BAG: Mitbestimmung bei Arbeitnehmerüberlassung
BAG, Beschluss vom 10.7.2013 - 7 ABR 91/11
Sachverhalt
A. Die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin begehrt im vorliegenden Verfahren die Ersetzung der Zustimmung des bei ihr gebildeten, zu 2. beteiligten Betriebsrats zur Einstellung der Arbeitnehmerin S als Leiharbeitnehmerin sowie die Feststellung, dass diese personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Bei der Arbeitgeberin, einem Zeitungsverlag, sind mehr als 20 zum Betriebsrat wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Am 5. April 2011 schrieb sie unternehmensintern eine Stelle „Sachbearbeitung Einzelverkauf von Prämienwerbung (m/w)" aus. Auf diese Stelle bewarb sich Frau S. Frau S hatte im Januar 2010 erfolgreich eine Berufsausbildung bei der Arbeitgeberin abgeschlossen. Anschließend wurde sie von der Arbeitgeberin bis Januar 2011 in einem Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des bei der Arbeitgeberin geltenden Tarifvertrags beschäftigt. Danach wurde sie über die D KG (künftig: D) bei der Arbeitgeberin als Leiharbeitnehmerin eingesetzt, wobei zunächst eine auf zwei Jahre befristete Tätigkeit vorgesehen war. Im April 2011 entschloss sich die Arbeitgeberin, Frau S auf der am 5. April 2011 ausgeschriebenen Stelle ohne zeitliche Begrenzung als von der D überlassene Leiharbeitnehmerin zu beschäftigen. Die D verfügt über die nach dem AÜG erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Die Arbeitgeberin ist an ihr als Gesellschafterin beteiligt.
Der beabsichtigte Einsatz von Frau S als Leiharbeitnehmerin steht im Zusammenhang mit der Personalpolitik der Arbeitgeberin. Diese hatte zunächst im Jahr 2005 damit begonnen, die zuvor mit Abrufkräften besetzten Arbeitsplätze in der Rotationsendverarbeitung dauerhaft mit Leiharbeitnehmern zu besetzen. Im Dezember 2006 teilte sie dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, ab dem 1. April 2007 alle neu zu besetzenden Stellen nur noch mit Leiharbeitnehmern der D zu besetzen. Ziel der Arbeitgeberin war es, eine aus ihrer Sicht notwendige Strukturveränderung der Personalkosten zu erreichen. Dieses Vorhaben hat die Arbeitgeberin wie sie in der mündlichen Anhörung vor dem Senat nach ausdrücklicher Erörterung erklärt hat bislang jedenfalls insoweit nicht aufgegeben, als es um die Neubesetzung von Arbeitsplätzen geht, bei denen das Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG wie im Fall von Frau S bereits vor dem 1. Dezember 2011 eingeleitet wurde. Das ist der Zeitpunkt zu dem § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, der durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a, Buchst. bb des „Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgeset zes Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung" vom 28. April 2011 (verkündet am 29. April 2011, BGBl. I S. 642 künftig: Missbrauchsverhinderungsgesetz) in das AÜG eingefügt wurde, nach Art. 2 dieses Gesetzes in Kraft trat.
Mit am 18. April 2011 beim Betriebsrat eingegangener „Einstellungsmeldung" beantragte die Arbeitgeberin unter Vorlage des auf die Personalakte verweisenden Bewerbungsschreibens von Frau S die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung für eine zeitlich nicht begrenzte Beschäftigung als Leiharbeitnehmerin ab dem 1. Mai 2011. Die Arbeitgeberin nahm ihre Mitteilung vom 1. April 2007 in Bezug und wies weiter darauf hin, dass sich Schwerbehinderte nicht beworben hätten und es auch sonst keine Bewerbungen gebe. Hinweise und Daten zur Person von Frau S seien dem Betriebsrat bekannt.
Außerdem liege dem Betriebsrat bereits die Erlaubnis der D nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor.
Mit „Hausmitteilung" vom 21. April 2011, bei der Arbeitgeberin am selben Tag eingegangen, verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zu dieser Maßnahme mit folgender Begründung:
„Der Betriebsrat ist informiert worden, dass neu zu besetzende Stellen über Arbeitnehmerüberlassung besetzt werden.
Der dauerhafte Einsatz von Arbeitnehmerüberlassungen widerspricht grundsätzlich Absicht, Sinn und Zweck des AÜG. Der Gesetzgeber wollte nur den konkreten Zeitrahmen nicht mehr festschreiben. Eine dauerhafte Ausleihe/Einstellung zu anderen Tarifen war nicht vorgesehen und ist rechtlich unzulässig. Auch nach der Novellierung des AÜG ist das Leiharbeitsverhältnis wie der Name schon zum Ausdruck bringt grundsätzlich ein vorübergehendes. Die vom Gesetzgeber gewollte Funktion kann das AÜG nur dann erfüllen, wenn der Einsatz von Leiharbeitnehmern vorübergehend erfolgt oder die Ausnahme bleibt, z. B. bei kurzfristigen Auftragsspitzen, Krankheitsvertretungen, Elternzeit, Auftreten von Mehrarbeit o. Ä. Die beim B Zeitungsverlag praktizierte Dauerausleihe und die damit einhergehende Umgehung der im B Zeitungsverlag geltenden Tarifordnung verstößt gegen Artikel 9 des Grundgesetzes. Ziel des AÜG ist es, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu erschließen. Ziel war und ist es nicht, Stammarbeitsplätze in Leiharbeitsplätze umzuwandeln.
Aus diesem Grund verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung von S.
Der Betriebsrat widerspricht der Einstellung von S auch, weil das Unternehmen das zwingende Mitbestimmungsrecht nach § 95 BetrVG nicht beachtet hat. Das Unternehmen hat einseitig entschieden, dass sich ab dem 01.04.2007 bei freiwerdenden Stellen die personelle Auswahl auf Leiharbeitnehmer beschränkt.
Aus diesem Grund verweigert der Betriebsrat die Einstellung von S.
..."
Mit weiterer „Einstellungsmeldung" vom 27. April 2011, die dem Betriebsrat am selben Tag zuging, nahm die Arbeitgeberin für sich in Anspruch,
die Einstellung von Frau S sei aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Dem widersprach der Betriebsrat mit „Hausmitteilung" vom 4. Mai 2011, die der Arbeitgeberin am selben Tag zuging.
Mit ihrer am 5. Mai 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Frau S sowie die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit des vorläufigen Einsatzes begehrt. Sie hat vorgebracht, die vom Betriebsrat geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe bestünden nicht. Die vorläufige Durchführung der Maßnahme sei dringend erforderlich.
Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,
1.
die vom Betriebsrat mit Hausmitteilung vom 21. April 2011 verweigerte Zustimmung zur Einstellung von Frau S zu ersetzen;
2.
festzustellen, dass die zum 1. Mai 2011 vorgenommene vorläufige Einstellung von Frau S aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, die von ihm geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe lägen vor. Die personelle Einzelmaßnahme sei auch nicht dringlich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberin entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat am 16. November 2011 die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt dieser weiterhin die Abweisung der Anträge. Die Arbeitgeberin begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Aus den Gründen
12 B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat hinsichtlich des Antrags auf Zustimmungsersetzung Erfolg. Dieser ist unter Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen. Der Feststellungsantrag fällt dem Senat nicht mehr zur Entscheidung an.
13 I. Der zulässige Antrag der Arbeitgeberin, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitnehmerin S gerichtlich zu ersetzen, ist unbegründet. Die beabsichtigte Einstellung verstößt gegen ein Gesetz (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Sie widerspricht dem aus § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG folgenden Verbot einer mehr als vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung.
14 1. Der von der Arbeitgeberin gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG verfolgte Antrag ist zulässig. Insbesondere hat die Arbeitgeberin das für einen solchen Antrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
15 a) Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt voraus, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der vom Arbeitgeber beabsichtigten endgültigen personellen Einzelmaßnahme hat und der Arbeitgeber für die Maßnahme daher der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (vgl. BAG 10. Oktober 2012 7 ABR 42/11 Rn. 18 mwN).
16 b) Dieses Rechtsschutzbedürfnis liegt hier vor. Die Arbeitgeberin beschäftigt mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Sie hat daher nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG iVm. § 99 BetrVG den Betriebsrat vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung zu beteiligen (BAG 1. Juni 2011 7 ABR 117/09 Rn. 15). Der Umstand, dass die Leiharbeitnehmerin S bereits vor der jetzt beabsichtigten zeitlich unbegrenzten Einstellung vorübergehend im Betrieb tätig war, steht dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen. Auch die Verlängerung eines Einsatzes von Leiharbeitnehmern ist als Einstellung nach § 99 Abs. 1 BetrVG, § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG mitbestimmungspflichtig (BAG 23. Januar 2008 1 ABR 74/06 Rn. 24 f., BAGE 125, 306). Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Betriebsrat einer zeitlich unbegrenzt vorgesehenen Einstellung von Frau S bereits zugestimmt hatte.
17 2. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist unbegründet. Die Arbeitgeberin hat zwar das Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet. Auch gilt die Zustimmung des Betriebsrats nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Frau S kann jedoch nicht gerichtlich ersetzt werden, da ihre Einstellung nach der jetzt geltenden Rechtslage iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegen ein Gesetz verstößt.
18 a) Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet.
19 aa) Voraussetzung für die gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat iSv. § 99 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BetrVG ausreichend unterrichtet hat. Beim tatsächlichen Einsatz eines Leiharbeitnehmers hat der Entleiher dem Betriebsrat nach § 14 Abs. 3 Satz 2 AÜG außerdem die schriftliche Erklärung des Verleihers nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG also die Erklärung, ob der Verleiher die Erlaubnis nach § 1 AÜG besitzt vorzulegen. Der Arbeitgeber hat im Zustimmungsverfahren den Betriebsrat so zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Wenn die vom Arbeitgeber gemachten Angaben nicht offenkundig unvollständig sind, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, soweit der Betriebsrat keine weitergehende Unterrichtung verlangt (vgl. BAG 1. Juni 2011 7 ABR 117/09 Rn. 17 ff.).
20 bb) Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat in diesem Sinne ausreichend unterrichtet. Sie hat ihn über die Person der Angestellten S sowie über den Arbeitsplatz, auf dem Frau S eingesetzt werden soll, informiert. Gleichzeitig hat sie das Bewerbungsschreiben vorgelegt. Im Hinblick darauf, dass Frau S im Betrieb schon tätig war, konnte die Arbeitgeberin davon ausgehen, den Betriebsrat ausreichend unterrichtet zu haben. Dem Betriebsrat lag auch die Genehmigung der D nach dem AÜG vor. Über diese Punkte stimmen die Beteiligten überein.
21 b) Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung gilt nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.
22 aa) Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme als erteilt, wenn er seine Zustimmungsverweigerung dem Arbeitgeber nicht innerhalb einer Woche nach ordnungsgemäßer Unterrichtung unter Angabe von Gründen schriftlich mitteilt. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung nicht fristgemäß mit beachtlicher Begründung, so ist auf den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers hin auszusprechen, dass die Zustimmung als erteilt gilt. Der Betriebsrat genügt der gesetzlichen Begründungspflicht, wenn es als möglich erscheint, dass mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend gemacht wird. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist dagegen unbeachtlich. Die Begründung des Betriebsrats braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen und Gründe müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden (vgl. BAG 10. Oktober 2012 7 ABR 42/11 Rn. 50).
23 bb) Hier ist die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats der Arbeitgeberin am 21. April 2011 und damit innerhalb einer Woche nach der am 18. April 2011 erfolgten Unterrichtung zugegangen. Die Begründung ist ausreichend. Der Betriebsrat hat angeführt, der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitnehmern widerspreche Absicht, Sinn und Zweck des AÜG. Er hat gemeint, die Aushöhlung der bei der Arbeitgeberin geltenden Tarifverträge verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Außerdem hat er sich darauf berufen, die Arbeitgeberin unterlaufe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 95 BetrVG, weil das Unternehmen einseitig entschieden habe, bei freiwerdenden Stellen sei die personelle Auswahl auf Leiharbeitnehmer beschränkt. Damit hat der Betriebsrat hinsichtlich der genannten Rechtsvorschriften in hinreichender Weise den Zustimmungsverweigerungsgrund „Verstoß einer Maßnahme gegen ein Gesetz" nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG in Anspruch genommen.
24 c) Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung ist nicht gerichtlich zu ersetzen, da die beabsichtigte Einstellung iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegen ein Gesetz verstößt. Das gerichtliche Prüfprogramm im Zustimmungsersetzungsverfahren ist auf die vom Betriebsrat geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe beschränkt (vgl. BAG 10. Oktober 2012 7 ABR 42/11 Rn. 59 mwN). Hier hat der Betriebsrat gerügt, die beabsichtigte Einstellung verstoße gegen ein Gesetz. Diese Rüge ist iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht begründet, soweit sich der Betriebsrat auf einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG und § 95 BetrVG beruft. Dagegen ist seine Rüge, die geplante personelle Einzelmaßnahme verstoße gegen das AÜG, nach der insoweit maßgeblichen jetzigen Rechtslage berechtigt.
25 aa) Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Verstoßes ua. gegen ein Gesetz nur dann verweigern, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz verstößt. Geht es um die Übernahme eines Leiharbeitnehmers in den Betrieb des Entleihers und damit um eine Einstellung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, muss diese als solche untersagt sein. Dazu bedarf es zwar keiner Verbotsnorm im technischen Sinne, die unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Der Zweck der betreffenden Norm, die Einstellung selbst zu verhindern, muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen lediglich dann gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (BAG 21. Juli 2009 1 ABR 35/08 Rn. 21 mwN, BAGE 131, 250; 23. Juni 2010 7 ABR 3/09 Rn. 23, BAGE 135, 57; 1. Juni 2011 7 ABR 117/09 Rn. 42; 10. Oktober 2012 7 ABR 42/11 Rn. 65 mwN).
26 bb) Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für eine begründete Zustimmungsverweigerung liegen allerdings nicht hinsichtlich der geltend gemachten Verstöße gegen Art. 9 Abs. 3 GG und gegen § 95 Abs. 1 BetrVG, wohl aber hinsichtlich des Verstoßes gegen das AÜG vor.
27 (1) Die vom Betriebsrat geltend gemachten Verstöße gegen Art. 9 Abs. 3 GG und § 95 Abs. 1 BetrVG betreffen kein Gesetz, das die Einstellung an sich verhindern will. Die vom Betriebsrat auf Art. 9 Abs. 3 GG gestützten Einwände beziehen sich nicht auf die Einstellung, sondern allein auf die Frage der Arbeitsbedingungen der eingestellten Arbeitnehmer. Das Mitbestimmungsrecht nach § 95 Abs. 1 BetrVG bei der Gestaltung von Auswahlrichtlinien hat nicht den Zweck, die Einstellung von bestimmten Arbeitnehmern zu verhindern, sondern dem Betriebsrat bei deren Auswahl Rechte zu gewähren. Es betrifft deshalb nicht die Einstellung von Arbeitnehmern an sich.
28 (2) Zu Recht macht der Betriebsrat dagegen geltend, die beabsichtigte Einstellung von Frau S verstoße gegen das AÜG. Maßgeblich ist dabei die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltende Rechtslage und somit auch § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der seit dem 1. Dezember 2011 geltenden Fassung. Diese Bestimmung verbietet die nicht nur vorübergehende Überlassung von Leiharbeitnehmern. Sie stellt ein Gesetz iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar, dessen Zweck nur erreicht werden kann, wenn die Einstellung unterbleibt. Die beabsichtigte Einstellung von Frau S verstößt gegen dieses Gesetz; sie richtet sich auf eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung.
29 (a) § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG wurde durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a, Buchst. bb des Missbrauchsverhinderungsgesetzes in das AÜG eingefügt. Nach Art. 2 des Missbrauchsverhinderungsgesetzes trat die Änderung am 1. Dezember 2011 und damit nach Beantragung der Zustimmung des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin und auch nach den Entscheidungen der Vorinstanzen in Kraft. Dennoch ist für die Beurteilung der Zustimmungsverweigerungsgründe des Betriebsrats auf die geänderte, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltende Rechtslage abzustellen.
30 (aa) Streitgegenstand eines Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung zu einer Einstellung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist die Frage, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig zulässig ist. Verfahrensgegenstand ist dagegen nicht, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung zulässig war. Die streitgegenständliche Frage ist deshalb nach Maßgabe der Rechtslage zu beantworten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in Kraft ist. Das gilt auch, wenn die Änderung der Rechtslage für die vom Betriebsrat angebrachten Verweigerungsgründe eine geänderte rechtliche Beurteilung erfordert.
Dann sind dem Betriebsrat keine neuen Verweigerungsgründe entstanden, vielmehr sind die geltend gemachten Verweigerungsgründe auf einer neuen rechtlichen Grundlage zu würdigen. Wenn und soweit darin eine Änderung des Streitgegenstandes und damit trotz gleichbleibenden Antragswortlauts eine Antragsänderung liegt, ist diese in der Rechtsbeschwerdeinstanz zulässig, wenn der festgestellte Sachverhalt die rechtliche Beurteilung nach der neuen Rechtslage ermöglicht, der Streitstoff nicht erweitert wird und die Rechte der Beteiligten nicht verkürzt werden (zum Ganzen BAG 25. Januar 2005 1 ABR 61/03 zu B I der Gründe, BAGE 113, 218).
31 (bb) Hier hat der Betriebsrat von vornherein geltend gemacht, die dauerhafte Ausleihe von Leiharbeitnehmern führe zur Umwandlung von Stammarbeitsplätzen in Leiharbeitsplätze; das widerspreche dem AÜG. Dieser Zustimmungs verweigerungsgrund hat sich nicht verändert. Allerdings ist für seine Beurteilung die neue Rechtslage maßgeblich. Die Frage, ob die Absicht der Arbeitgeberin, Frau S künftig ohne zeitliche Begrenzung als Leiharbeitnehmerin einzusetzen, mit dem AÜG vereinbar ist, beurteilt sich nicht nach einer früheren, sondern nach der derzeitigen Rechtslage. Soweit mit der Änderung der zu beachtenden Rechtslage zugleich eine Änderung des Streitgegenstandes des Verfahrens in der Rechtsbeschwerdeinstanz verbunden sein sollte, wäre diese ausnahmsweise zulässig. Der Sachverhalt steht fest. Rechte der Arbeitgeberin werden nicht beeinträchtigt. Sie hat zur rechtlichen Bedeutung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG im Rechtsbeschwerdeverfahren Stellung genommen und die Ansicht vertreten, diese Regelung stehe der Einstellung von Frau S nicht entgegen. Sie hat auch nicht geltend gemacht, dass sie bei einem Abstellen auf die derzeitige Rechtslage in ihrer Rechtsverfolgung beeinträchtigt werde.
32 (b) § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verbietet die mehr als nur vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher. Die Bestimmung definiert nicht lediglich den Anwendungsbereich des AÜG; auch stellt sie nicht lediglich eine Beschreibung oder einen unverbindlichen Programmsatz dar (so aber im Ergebnis Lembke DB 2011, 414, 415; Ludwig BB 2013, 1276, 1278; Seel FA 2013, 132; Thüsing/Stiebert DB 2012, 632, 633). Vielmehr handelt es sich um eine verbindliche Rechtsnorm, die von den Rechtsunterworfenen und den Gerichten zu beachten ist (so im Ergebnis auch Bartl/Romanowski NZA 2012, 845; Brors AuR 2013, 108, 113; Düwell ZESAR 2011, 449, 455; Fitting 26. Aufl. § 99 Rn. 192a; Hamann RdA 2011, 321, 324; ErfK/Wank 13. Aufl. Einl. AÜG Rn. 12). Das ergibt die Auslegung der Bestimmung.
33 (aa) Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG gebietet kein bestimmtes Ergebnis. Der Umstand, dass der Gesetzgeber sprachlich den indikativen Modus („Die Überlassung erfolgt vorübergehend") gewählt hat, obwohl eine imperative Formulierung (zB „hat vorübergehend zu erfolgen", „muss vorübergehend sein", „darf nur vorübergehend erfolgen") unschwer möglich gewesen wäre, könnte allerdings dafür sprechen, dass die Bestimmung lediglich beschreibenden und keinen normativ bindenden Charakter hat. Zwingend ist das jedoch nicht. Vielmehr verwendet der Gesetzgeber des Öfteren auch für bindende Gebote den Indikativ (vgl. nur Art. 3 Abs. 1 GG, § 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG lässt daher ohne Weiteres auch ein Verständnis zu, wonach die Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend zu erfolgen hat.
34 (bb) Die Gesetzessystematik spricht für den normativen, verbindlichen Charakter des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Nach der zweifelsfrei verbindlichen Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis. Die Vorschrift bestimmt, wann erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG vorliegt. Die nachfolgende Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG schränkt das nicht ein, sondern bringt zum Ausdruck, dass eine der Erlaubnis zugängliche Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgen darf.
35 (cc) Für den normativen, verbindlichen Charakter des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG sprechen entscheidend der Charakter sowie der Sinn und Zweck der Regelung. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass sich gesetzliche Regelungen nicht in folgenlosen Beschreibungen erschöpfen. Das gilt auch für § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Die Regelung verlöre ihren Sinn als gesetzliche Norm, wenn sie im Falle des Vorliegens einer nicht mehr vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung keine Bedeutung hätte. Wenn aber davon auszugehen ist, dass mit dieser Bestimmung, wie auch sonst bei Gesetzen, die über bloße Definitionen oder Fiktionen hinausgehen, überhaupt etwas geregelt werden soll, so besteht der Regelungsinhalt darin, dass die nicht mehr nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung unterbunden werden soll. Entgegen der von der Arbeitgeberin in der Anhörung vor dem Senat vertretenen Auffassung kann die Regelung auch nicht etwa dahin verstanden werden, Arbeitnehmerüberlassung sei immer als vorübergehend anzusehen. Darin läge eine gesetzliche Fiktion. Gesetzliche Fiktionen werden regelmäßig durch die Verwendung der Worte „gilt" oder „gelten" ausgedrückt. Dieser allgemein üblichen Regelungstechnik hat sich der Gesetzgeber hier nicht bedient.
36 (dd) Auch der aus den Gesetzesmaterialien erkennbare Wille des Gesetzgebers ging dahin, die nicht mehr vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung unabhängig von der bei Inkrafttreten des Missbrauchsverhinderungsgesetzes geltenden Rechtslage zu verbieten. Der Gesetzgeber wollte mit dem Missbrauchsverhinderungsgesetz und damit auch mit der Einfügung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG Unionsrecht „vollständig, eins zu eins" umsetzen (so die Ausführung der zuständigen Bundesministerin in der abschließenden Plenarberatung des Deutschen Bundestages, BTPlenarprotokoll 17. Wahlperiode S. 11366 (B)). Dabei ist er davon ausgegangen, die Umsetzung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom 5. Dezember 2008 S. 9 künftig: Leiharbeitsrichtlinie) erfordere Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, weil sie Arbeitnehmerüberlassung als vorübergehend definiere (vgl. den Regierungsentwurf zum Missbrauchsverhinderungsgesetz: BTDrucks. 17/4804 S. 1). Vor diesem Hintergrund hat er mit § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG eine Regelung eingefügt, die „der Klarstellung" dient, „dass das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung" diesen Vorgaben entspreche. Das bedeutet nach den Vorstellungen des Gesetzgebers: „Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz regelt ein auf vorübergehende Überlassungen angelegtes Modell der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Überlassung an den jeweiligen Entleiher ... vorübergehend ist" (BTDrucks. 17/4804 S. 8). Es sollte also eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die mehr als vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ausschließt. Dass diese Regelung der Klarstellung dient, ändert daran nichts (so aber Staatssekretär Brauksiepe in einer Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten Krellmann BTDrucks. 17/8829 S. 24). Ohne eine normative Wirkung der Neuregelung liefe eine derartige Klarstellung ins Leere.
37 Dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers durch die Einfügung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG die Rechtslage geändert wurde, zeigt sich daran, dass die Vorschrift zu den Bestimmungen gehört, die nach Art. 2 des Missbrauchsverhinderungsgesetzes nicht schon einen Tag nach der Verkündung des Gesetzes am 29. April 2011, sondern erst am 1. Dezember 2011 in Kraft traten. Das erheblich spätere Inkrafttreten begründete der Gesetzgeber mit der Erwägung, dies gebe „den Verleihern und Entleihern ... ausreichend Zeit, ihre vertraglichen Vereinbarungen und sonstige Regelungen bei Bedarf an die neue Rechtslage anzupassen" (BTDrucks. 17/4804 S. 11). Wäre durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der Neufassung keinerlei neue, von der vorherigen Rechtslage unabhängige Verpflichtung entstanden, wäre es nicht nötig gewesen, das Inkrafttreten der Bestimmung zeitlich hinauszuschieben.
38 (ee) Verfassungsrechtliche Vorgaben stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Sie verstößt nicht gegen Grundrechte.
39 (aaa) Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ist nicht deshalb verletzt, weil die gesetzliche Regelung zu unbestimmt wäre (aA Seel öAT 2013, 23, 25; Teusch/Verstege NZA 2012, 1326, 1328). Beim Begriff „vorübergehend" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff wie er gesetzlichen Regelungen vielfach zugrunde liegt. Dass er seine Konkretisierung erst im Zuge der Anwendung durch die Gerichte finden muss, ist darin angelegt. Der Gesetzgeber ist jedenfalls dann berechtigt, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, wenn sich die Voraussetzungen der Anwendbarkeit einer Norm nicht genauer bestimmen lassen und der Begriff mit Hilfe der herkömmlichen juristischen Methoden zu konkretisieren ist (vgl. BVerfG 11. Januar 1994 1 BvR 434/87 zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 90, 1). § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG erklärt sich vor dem Hintergrund des Ziels des Gesetzgebers, eine flexible Zeitkomponente zu schaffen und insbesondere auf genau bestimmte Höchstüberlassungsfristen zu verzichten (BTDrucks. 17/4804 S. 8). Eine Konkretisierung hat nach den herkömmlichen juristischen Methoden zu erfolgen und die Vorgaben höherrangigen Rechts zu beachten.
40 (bbb) Das Grundrecht der Verleiher und Entleiher auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) steht einem Verständnis, wonach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG die nicht mehr vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung verbietet, ebenfalls nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei diesem Verständnis um einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung. Dieser ist aber zulässig.
41 (aaaa) Regelungen der Berufsausübung sind zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist sowie wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (BVerfG 21. Dezember 2009 1 BvR 2738/08 Rn. 37 mwN, BVerfGK 16, 449).
42 (bbbb) Das Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Indem es verhindert, dass der Vertragsarbeitgeber des Leiharbeitnehmers und derjenige, der über die Möglichkeiten zu dessen tatsächlicher Beschäftigung verfügt, mehr als nur vorübergehend auseinanderfallen, dient es zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zugleich begrenzt es im kollektiven Interesse der Belegschaft des Entleiherbetriebs deren Spaltung (vgl. zur Unterscheidung von volkswirtschaftlich sinnvoller kurzfristiger und unerwünschter langfristiger Arbeitnehmerüberlassung schon BVerfG 4. April 1967 1 BvR 84/65 BVerfGE 21, 221 und BAG 28. September 1988 1 ABR 85/87 zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 59, 380). Um den mit einer völlig unbegrenzten Arbeitnehmerüberlassung verbundenen Gefahren zu begegnen, ist das gesetzliche Verbot der nicht mehr vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein geeignetes, erforderliches und auch im engeren Sinn verhältnismäßiges Mittel (aA ohne nähere Begründung Thüsing/Stiebert DB 2012, 632, 635).
43 (ff) Auch Unionsrecht steht einer Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, wonach dieser die nicht mehr vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung verbietet, nicht entgegen. Das gilt zum einen für die Leiharbeitsrichtlinie; dabei kann dahinstehen, ob diese ein solches Verständnis nicht sogar gebietet. Zum anderen gilt das auch für die in Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) anerkannte unternehmerische Freiheit.
44 (aaa) Die Leiharbeitsrichtlinie steht dem hier vertretenen Verständnis zumindest nicht entgegen.
45 (aaaa) Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 gilt die Leiharbeitsrichtlinie für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um „vorübergehend" unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten. „Leiharbeitsunternehmen" ist nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Leiharbeitsrichtlinie eine natürliche oder juristische Person, die mit Leiharbeitnehmern Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse eingeht, um sie entleihenden Unternehmen zu überlassen, damit sie dort unter Aufsicht und Leitung „vorübergehend" arbeiten. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Leiharbeitsrichtlinie ist „Leiharbeitnehmer" ein Arbeitnehmer, der mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen hat oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist, um einem entleihenden Unternehmen überlassen zu werden und dort unter dessen Aufsicht und Leitung „vorübergehend" zu arbeiten. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Leiharbeitsrichtlinie definiert als „entleihendes Unternehmen" eine natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag und unter deren Aufsicht und Leitung ein Leiharbeitnehmer „vorübergehend" arbeitet. Schließlich ist „Überlassung" im Sinne der Richtlinie nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Leiharbeitsrichtlinie der Zeitraum, während dessen der Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, um dort unter dessen Aufsicht und Leitung „vorübergehend" zu arbeiten.
46 (bbbb) Ob die Richtlinie nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung verbietet oder mit diesen Regelungen lediglich der Anwendungsbereich der Richtlinie festgelegt wird, ist streitig (für ein Verbot zB: Hamann EuZA 2009, 287, 311; Zimmer AuR 2012, 422, 423; Düwell ZESAR 2011, 449, 450 f.; gegen ein Verbot zB: Rieble/Vielmeier EuZA 2011, 474, 487 ff.; Thüsing/Stiebert DB 2012, 632, 633 f.; Boemke RIW 2009, 177, 179). Hier kann die Frage dahinstehen. Falls die Richtlinie ein von den Mitgliedstaaten umzusetzendes Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung enthielte, müsste § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG bereits wegen des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung im hier vertretenen Sinn ausgelegt werden. Aber auch wenn die Richtlinie ein solches Verbot nicht verlangen sollte, kann ihr jedenfalls auch nicht entnommen werden, dass der nationale Gesetzgeber daran gehindert wäre, die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu verbieten.
47 (bbb) Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass die unternehmerische Freiheit, die nach Art. 16 GRC „nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt" ist, einem Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung nicht entgegensteht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Leiharbeitsrichtlinie eine Regelung zur nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung enthält und damit den für die Anwendung der GRC notwendigen unionsrechtlichen Bezug nach Art. 51 Abs. 1 GRC herstellt. Jedenfalls wird durch ein solches Verbot die durch Art. 16 GRC insbesondere geschützte Vertragsfreiheit nicht in einem Umfang eingeschränkt, der geeignet wäre, von einer Beeinträchtigung des Wesensgehalts des Rechts auf unternehmerische Freiheit zu sprechen. Vielmehr achtet der gesetzlich vorgesehene, aus Gründen des Gemeinwohls erfolgende und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit genügende geringfügige Eingriff iSv. Art. 52 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GRC den wesentlichen Gehalt der unternehmerischen Freiheit. Zudem dient das Verbot dem durch Art. 31 Abs. 1 GRC geschützten Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen und damit dem Schutz der Rechte Anderer. Hiernach ist der deutsche Gesetzgeber befugt, die mehr als vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu verbieten (aA, ohne dies mit Argumenten zu unterlegen, Thüsing/Stiebert DB 2012, 632, 634).
48 (c) § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ist ein Verbotsgesetz iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, dessen Verletzung den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung berechtigt (so auch Bartl/Romanowski NZA 2012, 845, 846; Brors AuR 2013, 108, 113; Düwell ZESAR 2011, 449, 455; Fitting 26. Aufl. § 99 Rn. 192a; Hamann RdA 2011, 321, 327; ders. NZA 2011, 70, 75; Ulber AiB 2011, 351, 352; Zimmer AuR 2012, 422, 425 f.). Der Zweck der Regelung kann nur erreicht werden, wenn die Einstellung insgesamt unterbleibt.
49 (aa) Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen und Versetzungen nur gegeben, wenn das Ziel der Norm allein dadurch erreicht werden kann, dass die personelle Maßnahme insgesamt unterbleibt (s. dazu oben B I 2 c aa). Bei Einstellungen ist das der Fall, wenn durch die betreffende Norm im Sinne einer „Absperrtechnik" verhindert werden soll, dass bestimmte Arbeitnehmer überhaupt in den Betrieb aufgenommen werden (BAG 28. Juni 1994 1 ABR 59/93 zu B II 1 c und 2 a der Gründe, BAGE 77, 165). Das in Betracht kommende Gesetz muss den Zweck haben, die Organisationsgewalt des Arbeitgebers im Hinblick auf eine bestimmte Zusammensetzung der Belegschaft zu beschränken (vgl. BAG 28. Juni 1994 1 ABR 59/93 zu B II 2 a der Gründe, aaO). Dementsprechend kommt das Zustimmungsverweigerungsrecht insbesondere dann in Betracht, wenn mit der betreffenden Rechtsnorm auch die kollektiven Interessen der betroffenen Belegschaft gewahrt werden sollen (vgl. BAG 28. September 1988 1 ABR 85/87 zu B II 2 c der Gründe, BAGE 59, 380).
50 (bb) Danach ist das Verbot der nicht mehr vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ein Verbotsgesetz, das den Betriebsrat zur Zustimmungsverweigerung berechtigt. Denn es dient jedenfalls auch den kollektiven Interessen der betroffenen Belegschaft. Es soll im Interesse auch der Stammarbeitnehmer eine Spaltung der Belegschaft begrenzt und die Gefahr eingeschränkt werden, dass zumindest faktisch auf deren Arbeitsplatzsicherheit und die Qualität ihrer Arbeitsbedingungen Druck ausgeübt wird. Im Rahmen dieser Begrenzung wird die Organisationsgewalt des Arbeitgebers, die Belegschaft in bestimmter Weise zusammenzusetzen, eingeschränkt. Demgemäß war in der Rechtsprechung des BAG bereits für die früher geltende zeitliche Höchstbegrenzung der Arbeitnehmerüberlassung anerkannt, dass ein Verstoß dagegen das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG auslöste (grundlegend: BAG 28. September 1988 1 ABR 85/87 zu B II 2 c der Gründe, BAGE 59, 380).
51 (cc) Unerheblich ist, ob in Fällen der nicht mehr nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer entsteht (bejahend insoweit zB LAG BerlinBrandenburg 9. Januar 2013 15 Sa 1635/12 ; verneinend zB LAG BerlinBrandenburg 16. Oktober 2012 7 Sa 1182/12 ). Auch wenn das unter bestimmten Umständen der Fall sein sollte, stünde das einem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats im Entleiherbetrieb nicht entgegen. Wie sich aus § 14 Abs. 3 Satz 2 AÜG ergibt, soll der Betriebsrat des Entleiherbetriebs bei der Einstellung eines Leiharbeitnehmers auch prüfen können, ob der Verleiher über die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Fehlt es daran, kann er wie sich aus dieser Regelung somit ebenfalls ergibt seine Zustimmung zur Einstellung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern. Das gilt, obwohl in einem solchen Fall nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG iVm. § 9 Nr. 1 AÜG zweifelsfrei ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer entsteht. Falls bei einer nicht mehr vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ebenfalls ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entstehen sollte, kann hinsichtlich der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nichts anderes gelten. Unerheblich ist auch, welche sonstigen Rechte des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher im Falle der nicht mehr vorübergehenden Überlassung entstehen könnten.
52 (d) Die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Einstellung von Frau S ist nicht nur vorübergehend iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und verstößt deshalb gegen das in dieser Vorschrift enthaltene Verbot.
53 (aa) Da der Gesetzgeber auf die Festlegung bestimmter Höchstüberlassungsfristen verzichtet hat (vgl. BTDrucks. 17/4804 S. 8), bedarf der Begriff „vorübergehend" in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG der im Wege der Auslegung vorzunehmenden Konkretisierung. Wie diese zu erfolgen hat, ist im Schrifttum umstritten. So wird die Ansicht vertreten, „vorübergehend" sei das Gegenstück zu dauerhaft und weitergehende sachliche Einschränkungen seien nicht gerechtfertigt (Thüsing/Stiebert DB 2012, 632 ff.). Demgegenüber wird vorgeschlagen, auf den konkreten Einsatz eines Leiharbeitnehmers abzustellen und zu prüfen, ob die Entscheidung für den Einsatz als Leiharbeitnehmer statt einer unmittelbaren Einstellung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erfolgt, es dafür also keinen anerkennenswerten Grund gibt (Hamann RdA 2011, 321, 326). Dabei wird teilweise in Anlehnung an das Befristungsrecht darauf abgestellt, ob der Arbeitnehmer beim Entleiher Daueraufgaben wahrnimmt; nicht ausreichen soll es danach, dass lediglich die vorgesehene Entleihdauer kürzer ist als der Arbeitsvertrag zum Verleiher (Düwell ZESAR 2011, 449, 453 f.). Ferner wird die Auffassung vertreten, es komme sowohl arbeitnehmerbezogen auf die Dauer des Einsatzes des Leiharbeitnehmers beim Entleiher als auch arbeitsplatzbezogen auf den beim Entleiher zu besetzenden Arbeitsplatz an. Arbeitnehmerüberlassung sei nur dann vorübergehend, wenn es arbeitsplatzbezogen einen erhöhten Personalbedarf und arbeitnehmerbezogen eine zeitliche Befristung gibt. Zudem seien Kettenbefristungen mehrfacher Einsatz verschiedener Leiharbeitnehmer unzulässig (Ulber/Ulber 4. Aufl. § 1 AÜG Rn. 230u ff.). Teilweise wird auch auf die Leiharbeitsrichtlinie abgestellt. In diesem Zusammenhang wird vertreten, aus der Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie ergebe sich, dass der Entleiher ein berechtigtes Flexibilisierungsinteresse haben müsse (Brors AuR 2013, 108, 112).
54 (bb) Hier kann dahingestellt bleiben, welchem dieser Ansätze zu folgen oder wie der Begriff „vorübergehend" sonst zu konkretisieren ist. Jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung liegt keine „vorübergehende" Arbeitnehmerüberlassung mehr vor. Der Begriff „vorübergehend" in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG wäre sinnentleert, wenn eine ohne jegliche zeitliche Begrenzung vorgenommene Arbeitnehmerüberlassung, bei der der Leiharbeitnehmer anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll, noch als vorübergehend anzusehen wäre. Um einen derartigen Fall handelt es sich hier.
55 3. Eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV besteht nicht. Soweit der Senat vorstehend Ausführungen zum Unionsrecht gemacht hat, ist dessen Auslegung aufgrund von Wortlaut und Systematik der maßgeblichen Regelungen des Unionsrechts hinreichend klar (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415).
56 II. Nachdem über den Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig entschieden ist, fällt der Feststellungsantrag nicht mehr zur Entscheidung an.