LAG Berlin: Kaufkraftausgleich für deutsche Ortskräfte
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.12.2011 - 6 Sa 1422/11
Leitsatz
Die Beschränkung des Kaufkraftausgleichs für deutsche Ortskräfte der Bundesrepublik Deutschland auf den für ins Ausland entsandte Mitarbeiter geltenden Prozentsatz ihres Einkommens ist weder gleichheits- noch sittenwidrig, auch wenn der Kaufkraftausgleich aufgrund der Entwicklung seinen Zweck nur teilweise zu erfüllen vermag.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Höhe eines Kaufkraftausgleichs für die Jahre 2007 bis 2010.
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Der Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, trat am 1. Mai 1988 als Wächter beim Generalkonsulat Rio de Janeiro in die Dienste der Beklagten. Nach seinem Arbeitsvertrag (Ablichtung Bl. 27 und 28 GA) gilt „der jeweils für das Auswärtige Amt maßgebende Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Auslandsvertretungen beschäftigten deutschen nichtentsandten Arbeiter ... zwischen den Vertragsparteien unmittelbar als vereinbart." Sein Gehalt erhält der Kläger in Euro gezahlt.
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Von der aus Anlass der Kündigung der TV Ang bzw. Arb Ausland zum 31. März 2000 eingeräumten Möglichkeit, seinen Arbeitsvertrag auf Ortsrecht umstellen zu lassen, machte der Kläger keinen Gebrauch. Sein Arbeitsverhältnis wird deshalb seit November 2006 auf der Grundlage des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten deutschen nichtentsandten Beschäftigten (TV Beschäftigte Ausland) vom 1. November 2006 durchgeführt.
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Aufgrund einer allgemeinen Verweisung in Art. 1 § 2 Abs. 1 TV Beschäftigte Ausland richtete sich die Zahlung eines Kaufkraftausgleichs (KKA) zunächst nach § 45 (Bund) des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) - Besonderer Teil Verwaltung - (BT-V) i.V.m. §§ 7, 54 BBesG (a.F.). Diesem Kaufkraftausgleich wurden in der Vergütungsgruppe des Klägers 65 vom Hundert der Dienstbezüge nach § 52 BBesG zu Grunde gelegt. An die Stelle dieser Regelung trat mit Wirkung vom 1. Juli 2010 aufgrund Art. 2 § 1 Abs. 3 ÄndTV Nr. 1 vom 24. November 2009 eine spezielle Verweisung in Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland, wonach nunmehr § 55 BBesG (n.F.) entsprechend gilt. Dieser bestimmt in Absatz 3 Satz 1 den KKA auf 60 vom Hundert des Grundgehalts, der Anwärterbezüge, des Familienzuschlags und des Auslandzuschlags. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Festsetzung des KKA nach dem BBesG vom 24. September 2002 und die Verfahrensregelung zur Ermittlung der Teuerungsziffern für den KKA vom 19. Januar 2005 hatte die Beklagte als Anlagen zu ihrem Runderlass 131-31 vom 11. Oktober 2006 (Ablichtung Bl. 241 - 244R GA) den Beschäftigten aller Auslandsvertretungen zur Kenntnis gegeben.
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Mit Schreiben vom 15. September 2010 (Ablichtung Bl. 29 und 30 GA) forderte der Kläger eine Neuberechnung des KKA auf einer dem tatsächlichen Konsumverhalten einer Ortskraft annähernd entsprechenden Basis.
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Seine Klage auf Zahlung von 48.111,60 € weiteren Kaufkraftausgleichs für die Jahre 2007 bis 2010, hilfsweise Zustimmung zu einer zum 1. Januar 2007 rückwirkenden Vereinbarung über die Gewährung eines KKA, hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anwendung der in Bezug genommenen Regelung des BBesG zum KKA erfolge auf entsandte Arbeitnehmer wie Ortskräfte in gleicher Weise. Dass nach § 2 TV Beschäftigte Ausland § 45 (Bund) TVöD BT-V und die Regelung des BBesG zur Berechnung des KKA lediglich „entsprechend" anzuwenden gewesen seien und nunmehr nach § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland § 55 BBesG „entsprechend" gelte, eröffne der Beklagten schon kein Ermessen bei der Bestimmung der Bezugsgröße für den KKA. Mit diesem Verständnis seien die Tarifverträge auch nicht gleichheitswidrig, weil nicht ersichtlich sei, dass die Gleichbehandlung von entsandten und nichtentsandten Beschäftigten bei der Regelung des KKA den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien überschreite.
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Der Hilfsantrag sei zwar hinreichend bestimmt. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung bestehe jedoch nicht. Zum Wegfall der subjektiven Geschäftsgrundlage habe der Kläger nichts vorgetragen. Auch eine für den Kläger unzumutbare schwere Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung sei nicht eingetreten, weil er noch immer mehr als vergleichbare Beschäftigte verdiene, die seit dem 1. April 2000 Arbeitsverträge zu ortsüblichen Bedingungen geschlossen hätten.
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Gegen dieses ihm am 15. Juni 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Juli 2011 eingelegte und am 15. August 2011 begründete Berufung des Klägers. Er beanstandet, dass sich das Arbeitsgericht nicht mit seinem Vortrag zum tatsächlich eingetretenen Kaufkraftverlust von über 75 % seit Ende 2004 bis Ende 2010 auseinandergesetzt habe, der auf eine Verschlechterung des Wechselkurses und die Inflation in Brasilien zurückzuführen sei. Die Beklagte sei auch bei privatrechtlichem Handeln und als Tarifvertragspartei an die Grundrechte gebunden. Die Gleichbehandlung von Ortskräften und entsandten Mitarbeitern sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil die Ortskräfte ihr gesamtes Einkommen im Gastland für ihren Lebensunterhalt ausgeben müssten. Ein konkretes Angebot zur Umstellung seines Arbeitsverhältnisses auf Ortsrecht zum 1. April 2000 sei ihm seinerzeit nicht unterbreitet worden. Dass sich die Vertragspolitik der Beklagten seitdem bei Neueinstellungen zum Nachteil der Ortskräfte geändert habe, sei nicht geeignet, seine Einbußen beim Einkommen zu rechtfertigen. Eine Regelung des KKA, die entgegen dessen Sinn und Zweck den Arbeitnehmer zwinge, erhebliche Äquivalenzstörungen hinzunehmen, sei sittenwidrig.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 48.111,60 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf
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583,72 € seit 01.02.2007,
je 656,68 € seit 01.03, 01.04. und 01.05.2007,
je 583,72 € seit 01.06., 01.07. und 01.08.2007,
je 597,96 € seit 01.09., 01.10., 01.11. und 01.12.2007 und 01.01.2008,
je 1.000,10 € seit 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07. und 01.08.2008,
1.048,95 € seit 01.09.2008,
je 1.053,53 € seit 01.10. und 01.11.2008 und 01.01.2009,
1.864,84 € seit 01.12.2008,
je 1.084,68 € seit 01.02., 01.03., 01.09., 01.10. und 01.11.2009 und 01.01, 01.02., 01.03., 01.04., 01.05. und 01.06.2010,
je 1.165,62 € seit 01.04., 01.05., 01.06., 01.07. und 01.08.2009,
1.920,19 € seit 01.12.2009,
1.013,83 € seit 01.07.2010,
je 1.040,77 € seit 01.08., 01.09., 01.10. und 01.11.2010 und 01.01.2011 und
1.844,85 € seit 01.12.2010,
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hilfsweise,
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der Aufnahme einer einzelvertraglichen Vereinbarung mit dem Inhalt der Gewährung eines Kaufkraftausgleichs in seinen Arbeitsvertrag rückwirkend zum 1. Januar 2007 zuzustimmen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und hält es für fraglich, ob es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung überhaupt geboten sei, Ortskräften, die in ganz anderer Weise im Gastland verwurzelt seien als entsandte Mitarbeiter, einen KKA zu gewähren. Einem auf sieben Jahre gestreckten Kaufkraftverlust, wie ihn der Kläger geltend mache, sei sein Gehaltsanspruch gar nicht ausgesetzt gewesen. Auch habe der Kläger übersehen, dass auch in Deutschland die Lebenshaltungskosten zwischen 2004 und 2011 angestiegen seien, was vom Statistischen Bundesamt bei der Festlegung der Teuerungsziffer aber stets berücksichtigt worden sei. Im Falle einer nachträglichen Nichtigkeit der getroffenen Vergütungsvereinbarung hätte der Kläger ohnehin lediglich Anspruch auf die ortsübliche Vergütung, die jedoch weit unter dem ihm ausgezahlten Gehalt liege.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Berufung ist fristgemäß und formgerecht eingelegt und hinsichtlich des Hauptantrags auch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechend begründet worden, der gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten entsprechend gilt. Dagegen mangelte es zum Hilfsantrag an einer ausreichenden Auseinandersetzung mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil. Während das Arbeitsgericht im Einzelnen dargelegt hat, weshalb die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB nicht vorlägen, beschränkte sich die Berufungsbegründung auf den Hinweis, die Verkennung der Sittenwidrigkeit der Regelung zum KKA habe das Arbeitsgericht auch zu einem falschen Ergebnis bei der Beurteilung des Hilfsantrags geführt. Das Fehlen einer ausreichenden Berufungsbegründung zu einem selbständigen Klagegrund macht die Berufung insoweit unzulässig (vgl. BAG, Urteil vom 23.11.2006 - 6 AZR 317/06 - BAGE 120, 239 = AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 17 zu I 3 der Gründe).
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2. Die Berufung ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet.
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2.1 Die entgegen § 513 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen ist gegeben.
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2.1.1 Diese richtete sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO), die gemäß Art. 229 Abs. 2 Satz 2 EG unmittelbar Anwendung fand. Die am 17. Dezember 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I) erfasst gemäß ihrem Art. 28 nur Verträge, die seitdem geschlossen worden sind. Gemäß Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 EuGVVO können Ansprüche aus individuellen Arbeitsverträgen gegen den Arbeitgeber vor den Gerichten des Mitgliedsstaats eingeklagt werden, in dem dieser seinen Wohnsitz hat. Hierunter ist bei einer juristischen Person gemäß Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO ihr satzungsmäßiger Sitz zu verstehen, vorliegend mithin Berlin, wo die Bundesregierung seit dem 2. Mai 2001 gemäß § 3 Abs. 1 Berlin/Bonn-Gesetz ihren Sitz hat.
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2.1.2 Zudem ist in Art. 1 § 13 TV Beschäftigte Ausland der von der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf den jeweils maßgebenden Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Auslandsvertretungen beschäftigten nichtentsandten Arbeiter erfasst wird, für Rechtsstreite zwischen den unter diesen Tarifvertrag fallenden Beschäftigten und der Beklagten der Gerichtsstand Berlin vereinbart. Eine solche Vereinbarung ist gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO wirksam, der als spezielle Vorschrift § 48 Abs. 2 ArbGG vorgeht.
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2.2 Das Zahlungsbegehren des Klägers ist unbegründet.
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2.2.1 Die Rechtsbeziehungen der Parteien richten sich nach deutschem Arbeitsrecht. Es handelt sich um einen Sachverhalt mit Verbindung zum Recht eines ausländischen Staats i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB a.F., weil das Arbeitsverhältnis vertragsgemäß in Brasilien vollzogen wurde. Der Vertrag unterlag gemäß dem bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem von den Parteien gewählten Recht. Eine solche Rechtswahl ergab sich konkludent aus dem Vertrag und den Umständen des Falles, indem dieser zwischen der Beklagten als Arbeitgeber und dem Kläger als einem deutschen Staatsangehörigen in deutscher Sprache unter Bezugnahme auf deutsche Tarifverträge geschlossen worden ist und die Vergütung zunächst in DM und später in Euro als der für Deutschland maßgeblichen Währung gezahlt wurde (vgl. BAG, Urteil vom 01.07.2010 - 2 AZR 270/09 - AP GG Art. 25 Nr. 5 R 28).
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2.2.2 Dem Kläger steht für die Zeit von Januar 2007 bis Dezember 2010 kein Anspruch auf restliches Arbeitsentgelt in Form eines weiteren KKA zu.
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2.2.2.1 Ein etwaiger Anspruch des Klägers für die Zeit vor Dezember 2009 ist bereits wegen Versäumung der neunmonatigen Ausschlussfrist gemäß §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD, Art. 1 § 2 Abs. 1 TV Beschäftigte Ausland, § 45 (Bund) Nr. 15 TVöD - BT-V erloschen. Der Kläger hat erstmals mit Schreiben vom 15. September 2010 „Neuberechnung des Kaufkraftausgleichs auf einer Basis, die dem tatsächlichen Konsumverhalten einer tarifbeschäftigten Ortskraft annähernd entspricht", verlangt. Soweit es ca. 2005 wegen eines neuen, verschlechterten Berechnungsverfahrens zu einer Eingabe beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gekommen sein soll, hatte dies keinesfalls die jetzt vom Kläger erhobenen Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder Sittenwidrigkeit zum Gegenstand. Zudem ist der Petitionsausschuss nicht gesetzlicher Vertreter der Beklagten im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern.
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2.2.2.2 Dem Kläger stand für den gesamten streitigen Zeitraum kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf einen über die geleisteten Zahlungen hinausgehenden KKA zu. Dabei sind die Festlegung der Höhe des KKA und die dafür angestellten Berechnungen (dazu BAG, Urteil vom 21.11.1996 - 6 AZR 222/96 - AP BAT § 2 SR 2d Nr. 1) vorliegend nicht im Streit, sondern wendet sich der Kläger allein gegen die Begrenzung des KKA auf einen Teil seines Entgelts. Diese Begrenzung beruhte jedoch zulässiger Weise auf der ursprünglichen Verweisung in Art. 1 § 2 Abs. 1 TV Beschäftigte Ausland i.V.m § 45 (Bund) Nr. 8 TVöD - BT-V auf §§ 7, 54 BBesG a.F. und der späteren Verweisung in Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland auf § 55 BBesG n.F., wonach dem KKA lediglich 65 vom Hundert der Dienstbezüge nach § 52 BBesG a.F. bzw. 60 vom Hundert des Grundgehalts und des Auslandzuschlags zu Grunde zu legen waren.
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2.2.2.2.1 Die tarifvertraglich vorgeschriebene „entsprechende" Anwendung der Regelung des BBesG zur Berechnung des KKA eröffnete entgegen der Ansicht des Klägers keinen Ermessensspielraum der Beklagten, den diese zu seinen Gunsten hätte ausfüllen müssen, wie das Arbeitsgericht mit überzeugender Begründung im Einzelnen dargelegt hat (§ 69 Abs. 3 ArbGG).
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2.2.2.2.2 Eine andere Auslegung war auch nicht mit Rücksicht auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG geboten.
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2.2.2.2.2.1 Allerdings trifft es zu, dass sich die Beklagte ihrer Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG nicht durch eine sog. Flucht ins Privatrecht entziehen kann (dazu BVerfG, Urteil vom 22.02.2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 zu B I 1 der Gründe). Dabei erstreckt sich die Grundrechtsbindung der vollziehenden Gewalt auch auf staatliches Handeln, dessen Wirkungen außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland eintreten (BVerfG, Beschluss vom 25.03.1981 - 2 BvR 1258/79 - BVerfGE 57, 9 zu B II 4 a der Gründe). Schließlich vermag auch der Abschluss eines Tarifvertrags mit einer Gewerkschaft die Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG nicht aufzuheben, weil auch die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung nach § 1 Abs. 1 TVG den Gleichheitssatz zu beachten haben (BAG, Urteil vom 11.07.2006 - 9 AZR 519/05 - BAGE 119, 41 = AP BGB § 611 Dienstreise Nr. 10 R 20). Mit Rücksicht auf die von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Koalitionsfreiheit steht den Tarifvertragsparteien allerdings ein weitergehender Spielraum zu als einem allein agierenden Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 10.03.1982 - 4 AZR 540/79 - BAGE 38, 118 = AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 47). Ihnen gebührt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die sachlichen Gegebenheiten und die betroffenen Interessen sowie die Rechtsfolgen. Ferner verfügen sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung (vgl. BAG, Urteil vom 19.01.2011 - 3 AZR 29/09 - NZA 2011, 860 R 46).
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2.2.2.2.2.2 Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschränkung des KKA für Ortskräfte auf Leistungen wie an entsandte Arbeitnehmer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
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2.2.2.2.2.2.1 Art. 3 GG verbietet nicht nur eine sachwidrige Ungleichbehandlung, sondern auch eine sachwidrige Gleichbehandlung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte (BVerfG, Beschluss vom 16.08.2011 - 2 BvR 287/10 - R 27).
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2.2.2.2.2.2.2 Für einen KKA über die auch bei den entsandten Arbeitnehmern zu Grunde gelegte Teuerungsrate hinaus war unter Gleichheitsgesichtspunkten von vornherein kein Raum.
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2.2.2.2.2.2.3 Die Gleichbehandlung von entsandten Arbeitnehmern und Ortskräften bei der Bezugsgröße des KKA führt auch zu keiner sachwidrigen Benachteiligung der Ortskräfte. Diese befinden sich in einer ganz anderen Situation als entsandte Arbeitnehmer, indem sie ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft am ausländischen Arbeitsort gewählt haben, keiner Rotation unterliegen, nicht gegen ihren Willen versetzt werden können (Art. 1 § 3 TV Beschäftigte Ausland) und regelmäßig auch nicht mit einer Rückkehr nach Deutschland zu rechnen brauchen (vgl. Otto ZTR 2002, 164, 166). Dementsprechend wurde es aus Gründen der Gleichbehandlung nicht beanstandet, dass nur diejenigen Arbeitnehmer eine Zusatzversorgung erhalten sollten, mit deren Rückkehr nach Deutschland typischerweise gerechnet werden musste (BAG, Urteil vom 05.12.1995 - 3 AZR 869/94 - ZTR 1996, 230 zu 3 b der Gründe). Zudem dient der KKA ohnehin nicht dazu, den Anstieg der Lebenshaltungskosten auszugleichen. Damit soll vielmehr lediglich verhindert werden, dass es durch eine Entsendung ins Ausland zu einer Benachteiligung oder Bevorzugung gegenüber nicht entsandten Mitarbeitern der Beklagten kommt. Schließlich zwingt die Bereitschaft des Arbeitgebers, bei einer Beschäftigtengruppe einen Nachteil auszugleichen, diesen auch sonst nicht dazu, bei einer anderen Beschäftigtengruppe einen noch weitergehenden Nachteil ebenfalls auszugleichen.
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2.2.2.3 Ein Anspruch des Klägers aufgrund des gewohnheitsrechtlich und inzwischen auch in § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG gesetzlich anerkannten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes scheiterte bereits daran, dass der KKA keine freiwillige Leistung darstellt, sondern von der Beklagten in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tarifvertraglich begründeten Verpflichtung geleistet worden ist. Ein Arbeitgeber ordnet auch bei einzelvertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht selbst (BAG, Urteil vom 20.08.1997 - 3 AZR 183/96 - APBGB § 611 Fleischbeschauer-Dienstverhältnis Nr. 20 zu II 2 a aa der Gründe). Dies gilt auch bei einem Haustarifvertrag, weil dessen Ordnung zusammen mit einer Gewerkschaft geschaffen worden ist.
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2.2.2.4 Der Kläger kann schließlich sein Begehren auch nicht auf § 612 Abs. 2 BGB stützen.
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2.2.2.4.1 Gemäß § 612 Abs. 2 BGB ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Eine solche Bestimmung ist vorliegend jedoch gerade durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den TV Beschäftigte Ausland und dessen Verweisung auf die Regelung für entsandte Beamte bestimmt. Diese Bestimmung ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es verstößt entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, einen Kaufkraftverlust im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht vollständig auszugleichen, solange das Entgelt dadurch nicht insgesamt derart gering geworden ist, dass darin keine angemessene Gegenleistung mehr für die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung gesehen werden kann (dazu BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - BAGE 130, 338 = AP BGB § 138 Nr. 64 R 10). Dass es sich vorliegend so verhält, war dem Vorbringen des dafür darlegungsbelasteten Klägers nicht zu entnehmen. Dieser hat sich vielmehr darauf beschränkt, sich zur Darstellung der Beklagten mit Nichtwissen zu erklären, dass er mit Rücksicht auf die an ihn außer dem KKA erbrachten zusätzlichen Leistungen wie Auslandszuschlag und Zuschüssen zur Krankenversicherung und privaten Altersvorsorge immer noch 20 bis 30 % mehr als ortsüblich verdiene.
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2.2.2.4.2 Rechtsfolge eines infolge unzureichenden KKA sittenwidrigen Arbeitsentgelts wäre auch nicht ein vollständiger KKA, wie aber der Kläger meint. Vielmehr beschränkte sich der Anspruch dann auf die ortsübliche Vergütung (BAG, Urteil vom 20.04.2011 - 5 AZR 171/10 - NZA 2011, 1173 R 16).
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3. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen, ob sich die Beschränkung des KKA für Ortskräfte auf den für entsandte Mitarbeiter geltenden Prozentsatz ihres Einkommens als gleichheits- oder sittenwidrig darstellen kann.