BAG: Mitbestimmung bei Übernahme von Leiharbeitnehmern
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 21.07.2009
Aktenzeichen: 1 ABR 35/08
Rechtsgebiete: AÜG, BetrVG
Vorschriften:
AÜG § 14 Abs. 3 | |
AÜG § 3 Abs. 1 Nr. 3 | |
AÜG § 9 Nr. 2 | |
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1 |
Der Betriebsrat im Betrieb des Entleihers kann seine Zustimmung zur Übernahme eines Leiharbeitnehmers nicht mit der Begründung verweigern, die Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers verstießen gegen das Gleichstellungsgebot von § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG ("equal-pay-Gebot").
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS
Verkündet am 21. Juli 2009
1 ABR 35/08
In dem Beschlussverfahren
hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 21. Juli 2009 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft, den Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Brunner und Dr. Zumpe
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Februar 2008 - 12 TaBV 142/07 - wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung einer Leiharbeitnehmerin.
Die Arbeitgeberin, ein Zeitungsverlag, ist tarifgebunden und wendet auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer die Branchentarifverträge des Zeitungsverlagsgewerbes Niedersachsen/Bremen an. Für ihren Betrieb in S ist ein Betriebsrat errichtet. Mit Schreiben vom 2. August 2007 unterrichtete sie diesen über die beabsichtigte Einstellung der bei der E-W P GmbH (im Folgenden: EWP) angestellten Leiharbeitnehmerin W und teilte mit, dass sich Gehalt und Gehaltsgruppe nach den tariflichen Bedingungen des Verleihers richteten. Die EWP befasst sich mit der Überlassung von Arbeitnehmern und besitzt die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Ihre Gesellschafter sind weitgehend identisch mit denen der Arbeitgeberin. Der Personalleiter der Arbeitgeberin ist zugleich Geschäftsführer der EWP. Mit Schreiben vom 9. August 2007 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung. Er führt in dem Schreiben insbesondere aus:
"...
der Betriebsrat verweigert der Einstellung der Leiharbeitnehmerin W die Zustimmung nach § 99, Abs. 2, Ziff. 1, 3 und 4.
Die Einstellung als Leiharbeitnehmerin ist eine bewusste Umgehung des Entlohnungssystems beim Zeitungsverlag.
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die laufenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht S beziehungsweise vor dem Landesarbeitsgericht, in denen es um die nicht zulässige Strohmann-Konstruktion durch das 'Schwesterunternehmen' E-W-P GmbH geht.
Die offensichtlich deutlich schlechtere Bezahlung ist ein systematischer Verstoß gegen das Entlohnungssystem beim T - Zustimmungsverweigerung nach Paragraph 99, Absatz 2, Ziffern 1, 3 und 4. ..."
Die Arbeitgeberin hat in dem von ihr am 7. September 2007 eingeleiteten Verfahren die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der Leiharbeitnehmerin W begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats sei, soweit sie sich überhaupt § 99 Abs. 2 BetrVG zuordnen lasse, unbegründet.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der Leiharbeitnehmerin W zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat geltend gemacht, er habe seine Zustimmung zu Recht gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 BetrVG verweigert. Die Einstellung der Leiharbeitnehmerin W verstoße gegen tarifliche Bestimmungen. Da die Leiharbeitnehmerin nicht dieselbe Vergütung erhalte wie die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, sei ferner das in § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG normierte Gebot des "equal-pay" verletzt. Außerdem verstoße die Einstellung gegen § 242 BGB. Es liege keine echte Arbeitnehmerüberlassung vor. Vielmehr handele es sich um eine "Strohmann-Konstruktion". Die EWP trage nicht das typische Arbeitgeberrisiko. Die Zustimmungsverweigerung sei auch nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG gerechtfertigt. Es bestehe die Gefahr, dass bereits beschäftigte Arbeitnehmer benachteiligt würden, da ihnen voraussichtlich bei einer Vertragsverlängerung oder -änderung ebenfalls eine Ausleihkonstruktion angesonnen werde. Schließlich sei die Zustimmungsverweigerung auch nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG begründet. Die Leiharbeitnehmerin W werde durch die Ungleichbehandlung gegenüber den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin benachteiligt.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Antrags der Arbeitgeberin.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Arbeitgeberin gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu Recht entsprochen und die Zustimmung des Betriebsrats zur Übernahme der Leiharbeitnehmerin W ersetzt.
I. An dem Verfahren sind neben der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat keine weiteren Personen oder Stellen beteiligt. Dies gilt auch für die Leiharbeitnehmerin, um deren Übernahme in einen Entleiherbetrieb es geht. Diese ist durch die von der Arbeitgeberin begehrte Entscheidung nicht in einer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen.
II. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Diese hat das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
1. Die Übernahme eines Leiharbeitnehmers bedarf, wie sich aus § 14 Abs. 3 AÜG ergibt, der Zustimmung des Betriebsrats. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die beabsichtigte Übernahme des Leiharbeitnehmers auf gewerbsmäßiger oder nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung beruht (BAG 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 113, 218).
2. Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung innerhalb einer Woche nach der Unterrichtung durch die Arbeitgeberin schriftlich verweigert. Sein Schreiben vom 9. August 2007 enthält in noch ausreichender Weise die nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erforderliche Angabe von Gründen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt der Betriebsrat der gesetzlichen Begründungspflicht iSv. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wenn es als möglich erscheint, dass er mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einen der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend macht. Eine Begründung, die sich in der Benennung einer der Nummern des § 99 Abs. 2 BetrVG oder in der Wiederholung von deren Wortlaut erschöpft, ist allerdings unbeachtlich. Gleiches gilt für eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt. Die Begründung des Betriebsrats braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden (BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 48 mwN, NZA 2009, 627).
b) Diesen Anforderungen wird das Schreiben des Betriebsrats vom 9. August 2007, soweit die Zustimmungsverweigerung auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BetrVG gestützt wird, gerade noch gerecht.
aa) Dem Schreiben lässt sich entnehmen, dass der Betriebsrat geltend machen will, die Einstellung verstoße iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegen ein Gesetz und gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag. Die in dem Schreiben enthaltene Behauptung, die Einstellung sei "eine bewusste Umgehung des Entlohnungssystems beim Zeitungsverlag" und "die offensichtlich deutlich schlechtere Bezahlung (sei) ein systematischer Verstoß gegen das Entlohnungssystem beim T", zielt ersichtlich auf ein tarifliches Entgeltsystem bei der Arbeitgeberin ab, das durch seine Nichtanwendung verletzt werde. Zugleich lässt sich der Vorwurf dahin verstehen, die schlechtere Bezahlung sei eine Verletzung des in § 9 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG normierten Gleichstellungsgebots (vgl. BAG 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B II 4 b bb der Gründe, BAGE 113, 218).
bb) Ebenfalls gerade noch erkennbar ist aus dem Schreiben des Betriebsrats vom 9. August 2007, dass dieser außerdem geltend machen will, die einzustellende Leiharbeitnehmerin werde iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG dadurch benachteiligt, dass sie eine geringere Vergütung als die Vertragsarbeitnehmer der Arbeitgeberin erhalte.
cc) Dagegen lässt sich die Zustimmungsverweigerung vom 9. August 2007 einem Verweigerungsgrund aus § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG nicht mehr hinreichend zuordnen. Allein der Umstand, dass diese Ziffer in dem Schreiben zweimal genannt wird, genügt nicht. Das Gesetz verlangt insofern für eine beachtliche Zustimmungsverweigerung die Angabe von besorgnisbegründenden Tatsachen (vgl. BAG 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 2 b bb der Gründe, BAGE 101, 298). Solche enthält das Schreiben des Betriebsrats vom 9. August 2007 nicht.
III. Der Antrag der Arbeitgeberin ist begründet.
1. Der Antrag ist nicht etwa deshalb unbegründet, weil die Arbeitgeberin den Betriebsrat unzureichend unterrichtet hätte. Allerdings kann die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung - unabhängig vom Vorliegen der geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe - gerichtlich gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG nur ersetzt werden, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigte personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausreichend unterrichtet und dadurch die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt hat (BAG 28. Juni 2005 - 1 ABR 26/04 - Rn. 21 mwN, BAGE 115, 173). Dies hat hier die Arbeitgeberin mit ihrem Schreiben vom 2. August 2007 aber getan. Der Betriebsrat hat das nach anfänglichem Bestreiten im Laufe des Verfahrens nicht mehr in Abrede gestellt.
2. Die im Zustimmungsersetzungsverfahren zu berücksichtigenden Verweigerungsgründe liegen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann sich der Betriebsrat im gerichtlichen Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nur auf die Gründe berufen, die er in beachtlicher Weise innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geltend gemacht hat. Mit dem Nachschieben neuer Gründe ist er ausgeschlossen (11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 2 b ee der Gründe, BAGE 101, 298). Demnach ist hier die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Übernahme der Leiharbeitnehmerin gegen ein Gesetz oder eine tarifliche Bestimmung verstößt oder ob die Leiharbeitnehmerin durch die Einstellung benachteiligt wird. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, liegen diese Zustimmungsverweigerungsgründe nicht vor.
a) Die Einstellung der Leiharbeitnehmerin W verstößt iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG weder gegen ein Gesetz noch gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur dann verweigern, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Geht es um die Übernahme eines Leiharbeitnehmers in den Betrieb des Entleihers und damit um eine Einstellung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, muss diese als solche untersagt sein. Dazu bedarf es zwar keiner Verbotsnorm im technischen Sinne, die unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführte. Der Zweck der betreffenden Norm, die Einstellung selbst zu verhindern, muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Dazu genügt es nicht, dass einzelne Vertragsbedingungen des eingestellten oder übernommenen Arbeitnehmers rechtswidrig sind. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen ist kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen lediglich dann gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B II 4 b bb (3) (a) der Gründe mwN, BAGE 113, 218).
bb) Gegen eine solche tarifliche Regelung verstößt die Übernahme der Leiharbeitnehmerin W nicht.
(1) Als tarifliche Verbotsnormen kommen sog. qualifizierte Besetzungsregeln in Betracht. Ein Verstoß gegen tarifliche Inhaltsnormen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, welche die Vergütung regeln, steht dagegen der Einstellung als solcher nicht entgegen (BAG 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 56 = EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 9). Daher kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer Einstellung nicht allein deshalb verweigern, weil eine untertarifliche Bezahlung vorgesehen ist (BAG 28. März 2000 - 1 ABR 16/99 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 94, 169).
(2) Hier ist nicht erkennbar, dass eine von der Arbeitgeberin oder von der EWP zu beachtende tarifliche Bestimmung den Zweck hätte, die Einstellung von Leiharbeitnehmern zu verhindern. Eine tarifliche Verbotsnorm, die der Übernahme der Leiharbeitnehmerin W entgegenstünde, ist weder vom Betriebsrat dargetan noch sonst ersichtlich. Auch ist nicht erkennbar, dass die Leiharbeitnehmerin zu tarifwidrigen Bedingungen beschäftigt werden soll. Die tariflichen Bestimmungen für das Zeitungsverlagsgewerbe finden auf sie keine Anwendung. Sie ist nicht (Vertrags-)Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin, sondern der EWP. Dass die für die Beschäftigten der EWP maßgeblichen tariflichen Bestimmungen nicht eingehalten wären, ist nicht dargetan. Aber selbst wenn die der Leiharbeitnehmerin W von der EWP bezahlte Vergütung nicht tarifgerecht sein sollte, wäre dies kein Grund für den Betriebsrat, seine Zustimmung zu ihrer Übernahme zu verweigern. Die Tarifwidrigkeit einzelner Vertragsbedingungen steht einer Einstellung nicht entgegen.
cc) Die Übernahme der Leiharbeitnehmerin durch die Arbeitgeberin verstößt nicht gegen ein Gesetz. Ein Verstoß gegen das in § 9 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG normierte Gleichstellungsgebot ("equal-pay-Gebot") ist nicht hinreichend dargetan. Selbst wenn er vorläge, würde dies die Zustimmungsverweigerung nicht rechtfertigen.
(1) Das Gleichstellungsgebot des § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG untersagt grundsätzlich Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen. Allerdings kann nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, § 9 Nr. 2 3. Halbs. AÜG ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3, § 9 Nr. 2 4. Halbs. AÜG nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Die Folgen einer Verletzung des Gleichstellungsgebots regelt das AÜG. Zum einen ist nach § 3 Abs. 1 AÜG die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung oder deren Verlängerung zu versagen. Außerdem kommt nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG die Rücknahme oder der Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung in Betracht. Wird ein Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam, weil der Verleiher die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis verliert, so gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. Halbs. AÜG mit dem Eintritt der Unwirksamkeit ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Entleiher als zustande gekommen. Zum anderen sind nach § 9 Nr. 2 AÜG Vereinbarungen, die dem Gleichstellungsgebot widersprechen, unwirksam. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit ergibt sich aus § 10 Satz 4 AÜG. Danach kann der Leiharbeitnehmer von dem Verleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts verlangen.
(2) Hier kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht von einer Verletzung des "equal-pay-Gebots" des § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG ausgegangen werden. Auch wenn die von der Leiharbeitnehmerin W mit der EWP vereinbarten Arbeitsbedingungen schlechter sein sollten als diejenigen von vergleichbaren Arbeitnehmern der Arbeitgeberin, ergäbe sich allein daraus noch kein Verstoß gegen das Gleichstellungsgebot. Vielmehr wäre dieses nicht verletzt, wenn - wofür vieles spricht, bindende tatsächliche Feststellungen aber nicht getroffen sind - die EWP mit Frau W gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3, § 9 Nr. 2 4. Halbs. AÜG die Anwendung der tariflichen Bedingungen eines für Zeitarbeitsunternehmen einschlägigen Tarifvertrags vereinbart hat. Die Frage kann hier dahinstehen.
(3) Selbst wenn das Gleichstellungsgebot des § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG verletzt wäre, könnte der Betriebsrat mit dieser Begründung die Zustimmung zur Übernahme der Leiharbeitnehmerin nicht verweigern. Im Beschluss vom 25. Januar 2005 hat der Senat dahinstehen lassen, ob die Verletzung des Gleichstellungsgebots des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG bei der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung angesichts der möglichen gewerberechtlichen Folgen nach einem Verbot der tatsächlichen Beschäftigung des Leiharbeitnehmers verlange (- 1 ABR 61/03 - zu B II 4 b bb (3) (b) der Gründe, BAGE 113, 218). Dies ist nicht der Fall. Eine Verletzung des "equal-pay-Gebots" begründet gegenüber der Übernahme eines Leiharbeitnehmers in den Entleiherbetrieb kein Zustimmungsverweigerungsrecht des dortigen Betriebsrats (DKK Kittner/Bachner BetrVG 11. Aufl. § 99 Rn. 175; Fitting BetrVG 24. Aufl. § 99 Rn. 192; Hamann NZA 2003, 526, 533; Reuter ZfA 2006, 459, 460; Schüren/Hamann AÜG 3. Aufl. § 14 Rn. 191 mwN; Wensing/Freise BB 2004, 2238, 2242). Die Gesamtkonzeption des AÜG gebietet es nicht, im Falle eines Verstoßes gegen das Gleichstellungsgebot bereits die Übernahme des Leiharbeitnehmers in den Betrieb des Entleihers als solche zu unterbinden. Vielmehr widerspräche es gerade dem Sinn und Zweck des AÜG, wenn die Einstellung in einem solchen Fall gänzlich unterbliebe. Erst durch die Übernahme in den Entleiherbetrieb ergibt sich für den Leiharbeitnehmer die Möglichkeit, die bei Verletzung des Gleichstellungsgebots bestehenden Ansprüche nach § 10 Satz 4 AÜG oder gar im Falle einer späteren Rücknahme oder des Widerrufs der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG die Fiktion des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. AÜG geltend zu machen. Unterbliebe die Einstellung überhaupt, hätte der Leiharbeitnehmer diese Möglichkeiten nicht. Die Nichtübernahme würde seine Position nicht verbessern, sondern seinen schützenswerten Interessen gerade zuwiderlaufen.
(4) Ein Beschäftigungsverbot ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 2 AÜG (vgl. für die nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung BAG 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B II 4 b bb (3) (b) der Gründe, BAGE 113, 218). Allerdings wird nach dieser Vorschrift ua. bei Verletzung des Gleichstellungsgebots vermutet, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt. Die vermutete Arbeitsvermittlung stellt aber ihrerseits keinen Verbotstatbestand - mehr - dar. Der Vermutung des § 1 Abs. 2 AÜG lässt sich deshalb nicht die gesetzliche Wertung entnehmen, bei Vorliegen der Vermutungsvoraussetzungen solle die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers ausgeschlossen sein.
(5) Ohne Erfolg beruft sich der Betriebsrat schließlich darauf, die Einstellung verstoße gegen § 242 BGB. Diese Bestimmung ist keine Verbotsnorm iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Auch das Vorbringen des Betriebsrats, es handele sich um eine "Strohmann-Konstruktion", vermag die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht zu begründen. Die Auffassung des Betriebsrats, die EWP trage nicht das typische Arbeitgeberrisiko, ist unzutreffend. Die EWP treffen durchaus die sich etwa aus dem KSchG und aus § 615 BGB ergebenden Arbeitgeberrisiken. Doch selbst wenn sie lediglich ein rechtlich unbeachtlicher "Strohmann" und in Wirklichkeit die Arbeitgeberin (Vertrags-)Arbeitgeberin der Leiharbeitnehmerin sein sollte - hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Annahme liegen freilich nicht vor -, ergäbe sich daraus kein Beschäftigungsverbot im Betrieb der Arbeitgeberin. Vielmehr entspräche die Beschäftigung gerade in einem solchen Fall der Rechtslage.
b) Zu Unrecht beruft sich der Betriebsrat zur Begründung seiner Zustimmungsverweigerung auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. Nach dieser Bestimmung kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme verweigern, wenn der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist. Die Einstellung als solche ist für den betroffenen Arbeitnehmer keine Benachteiligung im Sinne dieser Vorschrift. Dies gilt auch, wenn die Arbeitsbedingungen des einzustellenden Arbeitnehmers schlechter sind als die der bereits beschäftigten. Selbst wenn die Arbeitsbedingungen tarifwidrig sind, stellt die Einstellung selbst keine Benachteiligung für den betroffenen Arbeitnehmer dar (BAG 28. März 2000 - 1 ABR 16/99 - zu II 4 der Gründe, BAGE 94, 169). Sinn und Zweck des Zustimmungsverweigerungsgrunds nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG ist es, den betroffenen Arbeitnehmer vor Benachteiligungen zu schützen. Dieses Ziel würde nicht erreicht, wenn die Einstellung als solche unterbliebe. Der Arbeitnehmer stünde dann schlechter da als ohne die Einstellung, die es ihm erlaubt, einen Anspruch nach dem "equal-pay-Prinzip" zu realisieren. Folglich kann der Betriebsrat im Entleiherbetrieb seine Zustimmung zur Übernahme eines Leiharbeitnehmers nicht unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG mit der Begründung verweigern, der Leiharbeitnehmer werde schlechter bezahlt als die Stammarbeitnehmer. Hiernach vermag das Vorbringen des Betriebsrats, die Arbeitnehmerin W erhalte, verglichen mit den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin, eine zu geringe Vergütung, die Verweigerung der Zustimmung zur Übernahme der Frau W nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht zu rechtfertigen.
Für die Amtliche Sammlung: | ja |
Stichworte: | Mitbestimmung bei Übernahme von Leiharbeitnehmern |
Verfahrensgang: | LAG Niedersachsen, 12 TaBV 142/07 vom 18.02.2008 ArbG Stade, 2 BV 12/07 vom 16.10.2007 |