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Arbeitsrecht
20.04.2011
Arbeitsrecht
ArbG Hagen: Keine monatliche Betriebsrente bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahrs

ArbG Hagen, Urteil vom 15.2.2011 5 Ca 1302/10; nicht rkr.

Leitsätze der Redaktion

§ 30a BetrAVG ist für einen ehemaligen Geschäftsführer nicht einschlägig. § 30a BetrAVG gilt nach seinem Wortlaut lediglich für "Arbeitnehmer", nicht jedoch auch für Organmitglieder. Aus § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG ergibt sich erkennbar nichts anderes. Die fehlende Erwähnung des § 30a BetrAVG in der Aufzählung der Vorschriften in § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG stellt kein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers dar. Auch Art. 119 EG-Vertrag und die dazu ergangene EuGH-Rechtsprechung ändert daran nichts, da die fehlende Anwendung des § 30a BetrAVG auf ein früheres Organmitglied nicht in Kollision mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männer und Frauen im Hinblick auf die Altersgrenzen in Versorgungszusagen steht.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger eine monatliche Betriebsrente von der Beklagten bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres zusteht und ob er gegebenenfalls Anspruch auf Schadensersatz hat.

Der 1947 geborene Kläger war ab dem 1.1.1988 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma J. GmbH, als Ingenieur und zunächst „stellvertretender Geschäftsführer Technik" auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 6.7.1987 (Blatt 14 bis 17 der Akte) beschäftigt. Nach der Bestimmung unter Ziffer 12. sind die Altersversorgung und das Witwengeld in einem beiliegenden Pensionsvertrag geregelt, der Bestandteil dieses Anstellungsvertrages ist. Der Pensionsvertrag vom 06.07.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) sieht in Ziffer 1. den Anspruch des Klägers auf eine lebenslängliche Versorgungsrente vor, die fällig wird a) nach Vollendung des 65. Lebensjahres und Ausscheiden aus den Diensten der Firma J. GmbH oder b) vor Vollendung des 65. Lebensjahres im Falle dauernder Invalidität, solange die Invalidität dauert. Die Ziffer 2. regelt die Höhe der jährlichen Versorgungsrente, die in monatlichen Raten jeweils am Monatsende gezahlt werden soll. Nach der Ziffer 4. gilt die Pensionszusage ab dem 1.1.1989, wobei im Falle des Ausscheidens des Klägers vor Eintritt der Unverfallbarkeit gemäß den Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 gilt, „dass für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit 4 % der Bemessungsgrundlage als unverfallbare Anwartschaft entstehen". Wegen der weiteren Vereinbarungen wird auf den Inhalt der Kopie des Pensionsvertrages vom 6.7.1987 auf Blatt 23 bis 25 der Akte verwiesen und Bezug genommen.

Ab dem 1.1.1990 wurde der Kläger zum „Geschäftsführer Technik" berufen (vgl. die Kopien des Handelsregisterauszuges auf Blatt 18 bis 21 der Akte). In diesem Zusammenhang hatte der Kläger mit der Firma J. GmbH den Dienstvertrag vom 6.11.1989 (Blatt 26 bis 32 der Akte) abgeschlossen, nach dessen Regelung in § 5 (e) der Pensionsvertrag vom 6.7.1987 seine Gültigkeit behält. Im Zuge seiner Abberufung als Geschäftsführer schied der Kläger aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung im September 1994 vorzeitig aus. Mit dem Schreiben vom 24.3.1994 (Blatt 22 der Akte) war dem Kläger von dem damaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Firma J. GmbH, Herrn P., bestätigt worden, dass bei einem früheren Ausscheiden des Klägers „die Pensionszusage bis Vertragsende, 13.12.1995, besteht". Durch das weitere Schreiben vom 11.5.1995 (Blatt 33 der Akte) teilte Herr P. dem Kläger mit, dass die rentenfähigen Bezüge 341.755,18 DM, die daraus resultierenden monatlichen rentenfähigen Bezüge 28.479,59 DM und die monatliche Versorgungsrente (32 %) 9.113,47 DM beträgt. Nachdem der Kläger ab dem 1.7.2007 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden war und sich zunächst aus gespartem Kapitalvermögen versorgt hatte, bezieht er seit dem 1.5.2010 eine vorgezogene Altersrente für langjährig Versicherte in Höhe von 747,23 Euro netto pro Monat (vgl. die Kopie des Bescheides der DRB vom 24.3.2010 auf Blatt 34 bis 48 der Akte). Außerdem erhält er ebenfalls ab Mai 2010 aus einer Pensionszusage bei der Firma P. GmbH vom 13.2.1985 eine vorgezogene Betriebsrente in Höhe von 580,01 Euro brutto pro Monat (siehe die Kopie des Schreibens aus Juni 2010 nebst Anlage auf Blatt 91 und 92 der Akte) sowie eine betriebliche Altersrente von der Firma A. GmbH von monatlich 954,00 Euro brutto (vgl. die Anlagen A 10 bis 12 auf Blatt 93 bis 96 der Akte).

Mit seinen Schreiben vom 21.3.2010 und vom 6.4.2010 sowie dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 9.4.2010 verlangte der Kläger die Zahlung einer Betriebsrente sowohl ab dem 1.5.2007 (Vollendung des 60. Lebensjahres) als auch ab dem 1.5.2010 (Vollendung des 63. Lebensjahres) von der Beklagten, was diese jedoch durch das Schreiben vom 20.4.2010 (Blatt 49 bis 51 der Akte) ablehnte.

Mit seiner am 16.6.2010 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangenen Klage vom 9.6.2010 (Blatt 1 bis 12 der Akte) fordert der Kläger die Zahlung von rückständigen Betriebsrentenbeträgen für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 30.5.2010 in Höhe von insgesamt 126.289,16 Euro sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Betriebsrente von 4.840,40 Euro ab dem 1.6.2010. Nachfolgend ist die Klage zweimal erweitert worden, und zwar zunächst durch den Schriftsatz vom 4.10.2010 (Blatt 86 bis 90 der Akte) für den Fall des Obsiegens wegen Ersatz eines monatlichen Versorgungsschadens von 166,97 Euro ab dem 1.5.2010 aus den vom Kläger vorgebrachten Kürzungen bei den vorzeitig in Anspruch genommenen beiden anderen Betriebsrenten. Mit dem Schriftsatz vom 31.1.2011 (Blatt 109 bis 112 der Akte) verlangt der Kläger ebenfalls für den Fall des Obsiegens mit den beiden anderen Anträgen aus seiner Klageschrift den Ersatz eines aus der unterbliebenen Auszahlung der begehrten Betriebsrente resultierenden Steuerschadens im Wege eines Feststellungsantrages.

Der Kläger beruft sich darauf, dass er einen Rechtsanspruch auf Zahlung der vorgezogenen Betriebsrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres ab dem 1.7.2007 habe, der sich aus § 30 a und § 17 BetrAVG in Verbindung mit dem Pensionsvertrag vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) ergebe. Die Vorschrift des § 30 a BetrAVG gelte gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG auch für Fremdgeschäftsführer, weil die fehlende Erwähnung des § 30 a BetrAVG in der Aufzählung der Vorschriften in § 17 BetrAVG auf ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen sei. Er erfülle die Voraussetzungen des § 30 a BetrAVG. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift komme es nicht darauf an, dass der Betriebsrentner direkt vor Rentenbeginn ausscheide bzw. im Zeitpunkt seines Verlangens das Arbeitsverhältnis nach bestehe. Deshalb habe er Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Betriebsrente ab Mai 2007 in Höhe von zunächst 3,279,22 Euro, ab Mai 2008 von 3.381,53 Euro und ab Mai 2009 von 3.459,98 Euro, wie die Berechnung in seiner Klageschrift vom 9.6.2010 auf Seite 5 zeige. Mit der ihm ab Mai 2010 zustehenden Rente von 4.840,40 Euro pro Monat ergebe sich eine Summe von rückständigen Betriebsrentenbeträgen von 126.289,16 Euro (vgl. die Aufstellung in der Klageschrift vom 9.6.2010 auf Seite 7). Sein Anspruch auf das betriebliche Ruhegeld mit Vollendung des 63. Lebensjahres ab dem 1.5.2010 leite sich aus § 6 und § 17 BetrAVG in Verbindung mit dem Pensionsvertrag vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) ab. Eine vorgezogene Altersrente nach § 6 BetrAVG setze nicht voraus, dass die Anwartschaft des Arbeitnehmers beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und Eintritt in den Ruhestand nach den gesetzlichen Vorschriften unverfallbar sei. Es genüge, dass der Berechtigte die vertraglichen Leistungsvoraussetzungen erfüllen könne und die gesetzliche Rente beziehe. Sein Anspruch sei unverfallbar geworden, weil der Vorsitzende der Geschäftsführung der Firma J. GmbH ihm mit Schreiben vom 11.5.1995 (Blatt 33 der Akte) ausdrücklich bestätigt habe, dass die Versorgungsansprüche in vollem Umfang bestehen würden. Er erfülle auch die ergänzenden gesetzlichen Voraussetzungen. Er beziehe nämlich mit Vollendung des 63. Lebensjahres die volle Altersrente von der DRB, sei aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und erziele keine Einkünfte mehr. Die Höhe seiner Betriebsrente ab dem 63. Lebensjahr ergebe sich aus Ziffer 4. des Pensionsvertrages vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte), wobei es sich um eine bewusste Abweichung vom Gesetz zu seinen Gunsten entsprechend § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG handele. Deshalb müsse er sich auch keine Kürzungen wegen des Bezuges vor dem 65. Lebensjahr gefallen lassen.

Im Übrigen habe er im Falle des Obsiegens mit den beiden Anträgen aus seiner Klageschrift Anspruch zum einen auf Ersatz eines monatlichen Versorgungsschadens von 166,97 Euro ab dem 1.5.2010 wegen der Kürzungen bei den vorzeitig bezogenen beiden anderen Betriebsrenten und zum anderen auf Ersatz des aus der unterbliebenen Auszahlung der Betriebsrente durch die Beklagte resultierenden Steuerschadens. Wegen der genauen Begründung dieser beiden weiteren Anträge des Klägers wird auf die Ausführungen in seinen Schriftsätzen vom 4.10.2010 auf den Seiten 4 und 5 (Blatt 89 und 90 der Akte) unter 4., vom 30.11.2010 auf den Seiten 3 bis 5 (Blatt 106 bis 108 der Akte) unter 4. und vom 31.1.2011 (Blatt 109 bis 112 der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 126.289,16 Euro nebst 5 % über dem Basiszins seit dem 21.3.2010 rückständige Betriebsrenten zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, zukünftig beginnend mit dem 1.6.2010, am letzten eines jeden Monats die monatliche Betriebsrente in Höhe von 4.840,40 Euro zu zahlen;

3. für den Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1.5.2010 den monatlichen Versorgungsschaden in Höhe von 166,97 Euro zu ersetzen, zahlbar jeweils zum Monatsletzten und ab dem Monatsersten des nächsten Monats verzinslich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz; dieser Betrag ist entsprechend § 16 BetrAVG alle drei Jahre mit demselben Prozentsatz anzupassen, wie die Betriebsrenten, aus deren Kürzung der geltend gemachte Versorgungsschaden entstanden ist;

4. für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und 2. festzustellen, dass die Beklagte zum Schadensersatz dem Grunde nach verpflichtet ist, soweit er für die Nachzahlung in Höhe von 121.448,76 Euro höhere Steuern schuldet, als bei der pflichtgemäßen Auszahlung nach Aufforderung durch ihn und der laufenden Zahlung in Höhe von 4.840,40 Euro ab 1.5.2010 zuzüglich der Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Die Beklagte beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass sie eine monatliche Betriebsrente in der mit dem Schreiben vom 11.5.1995 (Blatt 33 der Akte) angegebenen Höhe von 4.659,64 Euro erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres durch den Kläger ab Mai 2012 schulde. Eine vertragliche Zusage für die Erbringung von vorzeitigen Versorgungsleistungen gebe es nicht. Der Kläger könne einen Anspruch auf Zahlung einer Betriebsrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres aber auch nicht aus dem Betriebsrentengesetz ableiten. Die vom Kläger angeführte Vorschrift des § 30 a BetrAVG gelte nach ihrem Wortlaut nur für „Arbeitnehmer", also nicht für Organmitglieder wie dem Kläger. Aus § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG ergebe sich nichts anderes, weil dort nur die Anwendbarkeit der §§ 1 bis 16 BetrAVG, nicht jedoch des § 30 a BetrAVG geregelt worden sei. Das habe offenbar der Absicht des Gesetzgebers entsprochen. Zudem werde die beim Kläger nur vorliegende vertraglich unverfallbare Anwartschaft nicht von § 30 a BetrAVG erfasst. Diese Vorschrift gelte nämlich nur für Arbeitnehmer, deren Anwartschaft bei ihrem Ausscheiden bereits kraft Gesetzes unverfallbar gewesen sei. Der Kläger habe aber bei seinem Ausscheiden am 31.12.1995 noch nicht die Voraussetzungen der gesetzlichen Unverfallbarkeit gemäß § 30 f Abs. 1 BetrAVG, nämlich eine 10jährige Zusagedauer oder 12-jährige Betriebszugehörigkeit bei 3-jähriger Zusagedauer, erfüllt gehabt. Auch der vom Kläger genannte § 6 BetrAVG verhelfe ihm nicht zu einer vorgezogenen Betriebsrente, weil diese Vorschrift nur für Arbeitnehmer gelte, die bis zum Eintritt des Versorgungsfalls noch in den Diensten ihres Arbeitgebers gestanden hätten oder zumindest mit einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden seien. Dagegen räume der § 6 BetrAVG den Inhabern von nur vertraglich unverfallbaren Anwartschaften keine Rechte ein. Falls der Kläger entgegen ihrer Auffassung allerdings doch einen Anspruch auf vorgezogene Betriebsrente habe, müsse er sich jedenfalls eine lebenslängliche Kürzung seiner Rentenleistung in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 1 BetrAVG im Verhältnis 60 zu 65 Lebensjahren bzw. 232 zu 292 Monaten (= 79,45 %) gefallen lassen.

Im Übrigen seien auch die beiden auf Schadensersatz gerichteten Anträge des Klägers unbegründet, wobei es dem auf Feststellung eines angeblichen Steuerschadens gerichteten Begehren bereits an der Zulässigkeit fehle, da der Kläger einen bezifferten Leistungsantrag hätte stellen müssen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Im Gütetermin am 9.7.2010 hat der Kammervorsitzende wegen der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten Bedenken an der Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts geäußert (vgl. das Sitzungsprotokoll auf Seite 2, Blatt 67 der Akte). Daraufhin ist von den Prozessbevollmächtigten der Parteien mit den Schriftsätzen vom 14.7.2010 (Blatt 68 der Akte), vom 14.7.2010 (Blatt 71 bis 73 der Akte) und vom 19.7.2010 (Blatt 74 der Akte) vorgebracht worden, dass sie eine Vereinbarung nach § 2 Abs. 4 ArbGG getroffen hätten.

aus den Gründen

Die Klage war insgesamt abzuweisen, weil die beiden Anträge aus der Klageschrift vom 9.6.2010 auf Seite 2 zwar zulässig, aber unbegründet sind.

Demzufolge brauchte über die uneigentlichen Hilfsanträge aus den Schriftsätzen des Klägers vom 4.10.2010 auf Seite 4 (Blatt 89 der Akte) unter 4. und vom 31.1.2011 auf Seite 1 (Blatt 109 der Akte) unter A. nicht mehr entschieden zu werden.

I. Neben dem ohne Frage zulässigen Zahlungsantrag für etwaige rückständige Betriebsrentenbeträge aus der Klageschrift vom 9.6.2010 auf Seite 2 bestehen auch keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des dortigen Feststellungsantrages.

Es liegen insbesondere die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO vor.

Bereits mit dem Entstehen einer Versorgungsanwartschaft wird ein betriebsrentenrechtliches Rechtsverhältnis begründet (BAG, Urteil vom 28.7.1998 - 3 AZR 100/98 -, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Überversorgung = BB 1999, 536 = NZA 1999, 444, 445 unter A. II. der Gründe mit weiteren Nachweisen).

Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung. Ein solches ist immer dann gegeben, wenn die beklagte Partei die Rechte des Klägers ersichtlich bestreitet und dieser sich deshalb in einer unsicheren Lage befindet (so BAG, Urteil vom 5.6.1984 - 3 AZR 54/82 -, juris, unter I. der Gründe, Rdnr. 15). So ist es hier, weil die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Betriebsrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres und damit vor Mai 2012 leugnet.

Dem steht der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage nicht entgegen. Denn die Möglichkeit, eine Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO zu erheben, lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen (vgl. BAG, Urteil vom 15.1.1992 - 7 AZR 194/91 -, AP Nr. 84 zu § 37 BetrVG 1972 = BB 1992, 2151 Ls unter I. 2. der Gründe auf Blatt 60 R mit weiteren Nachweisen).

II. Allerdings sind die beiden Anträge aus der Klageschrift vom 9.6.2010 auf Seite 2 unbegründet.

Der Kläger hat Anspruch weder auf Zahlung einer rückständigen Betriebsrentensumme für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis zum 31.5.2010 in Höhe von 126.289,16 Euro noch auf Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Betriebsrente in Höhe von 4.840,40 Euro ab dem 1.6.2010 verpflichtet ist. Vielmehr folgt die erkennende Kammer der Auffassung der Beklagten, dass dem Kläger die in Ziffer 1. des Pensionsvertrages vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) zugesagte „Versorgungsrente" erst nach Vollendung seines 65. Lebensjahres und damit ab dem 1.5.2012 zusteht.

1. Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung der verlangten Betriebsrente bereits ab Vollendung seines 60. Lebensjahres ergibt sich weder aus dem mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Pensionsvertrag vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) noch aus Vorschriften des Betriebsrentengesetzes.

a) Eine vertragliche Anspruchsgrundlage für eine solche vorzeitige Betriebsrente liegt nicht erkennbar vor.

In Ziffer 1. des Pensionsvertrages vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) ist der Anspruch des Klägers auf eine lebenslängliche „Versorgungsrente" vorgesehen, die fällig wird a) nach Vollendung des 65. Lebensjahres und Ausscheiden aus den Diensten der Firma J. GmbH oder b) vor Vollendung des 65. Lebensjahres im Falle dauernder Invalidität, solange die Invalidität dauert. Eine Betriebsrente bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres ist dem Kläger damit nicht ohne weiteres versprochen worden.

Das wäre jedoch erforderlich gewesen. Sicherlich ist es möglich, dass namentlich Geschäftsführer oder leitende Angestellte in vergleichbaren Positionen schon Versorgungsleistungen bei vorzeitigem Ausscheiden erhalten können. Will man eine solche vom Normalfall abweichende Rechtsfolge erreichen, bedarf es dazu aber einer ausdrücklichen und eindeutigen Vereinbarung (so LAG Hamm, Urteil vom 21.7.1987 - 6 Sa 327/87 -, LAGE § 1 BetrAVG Nr. 10 unter B. II. 2. a) der Gründe auf Seite 33 mit weiteren Nachweisen). Eine solche Abrede zugunsten des Klägers gibt es nicht erkennbar und kann auch nicht den beiden Schreiben des damaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Firma J. GmbH, Herrn P., an den Kläger vom 24.3.1994 (Blatt 22 der Akte) und vom 11.5.1995 (Blatt 33 der Akte) entnommen werden.

b) Der Kläger kann die Zahlung einer Betriebsrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres gegenüber der Beklagten auch nicht nach dem Betriebsrentengesetz beanspruchen.

(1) Dafür hat sich der Kläger maßgeblich auf die Vorschrift des § 30 a BetrAVG berufen. Diese Regelung räumt männlichen Arbeitnehmern, die vor dem 1.1.1952 geboren sind und das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei Erfüllung der weiteren dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf vorzeitige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ein.

(2) Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass bei ihm prinzipiell die Anspruchsvoraussetzungen des § 30 a BetrAVG vorliegen, ist jedoch davon auszugehen, dass diese Vorschrift für ihn als ehemaliger Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht einschlägig ist.

(a) Die Beklagte hat in ihren Schriftsätzen vom 29.10.2010 auf Seite 3 (Blatt 100 der Akte) und vom 31.1.2011 auf Seite 2 (Blatt 115 der Akte) zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass der § 30 a BetrAVG nach seinem Wortlaut lediglich für „Arbeitnehmer", nicht jedoch auch für Organmitglieder gilt.

Aus § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG ergibt sich erkennbar nichts anderes. Danach sind ausdrücklich nur die §§ 1 bis 16 BetrAVG auf Organmitglieder ebenfalls anzuwenden, während § 30 a BetrAVG nicht genannt worden ist.

Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 30.11.2010 auf Seite 2 (Blatt 105 der Akte) unter 2. die Auffassung vertreten hat, dass die fehlende Erwähnung des § 30 a BetrAVG in der Aufzählung der Vorschriften in § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG auf ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen sei, vermag sich die erkennende Kammer dem nicht anzuschließen. Abgesehen von der nachvollziehbaren Gegenargumentation im Schriftsatz der Beklagten vom 31.1.2011 auf den Seiten 2 und 3 (Blatt 115 und 116 der Akte) handelt auch die Vorschrift des § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG nur vom Schutz des Arbeitnehmers, ohne die arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG zu erwähnen. Soweit es um die grundsätzliche Unabdingbarkeit der Regelungen des Betriebsrentengesetzes geht, lässt jedoch § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG die Abweichung von einzelnen Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes in Tarifverträgen durchaus auch zum Nachteil der Arbeitnehmer zu. Die Bindung gerade an Tarifverträge ist indes für Organmitglieder untypisch, weil diese nicht Arbeitnehmer sind und ihre Belange normalerweise individualrechtlich regeln. Kann aber in einem Tarifvertrag eine für die Arbeitnehmer nachteilige Rentenregelung getroffen werden, so muss auch ein Organmitglied in einem Individualvertrag Vereinbarungen hinnehmen dürfen, die zu einem Verzicht auf Rentenansprüche führen. Letztlich ist es nicht erforderlich, dass Organmitglieder den gleichen Schutz genießen wie Arbeitnehmer; denn sie stehen generell der Unternehmerseite näher als der Arbeitnehmerschaft. Insbesondere entspricht es ihrem Berufsbild, gegen entsprechend höhere Vergütung im Erwerbsleben größere persönliche Risiken in Kauf zu nehmen (vgl. Landgericht Köln, Urteil vom 20.3.1985 - 24 O 271/84 -, DB 1985, 1580, 1581).

Vor diesem Hintergrund bleibt auch der Hinweis im Schriftsatz des Klägers vom 14.2.2011 auf Seite 2 (Blatt 125 der Akte) unter 1. b. auf den Artikel 119 EG-Vertrag und die dazu ergangene EuGH-Rechtsprechung ohne Erfolg. Denn die fehlende Anwendung des § 30 a BetrAVG auf den Fall des Klägers als früheres Organmitglied steht nicht erkennbar in Kollision mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männer und Frauen im Hinblick auf die Altersgrenzen in Versorgungszusagen.

(b) Es kommt hinzu, dass der Kläger selbst bei Einbeziehung in den Geltungsbereich des § 30 a BetrAVG als Organmitglied jedenfalls nicht die sonstigen Anwendungsvoraussetzungen erfüllt.

Diese Vorschrift gilt für männliche Arbeitnehmer, die entweder aus dem aktiven Arbeitsleben in den Ruhestand getreten sind oder vor Eintritt des Versorgungsfalles mit einer kraft Gesetzes unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind (so Kisters-Kölkes, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, Betriebsrentengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 30 a, Rdnr. 8 und 9).

Weil der Kläger spätestens zum 31.12.1995 bei der Firma J. GmbH als Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgeschieden ist, scheidet bei ihm das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt des vorzeitigen Versorgungsfalles aus. Der Kläger ist aber auch ohne eine gesetzlich unverfallbare Versorgungsanwartschaft aus den Diensten der Firma J. GmbH ausgeschieden. Weil die Versorgungszusage aus dem Pensionsvertrag vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) aus der Zeit vor dem 1.1.2001 stammt, ist die Vorschrift des § 30 f Abs. 1 BetrAVG einschlägig. Danach hätte für den Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit die Versorgungszusage beim Ausscheiden des Klägers entweder mindestens 10 Jahre oder bei mindestens 12-jähriger Betriebszugehörigkeit mindestens 3 Jahre bestanden haben müssen. Beides war beim Kläger am 31.12.1995 nicht der Fall.

2. Es kann auch nicht eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der verlangten Betriebsrente bereits ab Vollendung des 63. Lebensjahres durch den Kläger und damit seit Mai 2010 bejaht werden.

a) Eine vertragliche Anspruchsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich.

Der Pensionsvertrag vom 6.7.1987 (Blatt 23 bis 25 der Akte) enthält an keiner Stelle das ausdrückliche und eindeutige Versprechen, dass an den Kläger bereits ab Vollendung des 63. Lebensjahres eine „Versorgungsrente" gezahlt wird - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der dauernden Invalidität.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen auf die obigen Ausführungen unter II. 1. a) dieser Entscheidungsgründe verwiesen und Bezug genommen.

b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 6 BetrAVG berufen.

(1) Nach § 6 S. 1 BetrAVG sind einem Arbeitnehmer, der die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente in Anspruch nimmt, auf sein Verlangen nach Erfüllung der Wartezeit und sonstiger Leistungsvoraussetzungen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren.

(2) Diese Vorschrift ist auf betriebsangehörige Arbeitnehmer und auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften anzuwenden (Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2006, § 6, Rdnr. 9 mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG gilt auch § 6 BetrAVG für arbeitnehmerähnliche Personen wie zum Beispiel einem Fremdgeschäftsführer entsprechend. Trotzdem findet § 6 BetrAVG im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil beim Kläger die dazu erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Er ist nicht erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Dienstverhältnis mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ausgeschieden. Nur dann wären die Unverfallbarkeitsfristen für die Anspruchsberechtigung nicht von Belang gewesen (vgl. Höfer, Betriebsrentengesetz, Kommentar, Stand: Mai 2008, § 6, Rdnr. 4151).

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