BAG: Mitbestimmung bei kurzfristiger Änderung des Arbeitsbereiches
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 1 ABR 73/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, TV PV
Vorschriften:
BetrVG § 99 Abs. 1 | |
BetrVG § 95 Abs. 3 | |
ZPO § 256 Abs. 1 | |
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2 | |
TV PV § 88 | |
TV PV § 89 | |
TV PV § 99 |
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS
1 ABR 73/06
Verkündet am 11. Dezember 2007
In dem Beschlussverfahren
hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2007 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft und Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Rath und Kunz für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. Juli 2006 - 4/18 TaBV 46/05 - aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Dezember 2004 - 9 BV 426/03 - abgeändert:
Die Anträge der Gruppenvertretung werden abgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Unterlassung bestimmter personeller Einzelmaßnahmen.
Die Arbeitgeberin ist ein Luftfahrtunternehmen. Die Antragstellerin ist die bei ihr gebildete sog. Gruppenvertretung der (Flug-)Kapitäne. Deren Gründung beruht auf § 117 Abs. 2 BetrVG iVm. dem Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal der Arbeitgeberin vom 15. November 1972 (TV PV).
Die Arbeitgeberin regelt die personelle Besetzung des Cockpits ihrer Flugzeuge auf Langstreckenflügen und die entsprechende Lage der Arbeitszeit der CrewMitglieder in sog. Umlaufplänen. Über diese haben die Gruppenvertretungen gem. § 77 Abs. 1 Nr. 2 TV PV nach dem Tarifvertrag Bordpersonal mitzubestimmen. Gesteuert werden die Flugzeuge von Kapitän und Copilot, von diesem in der Funktion entweder eines "First Officer" (FO) oder eines "Senior First Officer" (SFO). Der Kapitän als verantwortlicher, gegenüber dem Copiloten weisungsbefugter Flugzeugführer nimmt stets den linken Cockpit-Sitz (left seat) ein, der Copilot den rechten (right seat). Die Anordnung der Bedienungselemente und -schalter im Cockpit ist bei jedem Flugzeugtyp die gleiche. Die unterschiedlichen Instrumente sind entweder nur vom linken oder nur vom rechten Sitz aus erreichbar. Um sicherzustellen, dass sie bei einer Störung oder einem Notfall die nötigen Handgriffe gleichsam "im Schlaf" beherrschen, werden die Piloten durch wiederkehrende "left-hand-seat"- bzw. "right-hand-seat"-Einweisungen trainiert. Obwohl in der Regel dienstälter und flugerfahrener darf ein Flugkapitän auf dem right-seat des Copiloten luftverkehrsrechtlich nur eingesetzt werden, wenn er auch eine "right-hand-seat"-Einweisung erhalten und regelmäßig aktualisiert hat. Andernfalls darf er den rechten Sitz nur oberhalb einer Flughöhe von 20.000 ft und nicht bei Starts und Landungen einnehmen.
Zum Ersatz für kurzfristige Ausfälle von Copiloten stehen bei der Arbeitgeberin für jeden Flugzeugtyp durchschnittlich zwei Reserve-Copiloten in Bereitschaft, die innerhalb einer Stunde verfügbar sind. Die Arbeitgeberin hält darüber hinaus eine sog. Langzeitreserve vor. Die dahin eingeteilten Copiloten sind mit einer Vorlaufzeit von drei bis zwölf Stunden einsatzbereit. Die jährlich etwa 1.400 bis 1.500 Einsatzänderungen von Copiloten können in der Regel auf diese Weise aufgefangen werden. Falls dies auf Grund besonderer Umstände im Einzelfall nicht gelingt und auch Copiloten außerhalb der Reserve nicht zur Verfügung stehen, greift die Arbeitgeberin auf den freiwilligen Einsatz von Flugkapitänen als Copiloten zurück. Im Jahr 2004 geschah dies insgesamt sieben Mal. Die Flugkapitäne wurden entweder nur oberhalb der Höhe von 20.000 ft eingesetzt oder besaßen eine "right-hand-seat"-Einweisung. Über den zwischen einem Tag und drei bis vier Tagen währenden Einsatz von Flugkapitänen als Copiloten wurde die Gruppenvertretung von der Arbeitgeberin teilweise kurz zuvor, teilweise am Tag des Einsatzbeginns, teilweise erst im Nachhinein - dann meist ein bis zwei Tage nach Einsatzbeginn - informiert.
Die Gruppenvertretung hat in einem solchen Einsatz von Flugkapitänen eine Versetzung iSv. § 88 Abs. 3 TV PV gesehen. Sie hat die Auffassung vertreten, die betreffenden Einsätze bedürften nach § 88 Abs. 1 TV PV ihrer vorherigen Zustimmung, zumindest der des Dringlichkeitsausschusses gem. § 22 TV PV. Im Verweigerungsfall dürften sie allenfalls als vorläufige Maßnahmen nach Maßgabe von § 89 TV PV durchgeführt werden. Im März 2003 forderte die Gruppenvertretung die Arbeitgeberin auf, verbindlich zu erklären, sie werde künftig Flugkapitäne nicht ohne ihre - der Gruppenvertretung - Zustimmung als Copiloten einsetzen. Die Arbeitgeberin lehnte dies für Eilfälle ab. Die Gruppenvertretung leitete daraufhin das vorliegende Beschlussverfahren ein.
Sie hat zweitinstanzlich zuletzt beantragt,
der Arbeitgeberin unter Androhung eines Ordnungsgelds in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, ohne ihre vorherige - erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte -Zustimmung Versetzungen von Flugkapitänen zu Copiloten (FO) oder Senior-First-Officers (SFO) vorzunehmen, falls nicht die Arbeitgeberin die für die Durchführung dieser Versetzungen als vorläufige personelle Maßnahmen gem. § 89 TV PV nach § 89 Abs. 2 TV PV bestimmten Schritte vorgenommen hat;
hilfsweise
festzustellen, dass die Arbeitgeberin durch die Versetzung der Flugkapitäne S vom 10. Dezember bis 14. Dezember 2002, W vom 16. Dezember bis 18. Dezember 2002, Sc vom 21. März bis 23. März 2003, R vom 21. März bis 24. März 2003 und Wo am 1. Juni 2003 zum SFO ihr - der Gruppenvertretung - Mitbestimmungsrecht verletzt hat.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, zwar liege im Einsatz eines Flugkapitäns als Copilot eine Versetzung nach § 88 TV PV. Sie sei jedoch in den vom Hilfsantrag erfassten Fällen zu deren vorläufiger Durchführung nach § 89 TV PV berechtigt gewesen. Da sich die Maßnahmen in allen Fällen äußerst kurzfristig ergeben und binnen dreier Tage wieder erledigt hätten, habe sie das gerichtliche Ersetzungs- und Feststellungsverfahren nicht einleiten müssen. Eine vorherige Einschaltung des Dringlichkeitsausschusses nach § 22 TV PV sei wegen der Kürze der Zeit ebenfalls nicht möglich gewesen. Im Übrigen sehe der TV PV weder einen der Regelung des § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechenden noch einen allgemeinen Unterlassungsanspruch vor.
Die Vorinstanzen haben dem Hauptantrag der Gruppenvertretung stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Begehren weiter, die Anträge abzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Gruppenvertretung zu Unrecht stattgegeben. Deren Unterlassungsbegehren ist unbegründet. Ein Verstoß der Arbeitgeberin gegen Vorschriften des TV PV liegt nicht vor. Die Arbeitgeberin bedarf beim Einsatz von Flugkapitänen als Copiloten keiner Zustimmung der Gruppenvertretung. In einem solchen Einsatz liegt keine Versetzung im Sinne des § 88 TV PV. Der Hilfsantrag der Gruppenvertretung ist unzulässig.
I. Der Hauptantrag ist zulässig.
1. Die Gruppenvertretung ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gem. § 10 ArbGG beteiligtenfähig. Zwar ist sie keine unmittelbar nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder nach einer zu diesem ergangenen Rechtsverordnung gebildete Stelle. Ihre Errichtung beruht jedoch mittelbar auf einer Regelung durch das Betriebsverfassungsgesetz. Für den Flugbetrieb von Luftfahrtunternehmen lässt § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Errichtung von Arbeitnehmervertretungen durch Tarifvertrag zu. Die danach gebildeten Personal- und Gruppenvertretungen sind fähig, Beteiligte eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zu sein (BAG 22. November 2005 - 1 ABR 49/04 - BAGE 116, 223, zu B I 1 c der Gründe mwN).
2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. auch im Beschlussverfahren anzuwendenden § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt insoweit denselben Anforderungen wie ein solcher im Urteilsverfahren (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 14/05 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 119 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 9, zu B I der Gründe mwN). Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG 3. Juni 2003 - 1 ABR 19/02 - BAGE 106, 188, zu B I 1 der Gründe). Unterlassungsanträge müssen für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, welcher Handlungen er sich enthalten soll. Die Prüfung, welche Handlungen er unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen entsprechend ungenauen gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7, zu B II 2 c bb der Gründe). Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht.
a) Der Antrag beschreibt die Maßnahmen, die die Arbeitgeberin unterlassen soll, mit der Wendung: "Versetzungen von Flugkapitänen zu Copiloten". Damit steht der Gegenstand des Unterlassungsbegehrens hinreichend sicher fest. Zwar ist der Ausdruck "Versetzung" ein Rechtsbegriff, der als solcher und isoliert keine konkrete Handlung bezeichnet. Hier hat die Gruppenvertretung jedoch zugleich den tatsächlichen Vorgang - den Einsatz von Flugkapitänen als Copiloten - aufgeführt, den sie als Versetzung ansieht und den die Arbeitgeberin unterlassen soll. Dies lässt eine genaue Bestimmung des Verfahrensgegenstands zu.
Im Übrigen sind mögliche Unbestimmtheiten der ursprünglichen Antragsfassung durch das Landesarbeitsgericht beseitigt worden. Dieses hat den Ausdruck "Versetzung" in seinem dem Antrag stattgebenden Tenor nicht verwendet, sondern durch die Worte "Zuweisung der Aufgaben von Copiloten (FO) oder Senior First Officern (SFO) an Kapitäne" ersetzt. Das hat die Gruppenvertretung nicht beanstandet und sich damit als Antragsfassung für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu eigen gemacht.
b) Die im Antrag genannte Bedingung, dass nicht "die Arbeitgeberin, die für die Durchführung ... als vorläufige personelle Maßnahmen gem. § 89 TV PV nach § 89 Abs. 2 TV PV bestimmten Schritte vorgenommen hat", ist hinreichend bestimmt. § 89 Abs. 2 TV PV verlangt, dass die Arbeitgeberin die Gruppenvertretung unverzüglich von ihrer vorläufigen Maßnahme unterrichtet und, falls die Gruppenvertretung deren Dringlichkeit unverzüglich bestreitet, binnen dreier Tage das gerichtliche Zustimmungsersetzungs- und das Feststellungsverfahren einleitet. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann das Vollstreckungsgericht auf einfache Weise klären.
3. Als Leistungsantrag bedarf das Unterlassungsbegehren keines besonderen Rechtsschutzinteresses. Die Frage, ob durch das Verhalten der Arbeitgeberin Rechtspositionen der Gruppenvertretung tatsächlich verletzt sein können, betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit des Antrags.
II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Gruppenvertretung nach dem TV PV Ansprüche auf die Unterlassung mitbestimmungswidriger Handlungen der Arbeitgeberin zustehen können. Er verlangt ferner, dass die vom Antrag erfassten Maßnahmen der Arbeitgeberin der Zustimmung der Gruppenvertretung überhaupt bedürfen. Zumindest daran fehlt es.
1. Der Streitfall verlangt keine Entscheidung dazu, ob und ggf. in welchen Fällen Unterlassungsansprüche der Gruppenvertretung nach dem TV PV in Betracht kommen. Eine der Vorschrift des § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechende Bestimmung enthält das tarifliche Regelungswerk nicht. Einen allgemeinen Unterlassungsanspruch hat das Bundesarbeitsgericht im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes bislang nur im Hinblick auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG und § 95 Abs. 1 BetrVG bejaht sowie aus § 78 Satz 1 BetrVG und § 74 Abs. 2 BetrVG hergeleitet. Ob ein allgemeiner Unterlassungsanspruch auch hinsichtlich mitbestimmungswidriger personeller Einzelmaßnahmen in Frage kommt, hat es bisher offengelassen (vgl. 6. Dezember 1994 - 1 ABR 30/94 - BAGE 78, 379, zu B II 1 der Gründe). Auch hier kann die Frage dahinstehen.
2. Der Antrag ist bereits deshalb unbegründet, weil es an einem rechtswidrigen Verhalten der Arbeitgeberin fehlt. Durch die im Antrag bezeichneten Handlungen verletzt die Arbeitgeberin Mitbestimmungsrechte der Gruppenvertretung auch dann nicht, wenn diese den Maßnahmen nicht zugestimmt hat. Der nur wenige Tage währende Einsatz von Flugkapitänen als Copiloten ist keine mitbestimmungspflichtige Versetzung iSv. § 88 TV PV.
a) Gemäß § 88 Abs. 1 TV PV hat der Arbeitgeber vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung die Gruppenvertretung zu unterrichten und deren Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Nach § 88 Abs. 3 b) TV PV "(gilt) als Versetzung im Sinne des Tarifvertrages ... auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist". Damit unterscheidet sich die Rechtslage nach dem TV PV nicht von der nach dem Betriebsverfassungsgesetz.
aa) Der Text von § 88 Abs. 3 b) TV PV entspricht nahezu wortgleich dem des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Schon dieser Umstand rechtfertigt es, für den Inhalt der Bestimmung auf die Rechtsprechung zum Versetzungsbegriff iSv. § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zurückzugreifen. Hinzu kommt, dass nach § 99 TV PV "für strittige Fragen beim Vollzuge dieses Tarifvertrages ... die höchstrichterliche Rechtsprechung zum BetrVG 1972 zu beachten (ist), sofern und soweit die interpretierte Gesetzesregelung durch diesen Tarifvertrag inhaltlich voll übernommen worden ist".
bb) Der "Arbeitsbereich" iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird in § 81 Abs. 2 BetrVG iVm. § 81 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Der Begriff ist danach auch funktional zu verstehen (st. Rspr., BAG 10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 8, zu B 1 der Gründe). Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit sich vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine "andere" darstellt (BAG 13. März 2007 - 1 ABR 22/06 - EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 5, zu B II 2 a cc (2) (a) der Gründe mwN). Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben (BAG 26. Oktober 2004 - 1 ABR 45/03 - BAGE 112, 251, 254 mwN).
cc) Die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs erfüllt für sich allein den Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, § 88 Abs. 3 b) TV PV nur, wenn sie für längere Zeit als einen Monat geplant ist. Andernfalls liegt auch bei Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs eine Versetzung nur vor, wenn mit dieser Zuweisung zugleich eine erhebliche Änderung der Umstände einhergeht, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Diese Arbeitsumstände sind die äußeren Umstände, unter denen der Arbeitnehmer seine - nunmehr andere - Tätigkeit zu verrichten hat (BAG 13. März 2007 - 1 ABR 22/06 - EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 5, zu B II 2 a cc (2) (c) der Gründe). Dazu zählen etwa die zeitliche Lage der Arbeit, die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit technischen Hilfsmitteln und Faktoren wie Lärm, Schmutz, Hitze, Kälte oder Nässe (Kraft/Raab GK-BetrVG 8. Aufl. § 99 Rn. 79 mwN). Diese Umstände müssen sich nicht nur überhaupt geändert haben. Ihre Änderung muss vielmehr "erheblich" sein, um Beteiligungsrechte nach § 99 BetrVG oder § 88 Abs. 3 b) TV PV bei nur kurzfristiger Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs auszulösen.
dd) Dem steht nicht entgegen, dass § 88 Abs. 3 b) TV PV an einer Stelle anders lautet als § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. In der tariflichen Vorschrift heißt es, als Versetzung im Sinne des Tarifvertrags gelte "auch" die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, soweit eine der beiden übrigen Voraussetzungen vorliege.
Diese Verwendung des Ausdrucks "auch" ist für das Verständnis des Versetzungsbegriffs und die Rechtsanwendung nach Maßgabe von § 88 Abs. 3 b) TV PV unbeachtlich. Sie spricht zwar auf einen ersten Blick für die Annahme, dass es nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien neben den in § 88 Abs. 3 b) TV PV geregelten Fällen weitere Fälle einer Versetzung gibt. Es bleibt jedoch völlig unklar, welche Vorgänge damit gemeint seien könnten. Im TV PV findet sich an keiner Stelle ein entsprechender Hinweis. Der Ausdruck "Versetzung" wird allein in § 88 TV PV verwendet. Auch wenn die Tarifvertragsparteien auf einen allgemeinen, umgangssprachlichen Versetzungsbegriff hätten Bezug nehmen wollen, bliebe eine solche Bezugnahme inhaltsleer. Es gibt keinen allgemein gebräuchlichen Begriff der Versetzung, der Fälle erfassen würde, die außerhalb der gesetzlichen und tariflichen Definition lägen.
b) Danach liegt in der kurzfristigen Übertragung der Aufgaben von Copiloten auf Flugkapitäne keine Versetzung.
aa) Allerdings spricht Einiges dafür, dass den Flugkapitänen durch eine solche Aufgabenübertragung ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird. Die Aufgaben von Flugkapitän und Copilot sind mit Blick auf die Verantwortlichkeiten während des Flugs deutlich unterschieden. Der Flugkapitän ist der Letztverantwortliche an Bord des Flugzeugs. Er ist allen anderen Personen, auch den Copiloten gegenüber weisungsbefugt. Mit dem Einsatz eines Flugkapitäns als Copilot geht dementsprechend ein Verlust von Verantwortung und eine hierarchische Unterordnung unter den als Kapitän fungierenden Kollegen einher. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Arbeitgeberin wird dieser Funktionswechsel von den Betroffenen als so bedeutend angesehen, dass sie auch in den hier streitigen Fällen genau darauf achtet, dem amtierenden Flugkapitän nur einen dienstjüngeren Kollegen als Copiloten zur Seite zu stellen.
bb) Gleichwohl liegt eine Versetzung nicht vor. Es fehlt an einer erheblichen Änderung der äußeren Arbeitsumstände, mit denen die Wahrnehmung der Aufgaben eines Copiloten durch Flugkapitäne verbunden ist. An die übereinstimmende gegenteilige Rechtsauffassung der Beteiligten ist der Senat nicht gebunden. Die Gerichte können auch zu Gunsten eines Beteiligten von dessen Rechtsmeinung abweichen.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat die Änderung der äußeren Arbeitsumstände darin gesehen, "dass angesichts des grundlegenden Unterschieds der Arbeitsaufgaben der Einsatz eines Kapitäns als Copilot eine erhebliche Änderung seiner Arbeitsumstände bewirkt". Eine ähnliche Auffassung hat das Arbeitsgericht Darmstadt zu der - mit § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wortgleichen - Vorschrift des § 65 Abs. 3 Tarifvertrag Personalvertretung Condor Flugdienst GmbH in seinem Beschluss vom 10. Mai 2001 (- 2 BV 12/00 -) vertreten, auf den sich beide Beteiligten beziehen. Diesem zufolge stellt die "hierarchische Unterordnung" des als Copilot eingesetzten Flugkapitäns unter den "kommandoführenden" Flugkapitän eine "wesentliche Änderung der äußeren Umstände dar".
(2) Beide Gerichte haben die Struktur des Versetzungsbegriffs nicht ausreichend beachtet. Der "grundlegende Unterschied der Arbeitsaufgaben" und die "hierarchische Unterordnung" des Copiloten mögen zu einer Änderung des Arbeitsbereichs führen.
Mit beidem ist aber nicht notwendig die - zusätzlich erforderliche - erhebliche Änderung der äußeren Arbeitsumstände verbunden. Für deren erhebliche Änderung ist bei der Tätigkeit eines Flugkapitäns als Copilot, sei es als First Officer (FO), sei es als Senior First Officer (SFO), nichts ersichtlich. Die äußeren Unterschiede bei der Wahrnehmung der beiden Funktionen liegen im Wechsel des Cockpit-Sitzes und in der Bedienung anderer, nur vom jeweiligen Sitz aus zugänglicher Instrumente. Dagegen sind die übrigen äußeren Arbeitsbedingungen bei der Wahrnehmung beider Aufgaben in jeder Hinsicht die gleichen.
III. Der Senat hatte auch über den Hilfsantrag der Gruppenvertretung zu entscheiden. Da die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hinsichtlich des Hauptantrags Erfolg hatte, ist auch der - vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedene - Hilfsantrag in die Rechtsbeschwerdeinstanz gelangt. Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt am Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.
Das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung als besondere Prozessvoraussetzung ist die spezielle Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses. § 256 ZPO ist deshalb auch im Beschlussverfahren anwendbar (BAG 19. Februar 2002 - 1 ABR 20/01 - BAGE 100, 281, zu B I 2 der Gründe mwN). Für eine nur in die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der keine Rechtswirkungen für die Zukunft folgen, besteht ein solches Rechtsschutzinteresse regelmäßig nicht. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, ob er im Recht war oder nicht, und auch nicht, eine alle Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 35/01 - BAGE 101, 232, zu B I 2 a der Gründe mwN).
Die Gruppenvertretung begehrt die Feststellung, dass bestimmte in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen der Arbeitgeberin rechtswidrig waren. Für eine solche gerichtliche Entscheidung ist ein rechtliches Interesse nicht zu erkennen.
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Stichworte: | Mitbestimmung bei kurzfristiger Änderung des Arbeitsbereichs |
Verfahrensgang: | ArbG Frankfurt am Main, 9 BV 426/03 vom 15.12.2004 Hessisches LAG, 4/18 TaBV 46/05 vom 04.07.2006 |