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Arbeitsrecht
29.10.2015
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Massenentlassung bei der Fluggastabfertigung auf dem Flughafen Tegel – Sozialplan unwirksam

ArbG Berlin, Urteil vom 7.7.2015 – 13 BV 1848/15

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2015-2746-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsatz der Redaktion

Eine Einigungsstelle muss selbst entscheiden, ob und ggf. in welcher Weise die den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile im Rahmen eines Sozialplans ausgeglichen oder gemildert werden. Die Dotierung des Sozialplans darf nicht von der Entscheidung Dritter abhängig gemacht werden.

§ BetrVG §§ 111, 112

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruches über einen Sozialplan im Betrieb der Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin).

Die Arbeitgeberin hat bislang an den Flughäfen T. und Sch. sog. Passagierabfertigungsdienstleistungen erbracht. Dies umfasste den Check-In, das Baoding, den Ticketverkauf, den Bereich Lost & Found und weitere kleinere Servicebereiche. Bei dem Betrieb T./Sch. handelte es sich um den einzigen Betrieb der Arbeitgeberin. Sie beschäftigte zuletzt ca. 190 Arbeitnehmer. Komplementärin der Arbeitgeberin ist die A.P.S.B.B. GmbH. Einzige Kommanditistin ist die GGB GmbH & Co. KG (im Folgenden: GGB). Deren Kommanditanteile wiederum werden von einem Unternehmen der W.-Gruppe gehalten.

Im Jahre 2008 wurde die GGB von der L. und dem Flughafenbetreiber an die W.-Gruppe veräußert. In dem Kaufvertrag verpflichtete sich die W.-Gruppe, die Standorte bis mindestens Ende 2011 zu erhalten. Die bestehenden Tarifverträge wurden anerkannt und es wurde bis Ende 2012 eine Beschäftigungssicherung zugesagt. Zugleich wurden umfangreiche Konsolidierungsbemühungen unternommen. Im April 2011 wurden Verhandlungen über die geplante Spaltung der GGB in einem Passagebetrieb, einem Betrieb Vorfelddienstleistungen und einem Betrieb Verwaltung aufgenommen. Diese Bereiche wurden zum 01. Mai 2012 rechtlich verselbständigt. Im Zuge der rechtlichen Verselbständigung kam es zum 01. Mai 2012 zu einem Betriebsteilübergang; seit diesem Zeitpunkt werden die Passagedienstleistungen von der Arbeitgeberin erbracht, wobei jedoch die Kundenbeziehungen bei der GGB verblieben, und die GGB ihre Tochtergesellschaft im Rahmen eines Unterauftrags-verhältnisses mit der Erbringung von Dienstleistungen für die Fluggesellschaften betraut hatte. Entsprechend wurde mit der Schwestergesellschaft der Arbeitgeberin, die Vorfelddienstleistungen erbringt, verfahren.

Seit Gründung der Arbeitgeberin wurden Verluste in Millionenhöhe erwirtschaftet, die jeweils von den Gesellschaftern getragen wurden. Auch die GGB erwirtschaftete in den letzten Jahren durchweg Verluste, die jedoch aufgrund der Einbindung in einem Cash-Pooling von der W.-Gruppe ausgeglichen wurden.

Im Rahmen einer – letztlich gescheiterten Tarifinitiative 2014 – versuchte die Geschäftsführung der Arbeitgeberin mit der zuständigen Tarifkommission geänderte Arbeitsbedingungen und eine neue Struktur der Entlohnung zu vereinbaren. Bereits unmittelbar nach dem Scheitern dieser Initiative wurde die Arbeitgeberin von der Gewerkschaft ver.di aufgefordert, in Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag einzutreten. Im Rahmen von ganztägigen Tarifverhandlungen am 21.06.2014 bot die Arbeitgeberseite den Abschluss eines Sozialtarifvertrages an, welcher in Bezug auf die Zahlung von Abfindungen eine Abfindungsformel von 0,5 Gehältern pro Beschäftigungsjahr vorsah. Dieses bis zum 25.06.2015 befristete Angebot wurde seitens der Tarifkommission von ver.di abgelehnt.

In der Folgezeit wurde in Bezug auf die Beschäftigten der Arbeitgeberin am Flughafen Sch. eine Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Dr. P. gebildet, welche am 03.09.2014 durch Spruch einen Sozialplan (Kopien Blatt 163 – 167 der Akte) beschlossen hatte, nachdem zuvor von der GGB zur Finanzierung von Abfindungen, nämlich nach der Formel

§ 3

Abfindungsleitungen

3.1.

Die Abfindungszahlung berechnet sich nach folgender Formel Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsgehalt x Altersfaktor Betriebszugehörigkeit … Bruttomonatsgehalt … Der Altersfaktor beträgt grundsätzlich 0,25. Für Arbeitnehmer die das 35. Lebensjahr vollendet haben, jedoch nicht das 58. Lebensjahr, beträgt der Altersfaktor 0,3 …

3.2.

Für jedes unterhaltsberechtigte Kind erhält der Arbeitnehmer einen Kinderzuschlag in Höhe von € 1.000,00. …

3.3.

Gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Schwerbehinderte oder Arbeitnehmer die gemäß § 3 Abs. 3 SGB IX Schwerbehinderten gleichgestellt sind, erhalten einen Schwerbehindertenzuschlag in Höhe von € 1.000,00. …

Gelder in entsprechender Höhe zugesagt worden waren.

Nachdem sich die GGB entschlossen hatte, die passageseitige Abfertigung am Flughafen T. künftig insgesamt durch andere Anbieter erbringen zu lassen, kündigte sie mit Schreiben vom 09. und 22.09.2014 – wegen der Einzelheiten der Auftragskündigungen wird auf die Ablichtungen Blatt 175 – 177 der Akte verwiesen – sämtliche noch vorhandenen Aufträge aus den Bereichen Check-In zu Anfang November 2014 und die übrigen Aufträge zum 31. März 2015.

Daraufhin nahmen die Betriebsparteien Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans auf, die jedoch nach zwei Verhandlungsrunden scheiterten. Am 28. Oktober 2014 wurde sodann im Vergleichswege eine Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht a. D. V. R. eingesetzt, welcher bereits im Jahr 2012 über mehrere Monate einer Einigungsstelle zur BV-Zeit vorsaß. Das Einigungsstellenverfahren zum Regelungsgegenstand „Interessenausgleich und Sozialplan wegen vollständiger Stilllegung des Betriebes zum 31. März 2015“ endete in der 7. Sitzung der Einigungsstelle vom 21.01.2015 durch Spruch.

Der Entscheidung der Einigungsstelle durch Spruch vorausgegangen waren Schreiben der GGB an die Arbeitgeberin vom 20.01.2015 (Kopien Blatt 243 – 244 der Akte) und vom 21.01.2015 (Kopien Blatt 245 – 246 der Akte) die folgenden Wortlaut haben:

„Kostenübernahmezusage/Gestaltung des Sozialplans

Sehr geehrter Herr A.,

Sie hatten mir mitgeteilt, dass im derzeitigen Einigungsstellenverfahren betreffend die Schließung des Betriebs der APSB ein Sozialplan aufzustellen ist. Auch hatten wir erörtert, dass die APSB angesichts der wirtschaftlichen Situation und der aufgelaufenen Verluste nicht in der Lage ist, mit eigenen Mitteln Abfindungsleistungen für die Mitarbeiter zu erfüllen.

Mit Blick auf unsere soziale Verantwortung gegenüber der Belegschaft sind wir nach Abstimmung mit unserem Gesellschafter bereit, die APSB auch insoweit zu unterstützen, müssen diese Zusage jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Situation der GGB auf ein Mindestmaß beschränken. Wie Sie wissen, können auch wir die notwendigen Mittel nicht aus eigener Kraft aufbringen. Konkret bedeutet dies wie folgt:

Soweit Sie im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens ein Angebot unterbreiten, werden wir die Kosten hierfür übernehmen, soweit sich das Angebot in dem folgenden Rahmen bewegt:

Einrichtung einer Transfergesellschaft mit der folgenden Ausstattungen

Verweildauer

Eintritt 1.3. – doppelte Kündigungsfrist gemäß MTV (Stand Januar 2015) abzüglich eines Monats, min. 5 Monate, max. 11 Monate

Eintritt 1.4. – doppelte Kündigungsfrist gemäß MTV (Stand Januar 2015) abzüglich zwei Monate, min. 5 Monate, max. 10 Monate

Qualifizierungsbudget EUR 2.000,- pro Mitarbeiter + 1/3 der Remanenzkosten, die aufgrund vorzeitigem Austritts von Mitarbeitern erspart werden

Sprinterprämie für Mitarbeiter, die vorzeitig aus der Transfergesellschaft ausscheiden in Höhe von 1/3 der ersparten Remanenzkosten

Pauschale Abfindung für Mitarbeiter, die nicht in die Transfergesellschaft wechseln in Höhe von EUR 1.500,- brutto pro Mitarbeiter, zzgl. EUR 500,- pro Mitarbeiter mit Lebensalter 45 bis 57.

Sozialzuschläge in Höhe von EUR 1000,- pro Kind auf Lohnsteuerkarte sowie für Schwerbehinderung

Sollte der Sozialplan großzügiger ausgestaltet sein, können Sie von uns keinerlei Unterstützung erwarten.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass weitergehende Zusagen nicht gemacht werden können, da die Verluste der APSB aus der Vergangenheit und dem laufenden Geschäftsjahr bereits außerordentlich belastend sind. Im Hinblick auf unsere Zusage zur Finanzierung der Kündigungsfristen, möchte ich klarstellen, dass Gehälter, die aufgrund vorzeitigen Ausscheidens der Mitarbeiter erspart werden, nicht an diese ausgezahlt werden können. Dies ist aufgrund der eingetretenen Verzögerung nicht mehr darstellbar.

Auch müssen wir unsere Zusage unter den Vorbehalt stellen, dass nunmehr in dem Einigungsstellenverfahren zügig eine Lösung gefunden wird. Sollte in der Sitzung am 21. Januar 2015 kein Kompromiss gefunden werden bzw. keine Entscheidung getroffen werden, müssen wir uns vorbehalten, unsere Zusage zurückzuziehen.“

„Kostenübernahmezusage/Gestaltung des Sozialplans

Sehr geehrter Herr A.,

ich komme zurück auf mein Schreiben vom gestrigen Tag und unser eben geführtes Gespräch. sie hatten mir mitgeteilt, dass der Einigungsstellenvorsitzende dringend eine Nachbesserung insbesondere für die Gruppe der älteren Arbeitnehmer empfiehlt, da diese mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen haben.

Alleine aus Gründen der sozialen Verantwortung und mit der Hoffnung, dass eine solche Lösung zur Befriedigung beiträgt, können wir unsere Finanzierungszusage von gestern wie folgt erweitern:

Laufzeit der Transfergesellschaft für Mitarbeiter mit Lebensalter 55 und älter stets 12 Monate, unabhängig von der Dauer der Kündigungsfrist, jedoch maximal bis zum frühest möglichen Rentenbeginn.

Mitarbeiter mit Lebensalter zwischen 55 und 60, die in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten eine zusätzliche pauschale Abfindung von EUR 1.500,- brutto pro Mitarbeiter.

Mitarbeiter, die nicht in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten eine pauschale Abfindung in Höhe von EUR 2.000,- brutto pro Mitarbeiter, zzgl. EUR 750,- pro Mitarbeiter mit Lebensalter 45 bis 54, zzgl. EUR 1.500,- pro Mitarbeiter mit Lebensalter 55 – 60.

Im Übrigen verweise ich auf mein Schreiben vom gestrigen Tag zu diesem Thema und die dort gemachten Einschränkungen über diese Finanzierungszusage.“

Der Spruch hat folgenden Wortlaut:

„Sozialplan

zwischen

der APSB A. P. S. B. GmbH & Co. KG

vertreten durch die A.P.S.B.B. GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer, Herrn B. A.,

– im Folgenden APSB genannt –

und

dem Betriebsrat der APSB,

vertreten durch den stellvertretenden Betriebsvorsitzenden G. R.,

– im Folgenden Betriebsrat genannt –

Präambel:

Die APSB hat aufgrund der Kündigung aller verbleibenden Dienstleistungsaufträge beschlossen, ihren Geschäftsbetrieb zu schließen. Die Interessenausgleichsverhandlung wurden von der APSB im Einigungsstellenverfahren für gescheitert erklärt. Der APSB beabsichtigt daher, die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch im Januar 2015 betriebsbedingt zu kündigen. Ein Teil der Belegschaft wird bereits ab dem 01. Februar 2015 nicht mehr benötigt. Der verbleibende Teil der Belegschaft der aktuell noch für die Erfüllung der noch laufenden Aufträge benötigt wird, wird ab dem 01. April 2015 ebenfalls nicht mehr benötigt.

Um den betroffenen Arbeitnehmern, die nicht davon ausgehen, unverzüglich eine geeignete Anschlussbeschäftigung zu finden, eine angepasste berufliche Qualifizierung zu ermöglichen und die Aufnahme n den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern, vereinbaren die Parteien im Folgenden die Einrichtung von Transportgesellschaften gemäß den gesetzlichen und den nachfolgenden Bestimmungen.

§ 1 Geltungsbereich

Der Transfersozialplan gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der APSB mit Ausnahme der leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG, soweit sie bei Abschluss dieser Betriebsvereinbarung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur APSB stehen und ihr Ausscheiden auch nicht aufgrund des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages bereits feststeht (nachfolgende „Arbeitnehmer“).

Teil A: Transfergesellschaft

§ 2 Einrichtung einer Transfergesellschaft

1.

Für die Arbeitnehmer gemäß § 1 dieser Vereinbarung werden zwei Transfergesellschaften i.S.d. § 111 SGB III eingerichtet, deren Trägerin die Fa. W.-P. GmbH (im Folgenden „Trägerin“) ist. Die Transfergesellschaften werden hierbei zum 1. März 2015 sowie zum 1. April 2015 eingerichtet.

2.

Bedingung für die Einrichtung der Transfergesellschaft ist, dass die Bundesagentur für Arbeit Transferkurzarbeitergeld für die Maßnahme gemäß § 111 SGB III dem Grund nach bewilligt.

§ 3 Wechsel in die Transfergesellschaft

1.

Die Arbeitnehmer, die in der Anlage aufgeführt sind, wird ein Wechsel in die zum 1. März 2015 errichtete Transfergesellschaft angeboten. Allen übrigen Arbeitnehmern wird ein Wechsel in die zum 1. April 2015 errichtete Transfergesellschaft angeboten.

2.

Ein Wechsel in die Transfergesellschaft gemäß vorstehendem Ansatz ist nur möglich, wenn die betreffenden Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 Abs. 4 SGB III erfüllt. Dies bedeutet insbesondere, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich vor dem Wechsel in die Transfergesellschaft arbeitssuchend zu melden und an einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten (sog. Profiling-Maßnahme) teilzunehmen. Können in berechtigten Ausnahmefällen trotz Mithilfe der Agentur für Arbeit die notwendigen Feststellungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt werden, sind diese im unmittelbaren Anschluss an die Überleitung innerhalb eines Monats nachzuholen.

3.

Der Wechsel in die Transfergesellschaft erfolgt mittels eines dreiseitigen zwischen der APSB, dem jeweiligen Arbeitnehmer und dem Träger geschlossenen Vertrages. Dieser Vertrag sieht Aufnahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft zum jeweils maßgeblichen Wechseldatum unter gleichzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der APSB zum Wechseldatum vor. Ein Muster der dreiseitigen Verträge ist dieser Betriebsvereinbarung als Anlage beigefügt.

§ 4 Laufzeit der befristeten Verträge mit der Transfergesellschaft

1.

Treten Arbeitnehmer zum 01. März 2015 in die Transfergesellschaft ein, bestimmt sich die Laufzeit des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft nach folgender Formel:

Doppelte Kündigungsfrist gemäß § 26 Manteltarifvertrag für die Bodenverkehrsdienste in Berlin und Brandenburg (Stand Januar 2015) abzüglich einen Monat, mindestens aber 5 Monate, höchstens 11 Monate.

2.

Treten Arbeitnehmer zum 01. April 2015 in die Transfergesellschaft ein, bestimmt sich die Laufzeit des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft nach folgender Formel:

Doppelte Kündigungsfrist gemäß § 26 Manteltarifvertrag für die Bodenverkehrsdienste in Berlin und Brandenburg (Stand Januar 2015) abzüglich zwei Monate, mindestens aber 5 Monate, höchstens 10 Monate.

3.

Bei Arbeitnehmern, die zum Zeitpunkt des Eintritts in die Transfergesellschaft das 55. Lebensjahr vollendet haben, beträgt die Laufzeit des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft stets 12 Monate, sofern die Arbeitnehmer nicht während dieser Zeit Anspruch auf Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente ggf. mit Rentenabschlägen haben. Besteht während der 12 Monate Anspruch auf Altersrente ggf. mit Rentenabschlägen, so endet die Befristung mit dem Beginn des Monats, an dem der Anspruch erstmals entsteht.

4.

Das Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft kann von dem Arbeitnehmer nur innerhalb einer Frist von 10 Tagen nach Erhalt des schriftlichen Angebotes angenommen werden, soweit im Rahmen des Angebotes nicht explizit eine längere Annahmefrist vorgesehen ist.

§ 5 Vergütung in der Transfergesellschaft, Urlaub

§ 6 Probebeschäftigung während Transfergesellschaft

§ 7 Sprinterprämie

1.

Für jeden vollen Monat der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vor Ablauf der vereinbarten Befristung erhält der Arbeitnehmer eine Sprinterprämie. Diese beträgt 1/3 der für den Arbeitnehmer ohne sein vorzeitiges Ausscheiden aus der Transfergesellschaft zur Verfügung stehenden Remanenzkosten, die angefallen wären, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung in der Transfergesellschaft verblieben wäre („eingesparte Remanenzkosten“). Die Remanzkosten umfassen die Aufstockungsleistungen zum Transferkurzarbeitergeld, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, Personalkosten für Urlaubs- und Feiertage sowie die Beiträge zur Berufsgenossenschaft.

2.

Der Anspruch auf die Sprinterprämie ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft aufgrund einer Kündigung durch die Transfergesellschaft endet, die auf Gründen beruht, die zu einem nachträglichen Wegfall des Transferkurzarbeitergelds führen (z. B. Nichtteilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen).

3.

Die Sprinterprämie wird innerhalb eines Monates nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft abgerechnet und an den Arbeitnehmer ausgezahlt.

§ 8 Qualifizierung

1.

Die APSB stellt für jeden Arbeitnehmer, der in die Transfergesellschaft wechselt, ein Budget in Höhe von 2.000,- EUR für Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung. Das Qualifizierungsbudget steht den Arbeitnehmern, die in die Transfergesellschaft wechseln, gemeinsam zur Verfügung und wird je nach individuellem Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarf eingesetzt. Soweit das Qualifizierungsbudget nicht verbraucht wird, stehen die Mittel der APSB zu.

2.

Scheiden Arbeitnehmer gemäß § 7 Abs. 1 vorzeitig aus der Transfergesellschaft aus, erhöht sich das Qualifizierungsbudget um 1/3 der eingesparten Remanenzkosten für diesen Arbeitnehmer gemäß § 7 Abs. 1 S. 2, S. 3.

§ 9 Beirat

§ 10 Kostenübernahme durch Arbeitgeber

Teil B: Abfindungsleistungen, Sozialzuschläge

§ 11 Abfindungspauschale, Alterszuschlag

1.

Arbeitnehmer, die nicht in die Transfergesellschaft wechseln, haben Anspruch auf eine Abfindungspauschale in Höhe von EUR 2.000,-.

2.

Die Abfindungspauschale gemäß Abs. 1 erhöht sich bei Arbeitnehmern, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Sozialplans das 45. Lebensjahr, nicht aber das 55. Lebensjahr vollendet haben, um EUR 750,-, bei Arbeitnehmern, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Sozialplans das 55., nicht aber das 61. Lebensjahr vollendet haben, um EUR 1.500,-.

3.

Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Sozialplans das 55., nicht aber das 61. Lebensjahr vollendet haben und in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten einen Alterszuschlag in Höhe von EUR 1.500,-.

§ 12 Sozialzuschläge

1.

Arbeitnehmer, die einem Kind zum Unterhalt verpflichtet sind, erhalten für jedes unterhaltspflichtige Kind einen Kinderzuschlag in Höhe von EUR 1.000,- brutto. Eine Unterhaltspflicht wird angenommen, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Sozialplans in der Lohnsteuerkarte eingetragen ist. Andernfalls muss der Arbeitnehmer einen geeigneten anderweitigen Nachweis erbringen.

2.

Gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannte Schwerbehinderte sowie Arbeitnehmer, die gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX Schwerbehinderten gleichgestellt sind, erhalten einen Schwerbehindertenzuschlag in Höhe von EUR 1.000,- brutto. Maßgeblich ist der Status zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

§ 13 Fälligkeit der Abfindung

1.

Abfindungszahlungen gemäß §§ 11, 12 sind Bruttozahlungen und sind mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Zahlung fällig.

2.

Erhebt ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage oder ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder die Höhe von Zahlungen für den Verlust des Arbeitsplatzes aus sonstigen Gründen streitig, so ruht der Abfindungsanspruch bis zur rechtskräftigen Abweisung der Klage oder bis zum Abschluss des Vergleichs, in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich festgestellt wird.

§ 14 Anrechnung vergleichbarer Leistungen, Ausschluss von Leistungen

§ 15 Schlussbestimmungen

1.

Sollten eine oder mehrere Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden oder sollte sich eine Lücke ergeben, wird hierdurch die Wirksamkeit des Sozialplans im Übrigen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung oder zum Ausfüllen von Lücken soll eine angemessene Regelung treten, die, soweit rechtlich möglich, wirtschaftlich dem am nächsten kommt, was die Parteien nach dem Sinn und Zweck des Sozialplans gewollt hätten, sofern sie diesen Punkt bedacht hätten.

2.

Die Vereinbarung tritt am 21. Januar 2015 in Kraft und endet mit Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen.“

Bestandteil des Spruchs ist eine Anlage Personalliste (Kopien Blatt 23 – 25 der Akte) sowie eine Anlage „Muster eines dreiseitigen Vertrages über Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses“, wegen dessen Einzelheiten auf die Ablichtungen Blatt 26 – 36 der Akte verwiesen wird.

Der Spruch wurde der Betriebsratsseite am 26. Januar 2015 zugeleitet. Mit Beschluss des Betriebsrates vom 04.02.2015 wurden die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers und Beteiligten zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) mit der Anfechtung des Spruchs beauftragt.

Mit seiner am 09.02.2015 bei Gericht eingegangenen und der Arbeitgeberin am 17.02.2015 zugestellten Antragsschrift ficht der Betriebsrat den Einigungsstellenspruch an.

Er ist der Auffassung, dass die Regelungen zur Transfergesellschaft eine Reihe von Ermessen- und Rechtsfehlern enthalten würden. Ebenso sei auch der Spruch unter Einbeziehung des Sozialplanteils ermessensfehlerhaft. Losgelöst von der grundsätzlichen Frage der Spruchfähigkeit einer Transfergesellschaft sei jedoch stets zu beachten, dass Interessenausgleichsregelungen aufgrund fehlender Spruchkompetenz zu vermeiden seien. Dies gelte ebenso für Regelungen, die vom Zuständigkeitsbereich einer Einigungsstelle nicht gedeckt seien. Das sei vorliegend jedoch der Fall; zu den Anfechtungsgründen im Einzelnen trägt er vor:

-Der Spruch enthalte unter ausdrücklicher Bezugnahme in § 3 Abs. 1 des Sozialplans eine Personalliste der Beschäftigten, denen der Wechsel in die Transfergesellschaft angeboten werden solle. Diese Liste enthalte 133 Beschäftigte; ca. 1/3 der betroffenen Beschäftigten seien gar nicht aufgeführt.

- Der Einigungsstellenspruch verweise darüber hinaus in § 3 Abs. 3 letzte Zeile auf einem in der Anlage beigefügten 3-seitigen Vertrag über Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses. Dieses Muster sei nicht nur aufgrund der Verweisung in § 3 Teil des Spruchs, sondern auch ausweislich der Überschrift „APSB-Spruch der Einigungsstelle vom 21.01.2015“ zu Beginn der Anlage Teil des Spruchs. Der Inhalt des Aufhebungsvertrages werde durch den Spruch im Einzelnen festgelegt.

- Darüber hinaus habe die Einigungsstelle sogar zusätzliche Pflichten der Beschäftigten begründet. So sei per Spruch entschieden worden, was die Beschäftigten gemäß § 1 Abs. 10 des Aufhebungsvertrages zu erklären haben und dass mit Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt seien.

- Die Einigungsstelle habe außerdem bei der Festlegung der Klauseln in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 des Aufhebungsvertrages dem Beschäftigten, die in die Transfergesellschaft wechseln wollen, weitere Pflichten, und zwar individualrechtliche Pflichten im Verhältnis zur Arbeitgeberin, auferlegt.

- In der Anlage Personalliste habe die Einigungsstelle per Spruch geregelt, wann welche Beschäftigten in die Transfergesellschaft eintreten dürfen; hierbei handele es sich um Interessenausgleichsregelungen.

- Auch die Regelungen, wonach die Beschäftigten einen Teil der eigenen Kündigungsfrist einzubringen hätten, wenn sie in die Transfergesellschaft wechseln wollen, betreffen die individuellen arbeitsvertraglichen Bedingungen. Insbesondere die Annahmeverzugsansprüche der Beschäftigten seien nicht spruchfähig.

- Nicht spruchfähig seien auch die Ausführungen in Präambel des Sozialplans.

- Einen Ermessensfehler stelle es darüber hinaus dar, dass die Beschäftigten, die für einen relativ langen Zeitraum in die Transfergesellschaft wechseln können, weitaus mehr materielle Leistungen erhalten als diejenigen, die nicht wechseln. Dies stelle einen groben Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar.

- Der Übergang in die Transfergesellschaft sei freiwillig und ergebe auch tatsächlich für Beschäftigte, die dieses Instrument nicht als „Warteschleife“ zum Bezug von Arbeitslosengeld und anschließende Altersrente nutzen können, keinen Sinn, müssten sie doch einen Teil ihrer ansonsten von der Arbeitgeberin in voller Höhe zu vergütenden Kündigungsfrist mit einbringen, um dann in einem Qualifizierungs-Arbeitsverhältnis „geparkt“ zu werden, bei dem mangels finanzieller Ausstattung gar keine Qualifizierung für eine andere Berufstätigkeit stattfinden könne. Diese Wechselmöglichkeit könnte daher für den genannten Beschäftigtenkreis nicht als substantielle Milderung der wirtschaftlichen Nachteile angesehen werden, da sie diesen Zweck nicht erfüllen könne und damit untauglich sei. Somit müssten die Abfindungsregelungen, die in dem Spruch enthalten seien, für diese Beschäftigten entweder eine substantielle Milderung darstellen oder, falls dies nicht der Fall sei, müsste die Einigungsstelle zu Recht bzw. ermessenfehlerfrei davon ausgegangen sein, dass höhere Abfindungsbeträge bzw. ein größeres Abfindungsvolumen die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit überschritten hätte, was angesichts der Regelungen in §§ 11 (Abfindungspauschale, Alterszuschlag) und § 12 (Sozialzuschläge) nicht der Fall sei; von einer substantiellen Milderung könne keine Rede sein. Die Abfindungsregelungen kämen, was vom Geschäftsführer der Arbeitgeberin im Rahmen einer Betriebsversammlung am 28.01.2015 eingeräumt worden sei, einem Nullsozialplan sehr nahekommend.

- Hinsichtlich der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Abfindungszahlungen habe die Einigungsstelle die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Arbeitgeberin unter Einbeziehung in das Unternehmensgeflecht der W.-Gruppe verkannt. Die Einigungsstelle hätte bei Aufstellung des Sozialplans nicht allein auf die Vermögenslage der Arbeitgeberin und die Finanzierungszusage der GGB (Muttergesellschaft) abstellen dürfen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen zur Ausstattung eines Sozialplans im Wege eines Berechnungsdurchgriffs auf Konzernobergesellschaften vorliegen würden, was ausgeführt wird.

Der Betriebsrat beantragt,

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan zur Betriebsstillegung der Beteiligten zu 2) und dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht Berlin a. D. Herr V. R. vom 21.01.2015 unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 21.01.2015 wirksam ist. Die von dem Betriebsrat erhobenen Anfechtungsgründe in Form der gerügten Ermessensfehler und/oder Rechtsfehler berührten die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruches nicht.

Zur Anfechtung von Teil A des Einigungsstellenspruchs erwidert die Arbeitgeberin zunächst, dass grundsätzlich von der Spruchfähigkeit einer Transfergesellschaft auszugehen sei. Vorliegend sei die Transfergesellschaft nicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers eingesetzt worden; im Gegenteil habe hier die Zustimmung vorgelegen. Die Einrichtung einer Transfergesellschaft und die Möglichkeit, vor Ablauf der Kündigungsfrist hierhin zu wechseln, würden gerade nicht zu einer Veränderung der Betriebsänderung führen, da die Mitarbeiter zu dem Zeitpunkt, zu dem ihnen der Wechsel in die Transfergesellschaft angeboten worden sei, nicht mehr benötigt worden seien, da sie bereits freigestellt gewesen seien. Hinsichtlich der Regelungen zur Transfergesellschaft sei zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 112 Abs. 5 S. 2 lit. 2 a) BetrVG ausdrücklich eine Verpflichtung der Einigungsstelle vorsehe, die Förderungsmöglichkeiten nach den Bestimmungen des SGB III zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht werde nicht müde zu betonen, dass es bei der Konzipierung von Sozialplänen um Milderung von in der Zukunft drohenden Nachteilen – und nicht um eine pauschalierte Abfindung von „Betriebszugehörigkeiten“ gehe. Gerade wenn nur wenige Mittel zur Verfügung stünden, könne eben nicht mit alt hergebrachten Formeln operiert werden, sondern sollten bzw. müssen mögliche Transfermaßnahmen genutzt werden. Soweit der Betriebsrat argumentiere, eine Regelung, wonach die eigene Kündigungsfrist einzubringen sei und damit auf Ansprüche nach § 615 BGB verzichtet werden müsse „sei nicht spruchfähig, werde die Systematik des Sozialplans missverstanden. Der Wechsel in die Transfergesellschaft sei ein Angebot an die Beschäftigten, das sie annehmen oder ignorieren können; wer das Angebot annehme, erhalte dann in der Tat die Gelder, die ihm während seiner restlichen Kündigungsfrist vom Arbeitgeber geschuldet werden, nicht von dem Arbeitgeber, sondern von der Transfergesellschaft. Zwar würden die monatlichen Zahlungen abgesenkt, dafür werden sie aber auf einen längeren Zeitraum verteilt, woraus sich für den Arbeitnehmer – in Kombination mit dem Transferkurzarbeitergeld und den Qualifizierungs- und Vermittlungsunterstützungen der Transfergesellschaft – ein Vorteil ergeben könne. Wer das Angebot hingegen ablehne, verliere hierdurch selbstredend nicht seinen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung während der Kündigungsfrist. Hinsichtlich der weiteren monierten Fehler in Bezug auf die Auferlegung von Pflichten bzw. Beschränkung von Rechten gelte nichts anderes, was ausgeführt wird. Insoweit sei nicht ersichtlich, weshalb der Einigungsstellenspruch unwirksam sein sollte. Auch in Bezug auf die Formulierung der Präambel könne nichts anderes gelten. Die Präambel solle erläutern, worum es gehe, was geschehen sei und welchen Zweck die nachfolgenden Regelungen haben. Die Präambel selbst enthalte jedoch keine Regelungen. Damit bedürfe es insoweit keiner weiteren Überlegungen. Denn schließlich können nur Regellungen nicht spruchfähig oder ermessensfehlerhaft seien.

Zur Anfechtung von Teil B des Einigungsstellenspruchs erwidert die Arbeitgeberin, dass der Betriebsrat nicht nachvollziehbar dargelegt habe, welche Gesellschaft auf welcher Rechtsgrundlage für eine (verbesserte) Dotierung des Sozialplans hätten aufkommen sollen bzw. im Falle der Wiederholung des Einigungsstellenverfahrens aufkommen soll. Sie (die Arbeitgeberin) habe umfangreiche rechtliche Ausführungen zu theoretisch denkbaren Grundlagen für eine „Durchgriffshaftung“ gemacht; die fehlenden Voraussetzungen für eine solche Haftung seien seitens des Betriebsrats unkommentiert bzw. unwidersprochen geblieben. Vielmehr beschränke sich der Betriebsrat darauf, Informationsmängel zu rügen, ohne auch nur im Ansatz nachvollziehbar zu machen, welche rechtlichen Konsequenzen sich denn ergeben würden, wenn – wie von ihm vermutet werde – die als „schuldige identifizierte WISAG“ das vermeintlich ursprünglich prosperierende Geschäft der Arbeitgeberin ruiniert und an den Rand der Existenz gebracht hätte. Selbst wenn das – was weiterhin ein Irrglaube sei – der Fall gewesen wäre, bliebe die Frage völlig ungeklärt, welche Gesellschaft auf welcher Rechtsgrundlage haften würde.

Im Ergebnis bleibe somit festzuhalten, dass eine Gesellschaft, die nicht über die Mittel verfüge, einen Sozialplan zu finanzieren, ein solcher nicht durch einen Einigungsspruch aufoktroyiert werden könne. Vorliegend verhalte es sich so, dass auch die Kommanditistin, die ihr bislang die Mittel zur Verfügung gestellt habe, um eine Insolvenz zu vermeiden, nicht aus eigener Kraft über Gelder verfüge, um einen Sozialplan zu finanzieren. Dennoch habe sie sich bereiterklärt, sowohl die Gehälter der Mitarbeiter nach Ausspruch der Auftragskündigung von November bis März 2015 bis zum Ende der jeweiligen Kündigungsfristen zu zahlen (ca. 0,55 Mio. monatlich) als auch einen schmalen Sozialplan mit einer gut dotierten Transfergesellschaft zu finanzieren. Da mit dem Geschäft nie Geld verdient, sondern immer nur Verluste gemacht worden seien, könne auch moralisch nicht mehr erwartet werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die Protokolle der Sitzungen der Einigungsstelle vom 28.11.2014, 02.12.2014, 04.12.2014, 18.12.2014, 13.01.2015, 16.01.2015 und 21.01.2015 (Kopien Blatt 178 – 222 der Akte), verwiesen.

Aus den Gründen

II.

Der Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan vom 21.01.2015 ist unwirksam.

 

A.

Der Antrag des Betriebsrats ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

Der Antrag ist auf das Nichtbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten gerichtet. Der Betriebsrat möchte festgestellt wissen, dass die Einigung über den Sozialplan durch den Spruch der Einigungsstelle nicht wirksam ersetzt worden ist. Das Feststellungsbegehren ist dafür die zutreffende Antragsart. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs und nicht seine Aufhebung zu beantragen (BAG vom 28. Mai 2002 – 1 ABR37/01 – BAGE 101, 203 ff [BB 2003, 160 Ls]).

Der Betriebsrat besitzt das erforderliche Feststellungsinteresse. Im Verfahren nach den Vorschriften der §§ 76 Abs. 5 Satz 4, 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG geht es um Rechtskontrolle. Es ist darüber zu befinden, ob der Spruch der Einigungsstelle eine wirksame betriebliche Regelung darstellt. An der Klärung dieser Frage haben beide Betriebsseiten ein rechtliches Interesse unabhängig davon, ob sie die betreffende Regelung hätten verhindern können oder durch sie beschwert sind oder nicht (BAG vom 8. Juni 2004 – 1 ABR 4/03 – zitiert nach juris [BB 2005, 836 Ls]).

 

B.

Der Antrag des Betriebsrates ist begründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist unwirksam.

 

1.

Die Einigungsstelle war zur Aufstellung eines Sozialplans gemäß § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zuständig, da sie eine Betriebsänderung in Form der „Stilllegung des ganzen Betriebs“ vorgenommen hat.

 

2.

Der Spruch verstößt gegen das der Einigungsstelle in § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG eingeräumte Ermessen. Danach hat die Einigungsstelle sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten.

 

2.1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, obliegt allein das Ergebnis der Tätigkeit der Einigungsstelle, d. h. ihr Spruch aufgrund der damals vorhandenen Umstände, nicht aber Überlegungen der Einigungsstelle und Erwägungen bei der Entscheidungsfindung im Einzelnen. Die Ermessensüberprüfung eines Einigungsstellenspruchs hat die Frage zum Gegenstand, ob die durch den Spruch getroffene Regelung als solche die Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt und zu einem billigen Ausgleich bringt, wobei diese Belange und auch diejenigen tatsächlichen Umstände, die das jeweilige Gewicht dieser Belange begründen, festzustellen sind. Das Gericht hat hingegen nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Einigungsstelle zu setzen (BAG, Beschluss vom 17.10.1989 – 1 ABR 31/87 [BB 1990, 354 Ls]; BAG, Beschluss vom 30.08.1995 – 1 ABR 4/95 – zitiert jeweils nach Juris [BB 1996, 643]). Hält sich der Spruch der Einigungsstelle innerhalb des gesetzlichen Ermessensrahmens, hat das Gericht ihn hinzunehmen, weil das Recht bei Beachtung des Ermessensrahmens nicht verletzt ist. Mithin bezieht sich die gerichtliche Beurteilung allein auf die getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Grenze des Ermessens muss in der Regelung selbst als Ergebnis des Abwägungsvorgangs liegen.

 

2.2.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Einigungsstellenspruch unwirksam. Diese richterliche Überzeugung beruht – kurz zusammengefasst – auf folgenden Erwägungen:

 

2.2.1.

Präambel

Mit Recht verweist der Betriebsrat auf die fehlende Spruchfähigkeit einer Präambel. Ob der Inhalt der Präambel – wie die Arbeitgeberin meint – wegen einer fehlenden eigenständigen Regelung unbeachtlich sei, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es einem Spruch nicht zugänglich, dass infolge der arbeitgeberseitig für gescheitert erklärten Interessenausgleichsverhandlungen in der Präambel niedergelegt wird, dass „die Parteien im Folgenden die Einrichtung von Transfergesellschaften … und die nachfolgenden Bestimmungen vereinbaren.“ Eine Vereinbarung liegt nicht vor und ist auch nicht durch Spruch ersetzbar. Die Präambel ist daher unwirksam.

 

2.2.2.

Teil A – Transfergesellschaft

Die Kammer geht mit der Einigungsstelle davon aus, dass in einem Sozialplan grundsätzlich auch Regelungen zu einer Transfergesellschaft spruchfähig sind, d.h. der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen.

 

(1)

Soweit ersichtlich liegt obergerichtliche bzw. höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Spruchfähigkeit einer Transfergesellschaft nicht vor. Mit Recht verweist die Arbeitgeberin jedoch auf § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 2a) BetrVG, wonach die Einigungsstelle im Rahmen ihres Ermessens zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit die im SGB III vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen hat mit der Folge, dass dahingehende Regelungen auch gegen den Willen einer Betriebspartei durch Spruch ersetzt werden können.. Die Kammer ist daher auch der Auffassung, dass Regelungen zu einer Transfergesellschaft grundsätzlich spruchfähig sind, sofern eine klare Trennung zu nicht der Mitbestimmung unterliegenden Sachverhalten – insbesondere zu Interessenausgleichsregelungen – vorliegt (so auch Fitting § 112 BetrVG Rn 277).

 

(2)

Wenn aber Regelungen zu einer Transfergesellschaft spruchfähig sind, ist es Aufgabe der Einigungsstelle den mitbestimmungspflichtigen Gegenstand selbst abschließend zu regeln. Daraus folgt, dass die getroffene Regelung in ihrem Ergebnis auch denjenigen Interessen Rechnung tragen muss, um derentwillen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht (BAG vom 30. August 1995 – 1 ABR 4/95 – BAGE 80, 366, 378 [BB 1996, 643]; BAG vom 8. Juni 2004 – 1 ABR 4/03 – [BB 2005, 836 Ls], vom 9. Juli 2013 – 1 ABR 19/12 –, vom 11. Februar 2014 – 1 ABR 72/12 – jeweils zitiert nach juris). Das Verfahren vor der Einigungsstelle dient dazu, die regelungsbedürftige Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge vollständig zu lösen; demzufolge ist ein Einigungsstellenspruch per se unwirksam, wenn die Einigungsstelle ihren Regelungsauftrag nicht bzw. nicht ausreichend nachkommt und keine abschließende Regelung trifft (BAG vom 11. Januar 2011 – 1 ABR 104/09 – BAGE 136, 353). Denn dann gestaltet nicht die unter angemessener Berücksichtigung der jeweiligen Belange getroffene Ermessens-entscheidung der Einigungsstelle die der Mitbestimmung unterliegende Angelegenheit, sondern entweder das Ermessen des Arbeitgebers oder das Ermessen eines Dritten, wie hier der Transfergesellschaften (z.B. der Fa. w. –p. GmbH).

 

(3)

Die vorliegende Ausgestaltung von Teil A des Sozialplans hält sich nicht an diese Vorgaben.

Indem sich die Einigungsstelle in an sich nicht zu beanstandender Weise entschlossen hat, die Förderungsmöglichkeiten nach dem SGB III zu berücksichtigen und den Beschäftigten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit anzubieten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, hätte sie sich jedoch im Einzelnen mit den Belangen der Beschäftigten auseinandersetzen müssen (welche Ausbildung/ berufliche Tätigkeit liegt vor? welche Kenntnisse und Fähigkeiten sollen durch welche individuellen Weiterbildungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen vermittelt werden? etc.) Hierzu sowie zu einer beruflichen Neuorientierung enthält der Spruch keine konkreten Angaben/ Bestimmungen. Allein in § 8 Nr. 1 des Einigungsstellenspruchs heißt es, dass für jeden Arbeitnehmer „für Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ein Budget in Höhe von 2.000,00 EUR zur Verfügung gestellt“ wird, und dass „das Qualifizierungsbudget nach individuellem Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarf eingesetzt“ wird. Diese Regelung regelt in Bezug auf Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen der betroffenen Arbeitnehmer inhaltlich nichts, schon gar nichts in Bezug auf individuelle Maßnahmen. Eine solche – inhaltsleere – Bestimmung wird dem Auftrag der Einigungsstelle nach vollständiger Regelung substantieller Milderung von Nachteilen infolge des Arbeitsplatzverlustes nicht gerecht. Von einer umfassenden und vollständigen Regelung der Einigungsstelle kann jedenfalls keine Rede sein. Vielmehr wird die inhaltliche Ausgestaltung der Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen – und damit die wesentlichen Aspekte der der Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen – vollständig der Transfergesellschaft (Fa. w.-p. GmbH) überlassen. Dies stellt eine unzulässige Ermessensüberschreitung dar, da die Einigungsstelle ersichtlich ihren Regelungsspielraum verkannt hat. Somit erweist sich bereits der Kern von Teil A des Einigungsstellenspruchs als unwirksam.

Die Unwirksamkeit von § 8 Nr. 1 des Sozialplans führt nach § 139 BGB auch zur Unwirksamkeit der übrigen Bestimmungen von Teil A, da der verbleibende Teil keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr enthält.

 

(4)

Eine Auseinandersetzung mit den vom Betriebsrat gerügten Rechts- und Ermessensfehlern in Bezug auf die – seiner Auffassung nach nicht spruchfähigen Regelungen - von Teil A bzw. den hierzu beschlossenen Anlagen erübrigt sich.

 

2.2.3.

Teil B – Abfindungsleistungen, Sozialzuschläge

Die Regelungen in §§ 11 und 12 des Sozialplans sind nach Auffassung der Kammer ebenfalls unwirksam. Denn es ist unzulässig, die Dotierung des Sozialplans von der Entscheidung eines Dritten abhängig zu machen; vielmehr muss die Einigungsstelle selbst entscheiden, ob und ggf. in welcher Weise die den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden. Die vorgesehenen Leistungen sind zudem unzureichend. Die Einigungsstelle hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die aufgetretenen Verluste der Arbeitgeberin bislang konzernintern ausgeglichen wurden und deshalb zu erwarten gewesen ist, dass auch angemessene Abfindungen innerhalb des Konzerns finanziert werden würden. Dies gilt umso mehr, als die GGB aufgrund der Finanzierungszusage des Sozialplans für die Beschäftigten der Arbeitgeberin am Flughafen Sch. eine Selbstbindung eingegangen ist, an der sie sie unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung festhalten lassen muss (2).

 

(1)

Es stellt einen Ermessensfehler dar, dass die Einigungsstelle hinsichtlich der Dotierung des Sozialplans sich den Vorgaben der GGB unterworfen hat. Dies ist mit der Funktion der Einigungsstelle, den regelungsbedürftigen Gegenstand eigenständig zu regeln unvereinbar. Dies gilt umso mehr, als ausweislich der Schreiben der GGB vom 20. Januar 2015 und 21. Januar 2015 auch hinsichtlich „der Gestaltung“ des Sozialplans konkrete Vorgaben gemacht worden sind. Die Regelungen in §§ 11 und 12 des Spruchs der Einigungsstelle sind nahezu identisch mit diesen Vorgaben. Wenn die Einigungsstelle quasi par ordre du mufti die Vorgaben der GGB umsetzt, hat sie sich ihrer eigenen Entscheidungskompetenz begeben, was ermessensfehlerhaft ist.

 

(2)

Die finanziellen (Abfindungs-) Leistungen sind zudem unzureichend. Die Einigungsstelle hat die wirtschaftliche Vertretbarkeit des zur Verfügung stehenden Sozialplanvolumens verkannt.

 

(a)

Nach § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG hat die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Diese bestimmen den Sozialplanbedarf und die regelmäßige Untergrenze des Sozialplanes. Die Einigungsstelle muss mindestens Leistungen vorsehen, die noch als substantielle, spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile angesehen werden können (BAG, Beschluss vom 24.08.2004 – 1 ABR 23/03 – AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972 [BB 2005, 1631]). Nach § 112 Abs. 5 S. 2 Ziff. 3 BetrVG hat die Einigungsstelle ferner darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze durch die Regelungen in dem Spruch nicht gefährdet werden. Im Übrigen sind die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit im Gesetz nicht ausdrücklich definiert. Bei einem wirtschaftlich wenig leistungsstarken Unternehmen können im Falle der Entlassung eines großen Teils der Belegschaft auch einschneidende Belastungen bis an den Rand der Bestandsgefährdung vertretbar seien (BAG, Beschluss vom 06.05.2003 – 1 ABR 11/02 – AP Nr. 161 zu § 112 BetrVG 1972 [BB 2004, 218]). Eine Bestandsgefährdung in Form der Insolvenz kann sich ergeben aus mangelnder Liquidität oder Überschuldung. Die Überschuldung ist zu unterscheiden von der bloßen Unterbilanz. Während es für das Bestehen einer Unterbilanz genügt, dass bei Zugrundelegung der Handelsbilanz die Passiva die Aktiva übersteigen, liegt rechnerische Überschuldung erst vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft auch bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 [BB 1992, 1898]).

 

(b)

Bei der Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplanvolumens ist grundsätzlich auf das betreffende Unternehmen abzustellen, in welchem die Betriebsänderung durchgeführt wird. Aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitgeberin seit ihrer Gründung durchweg jährlich negative Ergebnisse erwirtschaftet hat, wäre es bei einer rein isolierten Betrachtung nicht gerechtfertigt, höhere Abfindungszahlungen als wirtschaftlich angemessen und vertretbar anzusehen. In dieser Einschätzung folgt die Kammer der Einigungsstelle.

 

(c)

Auch wenn eine generell konzerndimensionale Betrachtung nicht stattfindet ist in Bezug auf die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplanvolumens noch nicht abschließend geklärt, wie weit von diesem Grundsatz in bestimmten Konstellationen Abweichungen zuzulassen sind. Kennzeichnend für alle Ausnahmetatbestände ist, dass der Berechnungsdurchgriff dazu führt, dass ein Unternehmen, dass selbst wirtschaftlich nicht in der Lage ist zur substantiellen Milderung wirtschaftlicher Nachteile Sozialpläne mit höheren Abfindungszahlungen zu finanzieren, gleichwohl hierzu verpflichtet ist, wenn die wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens dies zulässt. Der Berechnungsdurchgriff setzt deshalb grundsätzlich einen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung voraus (vgl. BAG, Beschluss vom 29.09.2010 – 3 AZR 427/08 – zitierte nach Juris [BB 2011, 575 m. BB-Komm. Bissels]).

 

Die Protokolle der Einigungsstellensitzungen belegen hinreichend, dass sich die Einigungsstelle auch mit eventuell in Betracht kommenden „Ausnahmetatbeständen“ auseinandergesetzt und diese im Ergebnis verneint hat.

 

Die Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung von Gesellschaftern für ihre Gesellschaft auch in gesetzlich nicht geregelten Fällen hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Der BGH hat in der maßgebenden Entscheidung vom 16.07.2007 – II ZR 3/04 [Trihotel] BGHZ 173, 246 [BB 2007, 1970; RIW 2007, 781 m. Anm. Sester]) den unter dem Stichwort „qualifiziert faktischer GmbH-Konzern“ an dem Missbrauch der Rechtsform der GmbH anknüpfenden Handlungsdurchgriff der Gläubiger der Gesellschaft aufgegeben. Er stellt nunmehr auf die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens ab und ordnet den Haftungsdurchgriff in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Inhaftung gegenüber der Gesellschaft als eine besondere Fallgruppe des § 826 BGB zu. Missbräuchliche, zur Insolvenz der Gesellschaft führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in deren der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienendes Gesellschaftsvermögen werden als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung angesehen, „wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat. Den vom BGH entwickelten Haftungsdurchgriff nach § 826 BGB hat das BAG in der Entscheidung vom 15.03.2011 (EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 41) für den Berechnungsdurchgriff bei Sozialplänen übernommen. Es zählt den Schadensersatzanspruch wegen Existenzvernichtungshaftung zum Vermögen des Unternehmens, für dessen Betriebe ein Sozialplan aufzustellen ist, und will ihn deshalb bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit im Sinne von § 112 Abs. 5 S. 1, 2 Nr. 3 BetrVG berücksichtigen. Ausgehend hiervon versteht es sich, dass die vom BGH neu entwickelten Grundsätze in gleicher Weise wie für die Berechnung des Sozialplanvolumens auch für die Haftung aus dem aufgestellten Sozialplan gelten. Ist die Erfüllung der festgelegten Sozialplanansprüche dauerhaft beeinträchtigt, muss unter den Voraussetzungen des § 826 BGB eine Haftung eintreten (Löwisch, Haftungsdurchgriff und Berechnungsdurchgriff bei Sozialpläne ZIP 2015, 209 ff.).

 

Für die Kammer war vorliegend nicht festzustellen, dass die Einigungsstelle eine Verhaltenshaftung auf der Grundlage der Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff ermessensfehlerhaft verneint hat. Worin konkret ein Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs liegen und die dadurch hervorgerufene Insolvenzgefahr besteht, war aufgrund der umfassenden Überlegungen nicht feststellbar. Allein die Auftragskündigung vermögen einen – sittenwidrigen – Vermögensentzug nicht zu rechtfertigen.

 

(4)

Nach Auffassung der Kammer hat die Einigungsstelle jedoch die abgegebenen Finanzierungszusagen der GGB unzureichend und damit ermessensfehlerhaft gewürdigt.

 

(a)

Nach allgemeiner Auffassung wird der Begriff der Patronatserklärung als Sammelbezeichnung für verschiedene Formen von Unterstützungserklärungen einer Konzernobergesellschaft (Patronin) für operative Konzerngesellschaften (Tochter) verwendet. Unterschieden wird dabei zwischen sog. „weichen“ und „harten“ Patronatserklärungen. Um eine „weiche“ Patronatserklärung handelt es sich, soweit sich aus der Erklärung keine rechtsverbindliche Verpflichtung der Patronin zur finanziellen Ausstattung der Tochter oder zur Erfüllung von gesicherten Verbindlichkeiten ergibt. Dem gegenüber übernimmt die Patronen bei einer „harten“ Patronatserklärung gegenüber demjenigen, dem sie die Erklärung abgegeben hat, rechtsverbindlich die Verpflichtung, die Tochter finanziell so auszustatten, dass diese ihre Verpflichtungen erfüllen kann, oder für die Erfüllung der gesicherten Verbindlichkeiten einzustehen. Ob die Patronin eine eigene rechtliche Bindung eingeht oder nicht, ist im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln (BAG, Urteil vom 29.09.2009 – 3 AZR 427/08 – Rn. 38, zitiert nach Juris [BB 2011, 575 m. BB-Komm. Bissels]).

 

Bei den Finanzierungszusagen der GGB vom 20. Januar 2015 und 21. Januar 2015 handelt es sich um gegenüber der Arbeitgeberin abgegebene Erklärungen, aus der diese eigene Ansprüche ableiten kann. Mit den Erklärungen hat die GGB nämlich ihrer Tochter Mittel zur Finanzierung eines Sozialplans zugesagt, so wie sie es bereits in dem Einigungsstellenverfahren unter dem Vorsitz von Herrn Dr. P. für die Beschäftigten der Tochter auf dem Flughafen Sch. getan hat. Mit der Zusage ist die GGB eine Selbstbindung eingegangen. Selbstbindung in diesem Sinne bedeutet die Bindung durch eigenes Verhalten bei Ausübung eines Entscheidungsspielraums mit der Folge, dass die GGB einer Bindung an ihre selbst gesetzten Maßstäbe unterliegt und zur Gleichbehandlung (§ 75 Abs. 1 BetrVG) verpflichtet ist. Diese wirkt sich vorrangig dahingehend aus, dass die GGB ihrer Tochter APSB zur Finanzierung eines Sozialplans Geldmittel – unter Berücksichtigung der gleichen Abfindungsformel – zur Verfügung stellen muss. Anspruchsgrundlage ist somit eine eigenständige betriebsverfassungsrechtliche Patronatserklärung kraft Selbstbindung. Diesen Aspekt hat die Einigungsstelle ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt.

 

Zwar hat die Einigungsstelle sich in der Sitzung am 13. Januar 2015 mit einem Vorschlag des Vorsitzenden auseinandergesetzt, der sich in Bezug auf Abfindungszahlungen an den Sozialplan für die Beschäftigten der Arbeitgeberin auf dem Flughafen Sch. orientiert. Dass die Einigungsstelle nach Ablehnung dieses Vorschlages nun die Arbeitgeberseite in der Sitzung am 21. Januar 2015 ersichtlich das „Nein“ nicht weiter hinterfragt hat, erschließt sich ebenso wenig wie die in der Abstimmungsrunde erfolgte Zurückweisung des 2. Hilfsantrages des Betriebsrates.

 

Die wirtschaftliche Vertretbarkeit (§ 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG) eines Sozialplan-volumens hätte in diesem Zusammenhang aufgrund der Einbindung der GGB in das Cash-Pooling nicht verneint werden dürfen. Der Begriff Cash-Pooling bezeichnet allgemein einen konzerninternen Liquiditätsausgleich durch ein zentrales, meist von der Konzernobergesellschaft übernommenes Finanzierungsmanagement, das den Unternehmen überschüssige Liquidität entzieht bzw. Liquiditätsunterdeckungen durch Kredite ausgleicht. In der Einigungsstellensitzung am 18. Dezember 2014 hat der Wirtschaftsprüfer Herr K., der bei der GGB sowie anderen Gesellschaften der W.-Gruppe als Abschlussprüfer tätig ist, das Cash-Pooling-Verfahren ausführlich erläutert und ausgeführt, dass es letztlich ein durch die Banken jederzeit kündbares Cash-Clearing sei, bei dem die Kontensalden/ Verbindlichkeiten am nächsten Tag wieder auf „Null“ gestellt werden. Herr K. hat zwar im Rahmen seiner Befragung die Frage, ob es im W.-Konzern vorgekommen sei, dass Patronatserklärungen oder Finanzierungszusagen erteilt worden seien unter Berufung auf seine Verschwiegenheitspflicht nicht beantwortet aber eingeräumt, dass es Finanzierungszusagen über 1,6 Millionen Euro gebe. Nach Auffassung der Kammer hätte daher die Einigungsstelle die wirtschaftliche Vertretbarkeit anders als geschehen beurteilen müssen, zumal die W.-Gruppe anlässlich der im Juni 2014 gescheiterten Sozialplantarifverhandlungen zur Finanzierung von Sozialplanansprüchen noch ein Angebot unter Berücksichtigung einer Abfindungsformel von 0,5 Gehältern pro Beschäftigungsjahr unterbreitet hatte. Dass sich die wirtschaftliche Lage seit dem drastisch verschlechtert hat, wurde nicht dargetan.

 

3.

Nach alledem war die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs festzustellen.

 

III.

Wegen der Gebühren- und Auslagenfreiheit im arbeitsgerichtlichen Beschluss-verfahren (§ 2 Abs. 2 GKG) war eine Kostenentscheidung nicht zu treffen. Ebenso entfiel die Festsetzung eines Verfahrenswertes.

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