ArbG Berlin: Kündigung als verbotene Maßregelung
ArbG Berlin, Urteil vom 11.4.2014 – 28 Ca 19104/13
Amtliche Leitsätze
1. Beantwortet der Arbeitgeber die Übermittlung einer ärztlichen Bescheinigung über bestehende Arbeitsunfähigkeit einer Arbeitsperson postwendend mit (hier: fristloser) Kündigung, nachdem er diese am Vorababend - somit vergeblich - gebeten hatte, angesichts "der schwierigen Personalsituation zu den Weihnachtstagen zu helfen", so stellt sich die Kündigung als verbotene Maßregelung im Sinne des § 612 a BGB dar.
2. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Inanspruchnahme der benötigten Genesungszeit (s. auch § 275 Abs. 1 u. 3 BGB) sei tatbestandlich keine Ausübung von "Rechten". - Im Gegenteil: Gerade w e i l vielfach Dispositionsspielräume objektiv arbeitsunfähig erkrankter Arbeitspersonen in der Frage bestehen (oder beim Arbeitgeber vermutet werden), ob sie gleichwohl ihrer Arbeit nachgehen, begegnen der forensischen Praxis jene Fallgestaltungen, in denen Arbeitgeber ihrer Zielperson schon im Vorhinein verdeutlichen, mit welchen Konsequenzen diese bei erkrankungsbedingtem Ausfall zu rechnen haben.
Sachverhalt
Es geht um Probezeitkündigung nach Erkrankungsnachricht. - Vorgefallen ist dies:
I.
Die (heute1) 29-jährige Klägerin trat im Oktober 2013 als Arzthelferin2 in die Dienste des Beklagten, der mit einer nicht näher bezeichneten Zahl von Beschäftigten eine Arztpraxis betreibt. Im nach Erscheinungsbild und Diktion von diesem gestellten Arbeitsvertrag3 (Kopie4: Urteilsanlage I.) ist unter anderem folgendes bestimmt (Zusätze im Kursivdruck; d.U.):
„§ 1
1. …
3. Die ersten 4,5 Monate der Tätigkeit gelten als Probezeit [Streichung5; d.U.] bis zum 28. Febr. 2014.
§ 11
1. Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden, [Streichung6; d.U.]
2. [Streichung7; d.U.]
3. Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB8 bleibt unberührt.
4. Die Kündigung bedarf der Schriftform“.
II.
Wie es den Parteien auf diesem Hintergrund miteinander erging, ist nicht im Einzelnen ausgeleuchtet. - Fest steht aber, dass der Beklagte, der der Klägerin noch unter dem 9. Dezember 2013 für Dezember 2013 neben einem „Festbezug netto“ von 1.334,48 Euro eine „Leistungszulage“ von 314,17 Euro als Nettobezug abgerechnet und (wohl) auch bezahlt hatte9 (Kopie: Urteilsanlage II.), sie mit Schreiben vom 19. Dezember 201310 (Kopie: Urteilsanlage III.), das sie am selben Tage erreichte11 , folgendes wissen ließ:
„KÜNDIGUNG
… nachdem Sie gestern, am 18. Dezember 2013, mit mir ein ausführliches Gespräch hatten, in dem ich Ihren Wunsch nach Kündigung des Arbeitsplatzes in unserer Arztpraxis nicht nachkam, werde ich heute nun doch die
KÜNDIGUNG in der Probezeit ohne Angabe von Gründen
mit dem heutigen Tag 19. Dezember 2013 aussprechen.
Noch gestern bat ich Sie, uns bei der schwierigen Personalsituation zu den Weihnachtstagen zu helfen, ich bestätigte Ihnen Ihre guten Arbeitsleistungen und von Krankheit Ihrerseits war in keiner Situation die Rede.
Am heutigen 19. Dezember 2013 informierten Sie mich am Morgen über Ihre Arbeitsunfähigkeit, die vorgelegte Bescheinigung umfaßt die nächsten 20 Tage. Haben Sie bitte Verständnis, dass ich mich sofort um andere Mitarbeit in meiner Praxis kümmern muß und auf weitere Zusammenarbeit mit Ihnen nicht rechnen kann und möchte.
Die an Sie schon gezahlte Geldleistung vom 19. bis 31. Dezember 2013 bitte ich Sie, an mich zurück zu zahlen. Über die Größe des Betrages wird Sie unser Lohnbüro informieren.
Daneben bitte ich Sie auch, die von mir bezahlte Praxiskleidung als auch die Praxisschlüssel abzugeben. Das an Sie gegebene Namensschild mit Magnethalterung können Sie behalten.
Ich darf mich noch einmal für Ihre Arbeit seit dem 14. Oktober 2013 bei Ihnen bedanken und wünsche Ihnen Erfolg und Zufriedenheit bei Ihrer nächsten Arbeitsstelle“.
III.
Damit will es die Klägerin nicht bewenden lassen: Sie nimmt den Beklagten mit ihrer (vorab per Fax) am 23. Dezember 2013 bei Gericht eingereichten und 15 Tage später (7. Januar 2014) zugestellten Klage auf Feststellung in Anspruch, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die vorerwähnte Kündigung nicht mit dem 19. Dezember 2013 geendet habe. Da weder die gesetzliche Mindestkündigungsfrist in der Probezeit (gemeint: § 622 Abs. 3 BGB12) gewahrt, noch die arbeitsvertraglich in § 11 Nr. 1 ArbV vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten und die in § 11 Nr. 2 ArbV vorgesehene Kündigungsfrist gestrichen worden sei, habe das Arbeitsverhältnis allenfalls mit einer Frist von sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden können13.
IV.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch arbeitgeberseitige Kündigung im Schreiben vom 19. Dezember 2013 mit diesem Tage geendet hat.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
V.
Er hält seine Kündigung für wirksam14. Wenn die vorformulierte Regelung zur Probezeitkündigung in § 11 Nr. 2 ArbV gestrichen worden sei, so komme im Ergebnis § 622 Abs. 3 BGB15 zum Zuge16. Da ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB17 nicht vorliege, sei auch eine „Rechtfertigung des Arbeitgebers für den Grund der Kündigung entbehrlich“18. Hier habe er dennoch seine Beweggründe im Kündigungsschreiben genannt, ohne dazu verpflichtet zu sein19. Falls dies erforderlich sei, werde „auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen“20.
VI.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.
Aus den Gründen
Der Klage musste entsprochen werden.
A.
Die erbetene Feststellung war zu treffen. Die Kündigung im Schreiben vom 19. Dezember 2013 (Urteilsanlage III.) hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin weder mit diesem Tage noch zu einem anderen Termin beenden können. Sie ist unwirksam, weil sie sich als klarer Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot in § 612 a BGB21 darstellt.
B.
Der Reihe nach:
I.
Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (19. Dezember 2013) bei Gericht einreichen lassen (23. Dezember 2013). Die Zustellung ist am 7. Januar 2014 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin selbst ohne die anderenfalls rechtlich gebotene22 Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO23 die ihr durch §§ 13 Abs. 1 Satz 224, 4 Satz 125 KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung „gilt“ folglich nicht schon kraft Gesetzes nach §§ 13 Abs. 1 Satz 226, 7 (1. Halbsatz)27 KSchG als „von Anfang an rechtswirksam“. Zwar bedürfte sie zu ihrer Wirksamkeit bei (hier wohl statthafter28) Umdeutung (§ 140 BGB29) in eine fristwahrende Probezeitkündigung, wie der Beklagte insoweit zu Recht zu bedenken gibt (s. oben, S. 4 [V.]), keines besonderen Grundes. Sie darf jedoch – selbstverständlich – auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen und insbesondere kein normativ diskreditiertes Motiv verfolgen.
II.
Letzteres tut sie aber: Der Beklagte nimmt erklärtermaßen den Umstand, dass sich die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ihrer Arbeitsunfähigkeit bei ihm krank gemeldet hat, statt seiner Bitte zu folgen, ihm „bei der schwierigen Personalsituation zu den Weihnachtstagen zu helfen“, zum Anlass, das Arbeitsverhältnis - abrupt – zu beenden. Damit überschreitet er die Grenzen seiner rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht. Infolgedessen kann seine Kündigung keine Lösungswirkung entfalten, auch nicht zum 2. Januar 201430. - Der Reihe nach:
1. § 612 a BGB31 verbietet dem Arbeitgeber bekanntlich, einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme gerade deshalb zu benachteiligen, weil dieser „in zulässiger Weise seine Rechte ausübt“. Dass eine Kündigung zu solchen „Nachteilen“ gehört32, bedarf keiner vertieften Erläuterung33. Dass es zudem nicht nur zu den „Rechten“ von Arbeitnehmern gehört, sich bei erkrankungsbedingter Arbeitsunfähigkeit krank zu melden, sondern sogar zu ihren Pflichten, ist eigens kodifiziert (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EntgeltFG34). Selbst wenn je nach der Art - ärztlich verbürgter35 - Beschwerden für die betreffende Arbeitsperson Dispositionsspielräume über ihren Arbeitseinsatz bestehen mögen36, zählt es gleichwohl zu ihren ureigensten Befugnissen auch im Sinne des § 612 a BGB, statt ihre Gesundheit oder Genesung aufs Spiel zu setzen, die nicht zuletzt gesetzlich verbriefte Befreiung von der Arbeitspflicht37 (§ 275 Abs. 138 u. 339 BGB) tatsächlich in Anspruch zu nehmen40. Insofern verkürzt die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung gelegentlich anzutreffende Sichtweise, wonach sich eine Maßregelung im Sinne des § 612 a BGB für erkrankungsbedingte Arbeitsausfälle schon deshalb nicht erkennen lasse, weil die erkrankte Person mit ihrer genesungsorientierten Schonung kein „Recht“ ausübe41, die Perspektive.
2. Nach diesen Grundsätzen ist auch der hiesigen Kündigung im Schreiben vom 19. Dezember 2013 ihre Klassifizierung als gesetzlich verbotene Maßregelung nicht zu ersparen. Daran können die gegenläufigen Belange des Beklagten nichts ändern. - Insofern, nochmals, der Reihe nach:
a. Der Beklagte hält der Klägerin auf ihre Krankmeldung vom 19. Dezember 2013 und den darin prognostizierten Ausfall von 20 Tagen ausdrücklich vor (Urteilsanlage III.), er müsse sich nun „sofort um andere Mitarbeit“ in seiner Praxis kümmern. Zudem möge sie die schon erbrachte Zahlung für die Zeit vom 19. bis 31. Dezember 2013 erstatten42. - Mit diesen Worten ist nicht nur umrissen, worin er das Problem ihrer Krankmeldung erblickt (Arbeitsausfall), sondern auch, dass die sofortige Trennung ihm als einzig probate Lösung vorschwebt.
b. Das ist in der Tat mehr als genug, um die Kündigung als Maßregelung im Sinne des § 612 a BGB kenntlich zu machen43:
ba. Dass den Beklagten im Sinne der gerade referierten Grundsätze die Erkrankung der Klägerin (genauer: ihr - erkrankungsbedingter - Arbeitsausfall) zur Kündigung motiviert hat, ist nach den Begleitumständen und dem Text seiner Nachricht evident. Ihm lag wegen der „Personalsituation“ ihre betriebliche Präsenz am Herzen, die ihm die Klägerin mit der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit abgesagt hatte. Dass der Beklagte ihr insoweit nicht (nur) die Erkrankung vorhält, sondern mit der Beschaffung (mutmaßlich bezahlten) Ersatzpersonals deren ihm daraus erwachsende Last der Folgenbewältigung, bedingt keine andere Deutung: Da nämlich die Folgen nichts anderes als die pragmatische wie wirtschaftliche Dimension seiner situativen Betroffenheit durch ihren Arbeitsausfall spiegeln, handelt es sich damit lediglich um die Kehrseite desselben sozialen Tatbestandes. Zum „wesentlichen“ Motiv bzw. „tragenden Beweggrund“ (BAG a.a.O. [s. oben, Fn. 33]) der hiernach postwendend erklärten Kündigung im Sinne der diesbezüglich entwickelten Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen44 genügt die Erkrankung folglich allemal.
bb. Das Gericht übersieht bei dieser Würdigung nicht, dass die einschlägige Instanzrechtsprechung mitunter den Eindruck erwecken könnte, der Anwendungsbereich des § 612 a BGB sei möglichst restriktiv abzustecken.
(1.) Als tauglicher Ansatzpunkt hierfür scheint sich der Ausdruck „weil“ im Text der Vorschrift anzubieten, der bei etwaigen Motivbündeln einer Aussonderung gerade der Erkrankung der Arbeitsperson als diskreditiertem Gesichtspunkt die nötigen methodischen Spielräume verschaffen könnte. In diesem Zusammenhang könnte die eben schon erwähnte Judikatur des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine Rolle spielen, die bekanntlich die zu Fragen des Sonderkündigungsschutzes bei Betriebsübergängen (§ 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB45: Verbot einer Kündigung „wegen“ Betriebsübergangs) entwickelten Kausalitätsgrundsätze in den Normbereich des § 612 a BGB übertragen wissen will46. Das legte für den Streitfall vordergründig den Schluss nahe, hier kündige der Beklagte ja nur, um legitimerweise finanziellen Doppelbelastungen (§ 3 Abs. 1 Satz 147, 4 Abs. 148 EntgeltFG) auszuweichen, also keineswegs, um die Klägerin wegen Erkrankung zu benachteiligen. Das brächte ihn dann, so könnte man meinen, zumindest massregelungsrechtlich (nicht zwangsläufig wirtschaftlich: s. insofern § 8 Abs. 1 Satz 1 EntgeltFG49) „aus dem Schneider“. In diesem Sinne könnten sich dann diejenigen Stimmen der instanzgerichtlichen Judikatur verstehen lassen, die die Frage des Massregelungsverbots durch den Verweis auf die betrieblichen Folgen erkrankungsbedingter Arbeitsausfälle offenbar für entschärft halten50.
bb. Eine solche Sicht verkürzte die sich hier stellenden Fragen richterlicher Rechtsgewinnung jedoch abermals (s. zuvor schon oben, S. 7) um einen entscheidenden Aspekt. Angesprochen sind namentlich verfassungsrechtlich inspirierte Einflüsse auf die Ausdeutung des hiesigen Normenstoffs. Ihr kann daher nicht beigetreten werden. - Insofern, letztmalig, der Reihe nach:
(1.) Es zählt zu den seit Jahrzehnten herausgestellten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für den fachgerichtlichen Umgang mit dem Normenstoff, dass die Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts nicht so erfolgen darf, dass davon einschüchternde Rückwirkungen auf die Wahrnehmung grundrechtlicher Befugnisse selbst im objektiv erlaubten Umfang ausgehen können51 („präventive Selbstzensur“52). Außerdem ist in der Rechtsprechung des Gerichts seit jeher wieder und wieder unterstrichen, dass sich die Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts an den normativen Leitbildern zu orientieren hat, die insbesondere in den Grundrechten zum Ausdruck gebracht sind (sogenannte „verfassungsgeleitete Auslegung“53). In diesem Zusammenhang fällt für den hier interessierenden Sachbereich der Reaktionen des Arbeitgebers auf Erkrankung seines Personals ins Gewicht, dass aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG54 bekanntlich Schutzpflichten des Staates im Blick auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten erwachsen55. In den gleichen Kontext gehört die Erkenntnis, dass die nach heutigem Verständnis § 275 BGB (s. oben, S. 7) zuzuordnende Befugnis erkrankter Arbeitspersonen, sich kraft Dispensierung von vertraglichen Leistungspflichten auf ihre Genesung zu konzentrieren, zu den elementarsten Selbstschutzkomponenten allgemeiner Handlungsfreiheit zählt, die wiederum in Art. 2 Abs. 1 GG56 ihre verfassungsrechtliche Entsprechung hat. Sämtliche hiermit angesprochenen drei Aspekte sind im forensischen Umgang der Fachgerichte mit Inhalt und Effektivität des § 612 a BGB als der auch die Fachgerichte treffenden Schutzverpflichtungen (Art. 1 Abs. 3 GG57) im Auge zu behalten58.
(2.) Nun darf als „Binsenweisheit“ angesehen werden, dass die Aussicht berufstätiger Menschen, bei Inanspruchnahme zeitlicher Genesungskontingente mit Sanktionen oder gar Kündigung bedacht zu werden, sich auf die Wahrnehmung entsprechenden Selbstschutzes hemmend auszuwirken droht. Genau das ist der Grund für die die forensische Praxis immer wieder beschäftigenden Fälle, in denen Arbeitgeber ihren Zielpersonen schon im Vorhinein zu verdeutlichen suchen, mit welchen Konsequenzen sie bei Erkrankungen zu rechnen haben59. Insofern spielt es auch für die mit entsprechender Drohkulissen intendierten „Präventiveffekte“ - selbstverständlich – keine Rolle, ob die dem Scheitern solcher Einwirkungsversuche auf dem Fuße folgende Kündigung dann mit der Erkrankung als solcher oder aber mit ihren betrieblichen Folgen gerechtfertigt werden soll. In den (gewollten) Auswirkungen auf die Zielperson ist beides „Holz vom gleichen Stamm“60. Das eine ist, wie schon erwähnt, nur die Kehrseite derselben Medaille. Insofern kann auch der normativ gebotene Schutz nach Inhalt und Reichweite nicht davon abhängen, ob und ggf. welche betrieblichen Belange der Arbeitgeber, der die Erkrankung mit spontaner Kündigung beantwortet, als maßgebliche Motivation im Rechtsstreit zur Sprache bringt. Anderenfalls wäre dem gesetzlich als zwingend konzipierten § 612 a BGB allein mit rhetorischen Mitteln „ein Schnipp‘chen“ zu „schlagen“. Dem steht sein normativer Geltungsanspruch jedoch durchgreifend entgegen.
(3.) Soweit die Konsequenzen dessen bewirken, dass das Massregelungsverbot des § 612 a BGB im Rahmen seiner tatbestandlichen Voraussetzungen gleichsam Sonderkündigungsschutz auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes vermittelt, ist dies nicht nur vor seinem verfassungsrechtlichen Hintergrund hinzunehmen, sondern auch im Übrigen gewollt: Abgesehen davon, dass insbesondere die Schutzgebote des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG61 nicht danach unterscheiden, ob ein Arbeitsverhältnis (nach Dauer und Beschäftigtenzahl des Arbeitgebers) unter Kündigungsschutz steht oder nicht, ist das Massregelungsverbot bewusst nicht im Kündigungsschutzgesetz angesiedelt62. Danach muss § 612 a BGB auch dann „greifen“ können, wenn sich die Arbeitsperson nach kündigungsschutzrechtlichen Maßstäben noch in der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG63) oder ohnehin im sogenannten „Kleinbetrieb“ (§ 23 Abs. 1 KSchG64) befindet.
(4.) Nach allem ist das rechtliche Schicksal der hiesigen Kündigung im Schreiben vom 19. Dezember 2013 (Urteilsanlage III.) im Lichte des § 612 a BGB65 besiegelt: Da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, erweist sich als nichtig (§ 134 BGB66).
bc. Nicht zu wenden ist das Blatt auch durch den an sich zutreffenden Hinweis des Beklagten im Rechtsstreit (s. oben, S. 4 [V.]), eine Begründung seiner Kündigung sei „entbehrlich“ gewesen. Dies hilft der Tatsache aber nicht ab, dass er sich gleichwohl – und eben verbotswidrig „massregelnd“ - geäußert hat. Bei dieser Sachlage führt kein Weg daran vorbei, dass er sich an seinem gezeigten Verhalten auch messen lassen muss. - Ebenso wenig kann am Ergebnis der rechtlichen Kontrolle seiner Kündigung der Umstand etwas ändern, dass der Beklagte im Text seiner Kündigung offenbar Wert darauf legt, Zweifel an der medizinischen Tragfähigkeit der der Klägerin bescheinigten Arbeitsunfähigkeit anzudeuten („in keiner Situation die Rede“). Da die Klägerin nicht seine Patientin, sondern seine Mitarbeiterin ist und auch die erwähnte Begegnung vom 18. Dezember 2013 erkennbar nicht ihrem Gesundheitsstatus, sondern den Perspektiven der Arbeitsbeziehung galt, hat es insoweit mit jenem sogenannten „hohen Beweiswert“ solcher ärztlichen Zeugnisse vielmehr sein Bewenden, die die Gerichte für Arbeitssachen ihnen seit Jahrzehnten überzeugend bescheinigen67.
bd. Nur ergänzend sei schließlich klargestellt, dass aus dem Umstand, dass die Klägerin die Problematik des Massregelungsverbots nicht von sich aus aufgegriffen hat, kein Hindernis für das zur Kontrolle berufene Gericht erwächst, die Kündigung am Maßstab des § 612 a BGB68 zu messen: Nach zutreffender Rechtsprechung des Sechsten Senats des BAG erstreckt sich die Kontrolle des Gerichts auf alle nach dem durch die Parteien unterbreiteten Vortragsstoff in Betracht kommenden Prüfkriterien69. Insbesondere bewirkt und auch § 6 KSchG70 nicht etwa die vermeintliche Unbeachtlichkeit offenkundiger Wirksamkeitsmängel. Somit genügt für die gerichtliche Verwertung nach auch von der befassten Kammer geteilter Rechtsprechung des LAG Berlin-Brandenburg insbesondere schon die Unterbreitung des Kündigungsschreibens durch die Klägerin bei Gericht, um dessen Kontrollbefugnis auf den darin überdeutlich dokumentierten Massregelungstatbestand zu beziehen71.
III.
Die Konsequenzen dieser Befunde zieht der Tenor zu I. des Urteils.
C.
Für Kosten und Streitwerte lässt es sich kurz machen:
I.
Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO72). Diese Kosten hat es dem Beklagten als unterlegener Partei zuweisen müssen (s. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO73; Tenor zu II.).
II.
Den Wert des Streitgegenstandes hat es aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG74 im Tenor festgesetzt und nach Maßgabe der Wertungen aus § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG75 mit der dreifachen Monatsvergütung der Klägerin bemessen. Diese bemisst das Gericht mit deren dreifachen Dezemberverdienst (Anlage II.). Das macht (3 x 1.648,65 Euro = ) 4.945,95 Euro und erklärt den Tenor zu III.
Fußnoten
1) Geboren im Januar 1985.
2) S. Kopie des Arbeitsvertrags vom 23.9.2013 als Anlage zur Klageschrift (Bl. 5-7 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).
3) Es handelt sich um einen von der Ärztekammer Berlin erarbeiteten Vordruck, der hier mit handschriftlichen Ausfüllungen einerseits und Streichungen andererseits individualisiert ist; d.U.
4) Wie Fußnote 2.
5) Gestrichen sind die Worte: „Eine Probezeit wird im Hinblick auf die vorangegangene Lehre als Arzthelfer/Arzthelferin nicht vereinbart“.
6) Gestrichen ist die Anschlusspassage „sofern sich nicht aus anderen Vorschriften eine längere Frist ergibt“.
7) Gestrichen sind die Worte: „Innerhalb der Probezeit ist die Kündigung am 15. zum Monatsschluss zulässig“.
8) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. - (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil den Kündigungsgrund auf Verlangen unverzüglich schriftlich mitteilen“.
9) S. Kopie der Abrechnung als Anlage zur Klageschrift (Bl. 8 GA).
10) S. Kopie Anlage zur Klageschrift (Bl. 9 GA).
11 ) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 4 GA).
12) S. Text: „§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen. (1) … (3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden“.
13) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 4 GA).
14) S. Klageerwiderungsschrift vom 25.3.2014 S. 1 [1.] (Bl. 32 GA).
15) S. Text oben, S. 3 Fn. 12.
16) S. Klageerwiderungsschrift S. 1 [2.] bis S. 2 [3.] (Bl. 32-33 GA).
17) S. Text oben, S. 2 Fn. 8.
18) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 [4.] (Bl. 33 GA).
19) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
20) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
21) S. Text: „§ 612 a Maßregelungsverbot. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt“.
22) Vgl. zur analogen Anwendung der Vorgängervorschrift in § 270 Abs. 3 ZPO statt vieler BAG 26.6.1986 – 2 AZR 358/85 – BAGE 52, 263 = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 14 = NZA 1986, 761 [B.II.3 c, cc.], wonach die Regelung des § 270 ZPO a.F. „auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet“; 17.6.1998 – 2 AZR 336/97 – NZA 1998, 1225 = RzK I 7 b Nr. 32 [II.1.], wonach „gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO die Drei-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch dann gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 Abs. 3 ZPO: 'demnächst')“; ebenso schon BAG 8.4.1976 – 2 AZR 583/74 – AP § 4 KSchG 1969 Nr. 2.
23) S. Text: „§ 167 Rückwirkung der Zustellung. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt“.
24) S. Text: „§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen. (1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden“.
25) S. Text: „§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“.
26) S. Text oben, Fn. 24.
27) S. Text: „§ 7 Wirksamwerden der Kündigung. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam“.
28) S. hierzu aus neuerer Zeit BAG 15.11.2001 – 2 AZR 310/00 – AP § 140 BGB Nr. 13 = EzA § 140 BGB Nr. 24 = NJW 2002, 2972 [Leitsätze]: „1. Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist. - 2. Findet auf ein Arbeitsverhältnis das KSchG – noch – keine Anwendung, ist regelmäßig davon auszugehen, dass bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Arbeitgeber eine Beendigung zum nächst zulässigen Termin gewollt hat. - 3. Die Gerichte für Arbeitssachen müssen von sich aus prüfen, ob auf Grund der feststehenden Tatsachen eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigungserklärung in Betracht kommt“; im Anschluss etwa BAG 23.10.2008 – 2 AZR 388/07 – AP § 626 BGB Nr. 217 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 23 [B.III.1. - „Juris“-Rn. 33]; 25.10.2012 – 2 AZR 700/11 – AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 51 = NZA 2013, 371 = EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 13 = MDR 2013, 471 [I.3 a. - „Juris“-Rn. 21].
29) S. Text: „§ 140 Umdeutung. Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde“.
30) Insofern vertritt auch das Gericht die Ansicht (des Beklagten), dass die Streichung der Klausel in § 11 Nr. 2 ArbV (Urteilsanlage I.) lediglich zur Folge hat, dass die gesetzliche Vorschrift des § 622 Abs. 3 BGB für beide Vertragsparteien bindende Wirkung entfaltet (ohne die Streichung müsste sich lediglich der Beklagte auf die Begrenzung möglicher Kündigungstermine verweisen lassen, während die Klägerin ihre etwaige Eigenkündigung bei Wahrung der Zweiwochenfrist zu jedem belieben Zeitpunkt erklärten könnte; .d.U.
31) S. Text oben, S. 4 Fn. 21.
32) S. dazu anschaulich schon BT-Drs. 8/3317 S. 10 [Zu Nummer 3 - Maßregelungsverbot]: „Dieses ,selbstverständliche‘ Benachteiligungsverbot hat für den Arbeitsalltag große Bedeutung. Er wurde in Artikel 7 der Richtlinie vom 9. Februar 1976 und in Artikel 5 der Richtlinie vom 10. Februar 1975 nur für den Fall der Kündigung aufgenommen. Da aber auch andere, ebenso ungerechtfertigte Maßregelungen denkbar sind, erfasst die Vorschrift auch diese Fälle“.
33) S. hierzu statt vieler BAG 2.4.1987 – 2 AZR 227/86 – BAGE 55, 190 = AP § 612 a BGB Nr. 1 = EzA § 612 a BGB Nr. 1 = DB 1987, 2525 = NZA 1988, 18 [Leitsatz 1.]: „Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber kann eine Maßnahme im Sinne von § 612 a BGB sein, wenn ihr tragender Beweggrund eine zulässige Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer ist (...)“; im Anschluss anschaulich etwa BAG 20.4.1989 – 2 AZR 498/88 – RzK I 8 l Nr. 15 [II.2 a, aa. - „Juris“-Rn. 28]: „Unabhängig davon, ob das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist oder nicht, kann die Wirksamkeit einer Kündigung unter Anwendung derjenigen allgemeinen Rechtsvorschriften überprüft werden, deren Regelungsgehalt nicht in den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes erfasst und abschließend geregelt ist. Zu diesen Normen gehört auch § 612 a BGB (…). Die Vorschrift des § 612 a BGB erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit, nämlich die Kündigung als Maßregelung (...)“; 22.5.2003 – 2 AZR 426/02 – AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit Nr. 18 = EzA § 242 BGB 2002 Kündigung Nr. 2 = SAE 2004, 46 [B.III.2 a. - „Juris“-Rn. 49]: „Als ,Maßnahmen‘ im Sinne des § 612 a BGB kommen auch Kündigungen in Betracht (...)“.
34) S. Text: „§ 5 Anzeige- und Nachweispflichten. (1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. … “.
35) S. dazu instruktiv etwa BAG 15.7.1992 – 5 AZR 312/91 – AP § 1 LFZG Nr. 98 = NJW 1993, 809 = NZA 1993, 23 [II.2.]: „Das LAG hat seiner Auffassung die private und deshalb nicht nachvollziehbare Annahme zugrunde gelegt, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen würden in erheblichem Umfange missbräuchlich ausgestellt. Dem BAG hat es entgegengehalten, seine Ansicht von der Lebenserfahrung, auf die sich der Beweiswert gründe, sei nicht belegt. Diese Erwägung des Berufungsgerichts erfordert keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Wenn das LAG der Bescheinigung des Arztes keinen Beweiswert zuerkennt, dann erhebt es den sicher möglichen und grundsätzlich auch vorkommenden Missbrauch zum Regeltatbestand. Darin kommt letztlich eine nicht erträgliche Diskriminierung aller Ärzte zum Ausdruck. Dabei übersieht das Berufungsgericht auch, dass in den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien, die der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 3.9.1991 verabschiedet hat (RdA 1992, 208), die Pflichten des Arztes und seine Verantwortung bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit eingehend beschrieben sind. Missbrauchsfällen ist der Arbeitgeber nicht schutzlos ausgeliefert … “.
36) S. zu solchen (ambivalenten) Konstellationen, die möglicherweise häufiger sind als die vielfach beschworene spiegelbildliche „Erschleichung“ objektiv haltloser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (künftig kurz: „AU-B“) – falls Interesse – etwa ArbG Berlin 30.8.2013 – 28 Ca 1658/13 – BB 2013, 2739 [Leitsatz 2.] (Volltext: „Juris“): „Ist ein objektiv arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer an der Erbringung seiner Arbeitsleistung nicht zwingend physisch gehindert und somit faktisch in der Lage, über seinen Ausfall per AU-B zu disponieren, wäre seiner vorherigen Aufopferung gesundheitlicher Ressourcen im betrieblichen Interesse nicht nur ein schlechter Dienst erwiesen, zöge schlichte Korrektur bisheriger Prioritätensetzung besagte Verdächtigung (,Vortäuschung‘) nach sich. Derartige Zuschreibungen entsprächen der Sache nach auch einer ,Maßregelung‘ (§ 612 a BGB)“.
37) S. zum Streit der Meinungen, ob Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung dem Abs. 1 oder Abs. 3 in § 275 BGB zuzuordnen sei, statt vieler anschaulich ErfArbR/Ulrich Preis, 14. Auflage (2014), § 611 BGB Rn. 685.
38) S. Text: „§ 275 Ausschluss der Leistungspflicht. (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist“.
39) S. Text: „§ 275 Ausschluss der Leistungspflicht. (1) … (3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann“.
40) S. dazu prägnant BAG 23.4.2009 – 6 AZR 189/08 – BAGE 130, 347 = AP § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 40 = EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 9 = NZA 2009, 974 = MDR 2009, 1351 [Orientierungssatz]: „Ein wegen Krankheit arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ist von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit. Er ist berechtigt, der Arbeit fernzubleiben“.
41) S. in diesem Sinne etwa LAG Sachsen-Anhalt 27.7.1999 – 8 Sa 1066/98 – LAGE § 613 a BGB Nr. 6 = RzK I 8 l Nr. 31 [„Juris“-Rn. 11]: „Es ist bereits zweifelhaft, ob der Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig ist und deswegen nicht arbeitet, in zulässiger Weise ein Recht ausübt. Durch die bestehende Arbeitsunfähigkeit wird vielmehr die Arbeitsleistung unmöglich und der Arbeitnehmer nach § 275 BGB von der Verpflichtung zur Leistung frei (...)“; LAG Hamm 6.9.2005 – 19 Sa 1045/05 – n.v. (Volltext: „Juris“) [II.2 b, aa. - „Juris“-Rn. 33]: „Ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig ist und deswegen nicht arbeitet, übt jedoch kein Recht aus. Vielmehr ist bei einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit die Arbeitsleistung unmöglich mit der Folge, das der Arbeitnehmer nach § 275 BGB von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit ist (...)“; LAG Rheinland-Pfalz 30.8.2007 – 2 Sa 373/07 – EEK 3347 (Volltext: „Juris“) [Orientierungssatz]: „Es ist nicht treuwidrig bzw. es verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, wenn einem Arbeitnehmer, für den das KSchG nicht anwendbar ist, gekündigt wird während einer Erkrankung oder sogar wegen Erkrankung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612 a BGB liegen nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt. Er macht kein Recht geltend, sondern ist wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet, Arbeitsleistungen zu erbringen“.
42) S. Textauszug: „Die an Sie schon gezahlte Geldleistung vom 19. bis 31. Dezember 2013 bitte ich Sie, an mich zurück zu zahlen“.
43) S. im selben Sinne schon ArbG Trier 8.12.2011 – 3 Ca 936/11 – ArbR 2012, 153 (Kurzwiedergabe) = ArbuR 2012, 178 (Redaktioneller Leitsatz) (Volltext: „Juris“) [Leitsatz]: „Auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes kann eine Kündigung, die der Arbeitgeber als unmittelbare Reaktion auf eine Krankmeldung des Arbeitnehmers ausspricht, wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB unwirksam sein“; s. mit gleicher Tendenz bereits BAG 23.9.2009 (Fn. 40) [Orientierungssatz]: „Droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, wenn der Arbeitnehmer nicht trotz Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit erscheint, und kündigt der Arbeitgeber unmittelbar nach der Weigerung des Arbeitnehmers, die Arbeit aufzunehmen, das Arbeitsverhältnis, liegt daher ein Sachverhalt vor, der eine Maßregelung i.S.d. § 612 a BGB indiziert“; ähnlich etwa auch Hessisches LAG 13.11.2007 – 13 Sa 724/07 – n.v. (Volltext: „Juris“) [„Juris“-Rn. 35].
44) S. dazu BAG 2.4.1987 (Fn. 33) [II.1 d, bb. - „Juris“-Rn. 26]: „Ob eine Maßregelung wegen einer zulässigen Wahrnehmung von Arbeitnehmerrechten vorliegt, richtet sich bei einer Kündigung nach den gleichen Grundsätzen, die der Senat für das Verbot der Kündigung wegen des Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 BGB aufgestellt hat (…). Eine Kündigung wegen einer zulässigen Rechtsausübung liegt demgemäß dann vor, wenn die Rechtsausübung für die Kündigung nicht nur in irgendeiner Weise auch ursächlich und nicht nur deren äußerer Anlass, sondern für die Kündigung der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv gewesen ist. Wenn der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht nur wesentlich, sondern ausschließlich durch die zulässige Rechtsverfolgung des Arbeitnehmers bestimmt gewesen ist, dann deckt sich das Motiv des Arbeitgebers mit dem objektiven Anlass zur Kündigung. … Nur dann, wenn das Motiv des Arbeitgebers nicht ausschließlich durch einen vom Gesetz ausgeschlossenen Kündigungsgrund bestimmt worden ist, stellt sich die vom Senat im Urteil vom 31.1.1985 [2 AZR 530/82 – AP § 613 a BGB Nr. 40; d.U.] noch nicht abschließend beantwortete und auch vorliegend nicht entscheidungserhebliche Frage, ob das Benachteiligungsverbot auch dann eingreift, wenn bei mehreren Kündigungsgründen die Maßregelung (…) für den Arbeitgeber zwar nicht das alleinige, aber das wesentliche Motiv gewesen ist“; im Anschluss etwa BAG 20.4.1989 (Fn. 33) [II.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 30-31]; 16.9.2004 – 2 AZR 511/03 – AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 142 = EzA § 102 BetrVG 2001 nr. 10 = RzK III 1 a Nr. 129 [C.III.2. - „Juris“-Rn. 37]; 23.10.2008 – 2 AZR 483/07 – n.v. (Volltext: „Juris“) [B.I.2 b, aa. (2) - „Juris“-Rn. 41].
45) S. Text: „§ 613 a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang. (1) … (4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt“.
46) S. nochmals insbesondere BAG 2.4.1987 (Fn. 33) – Zitate Fn. 44.].
47) S. Text: „§ 3 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. (1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen“.
48) S. Text: „§ 4 Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts. (1) Für den in § 3 Abs. 1 bezeichneten Zeitraum ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen“.
49) S. Text: „§ 8 Beendigung des Arbeitsverhältnisses. (1) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt“.
50) S. in diesem Kontext etwa LAG Sachsen-Anhalt 27.7.1999 (Fn. 41) [Leitsatz]: „Eine auf Krankheitsgründe gestützte Kündigung während der Probezeit stellt dann keine verbotene Maßregelung i.S.v. § 612 a BGB dar, wenn sie durch die Krankheit selbst einschließlich ihrer betrieblichen Auswirkungen veranlasst ist“.
51) S. speziell zum strafrechtlichen Ehrenschutz (§§ 185 ff. StGB) BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 u.a. – BVerfGE 93, 266, 292, wonach dessen Bestimmungen nicht so ausgelegt werden dürften, dass davon ein abschreckender Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts der Meinungsfreiheit dahin ausgehe, „aus Furcht vor Sanktionen auch zulässige Kritik“ zu vermeiden; ähnlich schon BVerfG 7.12.1976 – 1 BvR 460/72 – BVerfGE 43, 130, 136: „einschüchternde Wirkung“; 13.5.1980 – 1 BvR 103/77 – BVerfGE 54, 129 = NJW 1980, 2069 [B.I. - „Juris“-Rn. 21]: „Denn die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld führt nicht nur zu einer Genugtuung für eine in der Vergangenheit liegende Ehrverletzung. Sie entfaltet unvermeidlich präventive Wirkungen, indem sie das Äußern kritischer Meinungen einem hohen finanziellen Risiko unterwirft; dadurch kann sie die Bereitschaft mindern, in Zukunft Kritik zu üben, und auf diese Weise eine Beeinträchtigung freier geistiger Auseinandersetzung bewirken, die an den Kern der grundrechtlichen Gewährleistung rühren muss“; 20.4.1982 – 1 BvR 426/80 – BVerfGE 60, 234 = NJW 1982, 2655 = MDR 1982, 820 [B.II.1 b. - „Juris“-Rn. 15]: „Die Befürchtung, wegen einer wertenden Äußerung einschneidenden gerichtlichen Sanktionen ausgesetzt zu werden, trägt die Gefahr in sich, öffentliche Kritik und öffentliche Diskussion zu lähmen oder einzuengen und damit Wirkungen herbeizuführen, die der Funktion der Meinungsfreiheit in der durch das Grundgesetz konstituierten Ordnung zuwiderlaufen“; 10.11.1998 – 1 BvR 1531/96 – BVerfGE 99, 185, 197, wonach abschreckende Effekte für die Wahrnehmung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu vermeiden seien.
52) So markant Wolfhard Kohte, Anm. BAG [9.12.1982 – 2 AZR 620/80] ArbuR 1984, 122, 128: „Zutreffend hat schließlich das Bundesverfassungsgericht mehrfach verlangt, dass die Einschränkung der Meinungsfreiheit umso festeren Grenzen unterworfen werden muss, je größer die Rechtsnachteile für denjenigen sind, der von ihr Gebrauch macht, weil andernfalls eine präventive Selbstzensur zu besorgen ist (...)“.
53) S. dazu statt vieler ErfArbR/Thomas Dieterich, 5. Auflage (2005), Einleitung GG Rn. 80: „3. Aufgaben der Fachgerichte. a) Auslegung und Rechtsfortbildung. Obwohl das BVerfG als letztverbindliche Instanz über die Auslegung und Anwendung der Grundrechte zu wachen hat, ist den Fachgerichten aller Gerichtszweige und Instanzen eine zentrale Rolle zugewiesen. Sie haben das ,einfache Recht‘ im Lichte der Grundrechte zu entfalten, sind zu verfassungsgeleiteter Auslegung verpflichtet. vor allem bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe und der Konkretisierung von Generalklauseln sind ihnen Abwägungsaufgaben gestellt, die sich an den übergeordneten Grundsatzentscheidungen der Grundrechte orientieren müssen. Das ist besonders evident, wo das Gesetz erklärtermaßen grundrechtliche Schutzpflichten erfüllen will (…), gilt aber ebenso für ganz ,neutrale‘ Generalklauseln (…) und für jede Form der Rechtsfortbildung (…). Sogar dann, wenn das Gericht selbst im Wege des Richterrechts Abwägungsprogramme durch Auslegung entwickelt, muss es sich bei ihrer Anwendung an den Zielvorgaben der Grundrechte orientieren; es ist hier also nach dem ersten Schritt, der noch keinen grundrechtlichen Vorgaben folgte, beim zweiten Schritt weniger frei (...)“.
54) S. Text: „Art. 2 [Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person] (1) …- (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“.
55) S. dazu statt vieler deutlich BT-Drs. 13/3540 S. 11 [2.], wonach bereits „aus Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes die Pflicht des Staates“ folge, „Leben und Gesundheit der Beschäftigten durch öffentlich-rechtliche Vorschriften zu schützen“.
56) S. Text: „Art. 2 [Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person] Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“.
57) S. Text: „Art. 1 [Schutz der Menschenwürde, Menschenrechte, Grundrechtsbindung] (1) … (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“.
58) S. statt vieler aus jüngerer Zeit BVerfG 30.7.2003 – 1 BvR 792/03 – NZA 2003, 959, wo das Gericht einmal mehr betont, dass die Grundrechte „ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das Medium der Vorschriften entfalten, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln“. Der Staat habe „auch insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzung durch andere zu bewahren“. Dabei fällt es, soweit das geschriebene Gesetzesrecht den Interessenausgleich zwischen den Beteiligten nicht abschließend ausgestaltet hat, den Fachgerichtsbarkeiten zu, „diesen grundrechtlichen Schutz durch Auslegung und Anwendung des Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren“.
59) S. dazu anschaulich etwa Hessisches LAG 13.11.2007 (Fn. 43) [„Juris“-Rnrn. 3 ff.] zur Korrespondenz des dortigen Arbeitgebers mit dem zuvor laut AU-B arbeitsunfähig erkrankten Beschäftigten (Klägers) vor Ausspruch der Kündigung: „Am 24.10.2006 … erhielt der Kläger eine SMS des Beklagten mit folgendem Inhalt: - ,A, kommt nicht auf die Idee, dein Bereitschaftswochenende und Woche krank zu machen, das wäre absolut schäbig gegenüber B. Solltest du es unerwartet machen, gibt es ab dem 06.11. nach deiner Bereitschaftswoche keine 14 Tage Urlaub, den du normalerweise nach deiner Bereitschaftswoche ab dem 06.11. 14 Tage machen solltest. Denn dann geht B.‘. - Am 25.10.2006 erhielt der Kläger folgende weitere SMS: - ,Aber hau den B nicht in die Pfanne und lass dich krankschreiben, der kann nicht schon wieder Wochenende machen. Wie gesagt Spritze rein und eine Kniebandage drum‘“.
60) S. dazu – wenn auch für die nicht minder gekünstelte Unterscheidung zwischen Rechtsausübung und gesetzlichem Befreiungstatbestand (s. oben, S. 6-7 [1.]) - mit vollem Recht auch ArbG Trier 8.12.2011 (Fn. 43) [A.2 c, cc. - „Juris“-Rn. 32]: „Die Gegenansicht (…), die darauf abstellt, der Arbeitnehmer sei lediglich nicht zur Arbeit verpflichtet, mache aber damit noch kein eigenes Recht geltend, erscheint der erkennenden Kammer zu spitzfindig und der Sache nicht angemessen“.
61) S. Text oben, S. 11 Fn. 54.
62) S. dazu nochmals BT-Drs. 8/3317 S. 10 [Zu Nummer 3 (Maßregelungsverbot)]: „Praktisch ergibt sich ein solches Maßregelungsverbot für die von diesen Gesetzen erfassten Arbeitnehmer schon aus dem Kündigungsschutzgesetz und aus der Regelung des § 84 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz, wonach dem Arbeitnehmer aus der Erhebung einer Beschwerde keine Nachteile entstehen dürfen. Diese Rechtslage soll durch die neue Vorschrift verdeutlicht und zugleich allgemein geregelt werden“.
63) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist“.
64) S. Text: „§ 23 Geltungsbereich. (1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen“.
65) S. Text oben, S. 4 Fn. 21.
66) S. Text: „§ 134 Gesetzliches Verbot. Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“.
67) S. dazu statt vieler nur BAG 11.8.1976 – 5 AZR 422/75 – AP § 3 LohnFG Nr. 2 [I.]: „1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der Kläger die streitig gebliebene Tatsache seiner Erkrankung beweisen muss. Das ergibt sich aus allgemeinen Regeln über die Verteilung der Beweislast. Danach hat der Gläubiger die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen. … 2. In der Regel kann der Arbeiter den ihm obliegenden Beweis mit der Vorlage der ärztlichen Bescheinigung erbringen. a) Eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Bescheinigung hat einen hohen Beweiswert. … Der Beweiswert dieser Bescheinigung ergibt sich aus der Lebenserfahrung; der Tatrichter kann normalerweise den Beweis der Erkrankung als erbracht ansehen, wenn der Arbeiter im Rechtsstreit eine solche Bescheinigung vorlegt“; s. aus neuerer Zeit nur BAG 15.7.1992 (Fn. 35) [II.1.]; 19.2.1997 – 5 AZR 83/96 – NZA 1997, 652, 653 [II.1.]; ständige Judikatur.
68) S. Text oben, S. 4 Fn. 21.
69) S. dazu aufschlussreich BAG 18.1.2012 – 6 AZR 407/10 – BAGE 140, 261 = AP § 6 KSchG 1969 Nr. 6 = EzA § 6 KSchG Nr. 4 = NZA 2012, 817 = MDR 2012, 780 [II.4 b. - „Juris“-Rn. 26]: „Darüber hinaus hat das Gericht Unwirksamkeitsgründe, deren Vorliegen sich aus dem Vortrag der Parteien ergibt, von Amts wegen zu berücksichtigen. Nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln ist ein Klageantrag – unter Beachtung des Streitgegenstands – unter allen aufgrund des Sachvortrags der Parteien in Betracht kommenden rechtlichen Gründen zu prüfen (iura novit curia). Auch unter Geltung der Dispositionsmaxime, wie sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt, ist es nicht in das Belieben des Klägers gestellt, auf welche materiell-rechtlichen Vorschriften er sein Begehren stützen will. Er bestimmt mit seinem Antrag vielmehr lediglich den Streitgegenstand, die rechtliche Subsumtion ist Aufgabe des Gerichts (…). Seit dem 1. Januar 2004 ist, wie ausgeführt, Streitgegenstand der nach § 4 KSchG erhobenen Klage die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung als solche unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten mit Ausnahme der Wahrung der Schriftform. Wenn sich demnach aus dem Sachvortrag der Parteien – auch des Arbeitgebers als Beklagtem – ergibt, dass die Kündigung unter einem bisher von keiner Partei ausdrücklich angeführten rechtlichen, vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage erfassten Gesichtspunkt unwirksam ist, muss sich der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich darauf berufen, um im Rechts-streit unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu obsiegen (…). Lediglich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Gegners kann vor einer entsprechenden Entscheidung ein Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO auf seine Rechtsauffassung geboten sein“.
70) S. Text: „§ 6 Verlängerte Anrufungsfrist. - Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen“.
71) S. LAG Berlin-Brandenburg 26.3.2010 – 6 Sa 2345/09 – LAGE § 14 TzBfG Nr. 56 [1.1.2.2.2.]: „Dass die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform erstinstanzlich nicht thematisiert worden ist, schloss nicht aus, dies in der Berufungsinstanz nach entsprechendem Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 ZPO nachzuholen. - Zwar sieht § 6 Abs. 1 KSchG … vor, dass sich der Arbeitnehmer grundsätzlich nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen kann. Diese Beschränkung setzt jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer gemäß § 6 Satz 2 KSchG vom Arbeitsgericht hierauf hingewiesen worden ist (…), was hier nicht geschehen ist. - Zudem hatte die Klägerin dadurch, dass sie eine Ablichtung der Vertragsurkunde mit ihrer Klageschrift zur Akte gereicht hat, auch bereits die Formwirksamkeit der getroffenen Befristungsabrede zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Selbst wenn eine Partei durch Vorlage einer Urkunde ihr ungünstige Tatsachen vorträgt, sind diese bei der Entscheidungsfindung zu verwerten, soweit es sich nicht um solche handelt, die lediglich eine Einrede begründen können und daher nur beachtlich sind, wenn die einredeberechtigte Partei sich darauf beruft (…). Es verhält sich insoweit nicht anders als bei der Erwähnung einer Schwerbehinderung (…) oder des Vorhandenseins eines Betriebsrats, die bereits Anlass geben, den Arbeitgeber zur Darlegung aufzufordern, die gemäß § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts eingeholt bzw. den Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG ordnungsgemäß angehört zu haben“.
72) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.
73) S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht. (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … “.
74) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.
75) S. Text: „§ 42 Wiederkehrende Leistungen. (1) … (4) Für die Wertberechnung bei Rechts-streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet“.
Wir sind stets um Qualität bemüht. Deshalb wird Ihr Beitrag erst nach kurzer Prüfung durch unsere Redaktion sichtbar sein.
Ihre E-Mail-Adresse wird niemals veröffentlicht oder verteilt. Benötigte Felder sind mit * markiert