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Arbeitsrecht
17.07.2024
Arbeitsrecht
ArbG Aachen: Mittels App eingesetzte Auslieferungsfahrer in einem abgrenzbaren Liefergebiet können einen eigenständigen Betriebsrat wählen

ArbG Aachen, Beschluss vom 23.4.2024 – 2 BV 56/23

ECLI:DE:ARBGAC:2024:0423.2BV56.23.00

Volltext: BB-Online BBL2024-1716-2

Leitsätze

1. Für die Annahme eines relativ verselbstständigten Betriebsteils i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG genügt es, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (im Anschluss an BAG v. 21.06.2023 – 7 ABR 19/22). In rein digital organisierten Betrieben, bei der die Ausübung der Leitungsmacht allein mittels App geschieht, ist eine hinreichende Institutionalisierung der Leitungsmacht bereits dann gegeben, wenn alle Arbeitnehmer einer räumlich und organisatorisch abgrenzbaren Einheit Weisungsrechten einer anderswo organsierten Leitungsmacht unterliegen, die für die Einheit zuständig ist. Es kommt nicht darauf an, dass eine Person räumlich vor Ort in dem Betriebsteil anwesend ist, die Weisungsrechte per App auf den Weg bringt.

2. Ein Betriebsteil ist räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, wenn die einfache Entfernung 77 km beträgt und mit einer regelmäßigen Wegezeit je Richtung von 50 Minuten mit dem Zug oder 1:07 Stunden mit dem PKW zu rechnen ist (Einzelfallentscheidung).

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten über die Anfechtung beziehungsweise Nichtigkeit einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Arbeitgeberin) gehört zur Z.-Unternehmensgruppe. Sie bietet Dienstleistungen im Bereich der Bestellung und Lieferung von Essen von Restaurants an Kunden an und nutzt hierfür die App DG. und die Webseite DG.de. Restaurants können für die Auslieferung von Essensbestellungen auf Fahrer der Arbeitgeberin zurückgreifen.

Der Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat Q.) ist der am 06.04.2023 gewählte Betriebsrat, der aus 3 Mitgliedern besteht. Der Beteiligte zu 3. (im Folgenden: Betriebsrat F.) ist der für den Standort F. gewählte Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin unterhält ihre Zentrale in T. sowie in einigen größeren Städten sogenannte „Hubs“. In den Hubs sind „Staff-Mitarbeiter“ für das jeweilige Liefergebiet beschäftigt.  Das Liefergebiet Q. ist eine sogenannte „Remote City“, die über keinen Hub verfügt. Im Liefergebiet Q. beschäftigt die Arbeitgeberin ca. 105 Fahrer. Der nächste Hub befindet sich im ca. 77 km entfernten F. Aus Q. benötigt man bis zum Büro des Betriebsrats F. ca. 50 Minuten mit dem Zug und 1:07 Stunden mit dem PKW.

Die Fahrer der Arbeitgeberin nutzen auf ihren Handys die sogenannte WA. App, auf der sie die auszuliefernden Bestellungen erhalten und auf der ihre Tätigkeit gesteuert wird. Zudem wird über die WA. App die gesamte Arbeit der Fahrer organisiert, und unter anderem werden die Schichtpläne sowie Einzelanweisungen übermittelt. Über die WA. App sammelt die Arbeitgeberin die Daten der Fahrer, Restaurants und Kunden und optimiert durch ständige Auswertung dieser Daten den Bestellvorgang, die Herstellung und Auslieferung. Es besteht ein Bonusprogramm auf Grundlage der über die WA. App erfasste Arbeitsleistung. Die Fahrer melden sich über die App auch krank und reichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein. Außerdem stellen sie darüber Urlaubsanträge.

Sowohl in den Hubs als auch in der Zentrale in den für die Remote Citys zuständigen Remote Teams werden von der Arbeitgeberin „Courier Coordinatoren“ beschäftigt.

Diese sind in erster Linie Ansprechpartner der Fahrer und ihnen obliegen Aufgaben in personellen und sozialen Angelegenheiten ihnen gegenüber, die in ihrem Umfang im Einzelnen zwischen den Beteiligten streitig sind. Sie sind hierarchisch einem „City Operations Manager“ untergeordnet, der für ein Liefergebiet zuständig ist und entweder in einem Hub arbeitet oder im jeweiligen Remote Team. Hierarchisch über dem City Operations Manager ist der „Teamlead“ angeordnet. Die Arbeitgeberin verfügt über insgesamt vier Teamleads in Deutschland. In der Zentrale werden außerdem verschiedene Fachabteilungen der Arbeitgeberin unterhalten, u.a. die Abteilungen Courier HR, Recruiting, Business Planning, Legal und Live Operations. An die Abteilung Live Operations können sich die Fahrer bei akuten Problemen und Komplikationen wie Bestellverzögerungen, Kundenbeschwerden und technische Störungen über die WA. App wenden. Umgekehrt erfolgt eine Ansprache des Fahrers über die Mitarbeiter der Abteilung Live Operations, wenn etwa die bestellte Speise länger als vorgegeben im Transportbehälter verbleibt.

Zur Schichtplanung tragen die Kuriere in der WA. App ihre Schichtplanwünsche ein. Sodann erfolgt die grobe Schichteinteilung im ersten Schritt automatisiert über ein System (sog. „Shift Algo“). Das System generiert einen Vorschlag für eine mögliche Schichtverteilung. Danach erfolgt eine Weiterbearbeitung der Schichtpläne, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob diese nunmehr aus der Zentrale in T. erfolgt oder durch die Courier Coordinatoren in F.

Der formale Ausspruch der Kündigung oder der Abmahnung erfolgt zentral über die Abteilung Courier HR in T., wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, wer die Entscheidung hierzu vorbereitet bzw. trifft.

Am 11.10.2023 hat die Arbeitgeberin die Zuständigkeit für die Q.‘er Fahrer dergestalt verändert, dass nunmehr in erster Linie die Courier Coordinatoren sowie der City Operations Manager des Hubs in F. für diese zuständig sind.

Am 06.04.2023 wurde für das Liefergebiet Q. ein dreiköpfiger Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 07.04.2023 per E-Mail an die Q.‘er Mitarbeiter bekanntgegeben.

Mit ihrer am 21.04.2023 beim Arbeitsgericht T. eingegangenen Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Unwirksamkeit der Betriebsratswahl in Q.. Sie führt hierzu aus, dass dies aus der Verkennung des Betriebsbegriffs folge. Sie begehrt zudem die Feststellung der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung des Liefergebietes Q. zum Hauptbetrieb in F.. Sie führt hierzu aus, dass das Liefergebiet Q. weder ein eigenständiger Betrieb, noch ein qualifizierter Betriebsteil i.S.d. § 4 BetrVG sei.

Für das Liefergebiet Q. bestehe kein eigenständiger einheitlicher Leitungsapparat in sozialen und personellen Angelegenheiten, da sie in Q. nur Fahrer und keinen „Office-Staff“ beschäftige, der sich um die Organisation der Belegschaft und soziale und personelle Angelegenheiten kümmere.

Die Personalpläne würden, nachdem sie unstreitig vom System automatisch erstellt wurden, von den Courier Coordinatoren feinjustiert. Es werde insbesondere überprüft, ob die Verfügbarkeiten ausreichen und ob die Mindeststunden der Kuriere abgedeckt seien. Die Courier Cooridnatoren würden sich die vom System zugeteilten Schichten anschauen und überprüfen, ggf. würden die Schichten von ihnen angepasst.

Diese Zahl der Neueinstellungen werde, nachdem die Abteilung Business Planning aus T. die Anzahl der fehlenden Mindeststunden für das Liefergebiet ermittelt habe, durch den City Operations Manager, ggf. in Abstimmung mit dem Team Lead, überprüft und genehmigt bzw. auf Basis lokaler Besonderheiten angepasst.

Personelle Entscheidungen wie Abmahnungen und Kündigungen würden von den Courier Coordinatoren in F. vorbereitet und – teils in Abstimmung mit dem City Operations Manager oder durch diesen – getroffen. Sie würden die notwendigen Hintergrundinformationen, etwa bei einem Fehlverhalten, aufarbeiten und den Auftrag zur Ausfertigung der Entscheidung an die Abteilung Courier HR in T. senden. Der City Operations Manager entscheide letztverbindlich bei der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern.

Eine hinreichende organisatorische Selbstständigkeit des Liefergebiets Q. sei nicht vorhanden. Vielmehr bildeten die Beschäftigten in Q. mit den in F. tätigen Arbeitnehmern einen einheitlichen Betrieb.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

1. festzustellen, dass die am 06.04.2023 im Liefergebiet Q. bei der Beteiligten zu 1. durchgeführten Betriebsratswahl nichtig, hilfsweise unwirksam, ist.

2. festzustellen, dass die Organisationseinheit Q., die aus den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Beteiligten zu 1. besteht, die ihre Tätigkeit für die Beteiligte zu 1. im Liefergebiet Q. ausüben, als unselbständige betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit dem Hauptbetrieb der Beteiligten zu 1. in F. zuzuordnen ist.

Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen,

die Anträge abzuweisen.

Im Wege des Widerantrags beantragt der Beteiligte zu 2.

festzustellen, dass die Organisationseinheit Q. der J. GmbH betriebsratsfähig ist.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

den Widerantrag abzuweisen.

Die Betriebsräte sind der Ansicht, die Wahl zum Betriebsrat in Q. sei ordnungsgemäß.  Insbesondere habe der Wahlvorstand nicht den Betriebsbegriff verkannt. Es handele sich bei Liefergebiet Q. um einen Betriebsteil des T.‘er Hauptbetriebs. Sie behaupten hierzu, die wesentlichen Leitungsfunktionen des Arbeitgebers erfolgen aus der Zentrale in T. heraus.

Die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, etwa die Erfassung der Arbeitszeit, die Personalplanung, die Dienstplaneinteilung, die Erstellung der Lohnabrechnungen, die Annahme von Urlaubsanträgen und die Krankmeldungen, die Entscheidung über Kündigungen und Abmahnungen erfolge mithilfe der WA. App.

Fast sämtliche Personalentscheidungen würden zentral von der Verwaltung der Arbeitgeberin in T. getroffen. Auch die Personalplanung erfolge zentral von T. aus. Urlaubsanträge würden in T. bearbeitet. Krankmeldungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen würden über die WA. App an die Zentrale gesendet, nicht an die örtliche Einheit.

Auch die Personalplanung erfolge aus T. heraus. Die wenigen Courier Coordinatoren in F. würden weder über die technische Ausstattung der Personalplanung noch über die Kenntnis der Planungsgrundlagen verfügen.

Das Liefergebiet Q. sei zudem weit entfernt vom Hub in F. entfernt.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen der Beteiligten und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

A.

Der zulässige Antrag der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Die Wahl ist weder nichtig, noch unwirksam.

I.              Die formellen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind hier erfüllt.

1.               Die Antragstellerin ist als Arbeitgeberin gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigt.

2.              Der auf Unwirksamkeitserklärung der Betriebsratswahl gerichtete Antrag ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses (hier: 07.04.2023) und damit innerhalb der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bei dem Arbeitsgericht T. (am 21.04.2023) eingegangen. Auch ein innerhalb der Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bei einem örtlich unzuständigen Arbeitsgericht eingegangener Anfechtungsantrag wahrt die Anfechtungsfrist (BAG v. 13. 3. 2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738, 741, Rn. 23; LAG Köln, Beschl. v. 17.11.2023 – 9 TaBV 26/23, BeckRS 2023, 40332 Rn. 45).

II.              Die materiellen Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG sind hingegen nicht gegeben, weil bei der Wahl nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und dadurch das das Wahlergebnis hätte verändert oder beeinflusst werden können(LAG Köln, Beschl. v. 17.11.2023 – 9 TaBV 26/23, BeckRS 2023, 40332 Rn. 47).

1.               Der Wahlvorstand hat nicht den Betriebsbegriff verkannt.

Wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff verkannt worden wäre, läge zwar ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften iSd. § 19 Abs. 1 BetrVG vor (vgl. BAG v. 21.06.2023 – 7 ABR 19/22, juris, Rn. 18; BAG v. 23.11.2016 – 7 ABR 3/15, juris, Rn. 30; LAG Köln v. 17.11.2023 – 9 TaBV 26/23, BeckRS 2023, 40332 Rn. 49).

Abzustellen ist auf die organisatorischen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wahl – ungeachtet der Umstrukturierung der Arbeitgeberin im Oktober 2023.

a)               Ein Betrieb i.S.v. § 1 Abs.1 BetrVG ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt ein gesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (BAG v. 23.11.2016, 7 ABR 3/15, juris, Rn. 31; BAG v. 13.02,2013, 7 ABR 36/11, juris, Rn. 27; LAG Köln v. 17. Juli 2020 – 9 TaBV 73/19, juris, Rn. 34; Fitting/Trebinger/Linsenmaier/Schelz/Schmidt, BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 1 Rn. 93 f.).

Über den Betriebsbegriff wird die Einheit bestimmt, innerhalb derer eine sinnvolle Ordnung der Betriebsverfassung und damit eine sachgerechte Betreuung der Arbeitnehmer durch ihre Repräsentanten möglich ist. Fehlt ein eigener Leitungsapparat, der für die Organisationseinheit die maßgeblichen mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen einheitlich trifft, kann die Arbeitsstätte daher nur Teil eines Betriebes, nicht aber selbst Betrieb sein. Dabei erfordert die Einheit der Entscheidungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nicht, dass bei der Betriebsleitung alle Kompetenzen für die Beziehungen zu den Arbeitnehmern angesiedelt sind. Es kommt vor allem auf die Selbständigkeit zu Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten an.

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ob ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden ist, demgegenüber der Betriebsrat die Beschäftigten des Betriebes vertritt, indem er mit dem Arbeitgeber Regelungen im Sinne des BetrVG trifft. Nicht ausreichend ist, dass Arbeitnehmer beschäftigt werden, ohne dass eine arbeitgeberseitige Leitung vor Ort vorhanden ist. Ein Betrieb ist deshalb nicht bereits dann anzunehmen, wenn in irgendeiner Form Arbeitnehmer beschäftigt werden, denn dann würde missachtet, dass die Aufgabe des Betriebsrates in der Vertretung der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber liegt und einem Betriebsrat deshalb ein Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite zugeordnet sein muss. Das Erfordernis eines einheitlichen Leitungsapparates als Voraussetzung für den Betriebsbegriff ist damit unverzichtbar (vgl. ArbG Darmstadt v. 26.08.2021, 10 BV 2/21, n.v.).

Hier ist unter dem Beteiligten unstrittig, dass innerhalb des Liefergebietes Q. ein arbeitgeberseitiger Leitungsapparat nicht installiert ist – weder zur Zeit der Wahl, noch heute. Die Arbeitgeberin hat die Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten vielmehr in T. getroffen und trifft sie numehr – nach Vortrag der Arbeitgeberin – in F.

Damit kann in Q. ein eigenständiger Betrieb i.S.d. § 1 BetrVG nicht vorliegen.

b)               Das Liefergebiet Q. der Arbeitgeberin ist jedoch als qualifizierter Betriebsteil im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzusehen.

aa)              Ein Betriebsteil ist auf den Zweck des Hauptbetriebes ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert. Er ist gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Für den Betriebsteil genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 21.06.2023 – 7 ABR 19/22, juris, Rn. 33; BAG v. 26.5.2021 – 7 ABR 17/20, NZA 2021, 1494 Rn. 33; Kloppenburg, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2023, § 4 BetrVG, Rn. 3 ff.; Besgen, in: BeckOK ArbR, 71. Ed. 1.3.2024, § 4 BetrVG, Rn. 6 f.; Koch, in: ErfK, 24. Aufl. 2024, § 4 BetrVG, Rn. 2).

bb)              Das Liefergebiet Q. erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen.

(1)               Das Liefergebiet ist räumlich und organisatorisch abgrenzbar.

Es besteht aus einem abgrenzbaren Stamm an Arbeitnehmern – den Fahrern – die auch nur im Bereich in und um Q. damit betraut sind, die von der Beklagten angebotene Dienstleistung, das Ausliefern von zuvor über ihre Website oder App bestellten Speisen für Restaurants, umzusetzen. Dabei sind die Fahrer dem Liefergebiet fest zugeordnet – einen Austausch von Arbeitnehmern, etwa mit dem Liefergebiet F., gibt es nicht. Die Arbeitnehmer des Liefergebietes werden demnach nur die Dienstleistungen für die Beklagte in Q. erbringen.

(2)              Nach Ansicht der Kammer ist im Liefergebiet Q. auch eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert.

(a)              Welche konkreten Anforderungen an diese vom BAG in ständiger Rechtsprechung geforderten Institutionalisierung zu stellen sind, hat es in seinen bisherigen Entscheidungen nicht näher konkretisiert. Es handelt sich darüber hinaus nicht um ein geschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Es ist im Wege der Rechtsfortbildung von der Rechtsprechung entwickelt worden.

Ältere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts legen den Schluss nahe, dass es in dem Betriebsteil selbst eine Person „vor Ort“ geben muss, die – zumindest einen Teil – der arbeitgeberseitigen Weisungsrechte ausübt. In seinem Beschluss vom 19.02.2002 (1 ABR 26/01, NZA 2002, 1300, 1301) führt das es exemplarisch aus:

„Demgegenüber genügt für das Vorliegen eines Betriebsteils i.S. des § 4 S. 1 BetrVG a.F. ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Diese liegt vor, wenn in der Einheit wenigstens eine Person mit Leitungsmacht vorhanden ist, die überhaupt Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt.“

Dies wird so auch teilweise in der Literatur noch rezitiert (vgl. Fitting/Trebinger/Linsenmaier/Schelz/Schmidt, BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 4 Rn. 8; Maschmann, in: Richardi, BetrVG, 17. Aufl. 2022, § 4 Rn. 12; Besgen, in: BeckOK ArbR, 71. Ed. 1.3.2024,§ 4 BetrVG, Rn. 7).

Demgegenüber hat sich die Formulierung in jüngeren Entscheidungen gewandelt, etwa jüngst (BAG v. 21.06.2023 – 7 ABR 19/22, juris, Rn. 33):

„Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt.“

[D]ie frühere Formulierung, dass „in der Einheit wenigstens eine Person mit Leitungsmacht vorhanden“ sein muss findet sich so nicht mehr in den Entscheidungsgründen des Bundesarbeitsgerichts (vgl. auch BAG v. 26.05.2021 – 7 ABR 17/20, NZA 2021, 1494, 1497, Rn. 33; BAG v. 18.01.2012, 7 ABR 72/10, juris, Rn. 26; BAG v. 09.12.2009, 7 ABR 38/08, juris, Rn. 23; diese Formulierung findet sich auch in ErfK/Koch, 24. Aufl. 2024, § 4 BetrVG, Rn. 2; Kloppenburg, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2023, § 4 BetrVG, Rn. 5). Dies liegt den Schluss nahe, dass die Ausübung der Leitungsmacht anders als durch eine Person „vor Ort“ institutionalisiert sein kann.

Hierfür spricht auch eine ältere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.05.1991 (7 ABR 54/90 NZA 1992, 74, 76):

„Allerdings ist nicht erforderlich, daß die Leitungsmacht den vollen Umfang oder den Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen oder personellen Bereich umfaßt, d. h. sie sich wesentlich auf die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen (vgl. §§ 87 ff. BetrVG) und personellen (vgl. §§ 92 ff. BetrVG) Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes erstreckt. Denn es geht nicht um die Einheitlichkeit eines Betriebs, sondern (nur) eines Betriebsteiles. Ein Betriebsteil gilt aber nach § 4 S. 1 BetrVG gerade ohne Rücksicht darauf als selbständig, ob die wesentlichen, der betrieblichen Mitbestimmung unterliegenden Funktionen in der Organisationseinheit ausgeübt werden. Würden sie im Betriebsteil ausgeübt, so handelte es sich bei ihm nicht mehr um nur einen Teil eines Betriebs, sondern bereits um einen Betrieb i. S. des § 1 BetrVG. Erforderlich ist indessen, daß überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist und von ihr das Weisungsrecht des Arbeitgebers ausgeübt wird.“

Das Bundesarbeitsgericht differenziert hier zwischen der (vollen) Ausübung der Leitungsmacht innerhalb einer Organisationseinheit, welche zum Vorliegen eines Betriebs i.S.d. § 1 BetrVG führt, sowie die Institutionalisierung der den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung, die für einen Betriebsteil i.S.d. § 4 BetrVG genügt.

(b)              Der Begriff des Betriebsteils i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG muss vor dem Sinn und Zweck der Norm ausgelegt und die bisherige Rechtsprechung zur Institutionalisierung auch in diesem Sinne konkretisiert werden. Aus § 4 Abs. 1 BetrVG kommt zum Ausdruck, eine ortsnahe Interessenvertretung zu ermöglichen (BAG v. 26.05.2021 – 7 ABR 17/20, BAGE 175, 104-117, Rn. 34). Anderseits soll auch eine „Atomisierung“ der Mitbestimmungsgremien ausgeschlossen werden. Daher werden auch an die Betriebsteile, wie § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BetrVG klarstellten, weitere Anforderungen gestellt, damit sie zur betriebsratsfähigen Einheit werden.

Die Kammer ist der Ansicht, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht erfordert, dass in dem Betriebsteil eine Leitungsperson „vor Ort“ sein muss, die Weisungsrechte gegenüber den dort beschäftigten Arbeitnehmern ausübt. Insbesondere bei der Anwendung der Rechtsprechung auf Sachverhalte der digitalisierten Arbeitswelt bedarf es der Konkretisierung. Denn die bisherigen Judikate sind insbesondere in Sachverhalten mit räumlichen Betriebsstätten ergangen (vgl. nur BAG v. 07.05.2008 – 7 ABR 15/07, juris, zu Filialen; BAG v. 28.04.2021 – 7 ABR 10/20, BAGE 175, 1, zu einem Außenbüro eines IT-Dienstleisters). Die Besonderheit im vorliegenden Fall ist, dass es nach der Organisation der Arbeitgeberin einer räumlichen Betriebsstätte gerade nicht bedarf. Die Arbeitsleistung erfolgt auf den Straßen der jeweiligen Stadt des Liefergebietes. Der Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer wird weit überwiegend über die „WA. App“ gesteuert. Es ist bei der von der Arbeitgeberin gewählten Organisation schlicht niemand vor Ort nötig, der den Einsatz der Arbeitnehmer steuern muss, da dies digital erfolgt. Es hängt vom schlichten Zufall ab, wo sich die disziplinarischen Vorgesetzten der Fahrer in Q. aufhalten – sei es in F., T. oder andernorts. Es erscheint als bloße Frömmelei, den Unterschied vom „losen Teil eines Betriebs(teils)“ zum „echten“ Betriebsteil i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG von dem Zufall abhängig zu machen, ob die – teils durch Software algorithmisch vorbereiteten – Weisungen aus Q. oder von sonst wo an die Fahrer in Q. weiterzuleiten. Gäbe es eine Person in Q., die dies täte, wäre auch nach dem engen Begriff, dass im Betriebsteil eine Leitungsperson „vor Ort“ sein muss, der Betriebsteilbegriff erfüllt.

Soweit die Courier Coordinatoren des Remote Teams zum Zeitpunkt der Wahl die Weisungsrechte gegenüber den Fahrern in Q. ausgeübt haben, bildeten diese gemeinsam mit dem zuständigen City Operations Manager eine einheitliche Leitung gegenüber den Fahrern in Q.. Es genügt, dass diese aus T. über die „WA. App“ Weisungsrechte gegenüber den Fahrern in Q. ausüben, um eine hinreichende Institutionalisierung einer Leitung anzunehmen. Dabei ist nach Ansicht der Kammer unschädlich, dass die Ausübung des Weisungsrechts durch verschiedene Personen, offenbar „zufällig“ und nicht nach einer festen Zuständigkeit erfolgt. Der zuständige City Operations Manager vermag als Vorgesetzter der Courier Coordinatoren die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Fahrern in Q. zu bestimmen, wenn er die Weisungen auch nicht selbst erteilt, wie dies im Verhältnis eines Personalleiters und Personalsachbearbeitern üblich ist.

cc)              Zu einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Einheit wird ein derartiger Betriebsteil jedoch erst unter den zusätzlichen Voraussetzungen von § 4 I 1 Nr. 1 BetrVG (räumlich weite Entfernung vom Hauptbetrieb) oder Nr. 2 (Eigenständigkeit durch Aufgabenbereich und Organisation).

(1)              Betriebsteile i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sind vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist. Der Zweck der Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG liegt darin, den Arbeitnehmern von Betriebsteilen eine effektive Vertretung durch einen eigenen Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung des Betriebes von dem Hauptbetrieb die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert ist, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebes die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann und sich die Arbeitnehmer nur unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden können oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt sind, nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb kommen können. Maßgeblich ist also sowohl die leichte Erreichbarkeit des Betriebsrates für die Arbeitnehmer, als auch umgekehrt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer für den Betriebsrat (BAG v. 17.03.2017 – 7 ABR 21/15, NZA 2017, 1282, 1284, Rn. 20; LAG Berlin-Brandenburg v. 22.02.2023 – 4 TaBVGa 1301/22, BeckRS 2023, 7476, Rn. 53; LAG Baden-Württemberg v. 22.10.2020 – 17 TaBV 3/19, BeckRS 2020, 27743 Rn. 59). Dabei kommt es nicht allein auf die Entfernungskilometer an, sondern es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Auch die Verkehrsverbindungen können für die wechselseitig leichte Erreichbarkeit eine Rolle spielen (BAG v. 17.03.2017 – 7 ABR 21/15, NZA 2017, 1282, 1284, Rn. 23).

(2)              Demnach ist der Betriebsteil des Liefergebietes Q. nach Ansicht der Kammer im Zeitpunkt der Wahl weit entfernt vom Hauptbetrieb gewesen.

T. liegt gar einige hundert Kilometer entfernt und ist befindet sich damit in einer Entfernung vom Betriebsteil Q., nach der nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich eine weite Entfernung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG angenommen werden kann. (vgl. BAG. v. 15. 12. 2011 − 8 AZR 692/10, NZA-RR 2012, 570, 574, Rn. 39, nachdem eine Entfernung von 300 km als räumlich weit entfernt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG gilt; so auch Fitting/Trebinger/Linsenmaier/Schelz/Schmidt, BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 4 Rn. 20).

2.              Weitere Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften waren nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.  Zwar hat das Gericht sämtliche Anfechtungsgründe, auf die es im Laufe des Verfahrens stößt, von Amts wegen zu berücksichtigen, gleichgültig ob sich die Beteiligten darauf berufen oder nicht. Eine Ausforschungspflicht besteht gleichwohl nicht (Fitting/Trebinger/Linsenmaier/Schelz/Schmidt, 32. Aufl. 2024, § 19 BetrVG, Rn. 52; BAG v. v. 20.10.2021 – 7 ABR 36/20, NZA 2022, 569, 574,Rn, 54)

B.

Der zulässige Antrag zu 2. ist unbegründet.

Das Liefergebiet Q. der Arbeitgeberin ist als qualifizierter Betriebsteil i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG anzusehen und damit eben kein unselbstständiger Teil des Betriebs F., wie die Arbeitgeberin festzustellen begehrt.

Dies gilt auch nach der von der Arbeitgeberin vorgetragenen Umstrukturierung im Oktober 2023.

I.              Das Liefergebiet Q. ist weiter organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbstständigt.

Für die Annahme des Betriebsteils i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt bereits, dass ein Teil der Weisungsrechte in sozialen und personellen Angelegenheiten von einer einheitlichen Leitungsmacht ausgeübt wird. Es ist daher unschädlich, dass auch nach dem Vortrag der Arbeitgeberin Weisungsrechte aus T. und aus F. ausgeübt werden. An dem Verhältnis der Courier Coordinatoren und dem City Operations Manager F. zueinander einerseits und bei der Ausübung von Weisungsrechten gegenüber den Fahrern in Q. andererseits ändert sich nichts. Es gilt das zuvor Erörterte.

Sie bilden – wie zuvor entsprechend für das im Zeitpunkt der Wahl maßgebliche Remote Team erörtert – die Leitungsmacht gegenüber den Fahrern in Q., die funktional hinreichend institutionalisiert ist. Es genügt, dass die so an einem anderen Ort als Q. bestehende Leitungsmacht insofern institutionalisiert ist, als dass sie mittels der WA. App ihre Weisungsrechte in Q. ausübt.

II.              Der Betriebsteil des Liefergebietes Q. nach Ansicht der Kammer auch weit entfernt vom Hauptbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.

Dabei kann dahinstehen, ob seit der Umstrukturierung im Oktober 2023 F. oder T. den Hauptbetrieb bildet.

Der Hub in F. liegt ca. 77 km entfernt von Q. Mit dem PKW benötigt man aus Q. zu dem Büro des Betriebsrates F. ca. 1:07 Stunden und mit öffentlichen Verkehrsmitteln 50 Minuten. Für die jederzeitige Erreichbarkeit ist nicht auf die ungünstigste Verkehrssituation, sondern auf die regelmäßigen Verkehrsverhältnisse abzustellen (BAG v. 17.03.2017 – 7 ABR 21/15, NZA 2017, 1282, 1284, Rn. 23). Selbst unter Zugrundelegung der optimalen Verkehrssituation muss mit etwa zwei Stunden Wegezeit, mithin einem Viertel eines vollen Arbeitstages (vgl. § 3 Satz 1 ArbZG), gerechnet werden, um den Betriebsrat in F. aufzusuchen. Dies lässt etwaige Wartezeiten, insbesondere nach dem Termin mit dem Betriebsrat auf dem Rückweg, außer Betracht. Bei einer Wegezeit von zwei Stunden hat das BAG jedenfalls ohne Weiteres die räumlich weite Entfernung vom Hauptbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG angenommen (BAG v. 07.05. 2008 – 7 ABR 15/07, NZA 2009, 328, 331, Rn. 29). Nach Ansicht der Kammer genügt bereits die reine Wegezeit von 50 Minuten je Fahrtrichtung mit dem Zug, um eine weite Entfernung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG zu begründen. Es liegt außerhalb der Lebenserfahrung, dass ein Arbeitnehmer ein gutes Viertel seines Arbeitstages mit der Wahrnehmung eines Termins beim Betriebsrat aufbringt und andererseits, dass der Arbeitgeber dies bei Fortzahlung der Bezüge toleriert. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des bei der Arbeitgeberin geltenden Bonussystems. Umgekehrt ist nicht damit zu rechnen, dass sich der Betriebsrat ohne Schwierigkeiten über die „Verhältnisse vor Ort“ informieren kann, wenn er hierfür eine reine Wegezeit von knapp unter zwei Stunden einplanen muss. Ein Betriebsratsmitglied aus Q. könnte nicht an einer kurzfristig angesetzten Betriebsratssitzung teilnehmen, wenn er zu dieser erst eine knappe Stunde fahren muss (vgl. BAG v. 07.05.2008 - 7 ABR 15/07, NZA 2009, 328, 331, Rn. 26).

Wie zuvor erörtert, ist auch T. als weit entfernt vom Betriebsteil Q. anzusehen.

C.

Der zulässige Widerantrag des Betriebsrates Q. ist begründet, da das Liefergebiet Q. der Arbeitgeberin als qualifizierter Betriebsteil i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr.  1 BetrVG anzusehen ist.

D.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

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