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Arbeitsrecht
20.02.2008
Arbeitsrecht
LAG Sachsen: Klagefrist bei Eigenkündigung

LAG Sachsen, Urteil vom 16.11.2007 - 2 Sa 100/07

Sachverhalt:

Die Parteien streiten auf die Berufung des beim Arbeitsgericht unterlegenen Klägers jetzt noch darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher fristloser Arbeitgeberkündigung der Beklagten mit Schreiben vom 14.08.2006, dem Kläger zugegangen am selben Tag, hilfsweise erklärt zum nächst möglichen Zeitpunkt, sein Ende gefunden hat. Außerdem begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe.

Dabei steht und fällt die Klage mit der Entscheidung darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits aufgrund außerordentlicher fristloser Eigenkündigung des Klägers mit Schreiben vom 07.08.2006, der Beklagten zugegangen am selben Tag, sein Ende gefunden hat.

Diese eigene Erklärung hat der Kläger angefochten, weil er zur Abgabe widerrechtlich urch Drohung bestimmt worden sei.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird im Wesentlichen abgesehen (§ 69 Abs. 2 ArbGG) und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).

Zu ergänzen ist mit Blick auf das Berufungsverfahren lediglich, dass der Kläger in einer an seinen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt gerichteten E-Mail - gesendet unter dem 21.12.2006 - u. a. Folgendes geäußert hat:

„...

Herr ... und Herr ... haben mich wie beschrieben unter Druck gesetzt (ich werde durch Firma gekündigt wenn ich es nicht selbst tue - die rechtliche Auswirkung einer Eigenkündigung war mir zu diesem Zeitpunkt wie schon beschrieben nicht bekannt, deshalb habe ich letztendlich die Kündigung geschrieben und nach Aufklärung zu Hause wieder zurückgenommen. Alle anderen Mitarbeiter wurden ebenfalls allein in das Zimmer zum Gespräch gerufen, die Vorgesetzten waren schon mit Bedacht zu Zweit und haben uns auch mit Bedacht nur allein ins Zimmer hereingerufen.

..."

In der Berufungsverhandlung ist für die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass er Kläger bezogen auf seine Eigenkündigung nicht die Klagefrist des § 4 Satz 1 SchG gewahrt habe.

Im Übrigen wird wegen des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens beider Parteien auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Aus den Gründen:

I. Die Berufung ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis „auch nicht durch andere Beendigungstatbestände" ende, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe. Denn insoweit fehlt es an einer eigenständigen Berufungsbegründung bezüglich dieses bereits bei dem Arbeitsgericht gestellten und dort abgewiesenen Klageantrags.

Dieser Antrag ist ersichtlich auch nicht auf die Eigenkündigung bezogen. Denn deren Rechtswirksamkeit ist Vorfrage für die Kündigungsschutzklage.

II. Im Übrigen ist die Berufung zwar zulässig, nicht jedoch ist sie begründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat sie zu Recht abgewiesen, weil nicht festzustellen ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche Kündigung aufgelöst worden ist. Denn zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bestand aufgrund der (rechtswirksamen) Eigenkündigung des Klägers mit Schreiben vom 07.08.2006 bereits kein Arbeitsverhältnis mehr.

1. Allerdings ist die Klage nicht bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger die Rechtsunwirksamkeit seiner Eigenkündigung nicht binnen der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht hätte bzw. binnen dieser Frist die Unwirksamkeit der Eigenkündigung wegen Irrtumsanfechtung nicht geltend gemacht hat. Richtig ist, dass mit dem Gesetz zu Reform am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 3002 ff.), das am 01.01.2004 in Kraft getreten ist, durch dessen Art. 1 Nr. 2 in § 4 Satz 1 KSchG die Wörter „oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam" nach den Wörtern „sozial ungerechtfertigt" eingefügt wurden. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 15/1204 S. 25) sollte damit für alle Fälle der Rechtsunwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung eine einheitliche Klagefrist gelten. Damit bezieht sich § 4 Satz 1 KSchG nicht auf die arbeitnehmerseitige „Eigen"- Kündigung.

Die Frist bezieht sich auch nicht auf den Einwand, die Eigenkündigung sei infolge Irrtumsanfechtung nichtig. Denn dafür gelten nach dem BGB eigenständig geregelte materiell-rechtliche Anfechtungsfristen, die durch § 4 Satz 1 KSchG weder ausdrücklich noch der Sache nach eingeschränkt (oder erweitert) werden. Und Anfechtungserklärungen selbst unterfallen ohnehin nicht dem Regelungsbereich des § 4 KSchG.

2. Die „einseitige Rücknahme" der Eigenkündigung war nicht möglich.

3. Die Kündigungserklärung des Klägers ist auch nicht wegen Drohung nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar und infolge Anfechtung nichtig.

a) Die Ankündigung einer arbeitgeberseitigen Maßnahme - etwa einer Kündigung, einer Abmahnung oder einer Versetzung - kann sich in der Tat als „Dro- hung" erweisen (vgl. für Kündigungen zusammenfassend etwa BAG vom 12.08.1999 - 2 AZR 832/98 - EzA § 123 BGB Nr. 53).

Die Anfechtbarkeit nach § 123 Abs. 1 BGB setzt allerdings voraus, dass der Kläger zur Abgabe seiner Kündigungserklärung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden wäre. Dies wird nach einer vom Bundesarbeitsgericht ständig verwendeten Formel angenommen, wenn ein verständiger Arbeitgeber aufgrund des vorliegenden Sachverhalts seinerseits eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte (vgl. BAG vom 06.12.2001 - 2 AZR 396/00 - EzA § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 39 m. w. N.).

Die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes trägt der anfechtende Arbeitnehmer; der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, die die angedrohte Kündigung als widerrechtlich erscheinen lassen (vgl. BAG vom 12.08.1999 - 2 AZR 832/98 - EzA § 123 BGB Nr. 53).

b) Hier lässt sich die Widerrechtlichkeit im vorstehenden Sinne nicht feststellen.

(1) Der Kläger hat aus Sicht der Beklagten ein Verhalten an den Tag gelegt, das jeden vernünftigen Arbeitgeber über eine - auch außerordentliche fristlose - Kündigung nachdenken lässt. Dabei kann dahinstehen, ob und welchen Tatbeitrag der Kläger im Rahmen der vorgekommenen Unterschlagungen der Paletten hatte. Jedenfalls hat er als „stellvertretender Schichtführer Verladung" auch nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung die Rückgabe von Paletten bescheinigt, deren Rückgabe er selbst physisch weder kontrolliert hat noch - aufgrund des von ihm in der Verhandlung dargestellten Arbeitsdruckes - hätte kontrollieren können. In diesem Zusammenhang hätte es nahe gelegen, das Quittieren zu verweigern und auf die für die Rückgabe der Paletten zuständige Stelle zu verweisen.

Dies gilt in besonderem Maße auch deshalb, weil der Kläger ja selbst wusste, dass es im Zusammenhang mit den Paletten zu krummen Sachen komme. Dies hätte ihn erst recht dazu veranlassen müssen, besonders kritisch mit den angeblichen Rückgaben umzugehen.

(2) Unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend nimmt die Berufungskammer es dem Kläger aber auch nicht ab, dass er überhaupt bedroht worden ist. Dagegen streitet seine noch in unbefangener Situation verfasste E-Mail an seinen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt. Daraus ergibt sich, worum es wirklich geht: Dem Kläger waren die rechtlichen Auswirkungen einer Eigenkündigung nicht bekannt, nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung insbesondere die arbeitslosenversicherungsrechtlichen Folgen (Sperrzeit beim Arbeitslosengeld). Dies streitet dafür, dass der Kläger in Wirklichkeit wegen eines rechtlich prinzipiell unbeachtlichen Motivs- bzw. Rechtsfolgenirrtums angefochten hat (vgl. dazu etwa BAG vom 06.02.1992 - 2 AZR 408/91 - EzA § 119 BGB Nr. 16: Anfechtung einer in Unkenntnis der Schwangerschaft erklärten Eigenkündigung durch die werdende Mutter).

(3) Jedenfalls nötigt das Vorbringen des Klägers nicht zu einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der von ihm erstmals im Berufungsverfahren benannten Zeugen. Denn das Vorbringen des Klägers ist zum einen rechtlich nicht belastbar, was die Frage nach einer Widerrechtlichkeit einer etwaigen Drohung anbelangt. Zum anderen aber ist das Vorbringen des Klägers jedenfalls widersprüchlich und auch schon deshalb keiner Beweisaufnahme zugänglich. Denn aus der von ihm selbst verfassten E-Mail ergibt sich, dass im Vordergrund für seine Irrtumsanfechtung die Reue über die Kündigungsfolgen steht. Gemessen daran erscheint das geschilderte Bedrohungsszenario lediglich als Taktik und vorgeschoben.

III. Der Kläger hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

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