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Arbeitsrecht
16.10.2020
Arbeitsrecht
LAG Rheinland-Pfalz: Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers hinsichtlich der Urlaubsansprüche langandauernd erkrankter Arbeitnehmer

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.1.2020 – 7 Sa 284/19

ECLI:DE:LAGRLP:2020:0115.7Sa284.19.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2020-2428-1

Leitsatz

Urlaubsansprüche langandauernd erkrankter Arbeitnehmer erlöschen auch dann mit dem 31. März des zweiten Folgejahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen hat (vgl. LAG Hamm 24. Juli 2019 - 5 Sa 676/19).(Rn.49)

§ 7 Abs 4 BUrlG, § 7 Abs 3 BUrlG, Art 7 EGRL 88/2003

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016.

Der 1955 geborene Kläger war seit dem 1. November 1989 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der TVöD Anwendung. In diesem Tarifvertrag in der für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung heißt es zum Erholungsurlaub:

„§ 26 Erholungsurlaub

(1) Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage.

Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend.

Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt.

Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

(2) Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

a) Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.

b) (…)“.

Seit dem 18. Januar 2016 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Auflösungsvertrages vom 7. Februar 2019 (Bl 3 d. A.) mit Ablauf des 28. Februar 2019. § 2 dieses Auflösungsvertrages lautet:

„1. Für bestehenden Mindesturlaub aus 2017, Resturlaub aus 2018 und Januar und Februar 2019 erfolgt im Monat Februar 2019 eine Auszahlung.

Der Resturlaub 2016 ist strittig.

2. Nicht erbrachte Arbeitsstunden (…) werden bei der Auszahlung in Abzug gebracht.

3. Sonstige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis und seiner Beendigung bestehen nicht.“

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Dezember 2018 (Bl. 12 f. d. A.) beantragte der Kläger u. a. Auszahlung des bestehenden Resturlaubs für das Jahr 2016, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 - Az. C-684/16 bzw. C-619/16, wonach Arbeitnehmer nicht automatisch ihren Urlaubsanspruch verlieren, weil sie bis zum Ende des Kalenderjahres keinen Urlaub beantragt haben.

Der Kläger verfolgte seinen Anspruch mit seiner am 4. März 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 8. März 2019 zugestellten Klage weiter.

Der Kläger war der Ansicht,

ihm stehe für 30 Urlaubstage aus dem Jahr 2016 bei einem Tagesentgelt in Höhe von 183,49 € brutto Urlaubsabgeltung in Höhe der Klageforderung zu.

Die Frage, ob er während des Bezugszeitraums vollumfänglich arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei oder nicht, habe nichts mit der Obliegenheit des Arbeitgebers zu tun, auf die Gefahr des Verfalls des Urlaubs bzw. dessen Inanspruchnahme hinzuweisen. Insbesondere im vorliegenden Fall, in dem seine Krankschreibung einzig und allein auf das Verhalten seines direkten Vorgesetzten und dessen Mobbinghandlungen zurückzuführen sei, habe für den Arbeitgeber keine Klarheit darüber bestanden, dass er im gesamten Jahr nicht doch ab einem gewissen Punkt wieder arbeiten kommen werde. Er war der Ansicht, die Regelung des § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD sei rechtswidrig, da sie gegen Europarecht verstoße.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 in Höhe von 5.504,70 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht,

nachdem der Kläger den tariflichen Urlaub nicht entsprechend der Vorschrift des § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit habe antreten können, sei dieser verfallen. Darüber hinaus habe er auch keinen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs für das Jahr 2016. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG unionrechtskonform so auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche arbeitsunfähiger Arbeitnehmer 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfielen (vgl. BAG 18. September 2012 - 9 AZR 623/10). Der gesetzliche Urlaubsanspruch sei somit mit Ablauf des 31. März 2018 ebenfalls verfallen. Aus den Entscheidungen des EuGH vom 6. November 2018 ergebe sich nichts anderes, da der Kläger aufgrund seiner langandauernden Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, den Urlaub entsprechend zu nehmen. Sie habe daher auch keine Möglichkeit gehabt, auf die Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Kläger hinzuwirken.

Für die Frage des Verfalls des gesetzlichen bzw. tariflichen Urlaubs spiele es keine Rolle, aus welchem Grund der Kläger arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. Juni 2019 abgewiesen. Es hat zur Begründung – zusammengefasst – ausgeführt, der dem Kläger über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus zustehende tarifliche Mehrurlaub sei gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD mit dem 31. Mai 2017 verfallen. Diese Regelung verstoße nicht gegen Europarecht. Die Tarifvertragsparteien hätten in § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD eine eigenständige Regelung hinsichtlich der Übertragung und des Verfalls des tariflichen Mehrurlaubs getroffen. Auch der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers sei mit Ablauf des 31. März 2018 untergegangen. Dem stehe das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2018 - C 684/16 - nicht entgegen. Im Fall des Klägers sei der Urlaubsanspruch nicht untergegangen, weil es der Kläger versäumt habe, rechtzeitig einen Urlaubsantrag zu stellen und es die Beklagte versäumt habe, ihn auf die Voraussetzung zur Wahrnehmung des Urlaubs hinzuweisen. Vielmehr sei der Urlaubsanspruch untergegangen, weil der Kläger aufgrund seiner langandauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit weder im Jahr 2016 noch im Jahr 2017 noch bis zum 31. März 2018 in der Lage gewesen sei, seinen Urlaub anzutreten. Die Krankheitsdiagnose des Klägers sei für die Bewertung des Sachverhalts ohne rechtliche Relevanz. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 32 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 4. Juli 2019 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am Montag, 5. August 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 41 f. d. A.), zusammengefasst geltend,

es möge zwar vielleicht dem Grunde nach richtig sein, dass die Hinweispflicht des Arbeitgebers auf den Verfall des Urlaubsanspruchs immer dann entfalle, wenn der Arbeitnehmer das ganze Jahr über arbeitsunfähig erkrankt sei. Im vorliegenden Fall halte dies der Einzelfallprüfung aber nicht stand. Seine Arbeitsunfähigkeit sei einzig auf das Mobbing durch seinen direkten Vorgesetzten zurückzuführen gewesen. Es habe mehrere Gespräche mit dem Dienstherrn, dem Bürgermeister der Beklagten Dr. X., gegeben, in denen er darauf hingewiesen habe, jederzeit an anderer Stelle innerhalb der Verwaltung umgehend seine Arbeit wiederaufzunehmen, solange gewährleistet sei, dass er nicht mehr der entsprechenden Person untergeordnet sei. Hierauf habe der Bürgermeister lediglich erwidert, man könne ihn zwar statt wie bisher im Tiefbau nun im Hochbau einsetzen, allerdings nur unter Bedingung, dass es bei seinem bisherigen Vorgesetzten bleibe. Diesem „Deal“ habe er aus gesundheitlichen Gründen nicht zustimmen können. Dementsprechend habe es auch einzig und allein der Beklagten oblegen, ihm eine neue leidensgerechte Arbeitsstelle zuzuweisen; dass es eine solche gegeben habe, habe der Bürgermeister in dem erwähnten Gespräch ja bestätigt. Dementsprechend sei dem Arbeitgeber bekannt gewesen, dass es einzig und allein in seiner Sphäre liege, ob er wieder arbeitsfähig werde oder nicht, was ebenso zur Folge habe, dass er sich dann aber nicht darauf berufen könne, von seiner durch die EuGH-Rechtsprechung gefestigten Pflicht zum Hinweis auf den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs befreit zu sein.

Der Kläger beantragt,

die Beklagtenseite unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, Az. 2 Ca 244/19, vom 19. Juni 2019 zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 5.504,70 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 27. September 2019, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 61 f. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 15. Januar 2020 (Bl. 63 ff. d. A.) Bezug genommen.

Aus den Gründen

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 im Umfang von 30 Tagen gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Der Kläger erwarb zu Beginn des Jahres 2016 einen gesetzlichen Urlaubsanspruch im Umfang von 20 Arbeitstagen sowie einen tariflichen Mehrurlaubsanspruch im Umfang von 10 Arbeitstagen. Diese Urlaubsansprüche sind nicht durch Erfüllung erloschen. Da der Kläger in der Zeit vom 18. Januar 2016 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 2019 arbeitsunfähig erkrankt war, war sein Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber bereits verfallen (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Ein Urlaubsabgeltungsanspruch ist nicht entstanden.

I.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein offener Urlaubsanspruch besteht, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers für das Jahr 2016 ist entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 12. November 2013 - 9 AZR 646/12 - Rn. 11 ff.; 18. September 2012 - 9 AZR 623/10; 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 24 ff.) mit Ablauf des 31. März 2018 verfallen.

1.

Nach dieser Rechtsprechung ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform so auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche arbeitsunfähiger Arbeitnehmer nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Der Anspruch geht jedoch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter.

Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG muss der Urlaub im Fall seiner Übertragung in das nächste Kalenderjahr in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Danach erlischt er. Dass nicht zeitgerecht geltend gemachter bzw. gewährter Urlaub verfällt, folgt aus der vom Gesetz (§§ 1, 13 BUrlG) unabdingbar festgelegten Bindung des Urlaubsanspruchs an das Kalenderjahr, die zugleich dem Sinn und Zweck der gesamten gesetzlichen Urlaubsregelung entspricht. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass jeder Arbeitnehmer in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung auch tatsächlich erhält. Diesem Ziel dienen die zeitliche Begrenzung des Urlaubsanspruchs und die eingeschränkte Möglichkeit der Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr. Nicht zeitgerecht in Anspruch genommene Urlaubstage verfallen (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 24). Bei der Auslegung und Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG ist jedoch auch das Unionsrecht, insbesondere Art. 7 RL 2003/88/EG zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ([Große Kammer] 6. November 2018 - C-619/16 - Rn. 42 [Kreuziger]; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - Rn. 43 [Schultz-Hoff]) steht Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegen, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfassen soll; dies allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben. Der Anspruch eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub kann den Zweckbestimmungen des Urlaubs nur insoweit entsprechen, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Das nationale Recht kann daher nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs einen Übertragungszeitraum vorsehen, an dessen Ende auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch entfallen kann. Ein solcher Übertragungszeitraum muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten. Er muss für den Arbeitnehmer insbesondere die Möglichkeit gewährleisten, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant werden sowie verfügbar sein könnten (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - Rn. 38 [KHS]). Andererseits muss der Übertragungszeitraum den Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiten und den Schwierigkeiten schützen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben könnten (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - Rn. 39 [KHS]). Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ist dahingehend auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume infolge Krankheit arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Urlaub erlischt (EuGH [5. Kammer] 29. November 2017 - C-214/16 [King] - Rn. 55). In Anwendung dieser Grundsätze ist § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts (16. Oktober 2012 - 9 AZR 63/11 - Rn. 9; 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32) unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht verfallen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seine Arbeitsleistung gehindert ist. Sie gehen jedoch mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter. Dies gilt auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit. Eine weitere Reduktion des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG ist danach weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht geboten (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 40 f.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 31 Abs. 2 GRCh (vgl. BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 63/11 –-Rn. 12). Der Gesetzgeber hat den Urlaub in §§ 1, 13 Abs. 1 BUrlG grundsätzlich unabdingbar an das Urlaubsjahr gebunden. Selbst dann, wenn eine Übertragung ausnahmsweise gestattet ist, muss der Urlaub in engem zeitlichem Anschluss an das Kalenderjahr durchgeführt werden.

Danach verfiel der Anspruch des Klägers auf Erholungsurlaub für das Jahr 2016, den dieser infolge seiner langandauernden Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte, mit dem 31. März 2018.

2.

Nichts anderes ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass die beklagte Arbeitgeberin nicht darauf hingewirkt hat, dass der Kläger den ihm zustehenden Urlaub in Anspruch nimmt.

a) Zwar stehen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ([Große Kammer] 6. November 2018 - C-684/16 [Max-Planck-Gesellschaft]- Rn. 44 ff.) Art. 7 der RL 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRCh einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub automatisch verliert. Der Arbeitgeber kann sich danach auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers nur berufen, wenn er zuvor korrekt und in völliger Transparenz dafür Sorge getragen hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn, erforderlichenfalls förmlich, auffordert, dies zu tun, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird (EuGH [Große Kammer] 6. November 2018 - C-619/16 [Kreuziger] - Rn. 52). Erbringt jedoch der Arbeitgeber den ihm insoweit obliegenden Nachweis und zeigt sich, dass der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht genommen hat, stehen Art. 7 der RL 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRCh dem Verlust des Urlaubsanspruches und - bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - dem Wegfall der finanziellen Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen (EuGH [Große Kammer] 6. November 2018 - C-619/16 [Kreuziger] - Rn. 54).

b) In richtlinienkonformer Auslegung des § 7 BUrlG trifft daher den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG. Grundsätzlich führt erst die Erfüllung der daraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen, zur Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG (BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 21 f.; 9 AZR 321/16 - Rn. 45). Bei einem richtlinienkonformem Verständnis des § 7 Abs. 3 BUrlG ist die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers damit grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes (BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 278/16 - Rn. 30; 9 AZR 423/16 - Rn. 22).

c) Dass die beklagte Arbeitgeberin im vorliegenden Fall nicht dafür Sorge getragen hat, dass der Kläger tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem sie ihn, erforderlichenfalls förmlich, aufgefordert hat, dies zu tun, und ihm klar und rechtzeitig mitgeteilt hat, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird, hindert nach Auffassung der Kammer jedoch nicht den Verfall des Urlaubsanspruchs des langandauernd arbeitsunfähigen Klägers zum 31. März des 2. Folgejahres (vgl. LAG Hamm 24. Juli 2019 - 5 Sa 676/19 - Rn. 27 ff.; aA. ArbG Berlin 13. Juni 2019 - 42 Ca 3229/19 - Rn. 34 ff.).

Der Inhalt der in richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 BUrlG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ergibt sich aus ihrem Zweck, zu verhindern, dass der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch nicht wahrnimmt, weil der Arbeitgeber ihn hierzu nicht in die Lage versetzt hat. Infolge des Fehlens konkreter gesetzlicher Vorgaben ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, derer er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend sein. Sie müssen geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Deshalb darf der Arbeitgeber, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, den Arbeitnehmer auch nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Er darf zudem weder Anreize schaffen noch den Arbeitnehmer dazu anhalten, seinen Urlaub nicht zu nehmen. Es ist der Eintritt einer Situation zu vermeiden, in der ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers davon abgehalten werden kann, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan hat, um seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Die Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten hat der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, weil er hieraus eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet (BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 278/16 - Rn. 40; 9 AZR 321/16 - Rn. 46).

(1) Im Fall des langandauernd erkrankten Arbeitnehmers vermag die Befristung des Urlaubsanspruchs den Arbeitnehmer nicht dazu anzuhalten, den Urlaub grundsätzlich im Urlaubsjahr geltend zu machen. Der vom BUrlG intendierte Gesundheitsschutz durch eine tatsächliche Inanspruchnahme der bezahlten Arbeitsbefreiung kann in diesem Fall nicht dadurch gefördert werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Umfang des noch bestehenden Urlaubs informiert, ihn auf die für die Urlaubstage maßgeblichen Fristen hinweist und ihn zudem auffordert, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Im Fall der langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit vermag eine solche Aufforderung gerade nicht dazu führen, dass ein verständiger Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig vor dem Verfall beantragt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer wegen dessen Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub gewähren, unabhängig davon ob der Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag stellt oder hierauf verzichtet. Der Arbeitnehmer kann im Fall seiner langandauernden Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber gerade nicht abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen. Dagegen ist auch in diesem Fall das Interesse des Arbeitgebers schützenswert, ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitnehmer zu verhindern. Im Fall der langandauernden Arbeitsunfähigkeit steht dieses Interesse des Arbeitgebers im Einklang mit Art. 7 der RL 2003/88/EG. Er hat nicht die sich im Fall des Ansammelns von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub durch einen Arbeitnehmer, der aus Krankheitsgründen daran gehindert war, diesen Urlaub zu nehmen, hieraus ergebenden Folgen zu tragen (vgl. auch BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 10).

(2) Das LAG Hamm (24. Juli 2019 - 5 Sa 676/19 - Rn.28) hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber, solange die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, nicht in der Lage ist, einen zutreffenden konkreten Hinweis hinsichtlich des Verfalls des Urlaubsanspruchs erteilen. Der Arbeitgeber muss sich bei Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten auf einen „konkret“ bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine „völlige Transparenz“ genügen. Abstrakte Angaben etwa im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung werden den Anforderungen einer konkreten und transparenten Unterrichtung hingegen in der Regel nicht genügen (BAG 19. Februar 2012 - 9 AZR 278/16 - Rn. 42; 9 AZR 321/16 - Rn. 48).

Anders als bei arbeitsfähigen Arbeitnehmern, erlischt der Urlaubsanspruch in dem Fall, in dem der Arbeitnehmer wegen andauernder Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage ist, den Urlaubsanspruch zu nehmen, gerade nicht zum Ende des Kalenderjahres, sondern erst zum 31. März des 2. Folgejahres. Der Arbeitgeber kann daher eine zutreffende, auf den konkreten Fall bezogene Belehrung erst dann vornehmen, wenn er Kenntnis davon hat, ob der Arbeitnehmer im Kalenderjahr wieder arbeitsfähig wird.

(3) Dadurch dass der Urlaubsanspruch nicht erlischt, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit nicht nachgekommen ist, soll in erster Linie nicht ein Unterlassen des Arbeitgebers sanktioniert werden, sondern dem Arbeitnehmer aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Möglichkeit einer - zeitnah zum Kalenderjahr erfolgenden - Erholung erhalten werden (vgl. BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 278/16 - Rn. 34). Es kann mithin nicht darauf ankommen, dass der Arbeitgeber erst aufgrund einer Ex-post-Betrachtung „entlastet“ wird (so aber ArbG Berlin 13. Juni 2019 - 42 Ca 3229/19 - Rn. 34; vgl. auch BeckOK ArbR/Lampe, 54. Ed. 1.12.2019, BUrlG § 7 Rn. 19d), sondern nur darauf, ob der Arbeitnehmer durch den zu erteilenden Hinweis zur Urlaubsnahme angehalten werden kann und der Hinweis damit zum Gesundheitsschutz beiträgt. Unabhängig von der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber fehlt dem Urlaub, wenn er nicht mehr innerhalb von 15 Monaten beginnend mit dem Ende des Urlaubsjahres genommen wird, die positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit.

3.

Auf die Art und die Ursache der Erkrankung des Arbeitnehmers kann es bei der Beurteilung der Frage eines Verfalls des Urlaubsanspruchs nach Auffassung der Kammer nicht entscheidend ankommen. Unabhängig von der Krankheitsursache ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, während seiner Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Ein entsprechender Hinweis des Arbeitgebers geht daher unabhängig von der Krankheitsursache ins Leere. Der Zweck der Mitwirkungsobliegenheit, den Arbeitnehmer im Interesse des Gesundheitsschutzes zur Inanspruchnahme des Urlaubs anzuhalten, besteht im Falle der langandauernden Erkrankung des Arbeitnehmers nicht. Dagegen geht der zeitliche Bezug zum Kalenderjahr unabhängig von der Krankheitsursache verloren. Auch das Interesse des Arbeitgebers, ein Ansammeln von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zu verhindern, besteht unabhängig von der Krankheitsursache.

4.

Schließlich kommt es bei der Beurteilung der Frage des Verfalls des Urlaubsanspruchs nicht darauf an, ob der Arbeitgeber sein Direktionsrecht dahingehend hätte ausüben können und müssen, dass die Arbeitsunfähigkeit von dem Arbeitnehmer hätte überwunden werden können. Erst in dem Zeitpunkt, in dem die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers zumindest absehbar war, konnte der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten durch eine zutreffende Information des Arbeitnehmers über die bestehenden Urlaubsansprüche und ihren drohenden Verfall genügen.

Hiervon zu trennen ist die – vorliegend nicht streitgegenständliche – Frage, ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zustünde, wenn die Beklagte schuldhaft ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dadurch verletzt hätte, dass sie dem Kläger schuldhaft nicht durch Neuausübung ihres Direktionsrechts eine andere, seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechende Tätigkeit zugewiesen hätte (vgl. hierzu BAG 27. Mai 2015 – 5 AZR 88/14 – Rn. 25 ff.; 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 25 ff.).

II.

Der dem Kläger für das Jahr 2016 über den gesetzlichen Mindesturlaub zustehende tarifliche Mehrurlaub ist ebenfalls im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits verfallen gewesen.

1.

Nach § 26 Abs. 2 Buchst. a S. 1 TVöD muss der Erholungsurlaub im Fall der Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a S. 2 TVöD bis zum 31. Mai anzutreten. Da der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit den tariflichen Mehrurlaub aus dem Kalenderjahr 2016 weder in diesem Jahr noch bis zum Ablauf des zweiten Übertragungszeitraums am 31. Mai 2017 antreten konnte, ist dieser Urlaub verfallen.

Die Tarifvertragsparteien haben in § 26 Abs. 2 TVöD hinsichtlich der Befristung und Übertragung und damit mittelbar auch zugleich bezüglich des Verfalls des Urlaubs von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende, eigenständige Regelungen getroffen (BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 10). Sie können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindesturlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 10; vgl. auch EuGH [Große Kammer] 19. November 2019 - C-609/17 [TSN], C-610/17 [AKT] - Rn. 39 f.). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen Mehrurlaubs steht Unionsrecht damit nicht entgegen Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen. Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen, von dem des gesetzlichen Mindesturlaubs abweichenden Regelungsregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem „Gleichlauf“ des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein „Gleichlauf“ ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom BUrlG abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben (BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 12 mwN.). Der eigenständige, dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub entgegenstehende Regelungswille muss sich auf den jeweils in Rede stehenden Regelungsgegenstand beziehen. Es genügt nicht, wenn in einem Tarifvertrag von den Regelungen des BUrlG abgewichen wird, die mit den im Streit stehenden Regelungen nicht in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 – Rn.27).

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (20. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 11 ff.; vgl. auch 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 - Rn. 37) haben die Tarifvertragsparteien in § 26 Abs. 2 TVöD hinsichtlich der Befristung und Übertragung und damit mittelbar auch zugleich bezüglich des Verfalls des Urlaubs von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende, eigenständige Regelungen getroffen. Indem in die Tarifvertragsparteien in § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD vorgesehen haben, dass der Erholungsurlaub bis zum 31. Mai anzutreten ist, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31 März des folgenden Kalenderjahres angetreten werden kann, haben die Tarifvertragsparteien anders als der Gesetzgeber im BUrlG einen zweiten Übertragungszeitraum festgelegt und auf diese Weise ein eigenständiges, vom BUrlG abweichendes Fristenregime geschaffen (BAG 20. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 15). Ohne Bedeutung ist, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs. 3 BUrlG ein Verfall des Mindesturlaubsanspruchs bei fortdauernder Erkrankung nach einem Übertragungszeitraum von nur fünf Monaten unionsrechtlich nicht zulässig ist. Entscheidend ist, dass für den vom Mindesturlaub untrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den tariflichen Mehrurlaub, die tarifliche Regelung wirksam bleibt (BAG 20. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 17 mwN.).

Danach sind die Urlaubsansprüche des Klägers für das Jahr 2016 mit Ablauf des 31. Mai 2017 verfallen.

2.

Auch insoweit ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Beklagte den Kläger nicht auf den Urlaubsanspruch und seinen drohenden Verfall hingewiesen und ihn aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Die für den gesetzlichen Urlaubsanspruch dargelegten Grundsätze sind auch hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs des Klägers anzuwenden. Die Parteien haben ihre jeweiligen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des vertraglichen Mehrurlaubs nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt.

a) In § 26 TVöD hat ein Regelungswille der Tarifvertragsparteien, demzufolge der tarifliche Mehrurlaub mit Ablauf des Kalenderjahres respektive des Übertragungszeitraums unabhängig von einem entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers verfällt, keinen Niederschlag gefunden (BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 - Rn. 37). Abweichungen sollen sich hinsichtlich des Fristenregimes, nicht jedoch hinsichtlich der Obliegenheit des Arbeitgebers ergeben, dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, den tariflichen Mehrurlaub zu nehmen.

b) Auch im Hinblick auf den tariflichen Mehrurlaub nach § 26 TVöD muss der Arbeitgeber daher grundsätzlich konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss ihn – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 – Rn.41).

c) Dass die beklagte Arbeitgeberin ihren Mitwirkungsobliegenheiten auch hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs im vorliegenden Fall nicht nachgekommen ist, hinderte aber nicht den Verfall des Urlaubsanspruchs des langandauernd erkrankten Klägers. Auch insoweit konnte die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber nicht die tatsächliche Inanspruchnahme des Urlaubs und damit die Gesundheit des Arbeitnehmers fördern. Die Beklagte konnte dem arbeitsunfähigen Kläger gerade keinen Urlaub gewähren, gleichgültig ob dieser ihn beantragte oder nicht.

Damit bestand bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein offener Urlaubsanspruch des Klägers mehr.

Die Berufung des Klägers hatte daher keinen Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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