BAG: Mitbestimmung bei Umgruppierung
BAG , Beschluss vom 19.04.2012 - Aktenzeichen 7 ABR 52/10 (Vorinstanz: LAG Frankfurt/Main vom 29.04.2010 - Aktenzeichen 5 TaBV 165/09; ) (Vorinstanz: ArbG Frankfurt/Main vom 26.05.2009 - Aktenzeichen 4 BV 559/08; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Orientierungssätze: 1. Anlass für eine Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann trotz unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers die Änderung des bisher geltenden Vergütungsschemas sein. 2. Die abstrakte Bewertung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ist keine Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei der Arbeitsplatzbewertung besteht deshalb nicht. Der Betriebsrat ist jedoch bei der konkreten Zuordnung des Arbeitnehmers zu der abstrakt bewerteten Stelle zu beteiligen. Er hat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitzubeurteilen, ob der einzelne Arbeitnehmer die Stelle tatsächlich innehat und die dort zu leistenden Tätigkeiten der Arbeitsplatzbewertung entsprechen. 3. Nach § 2 Nr. 1 VTV 2010 sind für die tarifliche Bewertung allein die übertragenen und ausgeführten Arbeiten maßgebend. Auf etwaige Berufsbezeichnungen kommt es nicht an. Setzt sich die auszuübende Tätigkeit eines Arbeitnehmers aus Teiltätigkeiten zusammen, die unterschiedlichen Entgeltgruppen nach § 3 VTV 2010 zuzuordnen sind, ist für die tarifliche Zuordnung nach § 2 Nr. 2 Satz 1 VTV 2010 die überwiegend ausgeübte Tätigkeit entscheidend. 4. In der Anlage 2 zu § 3 VTV 2010 haben die Tarifvertragsparteien geregelt, welche Stellen im Unternehmen welcher Vergütungsgruppe zuzuordnen sind. Damit haben die Tarifparteien auf die im Unternehmen geltenden Stellenbeschreibungen (Jobtitel) Bezug genommen und anhand der dort geregelten Voraussetzungen eine verbindliche Zuordnung in das Entgeltschema des VTV 2010 vorgenommen. Die Tarifpartner wollten mit der Bezeichnung der Jobtitel nicht nur die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zu einer Tarifgruppe erleichtern, sondern diese selbst vornehmen. Sie ist damit auch dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde. Auf die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale ist zurückzugreifen, wenn einzelne Stellen nicht in der Anlage erfasst wurden oder neue Stellen später hinzukommen. 5. Nach der Systematik des VTV 2010 bauen die Tarifgruppen aufeinander auf. Die Voraussetzungen einer höheren Tarifgruppe sind nur dann erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer sämtliche Tätigkeiten des der höheren Tarifgruppe zugeordneten Jobtitels ausübt und dies mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit ausmacht. Redaktionelle Leitsätze: 1. Aus Zusammenhang, Sinn und Zweck der Tarifbestimmung sowie dem Grundsatz möglichst gesetzeskonformer Auslegung folgt, dass die gesetzliche Konzeption des § 99 Abs. 1 bis Abs. 4 BetrVG durch § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2010 nicht insgesamt oder teilweise verdrängt oder ersetzt werden soll. Es handelt sich lediglich um eine deklaratorische Verweisung auf die gesetzliche Mitbestimmung. 2. Der Tarifvertrag enthält keine Regelungen über das Verfahren, in dem das „Einvernehmen mit dem Betriebsrat" herbeigeführt werden soll. Er regelt weder die Anforderungen an die Unterrichtung des Betriebsrats noch mögliche Gründe für dessen Zustimmungsverweigerung. 3. Der Tarifvertrag sieht keine Rechtsfolge für ein Schweigen des Betriebsrats vor; er regelt vor allem nicht, wie im Fall einer Zustimmungsverweigerung zu verfahren ist. Insbesondere dieser fehlende Konfliktlösungsmechanismus zeigt, dass die gesetzliche Konzeption des § 99 Abs. 1 bis Abs. 4 BetrVG durch den einfachen Hinweis auf das „Einvernehmen mit dem Betriebsrat" nicht geändert werden soll. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BGB § 126b; BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1; BetrVG § 99 Abs. 3 S. 1; BetrVG § 99 Abs. 4; TVG § 1 Abs. 1; Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Federal Express Europe, Inc. (Deutsche Niederlassung) (VTV 2005 vom 20. Juli 2006) § 3; Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Federal Express Europe, Inc. (Deutsche Niederlassung) (VTV 2007 vom 28. Februar 2008) § 2 Nr. 1, 2 S. 1, 3; Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Federal Express Europe, Inc. (Deutsche Niederlassung) (VTV 2007 vom 28. Februar 2008) § 3 i.V.m. Anlage 2; Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Federal Express Europe, Inc. (Deutsche Niederlassung) (VTV 2010 vom 17. Dezember 2010) § 2 Nr. 1, 2 S. 1, 3; Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Federal Express Europe, Inc. (Deutsche Niederlassung) (VTV 2010 vom 17. Dezember 2010) § 2 Nr. 1, 2 S. 3; Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Federal Express Europe, Inc. (Deutsche Niederlassung) (VTV 2010 vom 17. Dezember 2010) § 3 i.V.m. Anlage 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 322 Abs. 1;
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- Billing (Rechnungsstellung); |
- Invoice Adjustment (Reklamationsbearbeitung); |
- Credit & Collection (Mahnwesen) |
- von Credit Control Representative zu CFS Representative Associate |
- von Customer Accounts Services Agent zu CFS Representative Associate |
- von Senior Billing Spezialist zu CFS Processing Agent Advanced |
- von Senior Billing Spezialist zu CFS Representative |
- von Cash Application Agent zu Billing Database Agent |
- von Revenue Operations Agent Associate zu CFS Representative Associate |
- von Billing Database Agent Advanced zu CFS Representative Associate |
- von Billing Database Agent zu CFS Representative Associate |
- von Billing Database Agent Advanced zu CFS Processing Agent L2 |
Mit beim Arbeitsgericht am 1. August 2008 eingegangenem Antrag hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats bezüglich der Arbeitnehmer der Abteilung CFS begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, selbst wenn sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer nicht ändere, müsse der Betriebsrat einer Umgruppierung in die Vergütungsordnung eines veränderten Tarifvertrags nach Maßgabe des § 99 BetrVG zustimmen. § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2007, wonach die Eingruppierung der Arbeitnehmer nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen könne, schließe das gesetzlich geregelte Zustimmungsverfahren nicht aus. Die Tarifparteien hätten mit "Einvernehmen" nichts anderes gemeint als "Zustimmung" iSv. § 99 BetrVG. Im Übrigen seien die vom Betriebsrat verweigerten Zustimmungen zu den beantragten Umgruppierungen zu ersetzen, da diese in der Sache zutreffend seien. Die umzugruppierenden Arbeitnehmer übten unveränderte Tätigkeiten aus. Die Tarifvertragparteien hätten die Jobtitel auf der Grundlage der Stellenbeschreibungen verbindlich festgelegt. | RN 16 |
Die Arbeitgeberin hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt, | RN 17 |
die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmer aus der Abteilung CFS wie folgt zu ersetzen: |
Arbeitsgruppe CFS Billing: | |
- K | Tarifgruppe 5 |
- L | Tarifgruppe 5 |
- D | Tarifgruppe 5 |
- W | Tarifgruppe 3 |
- R | Tarifgruppe 5 |
- V | Tarifgruppe 7 |
- B | Tarifgruppe 8 |
Arbeitsgruppe Invoice Adjustment: | |
- A | Tarifgruppe 5 |
- T | Tarifgruppe 5 |
- H | Tarifgruppe 5 |
- F | Tarifgruppe 5 |
- N | Tarifgruppe 5 |
- P | Tarifgruppe 5 |
- C | Tarifgruppe 5 |
- G | Tarifgruppe 5 |
- J | Tarifgruppe 5 |
- O | Tarifgruppe 5 |
- S | Tarifgruppe 6 |
- M | Tarifgruppe 6 |
Arbeitsgruppe Credit & Collection: | |
- Sp | Tarifgruppe 7 |
- E | Tarifgruppe 7 |
- An | Tarifgruppe 5 |
- Ko | Tarifgruppe 5 |
- Me | Tarifgruppe 5 |
- He | Tarifgruppe 5 |
- M-E | Tarifgruppe 5 |
- Re | Tarifgruppe 5 |
- Ru | Tarifgruppe 5 |
- Ka | Tarifgruppe 5 |
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, für ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG bestehe nach § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2007 kein Raum. Im Falle eines Streits um die richtige Ein- oder Umgruppierung könne nur die Einigungsstelle angerufen werden. Die Arbeitgeberin habe die Umgruppierungen der Sache nach unzutreffend vorgenommen. Für die richtige Eingruppierung der einzelnen Arbeitnehmer seien die allgemeinen Eingruppierungsgrundsätze in § 2 VTV 2007 und die in § 3 VTV 2007 genannten allgemeinen Merkmale der einzelnen Vergütungsgruppen ergänzend heranzuziehen, während etwaige Berufsbezeichnungen nicht maßgeblich seien. | RN 18 |
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Zustimmungsersetzungsanträgen der Arbeitgeberin zu Recht und mit zutreffender Begründung entsprochen. | RN 20 |
I. Die Anträge sind zulässig. | RN 21 |
1. Die in der Rechtsbeschwerde aktualisierten Anträge der Arbeitgeberin sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. | RN 22 |
a) Nach dieser Vorschrift muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung iSv. § 322 Abs. 1 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Der Antrag muss aus sich heraus verständlich sein. Nur dann kann eine der materiellen Rechtskraft zugängliche Sachentscheidung ergehen. Die Gerichte sind dabei gehalten, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung über sie ergehen kann. Dabei ist gegebenenfalls die Antragsbegründung heranzuziehen (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 25/09 - Rn. 28, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 48 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 21). | RN 23 |
2. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin mit dem im Rechtsbeschwerdeverfahren zuletzt gestellten Antrag die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmer in den VTV 2010 - und nicht mehr, wie bei Einleitung des Verfahrens in den VTV 2007 - begehrt, führt nicht zu einer unzulässigen Antragsänderung. Das Tarifschema des VTV 2010 entspricht demjenigen des VTV 2007. Die Jobtitel für die vorzunehmenden Umgruppierungen haben sich nicht verändert. Der Gegenstand der zukunftsbezogenen Zustimmungsanträge ist damit derselbe geblieben. Der Prüfung, ob eine Antragsänderung im Rechtsbeschwerdeverfahren ausnahmsweise zulässig wäre, bedarf es nicht (vgl. dazu BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 24 ff.). | RN 25 |
3. Die Arbeitgeberin verfügt über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Bei der Zuordnung der im Antrag bezeichneten Arbeitnehmer zu den geänderten Vergütungsgruppen zunächst des VTV 2007 und nunmehr des VTV 2010 handelt es sich um mitbestimmungspflichtige Umgruppierungen iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und nicht nur um abstrakte Arbeitsplatzbewertungen. Die Arbeitgeberin benötigt daher die Zustimmung des Betriebsrats zu den Umgruppierungen in den maßgeblichen VTV 2010. | RN 26 |
a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat ua. vor jeder Eingruppierung und Umgruppierung zu unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Das "Mitbestimmungsrecht" besteht in den Fällen der Ein- und Umgruppierung nicht in einem Mitgestaltungs-, sondern in einem Mitbeurteilungsrecht. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vornehmen will (vgl. für die st. Rspr. BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 30; 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7). | RN 27 |
b) Eingruppierung ist die erstmalige Einreihung, Umgruppierung die Änderung der Einreihung in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Eine Umgruppierung kann in der Feststellung bestehen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer anderen. Anlass für eine Änderung der bisherigen Einreihung kann auch - wie hier - die Änderung des bisher geltenden Vergütungsschemas bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers sein (vgl. BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 31; 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7). | RN 28 |
c) Ein- oder Umgruppierungen iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind stets personenbezogene Einzelmaßnahmen. Die vom Arbeitgeber vorzunehmende und vom Betriebsrat mitzubeurteilende Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung betrifft einzelne Arbeitnehmer. Davon zu unterscheiden sind personenunabhängige Bewertungen von Arbeitsplätzen oder Tätigkeiten. Sie können maßgebliche Vorgaben für die Eingruppierung des Arbeitnehmers enthalten, der auf dem bewerteten Arbeitsplatz tätig ist oder die bewertete Tätigkeit ausübt. Die abstrakte Bewertung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ist jedoch keine personelle Einzelmaßnahme iSv. § 99 BetrVG. Sie ist unabhängig vom Arbeitsplatzinhaber oder von demjenigen, der die Tätigkeit ausübt. Gegenstand der Beurteilung ist nicht - wie bei der Eingruppierung - der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitsplatz (vgl. BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 32; 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7). | RN 29 |
d) Mit der Anlage 2 zu § 3 VTV 2010 haben die Tarifvertragsparteien - wie bereits in § 3 VTV 2005 und mit der Anlage 2 zu § 3 VTV 2007 - die bezeichneten Jobtitel verbindlich konkreten Tarifgruppen des § 3 VTV 2010 zugeordnet. Die Voraussetzungen für die Jobtitel ergeben sich aus den Stellenbeschreibungen, die die Tarifvertragsparteien ihrer Bewertung zugrunde gelegt haben. Die vom Betriebsrat mitzubeurteilende Rechtsanwendung der Arbeitgeberin ist danach eingeschränkt. Sie entfällt aber nicht vollständig. Die Vergütungsgruppenzuordnung in § 3 iVm. Anlage 2 VTV 2010 ist nicht auf Einzelfälle zugeschnitten. Die Regelung ordnet lediglich bestimmte Stellen für potenzielle Stelleninhaber bestimmten Entgeltgruppen des VTV 2010 zu. Die Arbeitgeberin hat zu beurteilen, ob der einzelne Arbeitnehmer die konkrete in Anlage 2 des VTV 2010 genannte Stelle tatsächlich innehat und die dort zu leistenden Tätigkeiten der Stellenbezeichnung entsprechen. Bei dieser Beurteilung ist der Betriebsrat zu beteiligen. Ihm bleiben für eine mögliche Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG zwar nur wenige in Betracht kommende Gründe. Sein Mitbeurteilungsrecht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wird aber als solches nicht ausgeschlossen. Die notwendige Rechtsanwendung im Einzelfall wird auch durch die Regelung in § 2 Nr. 1 VTV 2010 verdeutlicht. Danach sind für die Eingruppierung allein die übertragenen und ausgeführten Arbeiten und nicht etwaige Berufsbezeichnungen maßgeblich. Das bedeutet nicht, dass die in Anlage 2 zu § 3 VTV 2010 geregelte Zuordnung von Stellenbezeichnungen zu bestimmten Tarifgruppen gegenstandslos ist, weil es nur auf die Subsumtion der auszuführenden Tätigkeit unter die abstrakten Tarifmerkmale in § 3 VTV 2010 ankäme. § 2 Nr. 1 VTV 2010 behält trotz der Zuordnung der Stellenbezeichnungen zu Tarifgruppen einen sinnvollen Anwendungsbereich. Zu prüfen bleibt, ob die den abstrakten Stellenbezeichnungen zugrunde liegenden Tätigkeitsmerkmale von den umzugruppierenden Arbeitnehmern tatsächlich auszufüllen sind (so bereits in den beiden Vorverfahren zum VTV 2007 bzw. 2010 BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 34; 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 26 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7). | RN 30 |
II. Die Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin sind begründet. Dem Antrag auf Ersetzung der fehlenden Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 4 BetrVG steht nicht entgegen, dass eine Eingruppierung nach § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2010 "nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat" erfolgen kann. Die Arbeitgeberin hat die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch ordnungsgemäße Unterrichtungsschreiben in Lauf gesetzt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung form- und fristgemäß verweigert. Die Ersetzung der Zustimmung durch das Landesarbeitsgericht in die von der Arbeitgeberin beantragten Vergütungsgruppen lässt Rechtsfehler nicht erkennen. | RN 32 |
1. Der Begründetheit des Antrags steht entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht bereits § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2010 entgegen. Nach der Tarifbestimmung, die wortgleich in § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2005 und VTV 2007 enthalten war, kann die Eingruppierung der Arbeitnehmer nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen. Die Regelung erweitert das gesetzliche Beteiligungsverfahren bei Ein- oder Umgruppierungen nicht im Sinne eines Konsensualverfahrens der Betriebsparteien. Sie verweist lediglich auf das Mitbeurteilungsverfahren des § 99 BetrVG. Das ergibt die vom Landesarbeitsgericht zutreffend vorgenommene Auslegung der Tarifvorschrift. | RN 33 |
a) Der Wortlaut der tariflichen Regelung ist nicht eindeutig. Mit der in § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2010 gebrauchten Formulierung, die Eingruppierung könne "nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat" erfolgen, wird lediglich ausgedrückt, dass die Eingruppierung - und gegebenenfalls auch die Umgruppierung - die Zustimmung des Betriebsrats verlangt. Die Regelung behandelt die Folgen einer vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung dagegen nicht (BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 37). | RN 34 |
b) Aus Zusammenhang, Sinn und Zweck der Tarifbestimmung sowie dem Grundsatz möglichst gesetzeskonformer Auslegung folgt, dass die gesetzliche Konzeption des § 99 Abs. 1 bis Abs. 4 BetrVG durch § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV 2010 nicht insgesamt oder teilweise verdrängt oder ersetzt werden soll. Es handelt sich lediglich um eine deklaratorische Verweisung auf die gesetzliche Mitbestimmung. Der Tarifvertrag enthält keine Regelungen über das Verfahren, in dem das "Einvernehmen mit dem Betriebsrat" herbeigeführt werden soll. Er regelt weder die Anforderungen an die Unterrichtung des Betriebsrats noch mögliche Gründe für dessen Zustimmungsverweigerung. Der Tarifvertrag sieht keine Rechtsfolge für ein Schweigen des Betriebsrats vor. Er regelt vor allem nicht, wie im Fall einer Zustimmungsverweigerung zu verfahren ist. Insbesondere dieser fehlende Konfliktlösungsmechanismus zeigt, dass die gesetzliche Konzeption des § 99 Abs. 1 bis Abs. 4 BetrVG durch den einfachen Hinweis auf das "Einvernehmen mit dem Betriebsrat" nicht geändert werden soll (BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 38 mwN). | RN 35 |
2. Die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wurde in Lauf gesetzt. | RN 36 |
a) Nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf. Um diesem Erfordernis zu genügen, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend zu informieren. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Der Umfang der vom Arbeitgeber geforderten Unterrichtung des Betriebsrats bestimmt sich nach dem Zweck der Beteiligung an der jeweiligen personellen Maßnahme. In den Fällen der Ein- und Umgruppierung besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage im Sinne einer Richtigkeitskontrolle. Bei Umgruppierungen gehört daher zu einer vollständigen Unterrichtung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungsgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist. Die konkrete Informationspflicht des Arbeitgebers richtet sich nach der Ausgestaltung der Vergütungsordnung. Bei einer tariflichen Vergütungsordnung sind die Angaben mitteilungsbedürftig, auf die die Tarifvertragsparteien abgestellt haben. Durfte der Arbeitgeber davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig informiert zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der erteilten Auskünfte zu bitten (BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 40; 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 34 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7). | RN 37 |
3. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass die Zustimmung zu den verfahrensgegenständlichen Umgruppierungen nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt. | RN 39 |
a) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. | RN 40 |
b) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmungen jeweils innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG fristund formgerecht verweigert. | RN 41 |
aa) Die Widersprüche sind jeweils schriftlich erfolgt. Zur Erfüllung des Schriftlichkeitserfordernisses ist die Wahrung der Textform von § 126b BGB ausreichend (BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 48 mwN). Hieran besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel. Die Widersprüche erfolgten schriftlich und waren auch von dem Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet. | RN 42 |
bb) Die Stellungnahmen gingen der Arbeitgeberin jeweils innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu. | RN 43 |
cc) Der Betriebsrat hat seine Zustimmung ordnungsgemäß "unter Angabe von Gründen" verweigert. | RN 44 |
(1) Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur aus den im Gesetz abschließend genannten Gründen verweigern. Er genügt der gesetzlichen Begründungspflicht, wenn es als möglich erscheint, dass er mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einen der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend macht. Eine Begründung, die sich in der Benennung einer der Nummern des § 99 Abs. 2 BetrVG oder in der Wiederholung von deren Wortlaut erschöpft, ist unbeachtlich. Gleiches gilt für eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt. Die Begründung des Betriebsrats braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden (vgl. für die st. Rspr. BAG 21. Juli 2009 - 1 ABR 35/08 - Rn. 12, BAGE 131, 250). | RN 45 |
(2) Die Stellungnahmen des Betriebsrats werden den Anforderungen an die gesetzliche Begründungspflicht gerecht. Sie geben in ausreichender Weise Gründe für die Verweigerung der Zustimmung zu den beabsichtigten Umgruppierungen an. Der Betriebsrat hebt darin jeweils auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG (Verstoß gegen einen Tarifvertrag) ab. In etlichen Fällen hat er die Widersprüche näher begründet, indem er die aus seiner Sicht von den Arbeitnehmern erbrachten Tätigkeiten auflistete und sodann angab, welche Tarifgruppe seiner Meinung nach einschlägig sei. Auch soweit der Betriebsrat in einer Vielzahl von Fällen die Voraussetzungen einer höheren Tarifgruppe wegen besonderer Verantwortung und Selbständigkeit der Tätigkeiten herausstellte, lag darin jeweils ein ordnungsgemäßer Widerspruch. Die Arbeitgeberin konnte den Grund für die verweigerte Zustimmung zweifelsfrei zuordnen. | RN 46 |
bb) In der Anlage 2 haben die Tarifvertragsparteien darüber hinaus bestimmt, welche Stellen im Unternehmen welcher Vergütungsgruppe zuzuordnen sind. Damit findet keine Eingruppierung nach Berufsbezeichnungen statt. Vielmehr haben die Tarifparteien in der Anlage 2 auf die im Unternehmen geltenden Stellenbeschreibungen (Jobtitel) Bezug genommen und anhand der dort geregelten Voraussetzungen eine verbindliche Zuordnung in das Entgeltschema des VTV 2010 vorgenommen. In der Tarifsystematik von allgemeinen Merkmalen und abschließend konkretisierenden Jobtiteln liegt kein Widerspruch. Auf die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale ist weiterhin - aber auch nur dann - zurückzugreifen, wenn einzelne Stellen nicht in der Anlage erfasst wurden oder neue Stellen später hinzukommen. Die Tarifpartner wollten mit der Bezeichnung der Jobtitel nicht nur die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zu einer Tarifgruppe erleichtern, sondern diese selbst vornehmen. Sie ist damit auch dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 27, BAGE 118, 141; 21. Oktober 2009 - 4 ABR 40/08 - Rn. 25, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 42). Zu prüfen bleibt aber, ob die den abstrakten Stellenbezeichnungen zugrunde liegenden Tätigkeitsmerkmale von den umzugruppierenden Arbeitnehmern tatsächlich ausgefüllt werden (BAG 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 34; 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 28, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7). | RN 50 |
aa) Will der Rechtsbeschwerdeführer geltend machen, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es Ausführungen nicht berücksichtigt habe, muss er konkret dartun, welches wesentliche Vorbringen das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung übergangen haben soll. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte müssen nicht jedes Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich behandeln. Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt nicht die Annahme, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Vielmehr bedarf es hierzu besonderer Umstände (vgl. BVerfG 8. Oktober 2003 - 2 BvR 949/02 - zu II 1 a der Gründe mwN, EzA GG Art. 103 Nr. 5; BAG 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - zu II 3 a der Gründe mwN, BAGE 114, 157). Darüber hinaus hat der Rechtsbeschwerdeführer die Entscheidungserheblichkeit der Gehörsverletzung darzutun. Hierzu muss nachvollziehbar dargelegt werden, dass das Landesarbeitsgericht nach seiner Argumentationslinie unter Berücksichtigung des entsprechenden Gesichtspunkts möglicherweise anders entschieden hätte (BAG 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - aaO.). | RN 53 |