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Arbeitsrecht
24.07.2014
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Häufige Kurzerkrankungen

ArbG Berlin, Beschluss vom 7.11.2014 – 28 BV 16501/13

Amtliche Leitsätze

1. Häufige Kurzerkrankungen einer Arbeitsperson bilden regelmäßig keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist.

2. Nichts anderes kann mit Rücksicht auf das Benachteiligungsverbot in § 78 Satz 2 BetrVG gelten, wenn es um die Kündigung amtierender Mitglieder des Betriebsrates geht, die zudem unter dem besonderen Kündigungsschutz der § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 BetrVG stehen (s. insofern etwa BAG 15.03.2001 - 2 AZR 624/99 - EzA § 15 KSchG nF Nr. 52 selbst für dauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines ehemaligen Betriebsratsmitgliedes).

3. Diese Grundsätze sind auch nicht anhand der Denkfigur von einer "notwendigen Auslauffrist" relativierbar. Insofern gelten dieselben Wertungen wie für die sogenannte verhaltensbedingte Kündigung (s. etwa BAG 17.01.2008 - 2 AZR 821/06 - NZA 2008, 777 = ZTR 2008, 449 [Leitsatz]; 12.05.2010 - 2 AZR 287/08 - NZA-RR 2011, 15).

4. Hilfreich zur Klärung des "wichtigen Grundes" ist hier wie dort die Kontrollfrage, ob der Arbeitgeber beim fraglichen Sachverhalt berechtigt wäre, einen nicht durch § 15 Abs. 1 KSchG besonders geschützten Mitarbeiter nach § 626 Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen (s. Ulrich Preis Anm. BAG [21.06.1995] AP § 15 KSchG 1969 Nr. 36 [III.]): Ist das zu bejahen, so teilt auch der Amtsträger dieses Schicksal, sofern der Konflikt nicht seiner Amtstätigkeit entspringt; ist es zu verneinen, so ist die Kündigung unzulässig.

Sachverhalt

A.

Es geht um die Ersetzung der Zustimmung zur - außerordentlichen - Kündigung des Mitglieds eines Betriebsrates (§ 103 Abs. 2 BetrVG1 - Vorgefallen ist dies:

I.

Der Antragsteller (künftig: „Arbeitgeber“) unterhält mit einer nicht mitgeteilten Zahl von Beschäftigten in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (e.V.) ein sogenanntes „Berufsförderungswerk“. Antragsgegner ist zum einen der mehrköpfige Betriebsrat des Hauses (künftig: „Betriebsrat“), zum anderen die (heute2 ) 54-jährige Frau S. B. (künftig: „Betroffene“), die seit einem gleichfalls nicht bekannten Zeitpunkt Mitglied des Gremiums ist. Sie steht seit Februar 2000 als „Rehabilitationsausbilderin“ in den Diensten des Vereins3 , ist als schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX4 anerkannt und bezog bis zu den Ereignissen, die den Hintergrund des Verfahrens bilden, bei Vollzeitbeschäftigung ein Monatsgehalt von zuletzt 4.209,-- Euro5 (brutto).

II.

Mit besagten „Ereignissen“ hat es folgende Bewandtnis:

1. Mit Schreiben vom 28. Oktober 20136 (Kopie: Beschlussanlage I.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, wandte der Arbeitgeber sich mit der Bitte an den Betriebsrat, seine Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Betroffenen mit sogenannter „sozialer Auslauffrist“ zu erteilen. Zur Begründung bezog sich der Verein auf eine Auflistung erkrankungsbedingter Fehlzeiten der Betroffenen von 2004 bis 2013 (Beschlussanlage I.2.), die er als durchschnittlich 45 Tage pro Jahr errechnete7 . Diese Fehlzeiten hätten „zu einer erheblichen Störung im Betriebsablauf und zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen des Unternehmens“ geführt8 . Auf diesem – näher erläuterten – Hintergrund sei ihm, so der Arbeitgeber, „die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Sonderkündigungsschutzes unzumutbar“9 .

2. Nachdem der Betriebsrat dem Wunsch des Arbeitgebers keine Folge geleistet hatte, bat dieser mit Schreiben vom 8. November 201310 und gleicher Begründung das Integrationsamt um Zustimmung nach § 85 SGB IX11 . Dem verschloss sich die Schutzbehörde nicht: Sie erteilte dem Arbeitgeber mit Bescheid vom 22. November 201312 (Kopie: Beschlussanlage II.), auf dessen Inhalt gleichfalls verwiesen wird, ihre Zustimmung.

III.

Unterdessen hatte sich dieser mit seiner am 19. November 2013 zugestellten Antragsschrift und abermals denselben Überlegungen auch an das befasste Gericht gewandt, um hier die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates (§ 103 Abs. 2 BetrVG13 ) zu erreichen. Er ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis mit der Betroffenen wegen besagter erkrankungsbedingter Fehlzeiten durch fristlose Kündigung mit „sozialer“ Auslauffrist beenden zu können.

IV.

Der Arbeitgeber beantragt sinngemäß,

die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung der Betroffenen mit sozialer Auslauffrist zu ersetzen;

Der Betriebsrat und die Betroffene beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

IV.

Sie halten das Antragsbegehren der Sache nach für haltlos: Eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist sei unter Berücksichtigung des § 15 KSchG14 und des § 626 BGB15 nur „in solchen extremen Ausnahmefällen denkbar, in denen das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert“ sei, weil eine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden könne und der Arbeitgeber deshalb auf unzumutbar lange Zeit den Arbeitnehmer ohne Gegenleistung bezahlen müsse16 . Hier erbringe die Betroffene selbst nach dem Vortrag des Arbeitgebers nach wie vor Arbeitsleistungen in erheblichem Maße, so dass bereits eine „Sinnentleerung“ im besagten Sinne nicht vorliege17 . Im Übrigen solle der besondere Schutz eines Mandatsträgers wegen seiner betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeiten nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch Erleichterung der Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung umgangen werden können18 . Genau diese unerwünschte Folge träte hier jedoch ein, wenn es dem Arbeitgeber möglich wäre, mit den Voraussetzungen, die unter Umständen eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würden, den geschützten Arbeitnehmer außerordentlich zu kündigen19 . Zudem käme eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist, die im Gesetz (§ 15 KSchG) nicht vorgesehen sei, einer ordentlichen Kündigung sachlich nahe, die vom Gesetzgeber in § 15 KSchG gerade ausgeschlossen worden sei und obendrein dem Schutzzweck des § 78 S. 2 BetrVG20 zuwiderliefe21 .

V.

Das sieht der Arbeitgeber anders: Zwar liege in einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist „streng genommen eine Abweichung von dem Grundsatz der nicht vorgesehenen ordentlichen Kündigung“22. Dem Arbeitgeber könne jedoch, wie er meint, nicht zugemutet werden, dass dieser Kündigungsschutz dazu genutzt werde, „ein völlig sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortzuführen“23.

VI.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.

Aus den Gründen

B.

Dem Antrag des Arbeitgebers kann nicht entsprochen werden.

Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Betroffenen ist nicht aufgrund des § 103 Abs. 2 BetrVG24 durch das Gericht zu ersetzen. - Im Einzelnen:

I.

Nach § 103 Abs. 1 BetrVG25 bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrates der (positiven) Zustimmung des Gremiums. Bleibt diese aus oder wird sie verweigert, so kann das Arbeitsgericht sie aufgrund des § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG26 auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dazu ist seit Jahrzehnten geklärt, dass die materiellen Anforderungen an einschlägig abrupte Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses eines „Amtsträgers“ dieselben wie diejenigen sind, die in § 626 Abs. 1 BGB27 ganz allgemein an die fristlose Kündbarkeit von Dienstverhältnissen gestellt werden28. Einigkeit besteht auch darin, dass der Kreis der durch § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG29 geschützten Amtsträger nicht unter - verglichen mit Arbeitspersonen ohne Sonderkündigungsschutz - erleichterten Voraussetzungen als „wichtigem Grund“ entlassen werden darf, weil sonst der Schutzzweck der Norm in sein Gegenteil verkehrt30 und die Zielperson entgegen § 78 Satz 2 BetrVG31 benachteiligt würde32.

II.

Nach diesen Grundsätzen kann dem hiesigen Arbeitgeber mit Blick auf die Betroffene, wie bereits vorausgeschickt, ein Recht zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht bescheinigt werden. - Der Reihe nach:

1. Dem Arbeitgeber ist einzuräumen, dass die Gerichte für Arbeitssachen die Kündbarkeit von Arbeitsverhältnissen, die in den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen, im Hinblick auf befürchtete Belastungen für das betriebliche Geschehen oder zumindest auf befürchtete wirtschaftliche Belastungen wegen erkrankungsbedingter Fehlzeiten für das Unternehmen nicht prinzipiell ausschließen:

a. Anerkannt ist in eingespielter Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen vielmehr, dass eine Kündigung wegen solcher Fehlzeiten einen Grund zur „sozialen Rechtfertigung“ einer Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG33 hergeben kann34. Allerdings bestehen die Gerichte erklärtermaßen darauf, dass an derartige Kündigungen strenge Anforderungen zu stellen seien35. Den hieraus im Laufe einer langjährigen Debatte mit dem wissenschaftlichen Schrifttum zu einem mehrstufigen Prüfsystem verdichteten Entwicklungsstand, der sich schon frühzeitig auf sogenannte „häufige Kurzerkrankungen“ erstreckte36, hat der Zweite Senat des BAG im April 2008 mit folgenden Worten noch einmal resümiert37:

 „Das LAG ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (…). Danach ist zunächst – erste Stufe – eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen“.

b. Können damit häufige Kurzerkrankungen die Frage der „sozialen“ Rechtfertigung einer Kündigung zwar in der Tat aufwerfen, so bleibt doch andererseits zu beachten, dass (bereits) an deren Zulassung „scharfe Anforderungen“ zu stellen seien (BAG a.a.O.). Soll sich diese Leitlinie somit nicht in reinen Lippenbekenntnissen erschöpfen, so sollte das Handlungsarsenal des Arbeitgebers mit eventueller ordentlicher Kündigung bereits - weitgehend – abgesteckt sein. Dem entspricht in der Tat, dass die Gerichte sich bis auf engumgrenzte Sonderlagen in aller Regel weigern, dem Arbeitgeber das Recht zur außerordentliche Kündigung aus „wichtigem Grund“ (§ 626 Abs. 1 BGB) zuzubilligen:

ba. Zu diesen Sonderlagen gehören jene Sachverhalte insbesondere in langjährigen Arbeitsbeziehungen, bei denen dem Arbeitgeber die ordentliche Kündigung durch tarifvertragliche Vorschriften versperrt ist (sogenannte tarifvertragliche „Unkündbarkeit“). Hier wird dem Arbeitgeber deshalb die außerordentliche Kündigung mit sogenannter „sozialer“ Auslauffrist zumindest für Fallgestaltungen unter Umständen gestattet, in denen die Zielperson erkrankungsbedingt auf Dauer gehindert ist, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen38. An dieser Stelle waltet insbesondere jene Parallelwertung zu betrieblichen personalbedarfsrelevanten Modernisierungen39, die in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekanntlich das Fachschrifttum mithilfe des Bildes vom „Heizer auf der E-Lok“ zur Wendung vom „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnis geführt40 und eine Lockerung qualifizierten Kündigungsschutzes in der Rechtsprechung begünstigt haben41. In solchem Kontext hat der Zweite Senat des BAG seinerzeit sogar einmal eine entsprechende Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen im Ergebnis gebilligt42.

bb. Wesentlich anders liegen die Dinge, wo es – wie im hiesigen Verfahren - um die Unverbrüchlichkeit des gesetzlich verbürgten Sonderkündigungsschutzes betriebsverfassungsrechtlich exponierter Amtswalter aus § 15 Abs. 1 KSchG43 geht:

 (1.) Für sie tragen die Gerichte für Arbeitssachen seit Jahrzehnten dem Umstand gebührend Rechnung, dass solche Mandatsträger im Interesse des Schutzes unbeeinflusster Wahrnehmung ihres Mandats während ihrer Amtszeit in Streitigkeiten über ihre Kündigung möglichst nicht einmal verwickelt werden (können) sollen. Den maßgeblichen Leitgedanken hat der Zweite Senat des BAG schon im Jahre 196544 auf den Punkt gebracht: Danach soll ein (hier:) Personalratsmitglied „um der ungehinderten Ausübung seines Amtes willen vor jeder Auseinandersetzung über den Fortbestand seines Dienstverhältnisses (von der Kündigung aus wichtigem Grunde abgesehen) während der Dauer seines Amtes geschützt werden, und zwar auch und gerade dann, wenn die Kündigung im Übrigen sozial gerechtfertigt wäre“.

 (2.) Konsequent verweist derselbe Senat den Arbeitgeber selbst für Fälle dauernden erkrankungsbedingten Unvermögens des Betriebsratsmitgliedes, seinen vertraglichen Arbeitsaufgaben nachzukommen darauf, den Ablauf des Sonderkündigungsschutzes ggf. abzuwarten45. Soweit er die Frage der prinzipiellen Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist seinerzeit noch offen gelassen hat46, ist diese mittlerweile – gleichfalls abschlägig – beantwortet: So hat der Senat zum nun schon wiederholten Male selbst für die sogenannte verhaltensbedingte Kündigung, bei der die eingangs erwähnten Restriktionen ordentlicher Kündbarkeit erkrankten Personals (s. oben, S. 6 [1 a.]) keine Rolle spielen können, klargestellt, dass dieses Mittel dem Arbeitgeber normativ verwehrt sei47. Nichts anderes kann somit für die hier interessierende Kündigung der hiesigen Betroffenen wegen häufiger störender Fehlzeiten gelten.

 (3.) Bei dieser Sachlage führt für die Prüfung der Kündbarkeit sondergeschützter Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 15 Abs. 1 KSchG kein Weg an jener - rechtssystematisch gebotenen - Kontrollüberlegung vorbei, die im Fachschrifttum aus gutem Grunde mit vollem Recht anempfohlen wird: Gemeint ist die Frage, ob der Arbeitgeber bei dem fraglichen Sachverhalt berechtigt wäre, einen nicht durch § 15 Abs. 1 KSchG besonders geschützten Mitarbeiter nach Maßgabe des § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen48. Ist das zu bejahen, so teilt auch der Amtsträger dieses Schicksal49, sofern der Konflikt nicht unmittelbar seiner besonderen Exposition als Verfechter von Belegschaftsinteressen entspringt50. Ist sie hingegen zu verneinen, so behält es damit sein Bewenden: Die fragliche Kündigung ist dann, so das Gesetz im Klartext und verbindlich, „unzulässig“.

2. So verhält es sich auch hier: Dem Arbeitgeber kann ein Recht zur Kündigung der Betroffenen wegen ihrer erkrankungsbedingten Fehlzeiten (Beschlussanlage I./2.) nicht zugesprochen werden. - Das ist evident:

a. Dabei bestehen bereits erhebliche Bedenken gegen die Annahme, die Betroffene habe auch nur den „Grundstein“ jenes Tatsachenkomplexes verwirklicht, der eine Kündbarkeit wegen häufiger Fehlzeiten nach den zitierten normativen Vorgaben (s. oben, S. 7 [vor b.]) diskutabel machte: So ist hier schon nicht ersichtlich, dass die Betroffene an jährlich mehr als 30 Arbeitstagen erkrankungsbedingt ausgefallen wäre. Wie die diesbezügliche Aufstellung des Arbeitgebers (Beschlussanlage I.) dokumentiert, errechnet er sich seine diesbezüglichen Belastungen statt mit den allein maßgeblichen Arbeitstagen aus Kalendertagen, was zum Nachteil der Betroffenen signifikant zur Verzeichnung des objektiven Lagebildes führt. Damit wird nicht nur bereits das Verfahren zur Konsultation des Betriebsrates rechtlich diskreditiert51. Es wirft auch die Frage nach der Zulässigkeit des hiesigen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG auf52.

b. Das kann aber ebenso auf sich beruhen wie der Umstand, dass nach der vom Arbeitgeber in die hiesigen Verfahren eingebrachten Fehlzeitenaufstellung die jüngste Erkrankung der Betroffenen bereits mit dem 5. Juli 2013 abgeschlossen war. Hiermit könnte sich die weitere Frage verbinden, ob das Verfahren nach monatelang ungestörtem Verlauf des Arbeitsverhältnisses möglicherweise auch zur „Unzeit“ in Gang gebracht worden sei. Das alles sei aber, wie gesagt, dahingestellt. Denn jedenfalls unterscheiden sich diejenigen betrieblichen Störungen, die der Arbeitgeber der Betroffenen hier als Folge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Last gelegt sehen will (Urteilsanlage I.3.), weder nach Häufigkeit noch nach Art von jenen allfälligen Organisationsproblemen, vor die sich Unternehmungen ihrer Branche bei unvorhersehbaren Arbeitsausfällen des Personals typischerweise gestellt sehen. Ihretwegen kann der Arbeitgeber keine Sonderrechte beanspruchen. Das gilt nicht nur im Zeichen des bekannten Leitbildwechsels im modernen Behindertenrecht (s. § 81 Abs. 4 SGB IX53), das dem Arbeitgeber ohnehin gegenüber tradierten Denkgewohnheiten deutlich verstärkten Eigeneinsatz abfordert. Es gilt erst recht im Lichte heutigen betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 84 Abs. 2 SGB IX54), das den Beteiligten gleichfalls erheblich intensivierte Anstrengungen abverlangt, die unternehmerisch beeinflussbaren Arbeitsbedingungen an die jeweiligen individuellen Belastungsgrenzen des Personals anzupassen55. Sachgerecht genutzt, ist mit allem ein weitaus erfolgversprechenderer Handlungsrahmen aller Kräfte erschlossen, als dieser früheren Epochen sogenannter „Krankenrückkehrgespräche“ verfügbar erschien. Nicht zuletzt dieser Paradigmenwechsel56 könnte sich hier sogar in den Schriftstücken57 (Urteilsanlagen III. bis V.) widerspiegeln, die der Arbeitgeber zum Zeichen seiner Bemühungen um die Verringerung der Erkrankungsquote der Betroffenen eigens aktenkundig gemacht hat. Man wird ihn nur, wie bereits angeklungen, mit allseits gutem Willen auch nutzen müssen.

III.

Die Konsequenzen dieser Befunde verdeutlicht der Beschlusstenor.

Fußnoten

 

 

 

1 ) S. Text: „§ 103 Außerordentliche Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen.(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats … bedarf der Zustimmung des Betriebsrats. - (2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. … “.).

2 ) Geboren im Oktober 1959.

3 ) S. Antragsschrift S. 2 (Bl. 8 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).

4 ) S. Text: „§ 2 Behinderung.(1) … (2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben“.

5 ) Mündliche Mitteilung des Arbeitgebervertreters im Kammertermin; s. Sitzungsniederschrift vom 7.2.2014 S. 1 (Bl. 58 GA).

6 ) S. Kopie des Anhörungsschreibens vom als Anlage ASt 1 zur Antragsschrift (Bl. 14-17 GA).

7 ) S. Anhörungsschreiben (Fn. 6) Blatt 1: „Die zu Kündigende hat seit dem Jahr 2004 im Durchschnitt 45 Tage krankheitsbedingt gefehlt“.

8 ) S. Anhörungsschreiben (Fn. 6) Blatt 2 [oben].

9 ) S. Anhörungsschreiben (Fn. 6) Blatt 4 [oben].

10 ) S. Kopie als Anlage ASt 2 zur Antragsschrift (Bl. 18-21 GA).

11 ) S. Text: „§ 85 Erfordernis der Zustimmung.Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes“.

12 ) S. Kopie als Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18.12.2013 (Bl. 40-43 GA).

13 ) S. Text oben, S. 2 Fn. 1.

14 ) S. Textauszug: „§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung.(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats … ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach §103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist“.

15 ) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund.(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. - (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil den Kündigungsgrund auf Verlangen unverzüglich schriftlich mitteilen“.

16 ) S. Antragserwiderungsschrift des Betriebsrates vom 7.1.2014 S. 1 (Bl. 48 GA); Antragserwiderungsschrift der Betroffenen gleichen Datums (Bl. 49 GA).

17 ) S. Antragserwiderungsschrift des Betriebsrates vom 7.1.2014 S. 2 (Bl. 48/R GA); Antragserwiderungsschrift der Betroffenen gleichen Datums (Bl. 49 GA).

18 ) Wie Fn. 17.

19 ) Wie Fn. 17 – mit Hinweis auf BAG18.2.1993 – 2 AZR 526/92.

20 ) S. Text: „§ 78 Schutzbestimmungen.Die Mitglieder des Betriebsrats … [es folgt Aufzählung weiterer Mandatsträger; d.U.] dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung“.

21 ) Wie Fn. 17.

22) S. Schriftsatz vom 30.1.2014 S. 1 (Bl. 56 GA).

23) S. Schriftsatz vom 30.1.2014 S. 2 (Bl. 57 GA).

24) S. Text oben, S. 2 Fn. 1.

25) S. Text oben, a.a.O.

26) S. Text oben, a.a.O.

27) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund.(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. - (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil den Kündigungsgrund auf Verlangen unverzüglich schriftlich mitteilen“.

28) S. statt vieler nur BAG22.8.1974 – 2 ABR 17/74 – AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 = EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 [C.III.1.]: „Wenn das Gesetz darauf abstellt, ob 'die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt' ist, so bedeutet dies nichts anderes, als dass zu prüfen ist, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt“.

29) S. Textauszug oben, S. 3 Fn. 14.

30) S. hierzu etwa BAG 25.10.1984 – 2 AZR 455/83 – n.v. („Juris“) [II.2 a, aa. - Rn. 25]: „Dieser befristete Ausschluss der ordentlichen Kündigung darf aber bei der Prüfung der Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder der Änderung der Arbeitsbedingungen nach § 626 BGB nicht zu Ungunsten der besonders geschützten Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Anderenfalls würde sich der Arbeitgeber entgegen dem Schutzzweck des § 15 KSchG durch eine außerordentliche Kündigung leichter von einem Amtsträger als von einem anderen (nur) durch § 1 KSchG geschützten Arbeitnehmer trennen können“; tendenziell auch bereits BAG14.11.1983 – 7 AZR 474/83 – AP § 626 BGB Nr. 83 = NZA 1985, 426 [II.1.]: Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 KSchG kann nicht zu einer Erleichterung der außerordentlichen Kündigung führen, die dadurch eintreten könnte, dass bei der Zumutbarkeitsfrage nach § 626 Abs. 1 BGB nicht auf die ordentliche Kündigungsfrist, sondern auf die voraussichtliche Dauer des besonderen Kündigungsschutzes abgestellt würde. Deshalb ist hier bei der Zumutbarkeitsfrage die ohne den besonderen Kündigungsschutz gegebene ordentliche Kündigungsfrist zugrunde zu legen“.

31) S. Text oben, S. 4 Fn. 20.

32) S. insofern deutlich Ulrich Preis, Anm. BAG [21.6.1995] AP § 15 KSchG 1969 Nr. 36 [II.2 b.]: „Der Sonderkündigungsschutz darf nicht zu einer Erleichterung der Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung führen, weil dies mit der Wertung des § 15 KSchG und dem Benachteiligungsverbot des § 78 BetrVG nicht vereinbar wäre“.

33) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen.(1) … (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist“.

34) S. hierzu etwa schon BAG12.3.1968 – 1 AZR 413/67 – BAGE 20, 345 = AP § 1 KSchG Krankheit Nr. 1 = NJW 1968, 1693 = MDR 1968, 792: „Der Ausgangspunkt des angefochtenen Urteils, dass nach den Umständen des einzelnen Falles eine Krankheit einen zur Kündigung berechtigenden Anlass i.S.d. § 1 KSchG darstellen kann, ist rechtsirrtumsfrei. Dass eine Erkrankung des Arbeitnehmers zur Kündigung berechtigen kann, und zwar sogar zur außerordentlichen Kündigung, ist in verschiedenen Gesetzen ausdrücklich angeordnet (vgl. § 72 HGB; §§ 123, 133 c GewO, §§ 82, 89 Pr.BergG). … - Diese gesetzlichen Regelungen schließen aber nicht aus, dass scharfe Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer wegen Krankheit des Arbeitnehmers ausgesprochenen Kündigung bei der nach § 1 KSchG gebotenen Abwägung gestellt werden müssen“.

35) S. BAG12.3.1968 (Fn. 34) – Zitat Fn. 34: „scharfe Anforderungen“; 5.8.1976 – 3 AZR 110/75 – AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 1 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 2 = DB 1976, 2307 [II.2. - „Juris“-Rn. 17]: „Richtig ist, dass auch Krankheiten eine Kündigung sozial rechtfertigen können. Rechtsprechung und Lehre legen aber in solchen Fällen einen strengen Maßstab an. Es kommt vor allem auf die Vorgeschichte der Krankheit, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das voraussichtliche Ende der Krankheit an (...)“; 18.2.1993 (Fn. 19) AP § 15 KSchG 1969 Nr. 15 = EzA § 15 KSchG nF Nr. 40 = NZA 1994, 74 = BB 1993, 2381 [II.3. - „Juris“-Rn. 18]: „Krankheit ist zwar nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB generell ungeeignet. Da aber schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen ist, kommt eine außerordentliche Kündigung nur in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen in Betracht (...)“.

36) S. BAG19.8.1976 – 3 AZR 312/76 – AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 2 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 3 = DB 1977, 262 [1. - „Juris“-Rn. 13]: „Die Frage, wann eine Krankheit des Arbeitnehmers einen ausreichenden Kündigungsgrund bildet, kann nicht rein schematisch beantwortet werden. Hierzu bedarf es vielmehr einer eingehenden Interessenabwägung für den einzelnen Fall, die auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abstellt. Dabei ist neben Dauer und Häufigkeit der Erkrankungen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wie die Krankheitsausfälle den Arbeitgeber wirtschaftlich belasten und wie sie sich auf den Betriebsablauf sowie auch auf die Zusammenarbeit der übrigen Arbeitnehmer, die teilweise für den erkrankten Arbeitnehmer einspringen müssen, auswirken. … Vor allem ist auch die voraussichtliche zukünftige Entwicklung in die Interessenabwägung mit einzubeziehen, wie dies die bereits erwähnte Entscheidung des Ersten Senats vom 12.3.1968 für den Fall einer voraussichtlich lange andauernden Krankheit verlangt hat (…). … Demgegenüber reichen mehrfache kurze Erkrankungen des Arbeitnehmers in den letzten drei oder vier Jahren für sich genommen nicht aus, um eine Kündigung als sozial gerechtfertigt anzuerkennen“.

37) S. BAG23.4.2008 – 2 AZR 1012/06 – EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 55 = NZA-RR 2008, 515 = BB 2008, 2409 [B.II.1. - „Juris“-Rn. 18].

38) S. zu einer derartigen Konstellation – mit allerdings hochproblematischen Parallelwertungen zu sogenannten absoluten Kündigungsgründen aus spätestens mit dem Ersten Arbeitsrechts-Bereinigungsgesetz 1969 überwundenen Rechtsepochen - etwa BAG4.2.1993 – 2 AZR  469/92 –  EzA § 626 BGB nF  Nr. 144 [II.1 b, aa. - „Juris“-Rn. 17]: „Die  Verweisung in § 4.6 des Manteltarifvertrages auf die gesetzliche Regelung schließt demnach eine auf krankheitsbedingte dauernde Unfähigkeit zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung nicht aus. Das entspricht für den Geltungsbereich des § 626 BGB ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (…). Auch in der einschlägigen Literatur wird die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Krankheit allgemein anerkannt (…). Das wird nicht zuletzt daraus gefolgert, dass sich an der früheren Rechtslage nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB, § 133 c Abs. 1 Nr. 4 GewO aufgrund der Neufassung des § 626 BGB durch das Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz insoweit nichts geändert habe (...)“; ebenso schon BAG 9.7.1964 – 2 AZR 419/63 – AP § 626 BGB Nr. 52 = DB 1964, 1523 [Leitsatz 1.]: „Ein sogenannter unkündbarer Arbeiter der Deutschen Bundesbahn kann aus gesundheitlichen Gründen fristlos entlassen werden“.

39) S. hierzu statt vieler nur BAG20.6.2013 – 2 AZR 380/12 – n.v. (Volltext: „Juris“) [I.1 c, cc. - „Juris“-Rn. 21]: „Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweit sinnvoll einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre“.

40) S. dazu Knut Bröhl, Die Orlando-Kündigung – Zwischenwort zur außerordentlichen Kündigung tariflich unkündbarer Arbeitnehmer, in: Monika Schlachter/Reiner Ascheid/Hans-Wolf Friedrich(Hrg.), Festschrift für Günter Schaub (1998), S. 55: „1. Problemstellung- 'Der zuständige Richter muss sich blindlings ergeben', heißt es in einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (...). … - Bei dem von mir gewählten Thema fällt eine derart blinde Ergebenheit schwer. Dabei ist die Fragestellung nach der Reichweite des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Arbeitgeberkündigung keineswegs neu. Es handelt sich, kurz gesprochen, um den altbekannten Fall des Heizers auf der E-Lok“; S. 68 [a)]: „Der Tarifvertrag darf den Arbeitgeber nicht verpflichten, ein inhaltsleeres Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer unbegrenzt aufrechtzuerhalten, den er nicht mehr beschäftigen kann, weil etwa der Betrieb oder die Abteilung geschlossen oder der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeit zu verrichten“; S. 73 [8 a)]: „sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis“.

41) S. dazu etwa BAG5.2.1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10 = AP § 626 BGB Nr. 143 = EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 2 = NZA 1998, 771 = BB 1999, 1330 [II.3 g. - „Juris“-Rn. 28]: „Den hohen sozialen Besitzstand der Klägerin hat das Berufungsgericht berücksichtigt. Auch ist er nicht geeignet, es als zumutbar für die Beklagte erscheinen zu lassen, ein inhaltsleeres Arbeitsverhältnis möglicherweise über mehr als fünf Jahre aufrechtzuerhalten“; [II.4 c. - „Juris“-Rn. 32]: „Im Ergebnis müsste dann der Arbeitgeber jahrelang ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortführen, was nach dem Gesagten gerade als unzumutbar anzusehen ist und den Arbeitgeber auch in seinen durch die Verfassung geschützten Rechten verletzen würde“; s. aber auch zuvor schon BAG9.9.1992 – 2 AZR 2 AZR 190/92 – AP § 626 BGB Krankheit Nr. 3 = NZA 1993, 598 = BB 1993, 291 [II.2 d, cc. - „Juris“-Rn. 45]: „Auch im öffentlichen Dienst ist ein Arbeitsverhältnis auf den gegenseitigen Austausch von Leistungen ausgerichtet und wird sinnentleert, wenn dies nicht mehr möglich ist“.

42) S. dazu etwa BAG9.9.1992 (Fn. 41) [Leitsatz 1.]: „Eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung ist nach § 30 Abs. 2 Ziffer 3 des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) auch bei einem sogenannten unkündbaren Arbeitnehmer (§ 30 Abs. 3 LTV) nicht ausgeschlossen“.

43) S. Textauszug oben, S. 3 Fn. 14.

44) S. BAG6.10.1965 – 2 AZR 404/64 – BAGE 17, 313 = AP § 59 BPersVG Nr. 4 = NJW 1966, 269 [II.2.]; entsprechend aus neuerer Zeit etwa BAG 18.2.1993 (Fn. 35) [II.3 b, aa. (1)]: „Soweit nur eine ordentliche Kündigung möglich wäre, darf dem Betriebsratsmitglied, abgesehen von den Fällen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG, nicht gekündigt werden“.

45) S. hierzu deutlich BAG15.3.2001 – 2 AZR 624/99 – EzA § 15 KSchG nF Nr. 52 [Leitsatz 1.]: „Dem Arbeitgeber ist es regelmäßig zumutbar, das Ende des nachwirkenden Kündigungsschutzes gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG abzuwarten und sodann ordentlich zu kündigen, wenn er das Arbeitsverhältnis mit einem ehemaligen Betriebsratsmitglied wegen dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit beenden will“.

46) S. BAG15.3.2001 (Fn. 45) [Leitsatz 2.]: „Ob § 15 KSchG die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist generell ausschließt, bleibt offen“; anders insoweit dann BAG17.1.2008 (s. dazu unten, Fn. 41).

47) S. hierzu prägnant BAG17.1.2008 – 2 AZR 821/06 – BAGE 125, 267 = AP § 15 KSchG 1969 Nr. 62 = EzA § 15 KSchG nF Nr. 62 = NZA 2008, 777 = ZTR 2008, 449 [Leitsatz und B.I.2 b. - „Juris“-Rnrn. 28-29]: „Nach § 15 KSchG ist auch eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber dem geschützten Personenkreis unzulässig“; [Rn. 28-29]: „Zunächst ist unverkennbar, dass die Zulassung einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist aus verhaltensbedingten Gründen die kündigungsrechtlichen Grenzen zwischen den kündbaren und dem nach § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers verwischen müsste. … Bei Zulassung einer verhaltensbedingten Kündigung mit Auslauffrist für Betriebsratsmitglieder würde sich 'exakt die Gefahr realisieren, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 15 KSchG ausschalten wollte' (vgl. Bröhl, Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist S. 45; … ). - bb) Die vom Senat bejahte Zulässigkeit der Änderungskündigung mit Auslauffrist aus betriebsbedingten Gründen weist einen maßgeblichen Unterschied zu der hier gegebenen Lage auf. Das Gesetz zeigt in § 15 Abs. 4, 5 KSchG, dass es im Falle betriebsbedingter Umstände den Sonderkündigungsschutz für von vornherein einschränkungsbedürftig hält. Das rechtfertigt sich daraus und insoweit, als es sich um Umstände handelt, von denen das Betriebsratsmitglied niemals allein und als solches betroffen sein kann. Eine Benachteiligung des Betriebsrats gegenüber den nicht geschützten Arbeitnehmern (§ 78 BetrVG) scheidet in solchen Fällen deshalb von vornherein aus. Dagegen realisiert sich bei verhaltensbedingten Kündigungen nicht das – letztlich alle gleich treffende – Betriebsrisiko, sondern es verwirklichen sich auf die einzelne Person bezogene Gefährdungen des Vertragsverhältnisses“; im Anschluss BAG12.5.2010 – 2 AZR 287/08 – AP § 15 KSchG 1969 Nr. 67 = EzA § 15 KSchG nF Nr. 67 = NZA-RR 2011, 15 [II.4. - „Juris“-Rn. 17]).

48) S. zutreffend Ulrich Preis(Fn. 32) [III.]: „Es kann deshalb im vorliegenden Fall ausschließlich auf die Frage ankommen, ob auch bei einem nicht dem Sonderkündigungsschutz unterliegenden Amtsträger eine fristlose betriebsbedingte Änderungskündigung zulässig gewesen wäre“.

49) S. BAG18.2.1993 (Fn. 35) [II.3 b, aa (1)]: „Soweit ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, bleibt das Recht des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung unverändert bestehen. In § 15 Abs. 1 KSchG ist der Maßstab für die Zumutbarkeitsprüfung unverändert geblieben“.

50) S. anklingend in BAG18.2.1993 (Fn. 35) [II.3 b, aa. (1)]: „Keinesfalls sollen die Betriebsratsmitglieder durch die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben Nachteile erleiden, vor allem nicht durch die Erleichterung der außerordentlichen Kündigung“; s. deutlich auch Ulrich Preis(Fn. 32) [II.1 c.]: „So legt das BAG etwa bei der simultanen Verletzung von Amts- und Vertragspflichten durch einen betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträger im Rahmen der Prüfung des wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB einen strengen Prüfungsmaßstab an (vgl. grundlegend BAG22.8.1974 [2 ABR 17/74] BAGE 26, 219, 230). Auch das ist zu billigen, weil der spezifische Schutzzweck des § 15 KSchG gebietet, zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass er nur durch seine Amtsträgerschaft in eine spezifische Konfliktsituation kommen konnte, die in irgendeiner Weise mit der Amtstätigkeit zusammenhängt. Wenn der Amtsträger zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben tätig wird und ihm dabei eine Amtspflichtverletzung unterläuft, die zugleich eine Vertragspflichtverletzung darstellt, entspricht es der Zielrichtung des § 15 KSchG, den Arbeitnehmer bei dieser 'gefahrgeneigten' Tätigkeit zu schützen (Preis[Prinzipien des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen, 1987] S. 176 m.w.N.)“; s. BAG22.8.1974 (s.o.) [C.V.1.]: „Sofern eine Handlung sowohl eine Amtspflichtverletzung als auch einen Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellt oder die Vertragsverletzung nur deshalb eingetreten ist, weil der Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglied tätig geworden ist, dann kann ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegen. In solchem Fall ist die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt, wenn unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabs das pflichtwidrige Verhalten als ein schwerer Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu werten ist“.

51) S. zu ähnlichem forensischen Material bei Bedarf anschaulich den Fall in ArbG Berlin24.11.2000 – 88 Ca 27386/00 – NZA-RR 2001, 198-202 = RzK III 1 a Nr. 110, wo der Arbeitgeber zum Nachteil seiner Zielperson nicht nur Kalender- mit Arbeitstagen verwechselt, sondern sich obendrein auch in der Summenbildung konsequent mehrfach verrechnet hatte.

52) S. zum Problem statt vieler Gregor Thüsing, in: Reinhard Richardi(Hrg.), BetrVG, 14. Auflage (2014), § 103 Rn. 66: „Die Beteiligung des Betriebsrats ist eine Verfahrensvoraussetzung“; hier liegt es nahe, die ordnungsgemäße Unterrichtung in Anlehnung an die diesbezüglichen Verfahrenswertungen der Rechtsprechung zu § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (s. insofern nur BAG16.9.1993 – 2 AZR 267/92 – BAGE 74, 185 = AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 62 = NZA 1994, 311 = BB 1994, 429 [Leitsatz 2.]: „Die Sanktion der Unwirksamkeit einer ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochenen Kündigung [§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG] gilt aufgrund einer ausdehnenden, entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift auch bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates [...]“) entsprechend zu aktivieren.

53) S. Text: „§ 81 Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen.(1) … (4) Die schwerbehinderten Menschen haben gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf – 1. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können, - 2. bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens, - 3. Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung, - 4. behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung von Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr, - 5. Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen – unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. Bei der Durchführung der Maßnahmen nach den Nummern 1, 4 und 5 unterstützt die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter die Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten Beschäftigten. Ein Anspruch nach Satz 1 besteht nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen“.

54) S. Text: „§ 84 Prävention.(1) … (2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement)“.

55) S. dazu schon BT-Drs. 15/1783 S. 16: „Durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement geschaffen werden, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert. Viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit erfolgen noch immer aus Krankheitsgründen. … Die Regelung verschafft der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz dadurch einen stärkeren Stellenwert, dass die Akteure unter Mitwirkung des Betroffenen zur Klärung der zu treffenden Maßnahmen verpflichtet werden“; s. ferner namentlich Wolfhard Kohte, Anm. LAG Stuttgart [22.6.2005 – 2 Sa 11/05] jurisPR-ArbR 47/2005 v. 23.11.2005 [A.]: „Mit dem SGB IX soll ein Leitbildwechsel realisiert werden: Die Arbeitsplätze sollen rechtzeitig an die Menschen angepasst werden, so dass die Ausgliederung aus dem Arbeitsleben vermieden werden kann“.

56) S. dazu auch die (im Vergleich zur früheren Korrespondenz veränderte) Diktion des Arbeitgeberschreibens vom 6.3.2013 - Kopie als Anlage ASt 3zur Antragsschrift (Bl. 22 GA).

57) S. Kopien zweier „Protokolle“ aus dem Dezember 2012 als Teile des Anlagenkonvoluts ASt 4zur Antragsschrift (Bl. 23-25 GA).

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