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Arbeitsrecht
10.10.2008
Arbeitsrecht
LAG Hessen: Keine Friedenspflicht bei Statuswechsel

LAG Hessen, Urteil vom 17.9.2008 - 9 SaGa 1442/08

Leitsätze der Redaktion:

Der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft ist tarifrechtlich dem Verbandsaustritt gleichzusetzen. Damit besteht die Friedenspflicht nach einem Wechsel in die OT-Verbandsmitgliedschaft zugunsten des Unternehmens nicht fort.

TVG § 3 Abs. 3, GG Art. 9 Abs. 3

Sachverhalt: Die Verfügungsklägerin begehrt die Untersagung eines Streiks. Die Verfügungsklägerin ist eine der weltweit führenden Anbieter von magnetischen Spezialwerkstoffen. Sie ist in mehr als 40 Ländern aktiv und beschäftigt mehr als 4.000 Mitarbeiter, davon 1.500 an ihrem Stammsitz in Hanau. Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) sind als „Bezirksleitung" und „Verwaltungsstelle" Unterorganisationen der Verfügungsbeklagten zu 1). Zum 9.6.2008 wechselte die Verfügungsklägerin aus einer Vollmitgliedschaft im Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen (Hessenmetall) in eine sog. „OT-Mitgliedschaft", also eine Verbandsmitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung ( 4 Ziff. 2 b) der Satzung des Verbandes). Diesen Statuswechsel der Mitgliedschaft bestätigte die Geschäftsführung des Arbeitgeberverbandes mit Schreiben vom 19.6.2008. In der Folgezeit verlangte die Verfügungsbeklagte zu 2) den Abschluss eines Tarifvertrages, der u. a. die Anerkennung aller durch den Verband Hessenmetall mit der IG-Metall abgeschlossenen Tarifverträge zum Gegenstand hat. Zur der Verfügungsklägerin mitgeteilten Tarifforderung wird auf das Schreiben der Verfügungsbeklagten zu 2) vom 14.8.2008 Bezug genommen. In der Folge kam es zu Warnstreiks. Die Verhandlungsgespräche zwischen den Parteien verliefen ergebnislos. Eine Urabstimmung zur Vorbereitung eines unbefristeten Streiks endete mit dem 9.9.2008, 24.00 Uhr.

Zu Beginn der Urabstimmung erklärte der 1. Bevollmächtigte der Verfügungsbeklagten zu 3) u.a. folgendes: „Der Fahrplan ist jetzt so, dass ab 21.30 Uhr die Urabstimmung beginnt. Erstmal in beiden mobilen Streiklokalen. Der Urabstimmungszettel ist ja hier auch eindeutig. Wir wollen unsere Tarifbindung wieder haben. Wir  müssen den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages fordern, aber wir wollen eigentlich wieder voll in den Arbeitgeberverband rein." Seit 11.9.2008 wird der Betrieb der Verfügungsklägerin nach einem Aufruf der Verfügungsbeklagten unbefristet bestreikt.

Die Verfügungsklägerin hat den Arbeitskampf für rechtswidrig gehalten. Das Arbeitsgericht Hanau hat die Anträge durch Urteil vom 12.9.2008 - 3 Ga 3/08 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) seien nicht parteifähig im Sinne der §§ 50 ZPO, 10 ArbGG. Gegen dieses ihr am 15.9.2008 zugestellte Urteil hat die Verfügungsklägerin am selben Tag Berufung eingelegt und gleichzeitig begründet. Die Verfügungsbeklagten verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die erstinstanzliche Entscheidung. Sie meinen, das Arbeitsgericht sei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, der Streik sei rechtmäßig.

Aus den Gründen

Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO, und begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken, § 64 Abs.2 ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs.1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO, und damit insgesamt zulässig. Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Verfügungsklägerin aus zutreffenden Gründen zurückgewiesen. Auf seine Entscheidungsgründe, die das Berufungsgericht sich ergänzend zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

            Unzulässige Anträge gegen die Bezirksleitungen

Die Anträge gegen die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) sind, wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat, unzulässig, weil diese vor Gericht nicht Partei sein können. Sie sind nicht parteifähig im Sinne der §§ 50 ZPO, 10 ArbGG. Nach § 10 Satz 1 ArbGG sind die Gewerkschaften im arbeitsgerichtlichen Verfahren parteifähig. In § 10 Satz 1 und 3 ArbGG ist die Gesamtorganisation und nicht die Unterorganisation gemeint. Es können allerdings auch Unterorganisationen einer Gewerkschaft parteifähig sein, wenn sie a) körperschaftlich organisiert sind, b) und gegenüber dem Gesamtorganisation weitgehend selbständig tätig werden können und c) wenn sie handlungsfähig im Sinne eigener Tariffähigkeit sind (BAG Beschluss vom 26 Febr. 1964 - 5 AZR 66/64 - AP § 36 ZPO Nr. 5). Gewerkschaft in diesem Sinne ist nur die Verfügungsbeklagte zu 1). Die IG Metall ist dreistufig gegliedert, nämlich in Verwaltungsstellen, Bezirke und Vorstand. Die tarifpolitische Hoheit liegt nach der Satzung ( § 22 ) beim Vorstand. Die IG Metall wird nach § 18 Abs. 3 vom Vorstand nach innen und außen vertreten. Er entscheidet über Urabstimmungen und Arbeitseinstellungen (§ 18 Abs. 3 c). Nach § 22 Abs. 1 kann der Vorstand Bezirksleitungen und Ortsvorstand ermächtigen, zu Warnstreiks aufzurufen. Arbeitseinstellungen setzen nach § 22 Abs. 2 den Beschluss des Vorstandes voraus. Die Entscheidungen des Vorstands sind nach § 22 Abs. 5 unter allen Umständen für die betreffenden Mitglieder bindend. Die Bildung von Tarifkommissionen für den jeweiligen Geltungsbereich der abzuschließenden Tarifverträge erfolgt nach den Richtlinien des Vorstandes. Über die Kündigung von Tarifverträgen entscheidet nicht die Verfügungsbeklagte zu 2), sondern die Verfügungsbeklagte zu 1). All dies schließt selbständiges Tätigwerden gegenüber der eigenen Spitzenorganisation weitgehend aus.

Demgegenüber sind die Bezirksleitungen nicht hinreichend selbständig und handlungsfähig. Nach § 16 Abs. 2 der Satzung der IG Metall wird für jeden Bezirk eine Bezirksleitung gebildet. Dieser, obliegt die Beratung der gewerkschaftlichen Angelegenheiten im Bezirk. Die Geschäftsführung liegt bei den vom Vorstand angestellten Bezirksleitern. Sie sind die Beauftragten des Vorstandes, nach dessen Weisungen sie ihre Tätigkeit ausüben, u.a. die Bildung von Tarifkommissionen, Berichterstattung bei Streik und Aussperrung (§ 16 Abs. 4 c). Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 26.2.1964 - 5 AZR 66/64 - AP § 36 ZPO Nr. 5) hat ausgeführt, nach der Satzung (vgl. § 23) erfüllten die Bezirksleitungen im Rahmen der zentral gegliederten Gesamtorganisation nur Hilfsaufgaben. Sie hätten keine eigene Entscheidungsbefugnis. Es sei den Bezirksleitern nicht möglich, die Interessen ihrer Mitglieder im Bezirk selbständig wahrzunehmen. Nichts anderes gilt für die Verfügungsbeklagte zu 3) als IG Metall Verwaltungsstelle (ebenso LAG Düsseldorf Beschluss vom 13. Dez. 2006 - 12 TaBV 95/06 - Juris mit zust. Anm. Fischer, juris PR-ArbR 29/2007 Anm. 4). Verwaltungsstellen werden nach § 14 Abs. 1 der Satzung der IG Metall für vom Vorstand abgegrenzte Bereiche errichtet. Sie werden durch den Ortsvorstand (1. und 2. Bevollmächtigter, Kassierer und mind. 6 Beisitzer) geleitet, der in einer Delegiertenversammlung gewählt wird. Dieser leitet die Verwaltungsstelle nach § 14 Abs. 4 a) nach den Anweisungen und Richtlinien des Vorstandes. Aufgabe des Vorstandes ist es nach § 18 Abs. 3 d), den Verwaltungsstellen die zur Durchführung ihrer Arbeit entsprechenden Anweisungen zu erteilen. Die Anträge sind, soweit sie sich gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) richten, zulässig. Sie sind insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

            Keine Rechtswidrigkeit der Streiks mangels Verstoßes gegen die Friedenspflicht

Die Anträge sind jedoch nicht begründet. Streikmaßnahmen im Betrieb der Verfügungsklägerin sind der Verfügungsbeklagten zu 1) nicht zu untersagen, weil nicht festgestellt werden kann, dass diese rechtswidrig sind. Ein Streik kann jedoch zum Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile nur untersagt werden, wenn dessen Rechtswidrigkeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann (vgl. Hess. LAG Urteil vom 22. Juli 2004 - 9 SaGa 593/04 - AP Nr. 168 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NZA-RR 2005, 262; Hess. LAG Urteil vom 2. Mai 2003 - 9 SaGa 638/03 - BB 2003,1229 = NZA 2003,679; LAG Hamm Urteil vom 31. Mai 2000 - 18 Sa 858/00 - AP Nr. 158 zu Art 9 GG Arbeitskampf; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 25. November 1999 - 4 Sa 584/99 - LAGE Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 68 a). Der von der IG Metall im Betrieb der Verfügungsklägerin geführte Streik ist -wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat - nicht wegen Verstoßes gegen die Friedenspflicht rechtswidrig. Die IG Metall war nach dem Wechsel der Verfügungsklägerin in die OT-Mitgliedschaft nicht mehr durch die Friedenspflicht an Arbeitskampfmaßnahmen gehindert. Gemäß § 3 Abs. 3 TVG bleibt zwar die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers auch nach dem Wechsel aus dem Arbeitgeberverband bzw. dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft solange erhalten, bis der Tarifvertrag endet. § 3 Abs. 3 TVG findet nicht nur beim Verbandsaustritt, sondern auch beim Wechsel in die OT-Mitgliedschaft Anwendung. Sieht die Verbandssatzung eine OT-Mitgliedschaft vor, so kommt der Wechsel von der Mitgliedschaft mit Tarifbindung zu derjenigen ohne Tarifbindung tarifrechtlich dem Austritt gleich. Auch das Zwei-Mitgliedschaften-Modell ist tarifrechtlich wie ein Austritt zu behandeln, weil die für die Tarifbindung maßgebliche Vollmitgliedschaft endet Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 TVG nennt jedes Ende der Vollmitgliedschaft, auch den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft (ebenso Bayreuther, BB 2007, 325, 327; Däubler, ZTR 1994, 452; Däubler-Lorenz, TVG, § 3 Rz. 81; Kissel, Arbeitskampfrecht § 26 Rz. 56; Löwisch/Rieble, TVG § 2 Rz. 52; Löwisch/Rieble TVG § 3 Rz. 86; Thüsing/Stelljes ZfA 2005, 527, 569; Zachert-Kempen, TVG, 4 Aufl., § 3 Rz, 66). Aus § 3 Abs. 3 TVG lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Verfügungsklägerin weiterhin unter dem Schutz der Friedenspflicht steht. § 3 Abs. 3 TVG erfasst nur den normativen Teil des Tarifvertrages und nicht auch die schuldrechtlichen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien. Schuldner der Friedenspflicht sind nur die Tarifvertragsparteien selbst. Gläubiger sind aufgrund der Wirkung zugunsten Dritter auch die Mitglieder der tarifvertragsschließenden Verbände (allgM., etwa Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 7 Rz. 2). Die dem Verbandstarifvertrag immanente schuldrechtliche Friedenspflicht zugunsten Dritter endet, obwohl die Gewerkschaftsmitglieder normativ geschützt sind (ebenso LAG Hamm Urteil vom 31. Jan. 1991 - 16 Sa 119/91 - DB 1991, 1126; LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 20. Dez. 1996 - 7 Sa 1247/96 - LAGE § 1 TVG Friedenspflicht Nr. 8; Hess. LAG Urteil vom 23. April 1985 - 5 SaGa 507/85 - LAGE § 1 TVG Friedenspflicht Nr. 1; Bayreuther, BB 2007, 325, 327; Däubler, ZTR 1994, 452; Däubler-Reim, TVG 2. Aufl. § 1 Rz. 1032; Däubler-Lorenz, TVG, 2. Aufl., § 3 Rz. 117; Kissel, Arbeitskampfrecht § 26 Rz. 56; Konzen ZfA 1975, 421; Löwisch/Rieble, TVG § 3 Rz. 86; Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 7 Rz. 2; Thüsing/Stelljes ZfA 2005, 527, 569; Zachert-Kempen, TVG, 4 Aufl., § 3 Rz, 66). Die Gegenmeinung Matthes FS Schaub (1998) S. 477, 478; Bauer FS Schaub (1998) S. 19, 23; ders. DB 1993, 1085, 1086; Schleusener BB 686; Reuter RdA 1996, 208, Wiedemann-Oetker, TVG, § 3 Rz. 79), die davon ausgeht, die Friedenspflicht verbiete nicht Arbeitskämpfe gegen Tarifvertragsparteien, sondern gegen Tarifverträge, verkennt folgendes:

            Beendigung der Friedenspflicht mit Wechsel in die OT-Mitgliedschaft

Der in eine nichttarifgebundene Mitgliedschaft wechselnde Arbeitgeber übt freiwillig einen Teil seines Grundrechts auf Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG aus (vgl. BAG Beschluss vom 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - AP Nr 19 zu § 2 NG, II. 3. c) aa) der Entscheidungsgründe). § 3 Abs. 3 TVG soll lediglich Missbräuche privatrechtlicher Gestaltungsformen (Tarifflucht) vermeiden. Das rechtfertigt nur die Fortgeltung der normativen Bestimmungen auf Zeit (Kissel a.a.O.). Die Friedenspflicht als schuldrechtliche Verpflichtung zwischen den Tarifvertragsparteien wird zudem über die Verbandsmitgliedschaft, nicht über gesetzlich auf Zeit fortwirkende Tarifverträge vermittelt. Die tarifliche Friedenspflicht korrespondiert mit den Einwirkungsrechten des tariflichen Gegenspielers. Gehen diese durch den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft im maßgeblichen Umfang verloren, so kann sich das wechselnde Unternehmen nicht mehr auf die satzungsrechtlich durch die Verbandsmitgliedschaft vermittelte Friedenspflicht berufen (ebenso LAG Hamm, a.a.O., für den Verbandsaustritt). Damit aber lässt sich eine Fortgeltung der Friedenspflicht während des Laufs der Nachbindung aus § 3 Abs. 3 TVG auch zugunsten des OT-Mitglieds nicht vereinbaren. Die auf einer schuldrechtlichen Abrede zwischen den Tarifparteien beruhende Friedenspflicht, die gemäß § 328 BGB auch gegenüber den Mitgliedern des gegnerischen Verbandes besteht, lässt sich nicht von der gegenüber dem Verband selbst eingegangenen Verpflichtung abstrahieren (Konzen ZfA 1975, 421). Nach dem Mitgliedschaftswechsel besteht keine verbandsrechtliche Einwirkungspflicht mehr auf diesen Arbeitgeber. Die Verbandssatzung sieht in § 6 Abs. 2 a) in allen Fragen, die Arbeitskampfmaßnahmen betreffen, kein Antrags-, Beratungs- und Stimmrecht und keine Bindung an Verbandsbeschlüsse vor. Das gilt nach § 7 auch für Verbandsbeschlüsse in verbandspolitischen Angelegenheiten. Nach § 20 Abs. 1 können OT-Mitglieder nicht Mitglieder des tarifpolitischen Ausschusses werden. Dies entspricht den Voraussetzungen für eine OT-Mitgliedschaft, bei der es sich um eine Mitgliedschaft handeln muss, die sich ausreichend von der Vollmitgliedschaft unterscheidet (vgl. Hess. LAG Urteil vom 17.10.2007 - 6 Sa 2087/06 - Juris).

Das Bundesarbeitsgerichtsurteil vom 4.5.1955 (- 1 AZR 493/54 - AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 2) ist nicht einschlägig, weil dort ein anderer Sachverhalt entschieden worden ist. Zu entscheiden war über die rechtswidrige Tarifforderung einer Außenseitergewerkschaft gegenüber einem verbandsangehörigen Arbeitgeber durch die Forderung nach Abschluss eines Firmentarifvertrages, durch den der Arbeitgeber aus seinem Arbeitgeberverband herausgebrochen worden wäre. Außerdem wären bei Durchsetzung dieser Forderung auf freie Lohnvereinbarung durch Arbeitsvertrag statt Tariflohn die aus der Hauptgewerkschaft ausgetretenen Arbeitnehmer ihres Schutzes nach § 3 Abs. 3 TVG beraubt worden. Dieses Streikziel, das gegen den Schutzzweck des § 3 Abs. 3 TVG gerichtet war, hielt das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) für rechtswidrig. Durch den geforderten Anerkennungstarifvertrag würde der Schutzzweck des § 3 TVG jedoch nicht unterlaufen.

Der Streik wird schließlich um tariflich regelbare Ziele geführt. Maßgeblich für den Inhalt der mit einem Streik verfolgten Ziele sind die dem Gegner auf der Grundlage des konkreten von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG Urteil vom 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Kissel § 42 Rn. 2; Otto § 5 Rz. 2). Hier entspricht der Streikbeschluss des Vorstandes der Verfügungsbeklagten zu 1) inhaltlich den Tarifforderungen, die die Verfügungsbeklagten der Verfügungsklägerin übermittelt haben. In erster Linie wurde der Abschluss eines Anerkenntnistarifvertrages gefordert, der alle zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen e.V., Frankfurt am Main und der IG Metall Bezirksleitung Frankfurt geschlossenen Tarifverträge sowie für die Tarifverträge, die zwischen Gesamtmetall und IG Metall geschlossen wurden, erfasst. Die Forderung nach einem Anerkennungstarifvertrag, der die nach § 3 Abs. 3 TVG weiter geltenden Normen des Verbandstarifvertrages nunmehr als Firmentarifvertrag aufnehmen soll, und ein hierauf gerichteter Streik sind nicht rechtswidrig. Der Anerkennungstarifvertrag würde das Unternehmen auch wieder schuldrechtlich binden und die Unsicherheit beseitigen, der die Nachbindung bei späteren Veränderungen des Verbandstarifvertrages ausgesetzt ist.

Niemals wurde in der Tarifforderung, wie sie der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 15.8.2008 übermittelt worden ist, den Warnstreikaufrufen, dem Stimmzettel für die Urabstimmung oder im Streikbeschluss des IG Metall-Vorstandes als Tarifforderung der Wechsel der Verfügungsklägerin in die Vollmitgliedschaft im Verband verlautbart. Die auf allen Ebenen verlautbarte Tarifforderung vermag die Äußerung des 1. Bevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zu 3) nicht in Frage zu stellen. Derartige Verlautbarungen hinsichtlich der Festlegung des Streikziels, zu dem satzungsmäßig nur der IG Metall-Vorstand bestimmt ist, durch insoweit nicht vertretungsberechtigter Mitglieder der Gewerkschaft sind zur Bestimmung des Streikziels schon aus Gründen der Rechtssicherheit unmaßgeblich (BAG a.a.O.). Diese Einzeläußerung erlaubt auch nicht die Schlussfolgerung, der IG Metall-Vorstand habe seinen Streikbeschluss auf eine Scheinforderung gestützt.

            Kein Verstoß des Streiks gegen das ultima-ratio-Prinzip

Der Streik verletzt auch nicht das ultima-ratio-Prinzip, weil die Verfügungsbeklagten vor dem Streik tarifwidrige Bedingungen vor Aufnahme von Verhandlungen gesetzt hätten. In den Verhandlungsaufforderungen wurde immer auch die Streikforderung des Abschlusses eines Anerkenntnistarifvertrages genannt. So führte die Verfügungsbeklagte zu 2) u.a. mit Schreiben vom 19.8.2008 aus, Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen sei die Anerkennung der Tarifverträge oder aber die Wiederherstellung der Tarifbindung durch Verbandseintritt. Die Verhandlungsforderung der Verfügungsbeklagten zu 2) zielte nicht ausschließlich und ausdrücklich auf die Wiederherstellung der Vollmitgliedschaft der Verfügungsklägerin im Arbeitgeberverband ab, sondern lediglich auf die Wiederherstellung der Tarifbindung, so auch mit Schreiben der Bezirksleitung vom 21. August 2008 (BI. 55 d. A.: „Bestehen auf einen Anerkennungstarifvertrag oder die Rückkehr in die Tarifbindung", in den Tarifnachrichten vom 3. Sept. 2008: „Wiedereintritt in die 9 SaGa 1442/08 Tarifbindung oder einen Anerkennungstarifvertrag"; so auch in den Tarifnachrichten vom 5. September 2008 oder in den Tarifnachrichten vom 9. September 2008. Letztlich hat die Verfügungsklägerin der Tarifforderung auf Abschluss eines Anerkennungstarifvertrags nur unter weiteren Bedingungen Entgegenkommen gezeigt, so dass sich ihre Behauptung, die Tarifforderung der IG Metall sei vorgeschoben, von daher nicht verifizieren lässt.

Die Tarifforderung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie über das Verlangen nach einem Anerkenntnistarifvertrag hinaus weitere Forderungen aufstellt. Otto (a.a.O.) meint zwar hierzu, § 3 Abs. 3 TVG blockiere de lege lata inhaltlich eine verschlechternde tarifliche Regelung zum Nachteil des tarifflüchtigen Mitglieds bis zum Ablauf des Verbandstarifvertrages. Diese Auffassung findet jedoch in § 3 Abs. 3 TVG keine erkennbare Stütze. Vielmehr kann die Gewerkschaft versuchen, den gemäß § 3 Abs. 3 TVG fortwirkenden Verbandstarifvertrag durch Abschluss eines Firmentarifvertrages zu verbessern und dies auch streikweise durchzusetzen (grundlegend Konzen ZfA 1975, 401, 421, 424; Däubler-Lorenz, TVG, 2. Aufl., § 3 Rz. 117; Zachert-Kempen, TVG, 4 Aufl., § 3 Rz, 66). Ein Firmentarifvertrag tritt dann an die Stelle der weitergeltenden früheren Verbandstarifverträge, der sie als eigenständige, fachlich speziellere Regelung ablöst (Zachert-Kempen, TVG, 4 Aufl., § 3 Rz, 67). Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels trägt die Verfügungsklägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO.

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