: Nichtberücksichtigung bei Einstellungen wegen unzureichender Deutschkenntnisse keine Diskriminierung nach dem AGG
ArbG Berlin, Urteil vom 26.9.2007 - 14 Ca 10356/07
Leitsätze:
Die Nichtberücksichtigung eines ausländischen Stellenbewerbers bzw. eines Bewerbers mit "Migrationshintergrund" wegen mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache ist für sich genommen keine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft und begründet daher keinen Entschädigungsanspruch
§§ 1, 7, 8, 15 Abs. 2 und 4, 22 AGG
sachverhalt:
Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung.
Der Kläger ist britischer Staatsbürger, lebt seit 2004 in Berlin und ist seit Oktober 2006 arbeitslos und Arbeit suchend. Er stellte sich bei dem Verein „A. und B." vor, von wo aus ihm am 02.05.2007 telefonisch mitgeteilt wurde, dass man für ihn einen Job als Mitarbeiter bei dem Garten- und Landschaftsbaubetrieb ... (Firma des Beklagten) in T. in Aussicht habe, wobei das Vorstellungsgespräch für den nächsten Tag, Donnerstag, 03.05.2007, um 12.30 Uhr, vereinbart wurde. Das Vorstellungsgespräch, zu dem den Kläger seine Lebensgefährtin begleitete, wurde seitens des Beklagten von Herrn A. D. auf Deutsch geführt und dauerte ca. zehn Minuten. Der Kläger sagte dabei, dass er zwar ganz gut Deutsch verstehen würde, aber nicht so gut Deutsch spreche. Daraufhin erwiderte Herr D., dies sei kein Problem und wenn es doch Probleme gäbe, könne er jederzeit fragen. Außerdem sei es keine Arbeit, bei der er viel reden müsse. Der Kläger erschien am nächsten Montag, den 07.05.2007, vereinbarungsgemäß um 06.30 Uhr im Betrieb, um einen Probearbeitstag abzuleisten. Die weiteren Vorgänge sind zwischen den Parteien streitig. Nach der von dem Beklagten bestrittenen Behauptung des Klägers sei dieser wieder weggeschickt worden, weil er nicht genug Deutsch spreche.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2007 (vergleiche Kopie Blatt 5 d. A.) ließ der Kläger eine Entschädigung gemäß § 15 AGG in Höhe von drei Monatslöhnen mit einer Gesamtsumme von 4.160,00 EUR geltend machen, was der Beklagte seinerseits mit anwaltlichem Schreiben vom 25.05.2007 (vergleiche Kopie Blatt 6, 7 d. A.) zurückweisen ließ.
Mit seiner am 25.06.2007 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgt der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiter.
Der Kläger behauptet, er sei von Herrn A. D. am 07.05.2007 mit den Worten „Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Du kannst nicht genug deutsch sprechen und das geht nicht" gleich wieder nach Hause geschickt worden, ohne dass er, wie vereinbart, hätte Probe arbeiten können. In einem Telefonat vom 15.05.2007 mit der Lebensgefährtin des Klägers habe Herr A. D. geäußert: „Ihr Mann versteht kein Deutsch. Er weiß nicht, was ein Spaten, was eine Harke oder eine Heckenschere ist. Ich brauche ja dann immer jemanden, der ihm alles erklärt.", woraufhin die Lebensgefährtin des Klägers erwidert habe, dies sei nicht wahr, der Kläger verstünde sehr wohl Deutsch, außerdem könne er so etwas nicht behaupten, wenn der Kläger nicht, wie vereinbart, zur Probe arbeiten konnte, woraufhin Herr A. D. gesagt habe: „... Ihr Mann kann kein Deutsch. Er würde keinen Deutschtest bestehen. Rufen Sie nicht wieder an."
Der Kläger ist der Auffassung, er sei wegen seiner ethnischen Herkunft als geborener Engländer und der damit verbundenen eingeschränkten bzw. mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache bei der Einstellung im Sinne von § 1 AGG benachteiligt worden, weshalb er gemäß § 15 Abs. 2 AGG von der Beklagten eine Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern verlangen könne.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4.160,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 02.06.2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, dass die Kenntnis der deutschen Sprache beim Kläger für ihn kein Einstellungskriterium gewesen sei. Der Kläger sei nicht am 07.05.2007 in das Büro gebeten worden. Ein Gespräch des Inhaltes, wie vom Kläger behauptet, habe nicht stattgefunden. Der Kläger sei gebeten worden, den Schneidetisch zu bedienen, was er jedoch nicht gekonnt habe. Bei der versuchsweisen Bedienung der Motorsäge habe der Kläger Anstalten gemacht, sich die laufende Säge an den Gürtel zu hängen, sodass sie ihm sofort wieder abgenommen worden sei. Mangels Vorhandenseins elementarster Grundkenntnisse beim Umgang mit Maschinen sei der Kläger nach wenigen Minuten wieder nach Hause geschickt worden. In dem späteren Telefonat mit der Lebensgefährtin des Klägers habe Herr D. diese darauf hingewiesen, dass der Kläger hinsichtlich seiner Eignung falsche Angaben gemacht habe. Über einen Deutschtest habe man sich nicht unterhalten.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass fehlende Deutschkenntnisse ohnehin kein durch das AGG geschütztes Rechtsgut sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
aus den gründen:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger, der seinen Anspruch gem. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG fristgerecht binnen 2 Monaten gegenüber dem Beklagten schriftlich geltend gemacht hat, steht gegen diesen kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG zu.
1. Nach dieser gesetzlichen Anspruchsgrundlage aus dem am 18.6.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), geschaffen in Umsetzung der europarechtlichen Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2000/73/EG sowie 2004/113/EG, kann der Beschäftigte bzw. Stellenbewerber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 AGG wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Dabei darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Danach sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität zu unterlassen. Gemäß § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstigere Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteilung gem. § 3 Abs. 2 AGG durch dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren steht vorliegend nicht im Raum.
Vorliegend behauptet der Kläger, der die für den Fall der auch bei Wegdenken der Benachteiligung erfolgten Nichteinstellung bestehende Obergrenze der Entschädigung von drei Monatsvergütungen mit Geltendmachung und Klage zugrunde legt, eine Benachteiligung seitens des Beklagten bei der Einstellung dadurch, dass er wegen unstreitiger oder aus der Sicht des Beklagten unzureichender Kenntnisse der deutschen Sprache zurückgewiesen wurde. Wird ein ausländischer Arbeitsuchender aus einem solchen Grund bei der Vergabe einer Stelle nicht berücksichtigt, kommt ein Entschädigungsanspruch allein unter dem Gesichtspunkt der Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft in Betracht, wie auch der Kläger richtigerweise annimmt.
Der Begriff der ethnischen Herkunft ist nach der Regierungsbegründung zum AGG „EG-rechtlich" auszulegen. Das Vorliegen einer Ethnie ist objektiv nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Ausschlaggebend ist die Wahrnehmung einer Gruppe als abgegrenzt in Gebräuchen, Herkunft und Erscheinung, äußerem Erscheinungsbild, Sprache und Religion (vgl. Adomeit/Mohr, Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, § 1 Rdnr 33f. m.w.N.). Die hier relevante ethnische Zugehörigkeit des Klägers als Engländer mit der entsprechenden Landessprache ist eindeutig. Der Kläger rügt auch eine Benachteiligung gerade wegen dieser Zugehörigkeit. Ein Entschädigungsanspruch zu seinen Gunsten gem. § 15 Abs.2 i.V.m. § 7 Abs. 1 AGG setzt demnach voraus, dass der Beklagte ihn durch die Nichtberücksichtung bei der Stellenvergabe als weniger günstige Behandlung „wegen" eines oder mehrere der die ethnische Zugehörigkeit des Klägers manifestierenden Merkmale benachteiligt hat. Der Kläger macht mit seinem Vorbringen, mangels ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache zurückgewiesen worden zu sein, ausdrücklich eine Benachteilung wegen seiner Muttersprache Englisch geltend.
2. Dem vermag die erkennende Kammer nicht zu folgen.
Nach seiner - vom Beklagten bestrittenen - Version der Geschehnisse wäre der Kläger nicht wegen seiner britischen Staatsangehörigkeit oder seiner englischen Muttersprache oder etwa eines englischen Akzents in der Aussprache des Deutschen zurückgewiesen worden, sondern allein, weil dem Beklagten beziehungsweise die für ihn bei der Einstellung handelnden Personen eine - wenn auch nur vermeintliche - mangelnde Kompetenz des Klägers in der deutschen Sprache missfallen hätte. Die Zurückweisung eines Bewerbers aus diesem Grunde hat mit dessen spezifischer ethnischer Herkunft aber an sich nichts zu tun. Ein diskriminierender Zusammenhang wird darüber hinaus nicht mittelbar durch die Überlegung hergestellt, von der Nichtberücksichtigung bei der Stellenvergabe auf Grund unzureichender Deutschkenntnisse seien in erster Linie oder sogar ausschließlich Ausländer betroffen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines „Stellvertretermerkmals". Denn es geht nicht um die (Mutter)Sprache des Bewerbers als Ausdruck und Merkmal seiner ethnischen Zugehörigkeit, sondern um seine Sprachkenntnisse in einer anderen (Fremd)Sprache. Für sich genommen ist somit die Zurückweisung eines Stellenbewerbers mit „Migrationshintergrund" wegen etwaiger fehlender Beherrschung der deutschen Sprache keine Benachteiligung „wegen ethnischer Herkunft" (vergleiche auch Adomeit/Mohr, Benachteiligung von Bewerbern [Beschäftigten] nach dem AGG als Anspruchsgrundlage für Entschädigung und Schadensersatz, NZA 2007, Seite 179, 182; vgl. auch zu Fragen in Einstellungstests in deutscher Sprache Adomeit/Mohr aaO § 2 Rdnr 50ff., Däubler/Bertzbach, Handkommentar zum AGG, § 7 Rdnr 44), wenn nicht aufgrund weiterer Anhaltspunkte Indizien (insbesondere im Sinne von §§ 22 AGG mit Beweislastumkehr zu lasten der benachteiligenden Seite) für eine unter dem Deckmantel tatsächlicher oder vorgeblicher mangelhafter deutscher Sprachkenntnisse daherkommende Ausländerfeindlichkeit oder gewollte Diskriminierung von Ausländern zu Tage treten. Für Derartiges ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, im Gegenteil besteht die Belegschaft des Beklagten branchentypisch sogar zu einem großen Teil aus Mitarbeitern ausländischer, insbesondere türkischer Herkunft. Die vom Kläger formulierte Vermutung, er sei möglicherweise einhergehend mit mangelnden Deutschkenntnissen nicht eingestellt worden, weil er kein türkisch könne und sich deshalb die Kommunikation (auch) mit den türkischen Kollegen schwierig gestalten könnte, bewertete die Kammer als für den Rechtsstreit nicht relevante Spekulation.
3. Bereits auf der Grundlage seines eigenen Vorbringens kommt nach alledem ein Entschädigungsanspruch des Klägers im Zusammenhang mit der Stellenbewerbung beim Beklagten nicht in Betracht, sodass die Klage schon deshalb abzuweisen war. Zwar wäre insoweit eine Benachteiligung des Klägers als Ausländer mit unvollkommenen Kenntnissen der deutschen Sprache im Verhältnis zu insbesondere im deutschen Sprachraum aufgewachsenen Bewerbern gegeben. Mangels einer dies sanktionierenden Anspruchsgrundlage, auch nicht über § 15 AGG hinaus, erwächst daraus indessen kein Entschädigungsanspruch in Geld gegen den benachteiligenden Arbeitgeber. Dass AGG selbst sanktioniert nicht jede Benachteiligung, sondern will in Erfüllung europarechtlicher Vorgaben im einzelnen geregelte benachteiligende Ungleichbehandlungen aus bestimmten diskriminierenden Motiven verhindern.
Für den Rechtsstreit war deshalb im Ergebnis die Version des Beklagten nicht mehr erheblich, wonach die deutschen Sprachkenntnisse des Klägers erst kein Einstellungskriterium gewesen seien, dessen Nichtberücksichtigung sich vielmehr aus den dargelegten anderen Gründen ergeben habe. Es kam vorliegend im Hinblick auf § 8 Abs. 1 AGG (zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen) also weder darauf an, ob die vom Kläger beim Beklagten angestrebte Tätigkeit im Garten- und Landschaftsbau einen bestimmten Kenntnisstand der deutschen Sprache überhaupt vorausgesetzt hätte oder ob die vom Beklagten behaupteten und unter Beweis gestellten Gründe für die Nichteinstellung des Klägers als ausreichende Rechtfertigungsgründe für die Abweisung hätten herhalten können. Auch unter der Geltung des AGG in seiner derzeitigen Fassung steht es Arbeitgebern nach alledem grundsätzlich frei, bei der Suche und Auswahl des nach ihren Vorstellungen für den zu besetzenden Arbeitsplatz am besten geeigneten Bewerbers eine Nichtberücksichtung an nach ihren gerichtlich nicht überprüfbaren Vorstellungen unzureichende Kenntnisse des Deutschen in Wort und Schrift zu knüpfen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff., 91 Abs. 1 ZPO.