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Arbeitsrecht
24.07.2025
Arbeitsrecht
BAG: Insolvenz – Eintrittspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung – Ausschlusstatbestand bei im Rahmen von Übertragungen gegebenen Zusagen

BAG, Urteil vom 6.5.2025 – 3 AZR 130/24

ECLI:DE:BAG:2025:060525.U.3AZR130.24.0

Volltext: BB-Online BBL2025-1779-3

Orientierungssätze

1. Nach § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG besteht ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen nur, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt (Rn. 14).

2. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG enthält eine unwiderlegbare Vermutung und damit einen zeitlich begrenzten objektiven Ausschlusstatbestand. Zusagen und Verbesserungen von Zusagen iSd. Norm sind alle Änderungen, die den Begünstigten im Vergleich zu der bis dahin geltenden Zusage mit Wirkung für den Insolvenzschutz besserstellen (Rn. 15, 18).

3. Die Übernahme einer Altersversorgungsverpflichtung durch den neuen Arbeitgeber iSd. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG im Rahmen eines vertraglichen Arbeitgeberwechsels zählt zu den Zusagen iSd. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG (Rn. 19).

 

▄Leitsatz

Zu den Zusagen iSd. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG, die den Pensions-Sicherungs-Verein in den zwei Jahren vor dem Sicherungsfall nicht zur umfassenden Sicherung verpflichten, zählen auch vertragliche Arbeitgeberwechsel mit Übernahme der Altersversorgungszusage durch den neuen Arbeitgeber iSd. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG.

 

Sachverhalt

1            Die Parteien streiten über die Höhe der insolvenzgeschützten Versorgungsanwartschaften des Klägers.

2            Der 1962 geborene Kläger war ab April 1991 bei der E KG angestellt. Dort erhielt er Versorgungszusagen ua. auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung.

3            Zum 1. Mai 2008 wurde das Arbeitsverhältnis von der E AG übernommen, die 2014 in die E SE umgewandelt wurde.

4            Am 31. Dezember 2018 schlossen der Kläger, die E SE und die E A GmbH & Co. KG einen als „Firmenwechselvertrag“ bezeichneten dreiseitigen Vertrag ua. mit folgendem Inhalt:

„Zwischen

E SE  

(Vorarbeitgeber)

und    

Herrn C

(Angestellter)

besteht seit dem 01.05.2008 ein Arbeitsverhältnis, das mit Wirkung zum 01.01.2019 von der

E A GmbH & Co. KG

(neuer Arbeitgeber)

mit allen erworbenen Rechten und Pflichten sowie ohne beeinträchtigende Auswirkungen auf die Dauer der bis zum Firmenwechsel bestehenden Betriebszugehörigkeit des Angestellten übernommen wird.

1.    Betriebliche Altersvorsorge

Der neue Arbeitgeber übernimmt zum Übertritt am 01.01.2019 alle Anwartschaften aus den folgenden Versorgungszusagen, die der Vorarbeitgeber erteilt hatte (Übernahme der Zusage gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG):

VO 2010

VO 2017

Dazu wird der errechnete Wert der handelsrechtlichen Rückstellung des Vorjahres vom Vorarbeitgeber auf den neuen Arbeitgeber übertragen. Ebenso erfolgt eine Übertragung aller ab 01.01.2017 bis zum Firmenwechsel erworbenen Fondsanteile aus der VO 2017 vom Vorarbeitgeber auf den neuen Arbeitgeber. Mit Vollzug dieser Übertragung erlischt die Zusage des Vorarbeitgebers, der den auf das abgelaufene Jahr entfallenden Beitrag zur gesetzlichen Insolvenzversicherung trägt. Ab dem laufenden Kalenderjahr ist ausschließlich der neue Arbeitgeber zur Leistung der Beiträge i. S. d. § 10 BetrAVG verpflichtet.

Zur Klarstellung: Der arbeitsrechtliche Versorgungsanspruch ändert sich durch diese Übertragung nicht.“

5            Über die Vermögen der E A GmbH & Co. KG und der E SE wurden am 1. Oktober 2019 Insolvenzverfahren eröffnet. Die vom Kläger bis zum 1. Januar 2019 erdienten Anwartschaften auf Leistungen betrieblicher Altersversorgung beliefen sich zuletzt auf 351.992,55 Euro.

6            Der Beklagte teilte dem Kläger im Mai 2022 mit, seine gesicherte Anwartschaft betrage 115.472,85 Euro. Der darüber hinausgehende Teil sei wegen § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG nicht vom Insolvenzschutz erfasst.

7            Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG komme nicht zur Anwendung, weil durch den Firmenwechselvertrag keine Zusage erteilt oder verbessert worden sei. Die bestehende Versorgungszusage des Vorarbeitgebers sei lediglich fortgeführt worden. Die Übernahme der Zusage nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG sei – anders als die Übertragung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG – nicht von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG erfasst. Jedenfalls die Insolvenz beider Arbeitgeber schließe die Anwendung aus.

8            Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, zu seinen Gunsten eine – weitere, über den Betrag iHv. 115.472,85 Euro hinausgehende – unverfallbare Versorgungsanwartschaft iHv. 236.519,70 Euro aufrechtzuerhalten.

9            Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

10          Das Arbeitsgericht hat der Klage in der ursprünglich geltend gemachten Gesamthöhe von 351.992,55 Euro stattgegeben. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt, soweit er verpflichtet worden ist, eine unverfallbare Anwartschaft zugunsten des Klägers von über 115.472,85 Euro aufrechtzuerhalten. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Beklagten stattgegeben und die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Der Beklagte begehrt deren Zurückweisung.

Aus den Gründen

11        Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht teilweise abgeändert und die Klage im noch anhängigen Teil abgewiesen. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehen über den rechtskräftig zugesprochenen Teilbetrag hinaus keine weiteren Ansprüche gegen den Beklagten zu.

 

12        I. Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Wenn der Beklagte als gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG gesetzlicher Träger der Insolvenzsicherung den Insolvenzschutz einer Anwartschaft gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG – wie hier – in Abrede stellt, kann der Anwärter auch vor dem Versorgungsfall den Insolvenzschutz seiner Anwartschaften und deren Umfang gerichtlich feststellen lassen (BAG 22. September 1987 – 3 AZR 662/85 – zu A 1 der Gründe, BAGE 56, 138).

 

13        II. Die Klage ist im noch anhängigen Umfang unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Feststellung des Insolvenzschutzes im geltend gemachten Umfang wegen § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG nicht besteht.

 

14        1. Nach § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG besteht ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen nur, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt. Bei der Schuldübernahme durch die neue Arbeitgeberin des Klägers gemäß dem Firmenwechselvertrag vom 31. Dezember 2018 handelt es sich um eine solche Zusage bzw. Verbesserung der Versorgungszusage des Klägers im Rahmen einer Übertragung innerhalb von zwei Jahren vor Eintritt des Sicherungsfalls.

 

15        a) Für die Anwendung von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG kommt es nicht darauf an, ob ein Versicherungsmissbrauch positiv festgestellt wird (Satz 1) oder widerleglich zu vermuten ist (Satz 2). § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG enthält eine unwiderlegbare Vermutung und damit einen zeitlich begrenzten objektiven Ausschlusstatbestand (BAG 21. Juli 2020 – 3 AZR 142/16 – Rn. 36 mwN, BAGE 171, 307).

 

16        b) Die Ausschlusstatbestände des § 7 Abs. 5 BetrAVG setzen voraus, dass eine Versorgungszusage im Hinblick auf den gesetzlichen Insolvenzschutz erteilt oder verbessert worden ist, wobei nach § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG dafür ausschließlich die zeitliche Nähe zum Sicherungsfall genügt. Die Begriffe der Zusage und ihrer Verbesserung sind zum Schutz des Trägers der Insolvenzsicherung und zur Vermeidung von Missbrauch weit zu verstehen (BAG 21. Juli 2020 – 3 AZR 142/16 – Rn. 37 mwN, BAGE 171, 307).

 

17        c) Der Ausschlusstatbestand beruht auf der unwiderlegbaren Vermutung, dass Leistungszusagen und -verbesserungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Arbeitgebers auf spekulativen Erwägungen beruhen und den Zweck verfolgen, dem Träger der Insolvenzsicherung voraussichtlich nicht erfüllbare Zusagen aufzubürden (vgl. BAG 24. Juni 1986 – 3 AZR 645/84 – zu II 1 a der Gründe, BAGE 52, 226). Einer Missbrauchsabsicht bedarf es nicht (BT-Drs. 7/2843 S. 26 ff.; BT-Drs. 12/3803 S. 110 ff.).

 

18        d) Unter Zusagen und Verbesserungen von Zusagen iSd. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG sind alle Änderungen zu verstehen, die den Begünstigten im Vergleich zu der bis dahin geltenden Zusage mit Wirkung für den Insolvenzschutz besserstellen. Verbesserungen, die ohnehin nach dem Leistungsplan eintreten sollten, werden von der Beschränkung des Insolvenzschutzes nicht erfasst (BAG 24. Juni 1986 – 3 AZR 645/84 – zu II 1 b der Gründe, BAGE 52, 226). Eine Abgrenzung zwischen den Begriffen der Zusage und ihrer Verbesserung ist dabei nicht von zentraler Bedeutung. Die Sätze 1 bis 3 des § 7 Abs. 5 BetrAVG verwenden sie in unterschiedlicher Form, stellten zeitweise nur auf Verbesserungen ab und wurden vom Gesetzgeber auf Rechtsprechung des Senats hin entsprechend angepasst. Wenn schon Verbesserungen einer Versorgungszusage die Vermutung des Versicherungsmissbrauchs begründen, dann muss dies erst recht für eine (neue) Zusage gelten (BAG 24. November 1998 – 3 AZR 423/97 – zu III 1 der Gründe, BAGE 90, 212). Die gesetzgeberische Ergänzung des Wortlauts des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG um das Merkmal der „Zusage“ sollte insoweit allein klarstellender Natur sein (vgl. BT-Drs. 15/2150 S. 54 ohne nähere Begründung der Veränderung).

 

19        e) Zu den Zusagen iSd. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG zählen erstmalige Zusagen, deren Verbesserungen aber auch vertragliche Schuldnerwechsel. Daher fallen auch vertragliche Arbeitgeberwechsel mit der Übernahme der Altersversorgungsverpflichtung durch den neuen Arbeitgeber iSd. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG in den sachlichen Anwendungsbereich (vgl. Kisters-Kölkes/Berenz/Huber/Betz-Rehm/Borgers BetrAVG 10. Aufl. § 7 Rn. 225; HWK/Schipp 11. Aufl. § 7 BetrAVG Rn. 58a; Pakirnus in Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker Stand Januar 2025 Teil 12 Rn. 129; Uckermann/Braun 2. Aufl. BetrAVG § 7 Rn. 232). Das folgt vor allem aus der Schutzrichtung des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG und dem gesetzgeberischen Willen bei der Schaffung des § 4 Abs. 2 BetrAVG.

 

20        aa) Zwar spricht der Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG nicht eindeutig für diese Annahme. Bei der Schuldübernahme iSv. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG kommt es – anders als bei der Übertragung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG – nicht zur Erteilung einer (neuen) Zusage durch den neuen Arbeitgeber (zutr. Berger NZI 2024, 853, 854), sondern vielmehr zu einer bloßen Übernahme der Zusage des alten Arbeitgebers, wie auch § 1b Abs. 1 Satz 3 BetrAVG zeigt (vgl. zur sog. Einheit der Versorgungszusage BAG 12. Februar 1981 – 3 AZR 163/80 – zu II 3 der Gründe, BAGE 35, 71). Die Übernahme einer Versorgungszusage unterbricht nicht den Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen und bedarf anders als die Übertragung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG keiner zusätzlichen Sicherung gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 BetrAVG, der auf die Regeln der Entgeltumwandlung und damit auf die sofortige Unverfallbarkeit gemäß § 1b Abs. 5 BetrAVG verweist. Allerdings bezieht sich § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG unterschiedslos auf „im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen“ und erfasst damit auch die in § 4 BetrAVG mit der Überschrift „Übertragung“ und der Regelung in Abs. 1 „übertragen“ gemeinte Übernahme iSd. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG.

 

21        bb) Zudem wird die Zusage bei der Schuldübernahme durch den neuen Arbeitgeber als eigene (neue) Verbindlichkeit übernommen (Grüneberg/Grüneberg 84. Aufl. BGB Überbl. v. § 414 Rn. 1). In Bezug auf die Person des Schuldners bleibt das Schuldverhältnis also gerade nicht identisch. Aufgrund der Schuldübernahme besteht vielmehr nunmehr die Gefahr, dass der neue Arbeitgeber des Insolvenzschutzes eher bedarf als der vorige.

 

22        cc) Systematisch lässt sich zwar gegen eine Anwendung des § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG einwenden, dass es nur bei einer Übertragung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BetrAVG zwingend zur Übertragung eines sog. Übertragungswerts kommt, den § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG als Rückausnahme voraussetzt. Indes kann es auch bei der Übernahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG – wie der vorliegende Fall zeigt – zur vertraglichen Übertragung von Werten bei der Übernahme kommen, die § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG entsprechen. Zudem kann § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG unabhängig von der Reichweite der Rückausnahme in Nr. 2 ausgelegt und angewendet werden.

 

23        dd) Auch der Gesetzgeber geht in Fällen der Übernahme iSv. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG von einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG aus, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drs. 15/2150 S. 54). Die neuen Möglichkeiten zur Portabilität sollen demnach praktisch nur dann genutzt werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass das übertragene Betriebsrentenkapital des Arbeitnehmers beim neuen Arbeitgeber von Anfang an insolvenzgeschützt ist. Deshalb soll die Zwei-Jahres-Schutzfrist zugunsten des Beklagten in diesen Fällen und insoweit grundsätzlich keine Anwendung finden (BT-Drs. 15/2150 S. 54). Um das Risiko des Beklagten und der ihn finanzierenden Arbeitgeber kalkulierbar zu halten, wurde seine Einstandspflicht aber gerade auf die Höhe des Übertragungsbetrags begrenzt, auf dessen Mitnahme der Arbeitnehmer ein Recht hat. Wird darüber hinaus im Einvernehmen der Beteiligten ein höherer Betrag zum neuen Arbeitgeber mitgenommen, kann dieser in den zwei Jahren vertraglich insolvenzgeschützt werden (BT-Drs. 15/2150 S. 54).

 

24        ee) Die Anwendung des § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG in allen Fällen der Übertragung und Übernahme ist auch vom Sinn und Zweck der Regelung geboten.

 

25        (1) In beiden Fällen geht es gleichermaßen um die Kalkulierbarkeit des Insolvenzrisikos infolge Schuldnerwechsels für den Beklagten. Wenn schon bei der Übertragung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG der Missbrauch vermutet wird, liegt dies mindestens ebenso – wenn nicht gar erst recht – bei der Übernahme nahe, zumal dort nicht einmal zwingend ein Übertragungswert vorzusehen ist. Die beiden Arten von Übertragungen liegen zudem wertungsmäßig und wirtschaftlich so nahe beieinander, dass dies keine Unterscheidung zu rechtfertigen vermag. Das zeigen in § 4 BetrAVG auch die gesetzlichen Regelungen zur Unverfallbarkeit (Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2) und zum Erlöschen der Zusage (Abs. 6), die eine Übertragung nach Abs. 2 Nr. 2 weitgehend der nach Nr. 1 gleichstellen.

 

26        (2) Die vom Gesetzgeber angeregte vertragliche Insolvenzsicherung über den Übertragungswert nach § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG hinaus – etwa durch eine Doppeltreuhand – passt auch bei der Schuldübernahme und würde auch dort nicht etwa allein dem Beklagten nutzen (aA Berger NZI 2024, 853, 854). Der Forderungsübergang auf den Beklagten nach § 9 Abs. 2 BetrAVG besteht nur im Umfang seiner Eintrittspflicht. Soweit durch die Treuhand Versorgungsverpflichtungen abgesichert werden, die nicht oder nicht in voller Höhe im Insolvenzfall durch die Einstandspflicht des Beklagten abgedeckt sind, ist ein Forderungsübergang auf ihn ausgeschlossen (BAG 22. September 2020 – 3 AZR 303/18 – Rn. 83, BAGE 172, 217).

 

27        (3) Es wäre vor diesem Hintergrund verfehlt, den Beklagten bei der Übernahme einer Versorgungszusage auf § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 BetrAVG zu verweisen. Zum einen setzen diese Ausschlusstatbestände ebenfalls die Erteilung einer Zusage oder ihre Verbesserung voraus, an der es dann fehlte. Zum anderen soll die Zwei-Jahres-Frist dem Beklagten gerade den Nachweis des konkreten Missbrauchs und der Missbrauchsabsicht aus Vereinfachungs- und Vereinheitlichungsgründen ersparen (vgl. BT-Drs. 7/2843 S. 9).

 

28        (4) Die Übernahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG kann auch nicht mit einem Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB gleichgestellt werden, so dass dahinstehen kann, ob bei diesem § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG zur Anwendung kommt (aA Berger NZI 2024, 853, 854). Dagegen könnte sprechen, dass dort anders als bei der Schuldübernahme durch dreiseitigen Vertrag der Übergang des Arbeitsverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten nicht gewillkürt, sondern gesetzliche Rechtsfolge ist.

 

29        f) Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG sind auch zeitlich erfüllt. Die Übernahme der Versorgungszusage des Klägers durch die neue Arbeitgeberin ist am 31. Dezember 2018 und damit in den letzten zwei Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls am 1. Oktober 2019 erfolgt.

 

30        2. Entgegen der Annahme des Klägers bedarf es keiner Korrektur oder teleologischen Reduktion des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG, wenn im Fall der Schuldübernahme innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums auch über das Vermögen der übertragenden Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Zwar hätte beim alten Arbeitgeber der Insolvenzschutz in voller Höhe fortbestanden. Der Anspruch aus § 7 Abs. 1 BetrAVG folgt aber allein dem Anspruch gegen den insolventen Vertragsarbeitgeber. Billigkeitserwägungen haben insofern beim Insolvenzschutz durch den Beklagten keinen Raum, da ihm anderenfalls keine sichere Planung seiner Risiken möglich wäre.

 

31        Der Umstand, dass die Übernahme im Konzern erfolgt ist, verlangt kein abweichendes Ergebnis. Der Arbeitgeberwechsel im Konzern ist der typische von § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG erfasste Fall, da idR nur hier die Übernahme einer bestehenden Zusage und Verpflichtung auf der Grundlage einer „fremden“ Versorgungsordnung in Betracht kommt (vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs 8. Aufl. BetrAVG § 4 Rn. 72).

 

32        III. Das Ergebnis steht in Einklang mit Unionsrecht. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG hält sich innerhalb der von Art. 12 Buchst. a Richtlinie 2008/94/EG vorgegebenen Grenzen (BAG 21. Juli 2020 – 3 AZR 142/16 – Rn. 48 ff., BAGE 171, 307).

 

33        IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

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