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Arbeitsrecht
23.03.2023
Arbeitsrecht
BAG: Kündigungsschutzklage – Auslegung Feststellungsantrag – Parteianträge

BAG, Beschluss vom 28.2.2023 – 2 AZN 22/23

ECLI:DE:BAG:2023:280223.B.2AZN22.23.0

Volltext: BB-Online BBL2023-755-2

Orientierungssätze

1. Ein allgemeiner Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO ist in Bezug auf einen Kündigungsschutzantrag nach § 4 S. 1 KSchG regelmäßig ein unechter Hilfs-antrag (Rn. 7).

2. Eine Entscheidung über einen nicht angefallenen Hilfsantrag stellt einen Verstoß gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO dar (Rn. 7).

3. Bei einem Verstoß gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Entscheidung vom Rechtsmittelgericht ohne Rüge von Amts wegen für gegenstandslos zu erklären (Rn. 7).

 

Aus den Gründen

1          Die auf sämtliche Zulassungsgründe aus § 72 Abs. 2 ArbGG gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht in der von § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG verlangten Form begründet worden.

 

2          I. Der Kläger zeigt die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG nicht auf.

 

3          1. Er legt nicht die – nicht offensichtliche – Klärungsbedürftigkeit der von ihm unter II 1 a auf Seite 5, letzter Absatz und Seite 6, erster Absatz sowie unter II 1 b, auf Seite 7, vierter Absatz der Beschwerdebegründung formulierten Fragestellungen dar (vgl. BAG 20. November 2018 – 6 AZN 569/18 – Rn. 2). Der bloße Hinweis auf eine ausstehende höchstrichterliche Entscheidung reicht hierzu nicht aus. Die Beschwerde hätte vielmehr zum Beleg der Klärungsbedürftigkeit darlegen müssen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Beantwortung der Fragen zweifelhaft und streitig sein soll. Demgegenüber geht der Kläger auf Seite 6 f. und Seite 9 f. der Beschwerdebegründung selbst davon aus, dass die Anforderungen an eine Berufungsbegründung in der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht geklärt sind.

 

4          2. In gleicher Weise zeigt der Kläger die – nicht offensichtliche – Klärungsbedürftigkeit der von ihm unter II 1 c auf Seite 10, dritter Absatz der Beschwerdebegründung formulierten Fragestellung nicht auf. Er geht auf Seite 11, vorletzter Absatz vielmehr selbst davon aus, dass der Streitgegenstand und damit die Reichweite der Rechtskraft einer Entscheidung über einen sogenannten Schleppnetzantrag in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geklärt ist (vgl. BAG 16. Dezember 2021 – 6 AZR 154/21 – Rn. 13 ff.).

 

5          II. Der Kläger zeigt nicht auf, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts von einer Entscheidung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte oder Spruchkörper abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Dabei fehlt es schon an der Darlegung einer Abweichung des anzufechtenden Urteils von den herangezogenen Entscheidungen in abstrakten Rechtssätzen. Der Kläger rügt unter II 3 a, b und c auf Seite 17 ff., 19 ff. und 23 ff. der Beschwerdebegründung vielmehr einzelfallbezogen lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht, die – selbst wenn sie vorläge – eine Zulassung der Revision nicht zu begründen vermöchte.

 

6          III. Der Kläger zeigt keine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG auf. Er legt unter II 2 der Beschwerdebegründung nicht dar, warum ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl von vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf des von ihm auf Seite 14, letzter Absatz der Beschwerdebegründung für notwendig gehaltenen rechtlichen Hinweises bedurfte (vgl. BAG 24. Oktober 2019 – 8 AZN 589/19 – Rn. 30). Das ist auch objektiv nicht ersichtlich, zumal ausweislich Seite 4, vorletzter Absatz des Tatbestands des anzufechtenden Urteils bereits die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung den Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts vertreten hat. Der Kläger hatte bereits deshalb Anlass, hierzu Stellung zu nehmen.

 

7          IV. Der Senat sieht sich angesichts der wenig stimmigen Entscheidungen der Vorinstanzen zu dem Hinweis veranlasst, dass das Arbeitsgericht den allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO mangels Feststellungsinteresses allenfalls als unzulässig – statt als unbegründet – hätte abweisen dürfen. Es bedarf daher vorliegend keiner Entscheidung, ob der allgemeine Feststellungsantrag des Klägers – was naheliegend ist – ohnehin nur als unechter Hilfsantrag anzusehen gewesen wäre, der nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag zur Entscheidung anfallen sollte (vgl. BAG 10. Dezember 2020 – 2 AZR 308/20 – Rn. 29, BAGE 173, 233; zur Auslegung eines Antrags, der seinen Hilfscharakter nicht unmittelbar zu erkennen gibt, vgl. BAG 22. Juli 2021 – 2 AZR 6/21 – Rn. 45). In einem solchen Fall würde die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den allgemeinen Feststellungsantrag angesichts der Abweisung der Kündigungsschutzklage gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes liegt nicht nur dann vor, wenn einer Partei ohne ihren Antrag etwas zugesprochen wird, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (vgl. BAG 21. Juli 2022 – 2 AZN 801/21 – Rn. 5). Dies hätte vom Landesarbeitsgericht gegebenenfalls ohne Rüge von Amts wegen berücksichtigt werden müssen (vgl. für das Revisionsverfahren BAG 22. Juli 2021 – 2 AZR 6/21 – Rn. 42) und dazu geführt, dass das Berufungsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts insoweit für gegenstandslos erklärt (vgl. BAG 17. Dezember 2015 – 2 AZR 304/15 – Rn. 10 ff., BAGE 154, 20). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erwiese sich aber auch unter diesem Gesichtspunkt „nur“ als rechtsfehlerhaft, was die Zulassung der Revision nicht zu begründen vermöchte. Auf diesen Umstand bezogene Rügen hat der Kläger ohnehin innerhalb der Frist für die Begründung seiner Beschwerde nicht erhoben.

 

8          V. Von einer weiteren Begründung wird nach § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen.

 

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