LAG Hamm: Mitbestimmung bei Regelungen über Überstundenvergütung
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 345/07
Rechtsgebiete: BetrVG, MTV
Vorschriften:
| BetrVG § 77 |
| BetrVG § 87 |
| MTV in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 24.08./11.09.2001 |
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.01.2007 - 1 (2) Ca 1470/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 120 Stunden gutzuschreiben.
Der am 28.10.1962 geborene Kläger ist als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Er erhielt zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden eine monatliche Vergütung von 1.860,67 EUR brutto. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Die Beklagte, die bis zum 31.12.2005 tarifgebundenes Mitglied des Arbeitgeberverbandes für die Gebiete Paderborn, Büren, Warburg und Höxter e.V. war, hat mit Wirkung zum 01.01.2006 eine sogenannte OT-Mitgliedschaft in diesem Verband begründet.
Mit Datum vom 27.12.2005 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Nach Ziffer 1 dieser Betriebsvereinbarung hatten alle Mitarbeiter der Beklagten - ausgenommen die Auszubildenden, befristet Beschäftigten, Schwerbehinderten mit einem Behinderungsgrad von mehr als 50 und Schwangere sowie geringfügig Beschäftigte (400-Euro-Kräfte) sowie Teilzeitkräfte - entsprechend anteilig ihrer Arbeitszeit der Beklagten ab dem 01.11.2006 einmalig für das Kalenderjahr 2006 auf dem persönlichen Flexikonto ein Volumen von 120 Arbeitsstunden zur Verfügung zu stellen, ohne dass sich hieraus für die Mitarbeiter ein unmittelbarer Vergütungsanspruch ergab. Diese Stunden wurden als Minusstunden auf dem Flexikonto verbucht. Gemäß Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung mussten die Beschäftigten 120 Plusstunden ableisten, um diese Minusstunden auszugleichen. Nach Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung soll eine Vergütung dieser Stunden mit dem Vorliegen einer Gewinnsituation im sogenannten SF-20-Bereich frühestens mit dem Ablauf des Geschäftsjahres 2007 und maximal bis zum Geschäftsjahresende 2008 erfolgen, wobei der Ausgleich durch Zeit oder aktuellem Geldwert erfolgen soll. Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 wird auf Bl. 13 f. d.A. verwiesen.
Mit vorliegender Klage, die am 31.10.2006 beim Arbeitsgericht Paderborn einging, wendet der Kläger sich gegen diese Maßnahme. Zur Begründung hat er vorgetragen, die in der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 getroffene Regelung sei betriebsverfassungswidrig und damit rechtsunwirksam. Die Beklagte sei daher verpflichtet, seinem Arbeitszeitkonto die abgezogenen 120 Stunden wieder gutzuschreiben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto 120 Stunden gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 seien nicht ersichtlich. Insbesondere verstoße die Betriebsvereinbarung nicht gegen die Regelungssperre des § 87 Abs. 1 i.V.m. § 77 Abs. 3 BetrVG. Sie, die Beklagte, sei seit dem 01.01.2006 nicht mehr tarifgebunden. Vor diesem Hintergrund seien die Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 als wirksam anzusehen. Die Betriebsvereinbarung habe für das Jahr 2006 zu einer vorübergehenden Verlängerung des betriebsüblichen Arbeitszeitvolumens geführt. Eine solche vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit sei, da sie nicht von Dauer sei, aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 87 Abs. 1 BetrVG ohne weiteres denkbar. Gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG seien Betriebsvereinbarungen in der Lage, unmittelbar gegenseitige Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien zu begründen, soweit auf diese Weise nicht zu Lasten der Arbeitnehmer in eine gesicherte individualrechtliche Position oder Ansprüche angegriffen werde. In diesen Grenzen könne eine Betriebsvereinbarung die individuellen Arbeitsverträge auch hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer vorübergehend ändern. Unabhängig hiervon könne die Regelungssperre des § 87 Abs. 1 BetrVG nur eingreifen, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden sei und die Tarifregelungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Betriebsvereinbarung noch voll wirksam seien, also nicht nachwirkten oder bloß üblich seien. Da sie, die Beklagte, seit dem 01.01.2006 nicht mehr tarifgebunden sei, könne die Regelungssperre nicht eingreifen.
Durch Urteil vom 18.01.2007 hat das Arbeitsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 24.01.2007 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 22.02.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.04.2007 - am 23.04.2007 begründet worden ist.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005, auf denen die Verbuchung der 120 Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers beruhe, seien als rechtswirksam anzusehen. Insbesondere verstoße die Betriebsvereinbarung nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. Die Betriebsvereinbarung beschränke sich auf Regelungen zur vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit, die der Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG unterlägen. Insoweit bestehe die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht.
Die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung folge auch nicht daraus, dass der Betriebsrat auf sein Mitbestimmungsrecht im Bereich der Anordnung von Überstunden in unzulässiger Weise verzichtet habe. Die Verteilung der 120 Stunden, die der Kläger im Jahre 2006 zusätzlich zu erbringen habe, erfolge unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange und des Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 BetrVG.
Liege somit eine zulässige vorübergehende und keine dauerhafte Verlängerung der Arbeitszeit des Klägers durch die fragliche Betriebsvereinbarung vor, sei es nicht erforderlich, dass für die insoweit geschuldete zusätzliche Arbeitszeit eine dem Zeitlohn entsprechende Vergütung bzw. ein entsprechender Freizeitausgleich an anderer Stelle gewährt werde. Allerdings enthalte Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung eine Vergütungsregelung, die als Grundsatz eine erfolgsabhängige Vergütung enthalte. Auch wenn dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG keine Annex-Kompetenz des Betriebsrates für die Vergütung derartiger zusätzlich geleisteter Stunden zu entnehmen sei, ergebe sich ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG als Fragestellung der betrieblichen Lohngestaltung. Die Betriebsparteien hätten für die zusätzlich im Jahr 2006 abgeleisteten 120 Stunden einen anderen Entlohnungsgrundsatz, d.h. eine erfolgsorientierte Entlohnung vereinbart. Insoweit liege keine Sperrwirkung eines Tarifvertrages vor. Im übrigen sei sie, die Beklagte, seit dem 01.01.2006 nicht mehr tarifgebundenes Mitglied des Arbeitgeberverbandes, sondern nur noch OT-Mitglied.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.01.2007 - 1 (2) Ca 1470/06 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, die Betriebsvereinbarung vom 07.12.2005 sei rechtsunwirksam. Denn sie verstoße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Gegenstand der Betriebsvereinbarung sei gemäß Ziffer 3 bei Mitarbeitern, die im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit arbeiteten, ein Gehaltsverzicht in Höhe von 15 % des Bruttomonatseinkommens bezogen auf einen Zeitraum von 6 Monaten. Dies sei nach Ziffer 6 der Betriebsvereinbarung gleichwertig mit den 120 Stunden, die aus dem Arbeitszeitkonto abgebucht werden sollten. Auch insoweit enthalte die Betriebsvereinbarung also einen Einkommensverzicht. Eine solche Regelung könne nicht in einer Betriebsvereinbarung getroffen werden, da sie den Tarifvertragsparteien vorbehalten sei.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei in der Betriebsvereinbarung auch nicht lediglich eine vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit geregelt. Vielmehr sei ein bestimmter finanzieller Wert, nämlich 120 Arbeitsstunden, aus dem Arbeitszeitkonto abgebucht bzw. dort, wo dies nicht möglich gewesen sei, eine Gehaltskürzung um 15 % für 6 Monate vereinbart worden. Die Ausführungen der Beklagten zur Zulässigkeit von Betriebsvereinbarungen über Mehrarbeit gingen daher an der Sache vorbei.
Soweit die Beklagte weiter argumentiere, in der Betriebsvereinbarung sei zulässigerweise ein anderer Entlohnungsgrundsatz, nämlich eine erfolgsorientierte Entlohnung vereinbart worden, treffe dies nicht zu. Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung enthalte keine Regelungen über Akkord- oder Prämienlohn; vielmehr sei dort lediglich vage in Aussicht gestellt worden, dass bei Vorliegen einer Gewinnsituation eine Vergütung der Stunden erfolgen "soll". Nach der Betriebsvereinbarung bestehe danach noch nicht einmal ein Rechtsanspruch hierauf; vielmehr enthalte Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung eine bloße Absichtserklärung. Die Betriebsvereinbarung regele damit eine Absenkung der Vergütung, die den Betriebsparteien nach § 77 Abs. 3 BetrVG entzogen sei.
Mit Nichtwissen werde vorsorglich bestritten, dass die Beklagte tatsächlich seit dem 01.01.2006 nicht mehr der Tarifbindung unterliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Der Sache nach bleibt die Berufung erfolglos. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinem Arbeitszeitkonto 120 Stunden gutschreibt. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag der Parteien in Verbindung mit dem Manteltarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 24.08./11.09.2001 (i.F. MTV).
1. Die Beklagte hat dem Kläger im Kalenderjahr 2006 auf seinem sogenannten Flexikonto 120 Arbeitsstunden als Minusstunden verbucht, die der Kläger durch Ableistung von 120 Plusstunden zum Ausgleich bringen musste, ohne dass sich hieraus ein unmittelbarer Vergütungsanspruch für ihn ergab. Eine Rechtsgrundlage für diese Maßnahme der Beklagten findet sich in den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht.
2. Eine Befugnis der Beklagten zu den oben genannten Maßnahmen ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005. Die normativen Regelungen dieser Betriebsvereinbarung haben das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht unmittelbar und zwingend im Sinne des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gestaltet. Denn die Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 ist rechtsunwirksam.
a) Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Durch diese Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gewährleistet werden, indem den Tarifvertragsparteien Vorrang bei der Regelung der Arbeitsbedingungen eingeräumt wird. Dieses Recht darf nicht dadurch beseitigt oder ausgehöhlt werden, dass Arbeitgeber und Betriebsrat abweichende oder auch nur ergänzende Regelungen vereinbaren. Vielmehr soll diesen im Interesse der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie grundsätzlich die Möglichkeit genommen werden, die Arbeitsbedingungen auf betrieblicher Ebene normativ zu regeln (vgl. BAG, Urteil vom 05.03.1997 - 4 AZR 532/95 -, NZA 1997, 951, 953 f. m.w.N.). Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG gilt auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber; denn die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird auch dann gestört, wenn ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber mit dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen Regelungen schaffen könnte, die mit den Tarifbestimmungen in Konkurrenz stehen (so BAG, Urteil vom 05.03.1997, a.a.0.,; BAG, Beschluss vom 18.07.2006 - 1 ABR 36/05 -, NZA 2006, 1225).
b) Angesichts dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, ist davon auszugehen, dass die Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG rechtsunwirksam ist.
aa) Nicht zweifelhaft kann sein, dass die Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 Regelungen über Arbeitszeit und Arbeitsentgelt enthält. Nach Ziffer 1 der Betriebsvereinbarung mussten alle Mitarbeiter der Beklagten - mit gewissen Ausnahmen - einmalig für das Kalenderjahr 2006 auf ihrem persönlichen Flexikonto ein Volumen von 120 Arbeitsstunden zur Verfügung stellen, ohne dass sich hieraus für die Mitarbeiter ein unmittelbarer Vergütungsanspruch ergab; diese Stunden wurden als Minusstunden auf dem Flexikonto verbucht. Nach Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung mussten die Mitarbeiter im Jahre 2006 120 Plusstunden zum Ausgleich dieser Minusstunden erbringen. Nach Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung wurden mit Mitarbeitern, die im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit nicht der Zeiterfassung und damit keiner Flexikontoregelung unterlagen, individuelle Vereinbarungen auf Grundlage eines Verzichts in Höhe von 15 % des Bruttomonatseinkommens befristet auf einen Zeitraum vom 6 Monaten für das Geschäftsjahr 2006 vereinbart, wobei dieser Verzicht dem Betriebsrat für jeden einzelnen Arbeitnehmer in einer geeigneten Form nachzuweisen war. Ausweislich Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung soll eine Vergütung der 120 Stunden mit dem Vorliegen einer Gewinnsituation im sogenannten SF-20-Bereich erfolgen; der Ausgleich des Stundenvolumens soll nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung durch Zeit oder aktuellen Geldwert erfolgen, wobei die Betriebsparteien hierzu Modalitäten vereinbaren sollten. Schließlich enthält Ziffer 6 der Betriebsvereinbarung Regelungen über die Vergütung der zum Ausgleich der Minusstunden geleisteten 120 Arbeitsstunden bzw. des 15 %-igen Gehaltsverzichts für Mitarbeiter, die bis zum 31.12.2006 aus dem Unternehmen der Beklagten ausscheiden.
bb) Arbeitzeit und Arbeitsentgelte sind üblicherweise und im Bereich der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen auch tatsächlich tariflich geregelt. So enthält der gen. MTV detaillierte Regelungen über die regelmäßige Arbeitszeit der Arbeitnehmer und ihre Vergütung. Auch wenn die Beklagte mit Ablauf des 31.12.2005 aus dem Arbeitgeberverband für die Gebiete Paderborn, Büren, Warburg und Höxter e.V. ausgetreten ist und beginnend mit dem 01.01.2006 eine Mitgliedschaft in diesem Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung begründet haben sollte, bleibt ihre Tarifgebundenheit insoweit gemäß § 3 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz bestehen, bis der genannte MTV endet. Hiervon konnte die erkennende Kammer nicht ausgehen. Zwar ist mit Wirkung vom 01.03.2004 der einheitliche Manteltarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003 (i.F. EMTV) in Kraft getreten. Dieser Tarifvertrag gilt aber nur für Betriebe, die das Entgeltrahmenabkommen gemäß den Bestimmungen des ERA-Einführungstarifvertrages betrieblich eingeführt haben. Erst mit Einführung des Entgeltrahmenabkommens ersetzt er betrieblich den MTV vom 24.08./11.09.2001. Bis zum Zeitpunkt seiner Wirksamkeit im Betrieb gilt gemäß § 26 des EMTV vom 18.12.2003 der MTV vom 24.08./11.09.2001 in seiner jeweiligen Fassung weiter. Dass die Beklagte das Entgeltrahmenabkommen gemäß den Bestimmungen des ERA-Einführungstarifvertrages betrieblich eingeführt hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG ist nicht deshalb aufgehoben, weil es sich bei den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 um Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG handelt.
aa) Zwar greift die Sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann nicht ein, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebrats unterliegen (vgl BAG, Urteil vom 05.03.1997 - 4 AZR 532/95 -, NZA 1997, 951, 954 m.w.N.). Dies folgt schon aus der Schutzfunktion des Mitbestimmungsrechts des § 87 Abs. 1 BetrVG. Dahingehende Betriebsvereinbarungen sind nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von ihnen geregelten Angelegenheiten üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden oder - in tarifgebundenen Betrieben - tatsächlich geregelt sind.
bb) Voraussetzung ist allerdings, dass der geregelte Sachverhalt tatsächlich mitbestimmungspflichtig im Sinne des § 87 Abs. 1 BetrVG ist. Daran fehlt es hier.
(1) Auch wenn Gegenstand der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 unter anderem die vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit im Jahre 2006 um 120 Arbeitsstunden sein sollte, die möglicherweise als solche dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliegt, regelt die Betriebsvereinbarung darüber hinaus aber auch die Vergütung dieser Stunden. Dieser Komplex unterfällt nicht dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG begründet keine Annexkompetenz des Betriebsrats für die Vergütung von Überstunden sowie von zusätzlichen oder von ausgefallenen Schichten. Ein Mitbestimmungsrecht über Fragen der Vergütung von vorübergehend verkürzten oder verlängerten Arbeitszeiten ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. BAG, Beschluss vom 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 -, NZA 2003, 1097, 1100 m.w.N.).
(2) Die in Ziffern 3, 5 und 6 der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2005 enthaltenen Regelungen über die Vergütung der im Jahre 2006 zusätzlich geleisteten 120 Arbeitsstunden unterliegen auch nicht einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Von dieser Bestimmung werden Regelungen zur absoluten Lohnhöhe nicht erfasst. Dass in den Ziffern 3, 5 und 6 der Betriebsvereinbarung Regelungen über die absolute Lohnhöhe enthalten sind, kann nicht zweifelhaft sein. In Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung ist geregelt, dass mit den Mitarbeitern, die keiner Flexikontoregelung unterliegen, individuelle Vereinbarungen auf der Grundlage eines Verzichts in Höhe von 15 % des Bruttomonatseinkommens befristet auf einen Zeitraum von 6 Monaten für das Geschäftsjahr 2006 vereinbart wird und dieser Verzicht dem Betriebsrat für jeden einzelnen Arbeitnehmer nachzuweisen ist. Diese Regelung betrifft ohne weiteres die Höhe der absoluten Vergütung dieser Arbeitnehmer in diesem Zeitraum. Auch Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung enthält solche Regelungen. Während in Ziffer 1 und 2 der Betriebsvereinbarung bestimmt ist, dass sich durch die Ableistung der 120 Stunden zum Ausgleich der auf dem Flexikonto verbuchten 120 Minusstunden kein unmittelbarer Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ergibt, regelt Ziffer 5, dass eine Vergütung dieser Stunden nur bei Vorliegen eines Gewinnsituation im sogenannten SF-20-Bereich erfolgen soll. Ergibt sich in diesem Bereich keine Gewinnsituation, so werden die 120 Stunden, die der Arbeitnehmer zum Ausgleich der im Flexikonto verbuchten 120 Minusstunden geleistet hat, nicht vergütet. Diese Regelung betrifft ohne weiteres die absolute Vergütungshöhe des einzelnen Arbeitnehmers, die nicht dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt. Die Betriebsvereinbarung widerspricht insoweit auch der Regelung in § 3 Ziffer 3 Abs. 3 des MTV vom 24.08./11.09.2001. Danach hat der Beschäftigte bei der Vereinbarung einer Verlängerung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden Anspruch auf eine dieser Arbeitszeit entsprechende Bezahlung.
III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.