: Haftungsprivilegierung des Betriebserwerbers in der Insolvenz während Freistellungsphase
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 30.10.2008
Aktenzeichen: 8 AZR 54/07
Rechtsgebiete: BGB, RL 2001/23/EG, InsO, ZPO
Vorschriften:
BGB § 613a | |
RL 2001/23/EG Art. 2 | |
RL 2001/23/EG Art. 3 | |
RL 2001/23/EG Art. 5 | |
InsO § 41 Abs. 1 | |
InsO § 108 Abs. 2 | |
ZPO § 256 Abs. 1 |
Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen gestattet es, im Fall des Betriebserwerbs während eines Insolvenzverfahrens die vor dem Betriebsübergang fälligen Verbindlichkeiten des Veräußerers aus Arbeitsverhältnissen vom Übergang auszunehmen.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
8 AZR 54/07
Verkündet am 30. Oktober 2008
In Sachen
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, die Richter am Bundesarbeitsgericht Böck und Breinlinger sowie die ehrenamtlichen Richter Schuster und Dr. Mallmann für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. August 2006 - 8 Sa 1744/05 - insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zu 1) verurteilt hat.
Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juni 2005 - 4 Ca 69/05 - zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet ist, Vergütungsansprüche der Klägerin aus einem Altersteilzeit-Verhältnis zu erfüllen, das die Klägerin mit der Insolvenzschuldnerin R GmbH R vereinbart hatte und das zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits in die Freistellungsphase im Rahmen eines sog. "Blockmodells" gelangt war.
Die Klägerin ist seit 1985 als Chefsekretärin bei R in M beschäftigt gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit für die Chemieindustrie vom 17. Juli 1996 Anwendung, der nach § 2 Abs. 1 grundsätzlich einen Anspruch auf Altersteilzeit von bis zu sechs Jahren Dauer vorsieht.
Unter dem 11. Juli 2000 schloss die Klägerin mit R eine Altersteilzeit-Vereinbarung, die - nach Verlängerungen vom 24. Juli 2001 und 12. Dezember 2002 - Altersteilzeit im "Blockmodell" vorsah. Danach sollten am 1. August 2000 die Altersteilzeit und die Arbeitsphase beginnen; letztere endete danach am 31. Juli 2003. Mit dem 1. August 2003 sollte die Freistellungsphase beginnen, die wiederum am 31. Juli 2006 enden sollte. Im Übrigen bestimmte die Vereinbarung:
"§ 2: Tätigkeit, Arbeitszeit und zusätzliche Arbeit
...
2. ...
Die Arbeitszeit ist so zu verteilen, daß sie in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geleistet wird und der Arbeitnehmer anschließend entsprechend der von ihm erworbenen Zeitguthaben von der Arbeit ohne Arbeitsverpflichtung freigestellt wird. ...
§ 3: Vergütung
Der Arbeitnehmer erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit.
..."
Das Altersteilzeit-Vertragsverhältnis wurde zunächst vereinbarungsgemäß durchgeführt, die Klägerin beendete die Arbeitsphase mit dem 31. Juli 2003 und trat am nächsten Tag in die Freistellungsphase. Am 31. Juli 2004 wurde über das Vermögen der R das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt E (Beklagter zu 2) in den Vorinstanzen) als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser zahlte der Klägerin bis zum 31. Dezember 2004 die Altersteilzeit-Vergütung weiter. Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 kaufte die Beklagte den Betrieb der R, in dem die Klägerin beschäftigt war, vom Insolvenzverwalter. Nach dem Betriebsübergang lehnte die Beklagte die Fortzahlung der Altersteilzeit-Vergütung an die Klägerin ab. Diese erhielt ab 1. Januar 2005 von der Bundesagentur für Arbeit Leistungen iHv. monatlich 885,30 Euro netto.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei als Betriebsübernehmerin in die Verpflichtungen aus dem Altersteilzeit-Verhältnis eingetreten. Daher müsse sie ihr ab Januar 2005 bis zum Ende des Altersteilzeit-Verhältnisses die Altersteilzeitvergütung zahlen. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (im Folgenden: RL 2001/23/EG). Deren Art. 5 Abs. 2 erlaube nur, vor Übergang oder Insolvenzeröffnung fällige Verbindlichkeiten des Veräußerers vom Übergang auf den Erwerber auszunehmen, sofern die Regeln eines Mitgliedsstaats zum Betriebsübergang auch während eines Insolvenzverfahrens Geltung hätten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, über den 1. Januar 2005 hinaus bis zum 31. Juli 2006 (Ende der Freistellungsphase der Klägerin) ihre Zahlungsverpflichtungen aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag vom 12. Juli 2000, verlängert durch Vereinbarung vom 12. Juni/24. Juli 2001 und nochmals verlängert durch Vereinbarung vom 12. Dezember 2002 in voller Höhe zu erfüllen;
2. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch Euro 3.740,25 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus diesem Betrag, beginnend mit dem 31. Januar 2005, abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit erhaltener Euro 885,30 netto zu zahlen;
3. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch Euro 3.740,25 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus diesem Betrag, beginnend mit dem 28. Februar 2005, abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit erhaltener Euro 885,30 netto zu zahlen;
4. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch Euro 3.740,25 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus diesem Betrag, beginnend mit dem 31. März 2005, abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit erhaltener Euro 885,30 netto zu zahlen;
5. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch Euro 3.740,25 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus diesem Betrag, beginnend mit dem 30. April 2005, abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit erhaltener Euro 885,30 netto zu zahlen;
6. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch Euro 3.740,25 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus diesem Betrag, beginnend mit dem 31. Mai 2005, abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit erhaltener Euro 885,30 netto zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat darauf verwiesen, dass ihre Haftung als Betriebsübernehmerin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch insolvenzrechtliche Grundsätze eingeschränkt sei. Da die Arbeitsphase der Klägerin lange vor der Insolvenzeröffnung zu Ende gegangen sei, handele es sich bei ihrer Vergütung für die Zeit der Freistellungsphase um Insolvenzforderungen, nicht um Masseverbindlichkeiten. Für erstere hafte aber der Erwerber eines Betriebes in der Insolvenz nicht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war, soweit sie sich gegen die Beklagte und Revisionsklägerin richtete, vor dem Landesarbeitsgericht erfolgreich. Mit der vom Landesarbeitsgericht im Tenor seines verkündeten Urteils zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet. Obwohl das Altersteilzeit-Verhältnis der Klägerin nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen ist, haftet sie für deren Vergütungsansprüche als Betriebserwerberin nicht. Die RL 2001/23/EG steht nicht entgegen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das im Jahr 2000 mit der der Insolvenzschuldnerin geschlossene Altersteilzeit-Verhältnis der Klägerin sei auch in der Freistellungsphase auf die Beklagte als Betriebsübernehmerin übergegangen. Somit hafte die Beklagte, die in die Rechte und Pflichten aus einem solchen Arbeitsverhältnis eingetreten sei, für die Vergütungsansprüche der Klägerin während der Freistellungsphase. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts scheitere ein solcher Anspruch der Klägerin nicht an insolvenzrechtlichen Einschränkungen der Haftung. Diese stünden nicht im Einklang mit Art. 5 Abs. 2a der Richtlinie 2001/23/EG. Verbindlichkeiten des Veräußerers könnten danach auch im Fall der Insolvenz nur von einem Übergang auf den Betriebserwerber ausgenommen werden, wenn sie vor diesem bereits fällig geworden seien. Die bloße "Entstehung" reiche dafür nicht.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis nicht.
I. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig. Seine Auslegung ergibt, dass die Klägerin mit ihm nicht nur eine unbezifferte Zahlungsverpflichtung festgestellt wissen will, sondern vielmehr, dass ihr Altersteilzeit-Verhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen und von dieser weiterhin gegenüber der Klägerin zu erfüllen ist, nachdem sie ihrerseits ihre Hauptpflicht aus dem Altersteilzeit-Verhältnis bereits durch Absolvierung der Arbeitsphase erfüllt hat. Der Bestand eines Altersteilzeit-Verhältnisses ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.
2. Auch das nach dieser Norm erforderliche Interesse an alsbaldiger Feststellung ist gegeben, obwohl das Altersteilzeit-Verhältnis nunmehr mit Ablauf des 31. Juli 2006 unstreitig beendet ist.
a) Das Feststellungsinteresse ist Sachurteilsvoraussetzung und als solche n jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen (BAG 5. November 2003 - 4 AZR 632/02 - BAGE 108, 224 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 83). Maßgebender Zeitpunkt für das Bestehen des Feststellungsinteresses ist der Schluss der Revisionsverhandlung (Senat 2. Dezember 1999 - 8 AZR 796/98 - AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188 mwN). Wird die Klage auf Feststellung eines beendeten Rechtsverhältnisses gerichtet, so ist sie nur dann zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (BAG 19. Juni 2001 - 1 AZR 463/00 - BAGE 98, 76 = AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 73). Für eine Feststellungsklage, die ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet war, gilt nichts anderes (BAG 21. September 1993 - 9 AZR 580/90 - BAGE 74, 201 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 22 = EzA ZPO § 256 Nr. 38). Ist im Falle einer auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gerichteten zulässigen Feststellungsklage dieses im Laufe des Rechtsstreits beendet worden, so wird die Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig, was zur Folge hat, dass der Kläger, um eine Klageabweisung zu vermeiden, die Feststellungsklage in der Hauptsache für erledigt erklären muss.
b) Dies gilt nicht, wenn sich aus der begehrten Feststellung des vergangenen Rechtsverhältnisses, dh. des mittlerweile beendeten Arbeitsverhältnisses, noch konkrete Folgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben. Dabei muss die begehrte Feststellung geeignet sein, die zwischen den Parteien weiterhin bestehenden Streitfragen abschließend zu klären (BAG 16. Oktober 2007 - 9 AZR 144/07 - PersR 2008, 120 mwN). Dies ist vorliegend der Fall, weil die Klägerin aus dem inzwischen beendeten Altersteilzeit-Verhältnis noch Ansprüche auf Vergütungszahlung geltend macht, welche die Beklagte ua. mit der Begründung bestreitet, zwischen ihr und der Klägerin habe kein Arbeitsverhältnis bestanden.
II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass das dem von der Beklagten erworbenen Betrieb zuzuordnende Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege des Betriebsübergangs am 1. Januar 2005 auf die Beklagte übergegangen ist. Das gilt auch für Altersteilzeit-Verhältnisse, die sich nach dem "Blockmodell" zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits in der Freistellungsphase befinden.
1. Erfolgt der Betriebsübergang bereits während der Arbeitsphase eines Altersteilzeit-Verhältnisses, tritt der Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten ein (BAG 19. Oktober 2004 - 9 AZR 647/03 - BAGE 112, 214 = AP InsO § 55 Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 29).
2. Auch Altersteilzeit-Verhältnisse in der "Freistellungsphase" einer nach dem Blockmodell gestalteten Altersteilzeitarbeit gehen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Betriebserwerber über (BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 27/07 - AP BGB § 613a Nr. 340 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 89).
Altersteilzeit-Verhältnisse in der Freistellungsphase werden vom Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst. Sie bestehen als Teilzeitarbeitsverhältnisse in Form eines (nachträglich) befristeten Arbeitsverhältnisses während der Freistellungsphase im Blockmodell weiter. In diesem Zeitraum ruht das Arbeitsverhältnis auch nicht, da wegen der fortbestehenden Vergütungspflicht des Arbeitgebers keine vollständige Freistellung von beiderseitigen Hauptpflichten (Arbeits- und Vergütungspflicht) vorliegt. Dies entspricht Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/23/EG, wonach "die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis" aufgrund des Betriebsübergangs auf den Erwerber übergehen. Nach Art. 2 Abs. 2 RL 2001/23/EG lässt die Richtlinie das einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses unberührt. Nach dem Gemeinschaftsrecht können also auch Altersteilzeitarbeitsverhältnisse als Arbeitsverhältnisse iSd. § 613a BGB behandelt werden. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 613a Abs. 1 BGB (BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 27/07 -, Rn. 38 - 44, AP BGB § 613a Nr. 340 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 89).
III. Da die Beklagte den Betrieb in der Insolvenz erworben hat, haftet sie für die Altersteilzeitvergütung der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Juli 2006 nicht. Diese Vergütungsansprüche waren mit dem Abschluss der Arbeitsphase der Klägerin am 31. Juli 2003, also vor Insolvenzeröffnung, vollständig erarbeitet und wurden mit Insolvenzeröffnung fällig (§ 41 Abs. 1 InsO). Sie sind daher Insolvenzforderungen.
1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Haftung des Erwerbers eines Betriebs in der Insolvenz beschränkt. Schon während der Geltung der Konkursordnung hat der Dritte Senat (17. Januar 1980 - 3 AZR 160/79 - BAGE 32, 326 = AP BGB § 613a Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 24) den haftungsrechtlichen Teil des § 613a BGB teleologisch reduziert, soweit dieser "mit den Grundsätzen des Konkursverfahrens nicht zwanglos vereinbar" ist (aaO., zu II 3 c der Gründe). Für die Abwicklung aller Ansprüche, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits entstanden seien, sehe die Konkursordnung ein Verfahren vor, das von dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beherrscht sei. Den besonderen Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer trage eine Reihe von Spezialregelungen, zB das Konkursausfallgeld, Rechnung. Auch der Insolvenzschutz der betrieblichen Altersversorgung gehöre in diesen Zusammenhang. Erhalte darüber hinaus die bei der Veräußerung eines Betriebs übernommene Belegschaft einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner für bereits entstandene Ansprüche, werde sie im Vergleich zu anderen Gläubigern und vor allem auch gegenüber den ausgeschiedenen Arbeitnehmern unangemessen bevorzugt. Dieser Vorteil müsse von den übrigen Gläubigern dadurch finanziert werden, dass der Betriebserwerber den Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung regelmäßig mindere. Eine derart ungleiche Verteilung der Lasten sei mit dem Konkursrecht nicht vereinbar. Daher gelte § 613a BGB bei einer Betriebsveräußerung im Konkurs nicht für die Abwicklung von Ansprüchen, die bei Konkurseröffnung bereits entstanden seien.
Dem haben sich für die Konkursordnung der Zweite Senat (BAG 13. November 1986 - 2 AZR 771/85 - AP BGB § 613a Nr. 57 = EzA BGB § 613a Nr. 55) und der Siebte Senat (BAG 13. Juli 1994 - 7 ABR 50/93 - BAGE 77, 218 = AP KO § 61 Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 70) angeschlossen.
2. Nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung hat der Neunte Senat für Vergütungsansprüche aus einer Altersteilzeitvereinbarung entschieden, dass bei einer Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell der Übernehmer eines Betriebs oder Betriebsteils in der Insolvenz nur insoweit hafte, als die Arbeitsphase noch nach Insolvenzordnung andauere. Falle der Betriebsübergang dagegen bereits in die Freistellungsphase, sei die Haftung des Übernehmers ausgeschlossen (BAG 19. Oktober 2004 - 9 AZR 645/03 - NZA 2005, 527, 528, zu I 3 der Gründe; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 230/06 - Rn. 21, zu II 1 a der Gründe, AP ATG § 3 Nr. 19). Auch die Insolvenzordnung wolle sicherstellen, dass alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt würden. Die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts gingen als Spezialregelung § 613a BGB vor. Dies gelte jedenfalls für Insolvenzforderungen. Ansprüche aus einem nach der Insolvenzeröffnung fortbestehenden Arbeitsverhältnis seien nach § 108 Abs. 2 InsO Insolvenzforderungen, wenn es sich um solche "für" die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens handele. Werde die Erfüllung durch den Arbeitnehmer für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet, handele es sich dagegen um Masseforderungen. Die Abgrenzung der Forderungen erfolge somit danach, wann die Arbeitsleistung, die den Ansprüchen zugrunde liege, erbracht worden sei. Im Blockmodell der Altersteilzeit sei das während der Freistellungsphase ausgezahlte Entgelt Gegenleistung für die bereits während der Arbeitsphase geleistete, über die verringerte Arbeitszeit hinausgehende Arbeit; der Anspruch darauf sei im insolvenzrechtlichen Sinn "für" diese Zeit geschuldet.
Dem haben sich im Grundsatz der Zehnte Senat (23. Februar 2005 - 10 AZR 602/03 - BAGE 114, 13 = AP InsO § 55 Nr. 9 = EzA InsO § 209 Nr. 4) und der erkennende Senat angeschlossen (20. Juni 2002 - 8 AZR 459/01 - AP InsO § 113 Nr. 10 = EzA BGB § 613a Nr. 211). Der Erwerber eines Betriebs aus der Insolvenz haftet "jedenfalls" für das Entgelt, das "spiegelbildlich" für die Vorleistung geschuldet wird, welche der Arbeitnehmer während der nach Insolvenzeröffnung noch andauernden Arbeitsphase erbringt (BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 27/07 - unter B III 2 der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 340 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 89).
3. Im Schrifttum ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers in der Insolvenz mit überwiegender Zustimmung zur Kenntnis genommen worden (Staudinger/Annuß (2005) BGB § 613a Rn. 316; Falkenberg BB 1987, 328, 330; Bamberger/Roth/Fuchs BGB 2. Aufl. § 613a Rn. 32; Thüsing/Lembke/Laux KSchG § 613a BGB Rn. 27; Loritz RdA 1987, 65, 86; MünchKommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 613 a BGB Rn. 177; ErfK/Preis 8. Aufl. § 613a BGB Rn. 146 ff.). Dies gilt auch für die Anwendung dieser Grundsätze auf Vergütungsansprüche aus einem Altersteilzeit-Verhältnis (vgl. Schaub/Vogelsang Arbeitsrechtshandbuch 12. Aufl. § 81 Rn. 9).
4. Der Senat hält an den Haftungsbeschränkungen bei Betriebserwerb in der Insolvenz fest. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des neuen Insolvenzrechts ab 1. Januar 1999 keine Veranlassung gesehen, an der durch die Rechtsprechung entwickelten teleologischen Reduktion der Haftungsregelung des § 613a BGB etwas zu ändern (BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 459/01 - zu II 5 b cc der Gründe, AP InsO § 113 Nr. 10 = EzA BGB § 613a Nr. 211; Lohkemper ZIP 1999, 1251, 1252 f.). Bei Altersteilzeit-Vereinbarungen im "Blockmodell" wird der Vergütungsanspruch während der Arbeitsphase "erarbeitet", aus sozialversicherungstechnischen Gründen wird lediglich seine Fälligkeit hinausgeschoben und er wird während der "Freistellungsphase" monatlich abrufbar gestaltet (BAG 19. Oktober 2004 - 9 AZR 645/03 - NZA 2005, 527).
IV. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der insolvenzrechtlich bedingten Haftungseinschränkung des § 613a Abs. 1 BGB nicht die Richtlinie 2001/23/EG entgegen.
1. Art. 5 Abs. 1 der RL 2001/23/EG sieht grundsätzlich eine Geltung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zum Übergang des Arbeitsverhältnisses und zum Kündigungsschutz bei einem Betriebsübergang (Art. 3 und Art. 4 der RL 2001/23/EG) dann nicht vor, wenn gegen den Veräußerer ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde. Zugleich bestimmt Art. 5 Abs. 1 RL 2001/23/EG aber auch, dass das Recht der Mitgliedstaaten anderes vorsehen kann. Davon hat der Deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht; § 613a BGB gilt grundsätzlich auch im Fall einer Insolvenzeröffnung, selbst wenn das Insolvenzverfahren als "entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers" zu verstehen ist.
2. Ist somit durch das nationale Recht die Geltung der Art. 3 und 4 der RL 2001/23/EG für einen Übergang während eines Insolvenzverfahrens gegen den Veräußerer (und zwar unabhängig davon, ob dieses Verfahren zur Auflösung seines Vermögens eingeleitet wurde) geregelt, so bestimmt Art. 5 Abs. 2a, dass ein Mitgliedsstaat vorsehen kann, dass die "vor dem Übergang bzw. vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Verbindlichkeiten des Veräußerers aufgrund von Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen nicht auf den Erwerber übergehen", sofern das Insolvenzverfahren einen dem übrigen Gemeinschaftsrecht entsprechenden Schutz gewährt.
3. Wann Verbindlichkeiten fällig werden, bestimmt das nationale Recht der Mitgliedsstaaten. Die Vergütungsansprüche aus einem Altersteilzeit-Verhältnis, die in ihrer Fälligkeit während der Freistellungsphase grundsätzlich hinausgeschoben sind, werden nach § 41 Abs. 1 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig. Sinn des Insolvenzverfahrens ist es, das gesamte Vermögen des Schuldners unter alle Gläubiger zu verteilen. Dies erfordert auch die Berücksichtigung noch nicht fälliger Forderungen (vgl. MünchKommInsO-Bitter 2. Aufl. § 41 Rn. 1). Die Vergütungsansprüche der Klägerin für die Freistellungsphase ihres Altersteilzeit-Verhältnisses gelten mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der R am 31. Juli 2004 daher als fällig. Sie sind damit vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte am 1. Januar 2005 fällig gewesen und konnten nach dem insoweit klaren und einer Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der RL 2001/23/EG durch das nationale Recht des Mitgliedsstaats vom Übergang auf den Erwerber ausgenommen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Fälligkeit von Verbindlichkeiten anders als durch nationales Recht geregelt wird, sind dem Gemeinschaftsrecht nicht zu entnehmen. Da sich die RL 2001/23/EG zur Frage, wann Verbindlichkeiten fällig werden, nicht verhält, und nur die Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang zum Gegenstand hat, lässt sich auch bei einer an der RL 2001/23/EG orientierten "richtlinienkonformen Auslegung" für die Frage der Haftungseinschränkung des Betriebserwerbers in der Insolvenz nichts Gegenteiliges herleiten. Die Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht, die in die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs gehört, stellt sich vorliegend nicht.
Stichworte: | Betriebsübergang; Betriebserwerb in der Insolvenz; Altersteilzeitverhältnis in der Freistellungsphase eines Blockmodells; Haftung des Betriebserwerbers |
Verfahrensgang: | LAG Frankfurt/Main, 8 Sa 1744/05 vom 23.08.2006 ArbG Frankfurt/Main, 4 Ca 69/05 vom 16.06.2005 |