliche Beachtlichkeit (vgl. §§ 41, 42 AO).
cc) Die 3 %ige Mindesterhöhung steht im dargelegten Umfang rechnerisch fest und ist deshalb auf den weiteren fiktiven Bestand des Arbeitsverhältnisses hochzurechnen.
(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es dabei nicht darauf an, dass die 3 %-Steigerung eine pauschalierte Mindestberücksichtigung der Lebenshaltungskostensteigerungen darstellt. Zwar sind Lebenshaltungskostensteigerungen unbestimmt und wären deshalb nur nach Maßgabe des Festschreibeeffektes bei Errechnung der unverfallbaren Anwartschaft zu berücksichtigen. Die Betriebsparteien sind in ihren Regelungen aber nicht bei der Berücksichtigung der Lebenshaltungskostensteigerungen stehen geblieben. Sie haben vielmehr mit der Mindestanpassung den der Versorgungsordnung unterfallenden Arbeitnehmern eine Mindeststeigerung ihrer Anwartschaft fest zugesagt. Insoweit steht die Anpassung fest und kann deshalb in die Errechnung der fiktiv erreichbaren Vollrente ohne weiteres einbezogen werden. Es geht um einen eigenständigen, unabhängig von der tatsächlichen Lebenshaltungskostensteigerung feststehenden Rechenschritt, der im Rahmen der Errechnung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft zu berücksichtigen ist.
(2) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus der Regelung in § 3 Nr. 3.4 Buchst. c BV 10/95.
Allerdings kann sie auch gegenüber der in der Versorgungsordnung vorgesehenen Mindeststeigerung von 3 % die in dieser Vorschrift bezeichneten anderweitigen gesetzlichen oder tariflichen Leistungen anrechnen. Auch bei dieser Regelung handelt es sich jedoch um einen eigenständigen Rechenschritt und damit um eine eigenständige Bemessungsgrundlage. Dass sie auf rechtliche Vorgaben Bezug nimmt, ändert daran nichts: In Anrechnungsvorschriften in Bezug genommene rechtliche Vorgaben sind Bemessungsgrundlagen iSv. § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG (vgl. für die rechtlichen Grundlagen anderweitiger Versorgungsregelungen BAG 21. März 2006 - 3 AZR 374/05 - Rn. 32 ff., BAGE 117, 268). Hinsichtlich dieses Rechenschritts steht die tatsächliche Entwicklung nicht fest. Es gilt damit der Festschreibeeffekt, so dass auf die Umstände bei Ausscheiden des Klägers abzustellen ist. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Regelungen, die zu einer Anrechenbarkeit führen würden. Das bleibt weiterhin maßgeblich.
b) Hinsichtlich der Berechnung im Einzelnen sind noch weitergehende Feststellungen zu treffen.
aa) Bei seiner Berechnung hat der Kläger bis zum Stichtag 1. April 1997, ab dem die BV 10/95 Anwendung fand, Anwartschaften nach den Regeln der He-Rente zugrunde gelegt. Richtigerweise kann die - in der Höhe bislang nicht festgestellte - He- Rente lediglich bis zum Zeitpunkt ihrer Ablösung durch die „Eckwertrente" der L-He AG errechnet und dynamisiert werden. Für die Zeit danach bis zum Ende März 1997 sind in der Berechnung die nicht dynamisierten Anwartschaften nach der „Eckwertrente" zugrunde zu legen. Insoweit fehlt es an Sachvortrag und Feststellungen.
bb) Ebenso fehlt es an Vortrag der Parteien und Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Anrechnungsregel in § 3 Ziff. 3.3 BV 10/95. Inwieweit die dem Kläger zustehende Anwartschaft danach nach oben begrenzt ist, wird das Landesarbeitsgericht noch festzustellen haben.
Nach dieser Regelung ist die Rentenzahlung bei Eintritt des Versorgungsfalles unter Berücksichtigung auch von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf 100 % eines normierten Nettoeinkommens bezogen auf das letzte Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles beschränkt. Da dieses Einkommen noch nicht feststeht, ist auf das Einkommen des Klägers im letzten Kalenderjahr vor dem Ausscheiden abzustellen. Zu den Bemessungsgrundlagen gehören auch die nach der Versorgungsordnung zu errechnenden pauschalierten Abzüge, wobei auch insoweit die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Ausscheidens zugrunde zu legen sind. Mit dem so errechneten normierten Nettoeinkommen ist die Sozialversicherungsrente des Klägers gegenzurechnen. Sie ist unter Zugrundelegung der Bestimmungen in § 2 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 1. Halbsatz BetrAVG auf den Zeitpunkt des Ausscheidens hochzurechnen (vgl. zum Ganzen BAG 21. März 2006 - 3 AZR 374/05 - Rn. 26 ff., BAGE 117, 268). Die dafür erforderlichen Daten sind weder festgestellt noch vorgetragen.
Zwanziger Schlewing Koch
Rödder Oberhofer