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Arbeitsrecht
04.07.2019
Arbeitsrecht
LAG Köln: Kündigung wegen nicht recht rechtzeitig eingereichter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

LAG Köln, Urteil vom 16.8.2018 – 7 Sa 793/17

ECLI:DE:LAGK:2018:0816.7SA793.17.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1651-7

Amtlicher Leitsätze

1. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums verpflichtet, eine fortbestehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachzuweisen.

2. Eine auf die Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gestützte ordentliche Kündigung kann ungeachtet des Vorliegens zweier einschlägiger Abmahnungen (noch) unverhältnismäßig sein, wenn der Arbeitgeber von der ihm durch Tarifvertrag eingeräumten Befugnis, den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers durch Anordnung einer betriebsärztlichen Untersuchung nachzuprüfen, keinen Gebrauch macht.

3. Zur Begründetheit eines arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags wegen eines die gegenseitige Vertrauensbasis zerstörenden Verhaltens des Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzprozesses.

§§ 1, 9, 10 KSchG; § 5 EFZG; §§ 5, 8 MTV GWI

Sachverhalt

              Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung vom 13.03.2017 sowie um einen erstmals in der Berufungsinstanz gestellten arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag.

              Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, welche die 19. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage teilweise stattzugeben und festzustellen, dass die streitige Kündigung vom 13.03.2017 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des mit der vorliegenden Berufung angegriffenen arbeitsgerichtlichen Urteils in Sachen 19 Ca 2264/17 vom 16.08.2017 Bezug genommen.

              Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 02.10.2017 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 12.10.2017 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 02.01.2018 – am 27.12.2017 begründet.

              Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger habe sich, was die Verpflichtung zur Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums angeht, allenfalls so lange auf die in Ziffer 6.4.2 des Operations Manuel A enthaltene Regelung „In case of longterm incapacity (...)“ berufen können, bis sie als Arbeitgeberin durch Einzelweisungen konkretisiert und klargestellt habe, dass sie die Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erwarte. Solche klaren Einzelfallanweisungen habe sie aber mehrfach schriftlich und insbesondere in Form der Abmahnungen vom 30.11.2016 und 25.01.2017 erteilt. Nachdem der Kläger den mehrfachen Weisungen keine Folge geleistet habe, sei ihr keine andere Möglichkeit mehr geblieben, als die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen, wenn s ie nicht dauerhaft auf nachvollziehbare Informationen über die Arbeitsfähigkeit des Klägers habe verzichten wollen.

              Die Beklagte vertritt ferner die Ansicht, dass damit auch die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung gegeben seien. Die grundlosen Weigerungen des Klägers, weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, begründeten eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verdacht zutreffe, der Kläger erfülle seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht, obwohl er arbeitsfähig ist. Wenn der Kläger selbst die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verweigere, hätte sie, die Beklagte auch keine ärztliche bzw. betriebsärztliche Untersuchung des Klägers durchführen lassen können.

              Darüber hinaus macht die Beklagte nunmehr geltend, dass das Arbeitsverhältnis für den Fall, dass es bei der Unwirksamkeit der Kündigung vom 13.03.2017 bleiben sollte, hilfsweise gegen Zahlung einer Abfindung nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG aufzulösen sei. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr in Anbetracht der strikten Verweigerungshaltung des Klägers nicht zumutbar. Der Kläger mache durch seine Haltung deutlich, dass er grundsätzlich nicht gewillt sei, Weisungen seines Arbeitgebers nachzukommen, sofern er deren Berechtigung auch nur anzweifele. Auch das Arbeitsgericht habe in der erstinstanzlichen Entscheidung betont, dass sie, die Beklagte, den Kläger ausdrücklich hätte anweisen können, dass und ggf. wie er seine Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums nachzuweisen habe. Auch diese klare Begründung des Arbeitsgerichts habe nicht zu einer Änderung der Haltung des Klägers geführt. Ganz im Gegenteil bringe er in einem Schreiben vom 29.05.2018 (Bl. 361 ff. d. A.) zum Ausdruck, dass er durch die Aufforderung, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, gemobbt werde. Ohne die eindeutigen Hinweise im arbeitsgerichtlichen Urteil, dass die Beklagte berechtigt sei, Arbeitsunfähigkeitsnachweise einzufordern, zur Kenntnis zu nehmen, lasse er nur seine eigene Auslegung des Operations Manuel A als verbindlich gelten. Ferner beschuldige der Kläger wider besseren Wissens persönlich benannte Mitarbeiter der Beklagten und auch die Geschäftsleitung der vorsätzlichen rechtswidrigen Schädigung, obwohl hierfür keinerlei Tatsachengrundlage bestehe. Auch das Schreiben des Klägers vom 29.01.2017 (Bl. 365 ff. d. A.) belege ein tief verankertes Misstrauen des Klägers gegenüber seiner Arbeitgeberin. Wenn der Kläger trotz der klaren Feststellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, dass die Arbeitgeberseite berechtigt sei, weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen anzufordern, an seiner Auffassung festhalte, nicht einmal unter Vorbehalt der rechtlichen Überprüfung solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, und statt dessen den Arbeitgeber und namentlich benannte Mitarbeiter des Arbeitgebers des Mobbings und der vorsätzlichen Schädigung bezichtigt, weil sie solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen anfordern, sei eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger als Verkehrsflugzeugführer nicht mehr zumutbar. Auch müsse sie, die Beklagte, ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Mitarbeitern nachkommen und diese gegen die ungerechtfertigten Vorwürfe und Unterstellungen des Klägers schützen.

              Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

    1. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;

    2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 50.000,00 € nicht überschreiten sollte, zum 31.07.2017 aufzulösen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung und den in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag zurückzuweisen.

              Der Kläger macht geltend, das arbeitsgerichtliche Urteil sei rechtsfehlerfrei ergangen. Da er aufgrund der Regelung in Ziffer 6.4.2 des Operations Manual A nicht verpflichtet sei, seine Arbeitsunfähigkeit mittels Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachzuweisen, lägen keine arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen vor, die zum Ausspruch der streitbefangenen Kündigung hätten berechtigen können.

              Der Kläger weist darauf  hin, dass die Beklagte gemäß § 8 Nr. 5 MTV GWI jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Gesundheitszustand durch eine betriebsärztliche bzw. fliegerärztliche Untersuchung überprüfen zu lassen. Davon habe sie keinen Gebrauch gemacht. Die Abmahnungen seien schon deshalb unwirksam, weil sie fälschlich eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit seit dem 18.02.2016 behaupteten. Außerdem seien die Personen, die die Abmahnungen ausgestellt hätten, nicht berechtigt gewesen, eine Änderung oder Abweichung von Operations Manual A anzuweisen. Die streitgegenständlichen Regelungen des Operations Manual A gälten für ihn solange, wie sie nicht durch eine vom Luftfahrtbundesamt genehmigte Änderung ersetzt und diese Änderung auf dem hierfür im Operations Manual vorgeschriebenen Weg bekannt gegeben worden sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten folge auch aus § 5 EFZG keine Verpflichtung zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, zumal diese durch die Regelungen in Ziffer 6.4.2 des Operations Manual A suspendiert sei.

              Der Kläger wendet sich auch gegen den arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag. Der Kläger bestreitet, in irgendeiner Form einen Auflösungsgrund, etwa durch Beleidigungen, ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe gegen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen geschaffen zu haben. Er werde auch rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen Folge leisten. Selbstverständlich müsse er zum Ausdruck  bringen dürfen, dass er eine andere Rechtsauffassung  als die Beklagte vertrete und sich gemobbt fühle.

              Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift und des weiteren Schriftsatzes der Beklagten vom 23.07.2018 sowie der Berufungserwiderungsschrift des Klägers und seines weiteren Schriftsatzes vom 15.08.2018 wird ergänzend Bezug genommen.

Aus den Gründen

I.              Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.08.2017 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

              Auch gegen den von der Beklagten in der zweiten Instanz hilfsweise gestellten Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 KSchG bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.

II.              Die Berufung der Beklagten konnte jedoch in der Sache keinen Erfolg haben, soweit sie sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts richtet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2017 nicht aufgelöst worden ist.

              Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2017 war nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Zwar hat der Kläger im Ausgangspunkt seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, in dem er sich hartnäckig geweigert hat, über den 02.11.2016 hinaus weitere ärztliche Bescheinigungen über seine nach seinen Angaben fortbestehende Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Die streitige Kündigung verstößt aber gegen den kündigungsschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; denn die Beklagte hätte vor Ausspruch einer Beendigungskündigung noch die Möglichkeit gehabt, den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit durch eine von ihr angeordnete ärztliche Untersuchung durch einen von ihr ausgewählten Arzt gemäß   § 8 Abs. 5 MTV GWI zu verifizieren.

1.              Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass der Kläger gesetzlich, tarifvertraglich und arbeitsvertraglich verpflichtet war, der Beklagten über den 02.11.2016 hinaus weitere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen.

a.              Zunächst ist die Pflicht, auch nach Ablauf des Anspruchszeitraums für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dem Arbeitgeber eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Bescheinigungen nachzuweisen, nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung und Literatur aus § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG, herzuleiten (z. B. LAG Rheinland-Pfalz vom 03.04.2014, 3 Sa 423/13; LAG Hamm vom 22.02.2013, 10 Sa 960/12; LAG Rheinland-Pfalz vom 04.04.2007, 7 Sa 108/07, Erfurter Kommentar/Reinhard, § 5 EFZG Rdnr. 19; vgl. jetzt auch BAG vom 11.07.2013, 2 AZR 241/12, Rdnr. 29 m. w. N.). § 5 Abs. 1 S. 4 EFZG geht zwar nicht ausdrücklich auf den Fall ein, dass eine Folgebescheinigung Zeiten erfasst, in denen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mehr besteht. Gerade weil eine solche zeitliche Einschränkung  für die Vorlagepflicht  im Gesetzestext aber fehlt, kann auch nicht  unterstellt werden, dass der Gesetzgeber sie gewollt hätte.

b.              Des Weiteren folgte die Pflicht des Klägers zur Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus § 5 Abs. 4 S. 3 des MTV GWI, welcher unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. § 5 Abs. 4 S. 3 MTV GWI ordnet ohne zeitliche Beschränkung und ohne irgendeine Bezugnahme auf den Anspruchszeitraum auf Entgeltfortzahlung ohne Wenn und Aber an: „Folgebescheinigungen sind unverzüglich vorzulegen.“ Eine den Wortlaut einschränkende Auslegung dahingehend, dass die Anordnung der Vorlage von Folgebescheinigungen nur für den Anspruchszeitraum der Entgeltfortzahlung gelten sollte, ist bei § 5 Abs. 4 S. 3 MTV GWI schon deshalb von vornherein nicht möglich, weil § 5 Abs. 4 und sogar § 5 MTV GWI insgesamt keinerlei Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall enthält. § 5 MTV GWI hat vielmehr die allgemein gehaltene Überschrift: „Arbeits- und Verhaltenspflicht“.

c.              Durch die Verwendung des Wortes „unverzüglich“ enthält § 5 Abs. 4 S. 3 MTV GWI darüber hinaus sogar eine ausdrückliche Fälligkeitsregelung für die Vorlage von Folgebescheinigungen.

d.              Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers steht die in Ziffer 6.4.2 des Operations Manual A enthaltene Formulierung der aus § 5 Abs. 1 S. 4 EFZG und insbesondere aus   § 5 Abs. 4 S. 3 MTV GWI folgenden Vorlagepflicht  nicht entgegen. Ziffer 6.4.2 OM-A ist für die vorliegende Problematik im engeren Sinne nicht einschlägig.

aa.              Der Satz: „In case of longterm incapacity for work exceeding six weeks the treating physician will no longer issue a cerfication (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung)“ enthält schon keinen eigenen Regelungsgehalt, weder gegenüber dem Arbeitnehmer, noch auch gegenüber dem in dem Satz angesprochenen behandelnden Arzt. Der Satz ist nicht als Regelung, sondern als Aussage formuliert. Die in der Aussage enthaltene Zustandsbeschreibung erscheint überdies aus objektiver Sicht   – jedenfalls für den deutschen Rechtsraum – unzutreffend. Dies gilt zum einen als allgemeine Aussage; denn ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass im deutschen Rechtsraum Ärzte nach Ablauf von sechs Wochen andauernder Erkrankung keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr ausstellen, und zwar auch dann, wenn  der Arbeitnehmer / der Patient darum bittet, ist dem Berufungsgericht unbekannt. Erst recht trifft die zitierte Aussage im konkreten vorliegenden Einzelfall nicht zu; denn unstreitig hat der Kläger bis zum 02.11.2016, also für eine Dauer von ca. sechs Monaten über den Ablauf des Sechswochenzeitraums hinaus, regelmäßig und anstandslos Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, der behandelnde Arzt sie folglich auch ausgestellt.

bb.              Der Regelungsgehalt von Ziffer 6.4.2 OM-A in dem entsprechenden Absatz erschließt sich vielmehr nur durch das Zusammenspiel der soeben zitierten in Satz 1 enthaltenen Zustandsbeschreibung mit der dann in Satz 2 („Nevertheless ...“) enthaltenen Regelung. So gesehen erschöpft sich der Regelungsgehalt darin, klarzustellen, dass dann, wenn der behandelnde Arzt nach Ablauf von sechs Wochen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr ausstellt, gleichwohl die Meldepflichten bestehen bleiben. Ein weitergehender Inhalt kann Ziffer 6.4.2 OM-A nicht entnommen werden. Allenfalls könnte der Arbeitnehmer aus dem Passus noch folgern, dass dann, wenn im Einzelfall ein behandelnder Arzt sich tatsächlich weigern sollte, eine weitere Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit auszustellen, er dann nicht gehalten ist, Anstrengungen zu unternehmen, um den Arzt dennoch zur Ausstellung einer Bescheinigung zu veranlassen.

cc.              Keinesfalls ist der Regelung in Ziffer 6.4.2 OM-A jedoch zu entnehmen, dass damit aus anderen Rechtsvorschriften wie z. B. § 5 Abs. 4 S. 3 MTV GWI oder § 5 Abs. 1 S. 4 EFZG folgende Pflichten zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch nach Ablauf des Sechswochenzeitraums außer  Kraft gesetzt  werden sollten.

e.              Spätestens als die Beklagte den Kläger mehrfach schriftlich und sogar zweimal in Form einer Abmahnung nachhaltig darauf hinwies, dass sie erwartete, dass er seiner weiteren Vorlagepflicht nach § 5 Abs. 4 S. 3 MTV GWI nachkommen müsse, wäre der Kläger gehalten gewesen, die entsprechenden ärztlichen Bescheinigungen über seine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Es ist im vorliegenden Fall auch kein Grund ersichtlich daran zu zweifeln, dass der behandelnde Arzt dem Kläger solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch ausgestellt hätte, wie er dies in der Zeit bis zum 02.11.2016 auch anstandslos getan hatte. Auch der Kläger selbst hat sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen, dass der behandelnde Arzt sich auf entsprechende Bitte hin dennoch geweigert habe, Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit auszustellen.

f.              Der Kläger hat somit durch die Nichtvorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt. Die Beklagte hatte auch ein gewichtiges Interesse an der Vorlage ärztlicher Bescheinigungen; denn das Arbeitsverhältnis stellt bekanntlich ein Austauschverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dar. Kommt ein Vertragspartner den ihm obliegenden Leistungspflichten nicht nach, hat der andere Teil ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob der andere Teil seinen Hauptleistungspflichten aus gerechtfertigten Gründen nicht nachkommen kann, oder ob er von einer schwerwiegenden Vertragsverletzung ausgehen muss, die es notwendig macht zu klären, ob und wie vertragstreues Verhalten wiederhergestellt werden kann oder ob es geboten erscheint, das Vertragsverhältnis zu beenden.

g.              Die hartnäckige Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Vorlage weiterer ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war somitgrundsätzlich  – zumal nach Ausspruch zweier einschlägiger Abmahnungen – geeignet, eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin zu rechtfertigen (vgl. BAG vom 15.01.1986, AP § 626 BGB Nr. 93, LAG Köln vom 17.11.2000, NZA-RR 2001, 367; Erfurter Kommentar/Müller-Glöge/Niemann, § 626 BGB Rn. 522).

h.              Darüber hinaus ist auch nicht zu verkennen, dass die hartnäckige Weigerung, die behauptete Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Votum zu belegen, geeignet sein konnte, bei der Arbeitgeberin den Verdacht zu begründen, dass eine die Wiederaufnahme der arbeitsvertraglichen Tätigkeit unmöglich machende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in Wirklichkeit nicht (mehr) bestand.

2.              Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles teilt das Berufungsgericht allerdings die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass am 13.03.2017 der Ausspruch einer ordentlichen Beendigungskündigung (noch) nicht verhältnismäßig erschien.

a.              Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob, worauf das Arbeitsgericht maßgeblich abgestellt hat, die Beklagte in ihren Abmahnungen den Kläger zunächst  deutlicher  darauf hätte hinweisen müssen, dass Ziffer 6.4.2 OM-A seiner Pflicht zur Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in Wirklichkeit nicht entgegenstand.

b.              Jedenfalls stand der Beklagten nämlich noch ein geeignetes Mittel zur Verfügung, um sich die notwendige Klarheit über den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers zu verschaffen und damit   zu erkennen, ob der Kläger der Arbeit  unentschuldigt  ferngeblieben war oder nicht. Die Beklagte hätte nach § 8 Abs. 5 MTV GWI nämlich das Recht gehabt, gegenüber dem Kläger eine ärztliche Untersuchung anzuordnen mit dem Ziel festzustellen, ob der Kläger weiterhin krankheitsbedingt arbeitsunfähig war/ist. Der Kläger wäre gemäß § 8 Abs. 5 S. 2 MTV GWI verpflichtet gewesen, sich der Untersuchung bei einem von der Beklagten benannten Arzt (!) zu unterziehen. Berechtigte Interessen der Beklagten, von § 8 Abs. 5 S. 1 MTV GWI Gebrauch zu machen, hätten ohne Weiteres vorgelegen, da der Kläger der Beklagten seit dem 02.11.2016 keine von sachkundiger Seite objektiv bestätigte Information über den Fortbestand seiner Arbeitsunfähigkeit mehr hatte zukommen zu lassen.

c.              Aus dem Umstand, dass der Kläger sich hartnäckig weigerte, weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, konnte die Beklagte nicht  ohne Weiteres darauf schließen, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch der Aufforderung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge  leisten würde, zumal in dem Passus der OM-A, auf den der Kläger sich bei seiner Weigerung berief, die Möglichkeit einer vom Arbeitgeber anzuordnenden ärztlichen Untersuchung nicht behandelt wird. Die Beklagte hätte insoweit die Probe aufs Exempel machen müssen.

d.              Ebenso wenig kann die Beklagte mit Erfolg einwenden, dass sie hätte befürchten müssen, dass der Kläger ungeachtet einer ärztlichen Untersuchung auch zukünftig jedenfalls seine Pflicht zur Vorlage seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen außerhalb des Sechswochenzeitraums hartnäckig verweigern würde. Dabei übersieht die Beklagte, dass es für den Kläger mit einem sehr viel größeren persönlichen Aufwand verbunden gewesen wäre, sich einer ärztlichen Untersuchung durch einen von der Arbeitgeberin ausgesuchten Arzt (!) zu unterziehen, als den behandelnden Arzt um Vorlage einer schriftlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung   zu bitten und diese sodann der Arbeitgeberin vorzulegen. Unter gewöhnlichen Umständen wäre somit zu erwarten gewesen, dass der Kläger in Anbetracht der Durchführung einer Untersuchung nach § 8 Abs. 5 MTV GWI sein zukünftiges Verhalten im Hinblick auf die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nochmals überdacht hätte. Die Anordnung einer  ärztlichen Untersuchung  hätte so gesehen eine  Wirkung  wie eine  „verschärfte“ Abmahnung haben können.

e.              In Anbetracht der Möglichkeit, eine ärztliche Untersuchung anzuordnen, kommt auch eine Rechtfertigung der streitigen Kündigung als Verdachtskündigung  nicht  in Betracht; denn die  Untersuchungsanordnung  hätte eine naheliegende Maßnahme dargestellt, um den Verdacht, der Kläger sei in Wirklichkeit nicht mehr arbeitsunfähig, sondern fehle unentschuldigt, weiter aufzuklären.

f.              Bei alledem bleibt es somit bei dem vom Arbeitsgericht hergeleiteten Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2017 nicht aufgelöst worden ist.

3.              Aufgrund des in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrags nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG war das Arbeitsverhältnis der Parteien jedoch durch gerichtliche Entscheidung zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.07.2017 aufzulösen und die Beklagte im Gegenzug zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen.

a.              Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliche Entscheidung kommt gemäß § 9 Abs. 1 KSchG in Betracht, wenn das Gericht feststellt, dass das Arbeitsverhältnis zwar durch eine streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist, jedoch Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr erwarten lassen. Für eine Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers müssen die Gründe, die einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien entgegen stehen, dabei nicht einmal notwendig im Verhalten, insbesondere nicht in einem schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen (BAG vom 11.07.2013, 2 AZR 241/12; BAG vom 10.06.2010, 2 AZR 297/09; BAG vom 09.09.2010, 2 AZR 482/09).

b.              Der Kläger hat im Zusammenhang mit den Streitigkeiten, die dem vorliegenden Verfahren um die Kündigung vom 13.03.2017 zugrunde liegen, gegenüber der Beklagten und ihren Verantwortungsträgern ein Verhalten an den Tag gelegt, das eine Einstellung gegenüber seiner Arbeitgeberin widerspiegelt, die eine zukünftige gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien in der verantwortlichen Position des Klägers eines Flugkapitäns für die Zukunft unmöglich erscheinen lässt.

aa.              Zunächst hat der Kläger im Vorfeld der streitigen Kündigung vom 13.03.2017 beharrlich seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verletzt, obwohl die Beklagte ihn diverse Male schriftlich und sogar in Form zweier Abmahnungen auf die entsprechende Verpflichtung hingewiesen hatte. Dabei stellt es selbstverständlich noch keinen Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers dar, wenn der Arbeitnehmer in einer die Pflichten des Arbeitsvertrages betreffenden Rechtsfrage nachdrücklich eine andere Rechtsauffassung vertritt als der Arbeitgeber, vermag seine Auffassung objektiv betrachtet letztlich auch nicht durchdringen zu können. Eine sachbezogene Auseinandersetzung kann, auch wenn sie hartnäckig geführt wird, die Möglichkeit einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit noch nicht grundsätzlich in Frage stellen, sofern das für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Mindestmaß gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme nicht unterschritten wird. Was die streitige Rechtsfrage einer Vorlagepflicht von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Ablauf der Sechswochenfrist angeht, ist dem Kläger vorliegend auch zugute zu halten, dass der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Passus der Ziffer 6.4.2 OM-A ungewöhnlich strukturiert ist und in seiner Formulierung geeignet erscheint, Missverständnisse hervorzurufen.

bb.              Der Kläger hat aber in der vorliegenden rechtlichen Auseinandersetzung das Gebot der Sachlichkeit gravierend verletzt und insbesondere in seinen außergerichtlichen Schreiben vom 29.01.2017 und 29.05.2018 die Beklagte und ihre Entscheidungsträger in einer Art und Weise angegriffen, die das für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Mindestvertrauen untergräbt und einer gedeihlichen zukünftigen Zusammenarbeit den Boden entzieht.

aaa.              So hat der Kläger bereits in seinem vor der streitigen Kündigung verfassten Schreiben vom 29.01.2017 sich nicht etwa, wie es geboten gewesen wäre, darauf beschränkt, seine Sachargumente zu der von ihm für richtig gehaltenen Auslegung der mehrfach zitierten Passage in Ziffer 6.4.2 des OM-A zu Gehör zu bringen. Stattdessen hat er die abweichende Rechtsauffassung der Beklagten, dass auch nach Ablauf des Sechswochenzeitraums ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen seien, in polemisch ironisierender Weise als Angebot der Beklagten „gewertet“, dass sie den Arbeitsvertrag der Parteien dahingehend abändern wolle, dass sie in Zukunft über den Sechswochenzeitraum hinaus auf unbestimmte Zeit Entgeltfortzahlungen leisten werde, um dann dieses „Angebot auf Ergänzung des Arbeitsvertrages“ anzunehmen und sodann eine „Abmahnung“ wegen fälliger Zahlungsrückstände für die Zeit vom 29.04. bis 02.11.2016 auszusprechen.

bbb.              Auf Seite 3 desselben Schreibens unterstellt der Kläger namentlich benannten Mitarbeitern der Beklagten, welche ihm gegenüber die – objektiv betrachtet wie oben ausführlich begründet, richtige – Rechtsauffassung der Beklagten zum Ausdruck gebracht hatten, dass er zur Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verpflichtet sei, die Personen würden „vorsätzlich [Hervorhebung im Original] zu seinen Lasten“ gegen das Betriebshandbuch verstoßen, um sodann wiederum wegen dieses Fehlverhaltens eine weitere Abmahnung auszusprechen.

ccc.              Im Herbst 2017 wurde dem Kläger sodann das erstinstanzliche Urteil zugestellt, in dem das Arbeitsgericht auf Seite 11 Mitte ausführt, dass „es für die Kammer völlig unverständlich ist, weshalb sich der Kläger so vehement weigert, der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung über die Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit vorzulegen, und weshalb er mit diesem Verhalten, die hier streitgegenständliche Kündigung bewusst riskiert“. Auch wenn dann das Arbeitsgericht im Weiteren die Auffassung vertritt, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber in ihren der Kündigung vorangehenden Abmahnungen deutlicher auf Ziffer 6.4.2 des OM-A hätte eingehen müssen, bringt es auf Seite 12 oben seiner Entscheidungsgründe unmissverständlich zum Ausdruck, dass es die Beklagte für berechtigt hielt, den Kläger ausdrücklich anzuweisen, „dass und ggf. wie er seine Arbeitsunfähigkeit auch nach Ablauf der sechs  Wochen nachzuweisen hat“. Gleichwohl nimmt der Kläger diese rechtliche Beurteilung eines sachkundigen neutralen Arbeitsgerichts nicht zum Anlass, sich in Zukunft auf eine rein sachbezogene Auseinandersetzung zu beschränken oder gar seinen eigenen Rechtsstandpunkt zu überdenken.

ddd.              Vielmehr wendet sich der Kläger während des laufenden Berufungsverfahrens mit außergerichtlichem Schreiben vom 29.05.2016 an die Geschäftsführung der Beklagten. Auch in diesem Schreiben befleißigt sich der Kläger wiederum über weite Strecken eines provokativ-polemischen Duktus, indem er z. B. die Einlegung der Berufung durch die Beklagte als Fortsetzung des gegen ihn gerichteten Mobbings bezeichnet. Zu Beginn des Schreibens macht der Kläger den Adressaten, die Geschäftsführung (!) der Beklagten, aus der Sicht eines neutralen Lesers verächtlich, indem er sie über einfachste verfahrenstechnische Zusammenhänge belehrt („Zunächst einmal ist Ihnen sicherlich bekannt, dass Sie als Geschäftsführer die G in der laufenden Kündigungsschutzklage vertreten! Ich gehe daher davon aus, dass alle Angaben und Behauptungen, die innerhalb des Verfahrens im Namen der G gegenüber dem Gericht getätigt werden, unmittelbar in Ihrer Verantwortung getätigt werden. In diesem Zusammenhang ist Ihnen vermutlich bekannt, oder hätte Ihnen von Ihrem Anwalt bekannt gemacht werden müssen, dass auch in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht eine gesetzliche Verpflichtung zur Wahrheit (§ 138 ZPO) besteht.“ [Hervorhebungen im Original]).

              Im weiteren Verlauf führt der Kläger aus:

 „Ich befürchte derzeit, dass die Diskrepanz Ihrer dem LAG gegenüber getätigten Behauptungen zu den tatsächlichen Funktionsweisen des OM-A und der zugrunde liegenden Gesetze groß genug ist, dass hier möglicherweise ein erheblicher Schaden für das Ansehen der G , und damit auch der L als Mutterkonzern drohen könnte, wenn dies tatsächlich in einer öffentlichen Sitzung zur Verhandlung kommen wird. Weiter sollten Sie sich möglicherweise überlegen, auch anwaltlichen Rat zu den Folgen eines vorsätzlich falschen Vortrags sowie im Zusammenhang auf Ihre persönliche luftfahrtrechtliche ‚Zuverlässigkeit‘ im Zusammenhang mit Ihrer geäußerten Sichtweise der Funktionsweise des OM-A sowie der zugrunde liegenden Gesetze und Verordnungen einzuholen. Auch würde ICH mich an Ihrer Stelle informieren, ob, und inwieweit, eine rechtzeitige Rücknahme, mit der aussichtslosen Berufung einhergehenden, Behauptungen strafmindernd im Sinne eines Rücktritts gemäß § 24 StGB gewertet werden könnte.

Aus Gründen meiner Fürsorgepflicht als Angestellter, und im Hinblick auf die möglicherweise gefährdeten Arbeitsplätze, der am Mobbing gegen mich unbeteiligten Kollegen, gebe ich Ihnen hiermit die Gelegenheit, die ohnehin aussichtslose Berufung, bis zum 06.06.2018 (Eingang der Kopie bei mir!) durch Ihren Anwalt zurücknehmen zu lassen, den möglicherweise zu befürchtenden Schaden vom Unternehmen und Konzern abzuwenden!

Rein fürsorglich weise ich darauf hin, dass eine rechtswirksame Rücknahme der Berufung nur durch einen von Ihnen bevollmächtigten Rechtsanwalt mit Schriftsatz gegenüber dem LAG Köln erfolgen kann (...)“

              Das Schreiben vom 29.05.2018 an die Geschäftsführung der Beklagten endet mit den Worten:

 „Ich appelliere daher erneut an Sie, nun endlich Vernunft anzunehmen und diesen Irrsinn, den Sie bereits aus rein formalen Gründen nicht zu einem für Sie befriedigenden Anlass bringen können, zu stoppen, ehe ein größerer, als der bereits verursachte rein finanzielle Schaden eintritt!“ [alle Hervorhebungen in den Zitaten im Original]

cc.              Wer in dieser Weise mit seinem Arbeitgeber und dessen leitenden Repräsentanten schriftlich kommuniziert, entzieht einer zukünftigen gedeihlichen weiteren Zusammenarbeit die Vertrauensgrundlage. Dabei kann der Kläger sich nicht etwa entschuldigend auf eine durch den vorliegenden Rechtsstreit hervorgerufene Emotionalisierung berufen. Daran könnte eventuell gedacht werden, wenn es sich um spontane Äußerungen in einem mündlichen Streitgespräch gehandelt hätte. Der Kläger hat indessen ohne Zeitdruck und ohne jeden äußeren Anlass mehrseitige Schreiben verfasst und keine Bedenken gezeigt, diese abzusenden.

dd.              Bei alledem ist zu bedenken, dass es sich bei dem Kläger um einen gut qualifizierten Mitarbeiter handelt, der im Flugbetrieb der Beklagten als Flugkapitän eine äußerst verantwortungsvolle Position bekleidet. Während seines Einsatzes im Flugbetrieb ist der Kläger als Flugkapitän nicht nur verantwortlich für das Leben einer Vielzahl von Passagieren und der Crew, sondern auch für erhebliche Sachwerte und wirtschaftliche Interessen der Beklagten. Er muss gegebenenfalls in der Lage sein, Entscheidungen äußerst weitreichender Konsequenzen im Namen der Beklagten eigenständig und gegebenenfalls ohne Rückversicherungsmöglichkeit im   jeweiligen Einzelfall  zu treffen. Eine solche Position setzt ein gegenüber einem durchschnittlichen Arbeitsvertragsverhältnis nochmals weit gesteigertes Vertrauensverhältnis voraus. Der Kläger hat das  arbeitsvertragliche  Vertrauensverhältnis   durch seine insbesondere in den Schreiben vom 29.01.2017 und 29.05.2018 dokumentierte Einstellung gegenüber der Beklagten und ihren Verantwortungsträgern nachhaltig untergraben. Es liegen damit Gründe im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien nicht erwarten lassen.

c.              Das Arbeitsverhältnis war daher zu dem Zeitpunkt, zu dem es geendet hätte, wenn sich die sozial ungerechtfertigte arbeitgeberseitige Kündigung vom 13.03.2017 als rechtswirksam erwiesen hätte, aufzulösen. Dies ist der 31.07.2017. Die Kündigungsfrist folgt aus Ziffer 6 D des Arbeitsvertrages der Parteien in Verbindung mit der einschlägigen Regelung im MTV GWI. Der Kläger hat sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten am 07.05.2007 aufgenommen und war somit im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 13.03.2017 noch keine zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger hat die Maßgeblichkeit einer längeren Kündigungsfrist nicht schlüssig dargelegt.

d.              Die Höhe der Abfindung war nach § 10 Abs. 1 KSchG auf einen Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen. Der festgesetzte Abfindungsbetrag entspricht etwas mehr als 3 1/3 Bruttomonatsverdiensten. Im Wege von arbeitsgerichtlichen Vergleichen festgesetzte Abfindungen gehen bei betriebsbedingten Kündigungen nach im Arbeitsleben weit verbreiteter Gewohnheit zunächst von einem Richtwert von 0,5 Monatsverdiensten pro Jahr des Bestands des Arbeitsverhältnisses aus. Bedenkt man, dass es vorliegend um eine durch das Verhalten des Klägers bedingte Auflösung des Arbeitsverhältnisses geht, dass der Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs der streitigen Kündigung noch keine zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt war und erst im 42. Lebensjahr stand, so erscheint der festgesetzte Betrag in Höhe von 50.000, - € angemessen, aber auch ausreichend.

III.              Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben der Kläger, wie vom Arbeitsgericht festgesetzt, 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen. Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Parteien je zur Hälfte, da die Beklagte zwar Erfolg mit ihrem Auflösungsantrag verbuchen konnte, nicht aber mit ihrer Berufung gegen die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 13.03.2017 durch das Arbeitsgericht.

              Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist in Anbetracht der auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruhenden Entscheidung nicht gegeben.

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