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Arbeitsrecht
18.03.2008
Arbeitsrecht
: Höchstbetragsklausel in Sozialplan zulässig

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 1 AZN 793/07
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:

      BetrVG § 75 Abs. 1 Satz 2 aF

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS

1 AZN 793/07

In Sachen

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts am 2. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Mai 2007 - 8 Sa 53/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 122.870,44 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die auf grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage und auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

I. Die anzufechtende Entscheidung beruht niccht auf einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

1. Gemäß § 72a Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - BAGE 114, 200, zu 2 c aa der Gründe mwN). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie in der Revisionsinstanz beantwortet werden kann. Klärungsbedürftig ist sie, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden (BAG 16. September 1997 - 9 AZN 133/97 - AP ArbGG 1979 § 72a Grundsatz Nr. 54, zu II 2 der Gründe mwN) und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist (BAG 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - BAGE 114, 157, zu II 2 a der Gründe mwN). Entscheidungserheblich ist sie, wenn die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts von ihr abhängt.

2. Hiernach liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht vor.

Nach der Auffassung des Klägers hat folgende Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung:

"Liegt auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben eine nach § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verbotene Benachteiligung älterer Arbeitnehmer vor, wenn die - in einem anlässlich einer Betriebsstilllegung abgeschlossenen Sozialplan, der für die betroffenen Arbeitnehmer kein Angebot einer Weiterbeschäftigung vorschreibt, aber den Arbeitnehmern die Option des Verbleibs in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft einräumt - für den Fall der Entlassung vorgesehene, mit Alter und Betriebszugehörigkeit steigende Sozialplanabfindung auf einen Höchstbetrag, der typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betrifft, begrenzt wird?"

Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Ihre Beantwortung ist offensichtlich.

a) Das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters in Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 6 RL 2000/78/EG war durch § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aF teilweise bereits umgesetzt (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZN 1043/06 -, zu 1 c aa der Gründe). Danach hatten die Betriebsparteien darauf zu achten, dass Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersgrenzen benachteiligt werden. Art. 1 RL 2000/78/EG hat für das Betriebsverfassungsrecht das Verbot in § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aF um das Verbot einer sonstigen Benachteiligung wegen Alters, etwa wegen des Unterschreitens bestimmter Altersgrenzen erweitert. Gemäß Art. 2 RL 2000/78/EG darf es wegen des Alters keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung geben.

b) Unabhängig von der Frage, ob die Richtlinie vor Ablauf der im Dezember 2006 endenden Umsetzungsfrist bereits zu beachten war, haben ihre Vorschriften die Rechtslage jedenfalls hinsichtlich der Zulässigkeit von Höchstbetragsklauseln, wie sie im hier maßgeblichen Sozialplan vorgesehen sind, nicht geändert. Die Frage der Zulässigkeit solcher Höchstbeträge ist mit Blick auf einen möglichen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG nicht anders zu beurteilen als vor Erlass der Richtlinie (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZN 1043/06 -, zu 1 c bb der Gründe). Sie war zuvor bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Wie das BAG im Urteil vom 19. Oktober 1999 (- 1 AZR 838/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 104) entschieden hat, ist es mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar, wenn ein Sozialplan die mit Alter und Betriebszugehörigkeit steigende Abfindung auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt.

c) Im Übrigen stellt die Höchstbegrenzung einer mit Alter und Betriebszugehörigkeit steigenden Sozialplanabfindung auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben offensichtlich keine nach § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aF verbotene Benachteiligung älterer Arbeitnehmer dar. Es liegt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung älterer Arbeitnehmer vor. Durch eine Höchstbetragsklausel, die ihrerseits nicht nach dem Alter differenziert, werden Arbeitnehmer wegen ihres Lebensalters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt. Es liegt auch keine mittelbare Altersdiskriminierung vor. Dies gilt auch dann, wenn von der in einem Sozialplan vorgesehenen Höchstbegrenzung der Abfindung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sind. Die älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbetragsklausel nicht anders behandelt als die jüngeren. Sie werden vielmehr trotz ihres höheren Alters gleichbehandelt. Das Merkmal Alter hat keine Ungleichbehandlung zur Folge. Durch die Anwendung der Höchstbetragsklausel findet gerade keine Differenzierung nach dem Alter statt. Vielmehr wird umgekehrt die Differenzierung begrenzt, die sich aus einer auch auf das Lebensalter abstellenden Abfindungsformel - vorliegend: Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsgehalt : 35 - ergibt. Es stellt sich bei einer Höchstbetragsklausel daher allenfalls die Frage, ob die Betriebsparteien in einem Sozialplan die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer unabhängig von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst von einem bestimmten Abfindungsbetrag an gleichbehandeln dürfen. Dies ist jedoch keine Frage der unmittelbaren oder mittelbaren Altersdiskriminierung.

II. Die anzufechtende Entscheidung beruht entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht auf einer Divergenz iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. Entgegen der Behauptung des Klägers enthält die von ihm angezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Oktober 1999 (- 1 AZR 838/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 104) nicht den abstrakten Rechtssatz, es liege eine nach § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verbotene Benachteiligung älterer Arbeitnehmer vor, wenn in dem anlässlich einer Betriebsstilllegung abgeschlossenen, für die betroffenen Arbeitnehmer kein Angebot einer Weiterbeschäftigung vorschreibenden Sozialplan die für den Fall der Entlassung vorgesehene, mit Alter und Betriebszugehörigkeit steigende Abfindung auf einen Höchstbetrag begrenzt sei, der typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betreffe. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Rechtssatz weder ausdrücklich formuliert noch liegt er der Entscheidung zwingend zugrunde.


Für die Amtliche Sammlung: nein
Für die Fachpresse: nein
Stichworte: Höchstbegrenzung einer Sozialplanabfindung
Verfahrensgang: ArbG Senftenberg 4 Ca 349/06 vom 05.10.2006
LAG Berlin-Brandenburg 8 Sa 53/07 vom 04.05.2007

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