BAG: Gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch – tarifpluraler Betrieb – Regelungssperre – Tarifvorbehalt
BAG, Beschluss vom 25.1.2023 – 4 ABR 4/22
ECLI:DE:BAG:2023:250123.B.4ABR4.22.0
Volltext: BB-Online BBL2023-1459-1
Leitsatz
1. In einem tarifpluralen Betrieb kann die Geltung des § 4a TVG nicht nur durch eine Vereinbarung aller von der Tarifkollision erfassten Tarifvertragsparteien abbedungen werden, sondern auch dadurch, dass der tarifschließende Arbeitgeberverband mit den jeweiligen Gewerkschaften entsprechende Vereinbarungen trifft.
2. Der Vorrang tariflicher Regelungen nach § 77 Abs. 3 Satz 1 TVG entfällt in einem tarifpluralen Betrieb nur dann, wenn alle Tarifverträge, die diese Sperrwirkung auslösen, eine entsprechende Öffnungsklausel iSv. Satz 2 der Vorschrift enthalten. Der Tarifvorbehalt in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten wird in einem solchen Betrieb durch jede zwingende tarifliche Regelung für alle Arbeitnehmer ausgelöst.
Sachverhalt
A. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) auf Unterlassung der Durchführung einer Betriebsvereinbarung.
Die antragstellende GDL (Beteiligte zu 1.) ist in dem Wahlbetrieb Oberbayern der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin, einem Schienenverkehrsunternehmen im Konzern der Deutschen Bahn AG, vertreten. Der Beteiligte zu 3. ist der auf Grundlage eines Tarifvertrags nach § 3 BetrVG im Wahlbetrieb Oberbayern gewählte Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin ist Mitglied des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbands der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e.V. (AGV MOVE) und als solches an die von diesem Verband einerseits mit der GDL geschlossenen Tarifverträge und andererseits an die mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vereinbarten Tarifverträge gebunden. Der AGV MOVE und die EVG verzichteten in dem am 27. Mai 2015 geschlossenen Tarifvertrag zur Sicherung kollisionsfreier Tarifbestimmungen (TV Kollisionsfreiheit) ebenso wie der AGV MOVE und die GDL mit dem Tarifvertrag zur Regelung von Grundsatzfragen (TV Grundsatzfragen) vom 30. Juni 2015 einvernehmlich auf die Anwendung von § 4a TVG. Die Laufzeit des TV Grundsatzfragen endete am 31. Dezember 2020.
Der von dem AGV MOVE und der EVG am 14. Dezember 2018 vereinbarte Basistarifvertrag zu den Funktionsgruppenspezifischen Tarifverträgen und Funktionsspezifischen Tarifverträgen verschiedener Unternehmen des DB Konzerns sowie die Funktionsgruppenspezifischen Tarifverträge für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 4 – Lokfahrdienst – und für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 5 – Bahnservice und Vertrieb – verschiedener Unternehmen des DB Konzerns enthielten Arbeitszeitregelungen, ua. zum Ausfall von Arbeit sowie zu Ruhetagen. § 11 Abs. 2 der von diesen Tarifvertragsparteien vereinbarten „Grundsatzregelung zur gemeinsamen Gestaltung der Personal-, Sozial- und Tarifpolitik in den Unternehmen des DB Konzerns (DemografieTV)“ vom 14. Dezember 2018 sah zur Arbeitszeitgestaltung der Betriebsparteien Folgendes vor:
„Die Tarifvertragsparteien stimmen überein, dass das Mitbestimmungsrecht durch die tarifvertraglichen Bestimmungen ausdrücklich gestärkt und nicht eingeschränkt wird und somit über diese Regelungen hinausgehende betriebliche soziale Gestaltung der Dienst- und Einsatzplanung vereinbart werden können. Insofern stellen diese Tarifregelungen in Verbindung mit den gesetzlichen Bestimmungen keinen abschließenden Rahmen für die betriebliche Arbeitszeit- und Personalplanung dar. Im Rahmen des betrieblichen Mitbestimmungsverfahrens können entsprechende Regelungen vereinbart werden. Es ist der Wunsch der Tarifvertragsparteien, dass die Betriebsparteien die Arbeitszeit vor dem Hintergrund der genannten Themen insgesamt passgenauer gestalten, als es auf tarifvertraglicher Ebene möglich ist.“
Der AGV MOVE und die GDL schlossen am 4. Januar 2019 den Bundes-Rahmentarifvertrag für das Zugpersonal der Schienenbahnen des Personen- und Güterverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland (BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL), den Tarifvertrag für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des AGV MOVE (LfTV AGV MOVE/GDL), den Tarifvertrag für Zugbegleiter und Bordgastronomen von Schienenverkehrsunternehmen des AGV MOVE (ZubTV AGV MOVE/GDL) und den Tarifvertrag für Lokrangierführer von Schienenverkehrsunternehmen des AGV MOVE (LrfTV AGV MOVE/GDL).
Die Regelung zu den Ruhetagen in § 3 Abschnitt II BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL sieht in ihrem Absatz 4 Folgendes vor:
„Die Ruhetage sollen in Abständen von höchstens 144 Stunden (beginnend mit der ersten Schicht nach dem vorausgehenden Ruhetag) gewährt werden. Ruhetage mit einer Ruhezeit von 36 Stunden sollen nicht mehr als zweimal hintereinander angesetzt werden. Die Betriebsparteien können im gegenseitigen Einvernehmen hiervon abweichen.“
§ 3 Abschnitt III BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL lautet:
„Abschnitt III
Persönliche Planungssicherheit
(1) Erster Schritt: Persönliche Planungssicherheit – Jahresruhetags- und Urlaubsplan (Jahresplanung)
Vom Arbeitgeber ist für jeden Arbeitnehmer für den Zeitraum eines Kalenderjahres ein verbindlicher Jahresruhetags- und Urlaubsplan zu erstellen. Dieser ist dem Arbeitnehmer spätestens bis zum 30. November des Vorjahres bekannt zu geben.
Dieser Jahresruhetags- und Urlaubsplan enthält:
a) den im Rahmen der Urlaubsplanung festgelegten Urlaub, inkl. der im Urlaub befindlichen Wochenenden; dabei soll die Urlaubsplanung bis 31. Oktober abgeschlossen sein;
b) arbeitsfreie Tage von Teilzeitarbeitnehmern im Rahmen einer Festlegung der individuellen Arbeitszeitverteilung
sowie außerhalb des Urlaubs:
c) mindestens zwölf freie Wochenenden (Kalendertage Samstag und Sonntag; Mindestlänge 60 Stunden; beginnend spätestens am Freitag um 24:00 Uhr und endend frühestens am Montag um 4:00 Uhr) im Kalenderjahr (inkl. eines tarifvertraglich geregelten Wochenendes vor dem Hauptjahresurlaub),
d) mindestens sechs weitere freie Samstage, Sonn- oder Feiertage jeweils als Kalendertage mit einer Mindestlänge von 48 Stunden,
e) mindestens fünf weitere freie Kalendertage mit einer Mindestlänge von 48 Stunden
sowie im Anschluss daran zu planende arbeitsfreie Tage im Rahmen von Blockfreizeiten:
f) zum Überstundenabbau und
g) in Modellen zur Arbeitszeitreduzierung für ältere Arbeitnehmer.
Vom verbindlichen Jahresruhetags- und Urlaubsplan kann nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer abgewichen werden.
(2) Zweiter Schritt: Persönliche Planungssicherheit – Verbindliche Ruhetage/Ruhezeiten (Monatsplanung)
Der tarifvertragliche Jahresruhetags- und Urlaubsplan mit seinen verbindlich geregelten Freistellungen bildet die Ausgangssituation für die Schichtplanung.
In der Schichtplanung wird die Arbeitszeit für mehrere Kalenderwochen eines Kalendermonats in einem Wochenrhythmus geplant. Dabei sind die noch nicht im Jahresruhetags- und Urlaubsplan verplanten freien Sonn- und Feiertage sowie sonstige Ruhetage/Ruhezeiten und Ersatzruhetage für Wochenfeiertage in die Schichtplanung einzuarbeiten.
Dabei sind folgende Regelungen zu beachten:
a) Die Schichtplanung wird dem Arbeitnehmer mindestens zwei Wochen im Voraus für die nachfolgenden Kalenderwochen eines Kalendermonats bekannt gegeben. Sie ist für diesen Zeitraum für den zeitlichen Rahmen der Arbeitseinsätze als Arbeitszeitplanung verbindlich. Zeiten außerhalb dieses Rahmens gelten als verbindlich zugesagte Ruhetage/Ruhezeiten.
Protokollnotiz:
…
b) In die Schichtplanung werden die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung bekannten Schichten mit ihrem Beginn und Ende eingearbeitet.
c) In der Schichtplanung können diese Schichten von einem maximal zweistündigen Schichtrahmen umgeben werden, der flexibel auf Zeiten vor und/oder nach der Schicht aufgeteilt werden kann. Der Schichtrahmen darf die Dauer der geplanten Schicht nicht um mehr als zwei Stunden und insgesamt 14 Stunden nicht überschreiten. Beginn und Ende des Schichtrahmens sind ebenfalls in dieser Schichtplanung festzulegen. Zwischen zwei Schichtrahmen ist eine Ruhezeit zu planen.
d) In die Schichtplanung werden ebenfalls alle bekannten Abwesenheiten des Arbeitnehmers und Vertretungen anderer Arbeitnehmer eingearbeitet, um eine größtmögliche Stabilität der Schichtplanung zu erreichen.
e) Für den notwendigen Vertretungsbedarf sowie für Schichten, deren zeitliche Lage nicht rechtzeitig vor dem Zeitpunkt der Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bekannt ist, werden Dispositionszeiträume in der mitzubestimmenden Schichtplanung hinterlegt. Dispositionszeiträume können in Form von Disposchichten, Dispotagen und Dispophasen gestaltet werden. Dispositionszeiträume sind mit einem Arbeitszeitwert, mindestens dem arbeitstäglichen Durchschnitt der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit zu planen.
Protokollnotiz:
…
f) Die Anzahl der Schichten innerhalb der Dispositionszeiträume ist auf maximal 20 Prozent aller monatlichen Schichten des Arbeitnehmers beschränkt.
g) Dispositionszeiträume können auch ungleichmäßig auf die Arbeitnehmer verteilt werden, soweit dies dem erklärten Wunsch des Arbeitnehmers entspricht.
(3) Dritter Schritt: Persönliche Planungssicherheit – Verbindliche Schichtplanung (Wochenplanung)
Im dritten Schritt wird die Schichtplanung verbindlich konkretisiert. Dabei sind folgende Regelungen zu beachten:
a) Dem Arbeitnehmer ist so früh wie möglich, spätestens vier Tage (analog § 12 Abs. 2 TzBfG) vor Beginn des jeweiligen Schichtrahmens, die verbindliche Schicht mitzuteilen. Nach Mitteilung der verbindlichen Schicht entfällt der Schichtrahmen.
b) Auch für Dispositionszeiträume gilt, dass die konkrete Schicht dem Arbeitnehmer so früh wie möglich im Sinne des Buchst. a) bekannt zu geben sind. Ist dies nicht möglich, so kann die Frist zur Bekanntgabe aller konkreten Schichten innerhalb des Dispositionszeitraums reduziert werden. Die Bekanntgabe muss spätestens zum Ende der letzten Schicht, mindestens jedoch 24 Stunden vor Beginn des Dispositionszeitraums erfolgen. Sind während eines Dispositionszeitraums auswärtige Übernachtungen zu erwarten, so ist dies dem Arbeitnehmer ebenfalls innerhalb der vorgenannten Fristen anzuzeigen.
c) Abweichungen von dieser Schichtplanung, welche in verbindlich gewordene Ruhezeiten/Ruhetage des Arbeitnehmers eingreifen, können nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers vorgenommen werden.
d) Eine Absage in Form von Ausfall oder Teilausfall von Arbeit bleibt im Rahmen der nachstehenden tarifvertraglichen Regelung (vgl. Abs. 5) möglich.
(4) Alle vorgenannten Planungsschritte unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG.
Im Rahmen der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG prüft der Betriebsrat in Bezug auf den zweiten und dritten Schritt jeweils auch die Gestaltung der Dispositionszeiträume als Voraussetzung für die Erteilung seiner Zustimmung zu den vorgelegten Schichtplänen.
(5) Der Arbeitgeber kann bei Ausfall, Teilausfall oder Veränderung der zeitlichen Lage von Arbeit dem Arbeitnehmer Arbeitszeit absagen. Wird der Arbeitnehmer
a) mehr als 24 Stunden vor Beginn der geplanten Schicht über den Ausfall / Teilausfall informiert, erfolgt keine Anrechnung der abgesagten Arbeitszeit.
b) innerhalb von 24 Stunden vor Beginn der geplanten Schicht über den Ausfall / Teilausfall / Veränderung der zeitlichen Lage informiert, wird der Zeitabschnitt der ursprünglich geplanten zeitlichen Lage der Schicht, der nicht mehr durch die zeitliche Lage der neu geplanten Schicht abgedeckt wird, zu 50 Prozent angerechnet.
c) erst nach sechs Uhr des Vortages oder nach dem späteren Ende der vorausgegangenen Vorschicht, wenn diese bis 6:00 Uhr des Vortages begonnen hat, über den Ausfall von Arbeit innerhalb eines Dispositionszeitraums informiert, wird der Arbeitszeitwert entsprechend Abs. 2 Buchst. e) zu 50 Prozent angerechnet.
d) nach Beginn der Schicht über den Ausfall / Teilausfall informiert, erfolgt neben der Anrechnung der geleisteten Arbeitszeit eine Anrechnung von 50 Prozent der abgesagten Arbeitszeit. Ist die geleistete Arbeitszeit kürzer als sechs Stunden, werden sechs Stunden zuzüglich 50 Prozent der über sechs Stunden hinausgehenden abgesagten Arbeitszeit angerechnet.“
Nach den am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen § 52b Abs. 1 LfTV AGV MOVE/GDL, § 56 Abs. 1 ZubTV AGV MOVE/GDL und § 56 Abs. 1 LrfTV AGV MOVE/GDL hat der Arbeitgeber einen Jahresschichtrasterplan zu erstellen, welcher der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt. Der Jahresschichtrasterplan ist dem Arbeitnehmer spätestens bis zum 30. November des Vorjahres bekannt zu geben. Er bildet die Basis für die Monatsplanung nach § 3 Abschnitt III Abs. 2 BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL. Nach § 52b Abs. 2 LfTV AGV MOVE/GDL, § 56 Abs. 2 ZubTV AGV MOVE/GDL und § 56 Abs. 2 LrfTV AGV MOVE/GDL kann im Rahmen der Mitbestimmung bei Bedarf von den Ruhetagen und Zeitwerten abgewichen werden.
Weiterhin unterzeichneten der AGV MOVE, die Deutsche Bahn AG und die GDL am 4. Januar 2019 eine „Vereinbarung zur Umsetzung der persönlichen Planungssicherheit des Zugpersonals“. Darin heißt es ua.:
„II. Sperrwirkung der tarifvertraglichen Regelungen
Die gesetzliche Systematik der Sperrwirkung tarifvertraglicher Regelungen ist bei der Anwendung der Regelungen in § 3 BuRa-ZugTV AGV MOVE sowie der diesen ergänzenden Arbeitszeitregelungen in den Haustarifverträgen LfTV, LrfTV, ZubTV und DispoTV zwingend zu beachten. Hiernach entfalten normative tarifvertragliche Regelungen zwischen den Tarifgebundenen unmittelbare und zwingende Wirkung, d. h. sie erfassen automatisch das einzelne Arbeitsverhältnis und können nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Abweichende Vereinbarungen sind gem. § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Daneben können gem. § 77 Abs. 3 BetrVG Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
Das bedeutet insbesondere, dass die an die Tarifverträge der Parteien gebundenen Unternehmen diese Tarifverträge unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzung des § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG auf die Mitglieder der GDL als unmittelbar und zwingend geltende Normen anwenden.
Aus dieser Systematik folgt, dass die in § 3 BuRa-ZugTV AGV MOVE sowie in den diesen ergänzenden Arbeitszeitregelungen in den Haustarifverträgen LfTV, LrfTV, ZubTV und DispoTV begründeten individualrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer durch die Betriebsparteien nicht kollektiv-rechtlich verschlechternd verändert werden dürfen. Abweichungen zugunsten der Arbeitnehmer können betrieblich vereinbart werden.“
Am 20. August 2019 schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat die „Betriebsvereinbarung über die Schicht- und Einsatzplanung“ (BV SEP). Diese lautet ua.:
„§ 1 Geltungsbereich
Die Betriebsvereinbarung gilt räumlich für den Wahlbetrieb Oberbayern, auch für die (z.B. durch Ausschreibungsgewinne) neu hinzukommenden Einsatzstellen.
Die Betriebsvereinbarung gilt persönlich für alle Mitarbeiter im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG, die im Triebfahrzeugdienst, im Zugbegleitdienst und im Ortsdienst (Lrf) beschäftigt sind.
…
§ 2 Allgemeine Grundsätze und Beschreibung der ‚Wahlmodelle‘
Die Bestimmungen der Tarifverträge, insbesondere des BuRa-Zug-TV, LfTV, ZubTV, LrfTV, BasisTV und der FGr-Tarifverträge, werden gleichberechtigt nebeneinander angewendet. Darüber hinaus regelt diese BV insbesondere den Umgang mit Schichtänderungen.
Bei der Berechnung der Dienstpläne werden die Disposchichten nach der vor Ort durchschnittlichen Schichtlänge bewertet. Die tatsächliche tarifliche Bewertung einer Disposchicht bleibt hiervon unberührt.
Den Mitarbeitern werden zwei Modelle für die künftige Diensteinteilung zur Auswahl angeboten.
a) Das Modell 1 sieht eine Dienst- und Schichtplanung nach den oben genannten gültigen Tarifverträgen vor. Dem Mitarbeiter wird sein individueller Jahresruhetags- und Urlaubsplan und/oder sein individueller Jahresschichtrasterplan bekannt gegeben. Darüber hinaus erhält er zu den tarifvertraglich vorgesehenen Bekanntgabefristen seine persönliche Monats- und Wochenplanung.
b) Das Modell 2 sieht eine Dienst- und Schichtplanung nach den oben genannten gültigen Tarifverträgen (siehe a)) vor. Dem Mitarbeiter wird sein individueller Jahresruhetags- und Urlaubsplan und/oder sein individueller Jahresschichtrasterplan bekannt gegeben. Dem Mitarbeiter werden sogenannte ‚Basispläne‘ (siehe § 4) für das Fahrplanjahr bekannt gegeben. Im Jahresruhetagsplan/Jahresschichtrasterplan werden alle Ruhen aus der Basiswoche dargestellt.
…
Jeder Mitarbeiter erhält bis spätestens 30.06. des jeweiligen Jahres die Möglichkeit, sich für ein Modell für das künftige Fahrplanjahr zu entscheiden. Das gemeinsam erklärte Ziel ist es, dass sich jeder Mitarbeiter für eines der beiden Modelle entscheidet. Äußert sich der Mitarbeiter nicht oder nicht rechtzeitig, sucht der Regio Teamleiter das persönliche Gespräch mit seinem Mitarbeiter und der Interessenvertretung. Wird trotzdem bis spätestens 31.07. des jeweiligen Jahres keine Entscheidung getroffen, wird der Mitarbeiter in das Modell 1 eingeteilt.
…
§ 3 Dienst- und Schichtplanung nach Modell 1:
(1) Grundschicht im Schichtrahmen
Für die Mitarbeiter wird der tarifvertraglich festgelegte Schichtrahmen jeweils im Rahmen der Monatsplanung gesondert in Textform kommuniziert; dies ersetzt die Abbildung in der Darstellung der Monatsplanung.
Der Schichtrahmen kann innerhalb der tarifvertraglich und arbeitszeitrechtlich festgelegten Grenzen variabel verschoben werden.
(2) Darstellung und Verständigung über die Belegung von Disposchichten
Der Dienstbeginn von Disposchichten kann sich in einem Zeitraum von 0:00 – 24:00 Uhr bewegen.
Soweit der Disponent/Leitstelle dem Mitarbeiter ausnahmsweise 4 Tage (Berechnungsgrundlage Vereinbarung zur Umsetzung der persönlichen Planungssicherheit Punkt I.2.) vor der Dispophase keine Arbeitsleistung zuweist, hat sich der Mitarbeiter bis spätestens 14:00 Uhr des Vor-Vor-Tages der Dispophase beim zuständigen Disponenten/Leitstelle zu melden. Mitarbeiter, die vor einer nicht verplanten Dispophase Ruhe haben, erkunden sich im Laufe der letzten Schicht vor dieser Ruhe (aber mindestens bis spätestens 14.00 Uhr des Vor-Vor-Tages) über die Verwendung in der Dispophase. Der Disponent/Leitstelle teilt dem Mitarbeiter jetzt verbindlich seine Verwendung für die Dispophase mit.
Besteht 4 Tage vor dem Dispotag keine arbeitgeberseitige Konkretisierung der Verwendung, so erhält der Mitarbeiter Ruhe oder eine Bereitschaftsschicht zugewiesen. Mitarbeiter, die planmäßig nach dem Urlaub Disposchichten haben, sind vor Urlaubsantritt mit bereits bekannten freien Schichten bzw. Bereitschaftsschicht zu disponieren. Diese sind ihnen bekannt zu geben.
§ 4 Dienst- und Schichtplanung nach Modell 2
Für Mitarbeiter, die Basispläne erhalten, gilt:
An dem Einsatz von Basisplänen wird festgehalten. In den Basisplänen wird der örtliche Zusatzbedarf durch Dispo-Schichten dargestellt und eingearbeitet. Der Dienstplan soll vollständig durch Personal besetzt sein. Dieses Personal soll die Prämissen des jeweiligen Dienstplans erfüllen (Baureihen, Streckenkenntnis etc.).
1. Die Basiswochen werden wie folgt ausgestaltet:
Einarbeitung von Dispophasen
Disposchichten/Dispophasen: Die Disposchichten werden i.d.R. als Dispophasen dargestellt. Diese Dispophasen sind eine Aneinanderreihung von maximal 10 Tagen am Stück mit Darstellung einer Schieberuhe. Vor und nach einer Dispophase muss eine Doppelruhe liegen. Die konkrete Belegung der Dispophase nach arbeitszeitrechtlichen und tarifrechtlichen Bestimmungen erfolgt im Zuge der Monatsplanung.
Die maximale Anzahl von Dispophasen unterliegt folgenden Grenzen:
…
2. Dispositionsverfahren (Monatsplanung)
…
Bei Fit/Rfu, Bahn-/Betriebsarzt, Simulator, berufliche Gerichtstermine, Baustellen, Feiertagen, eigene Einsatzbeschränkung und Sonderverkehren ist eine Abweichung zu den geplanten Schichten aus dem Basisplan oder Einsatzplan ohne Rücksprache mit dem Mitarbeiter möglich.
Die Mitarbeiter erhalten die Monatsplanung auf Basis der im herrschenden Dispositionssystem hinterlegten Basiswochen. Ziel ist bei einem ausgeglichenen Personalbestand eine vollständige Verplanung von Schichten und Dispotagen (KIN-Prüferschichten sind ausgenommen).
…
Der Dienstbeginn von Disposchichten kann sich in einem Zeitraum von 0:00 – 24:00 Uhr bewegen.
3. Wochenplanung
Für alle Änderungen nach der Monatsplanung gelten folgende Regelungen:
Es gilt ein Schichtrahmen von maximal 2 Stunden, der flexibel jeweils vor und/oder nach der Schicht aufgeteilt werden kann.
Soweit der Disponent/Leitstelle dem Mitarbeiter ausnahmsweise 4 Tage (Berechnungsgrundlage Vereinbarung zur Umsetzung der persönlichen Planungssicherheit Punkt I.2.) vor der Dispophase keine Arbeitsleistung zuweist, hat sich der Mitarbeiter bis spätestens 14:00 Uhr des Vor-Vor-Tages der Dispophase beim zuständigen Disponenten/Leitstelle zu melden. Mitarbeiter, die vor einer nicht verplanten Dispophase Ruhe haben, erkunden sich im Laufe der letzten Schicht vor dieser Ruhe (aber mindestens bis spätestens 14.00 Uhr des Vor-Vor-Tages) über die Verwendung in der Dispophase. Der Disponent/Leitstelle teilt dem Mitarbeiter jetzt verbindlich seine Verwendung für die Dispophase mit.
Besteht 4 Tage vor dem Dispotag keine arbeitgeberseitige Konkretisierung der Verwendung, so erhält der Mitarbeiter Ruhe oder eine Bereitschaftsschicht zugewiesen. Mitarbeiter, die planmäßig nach dem Urlaub Disposchichten haben, sind vor Urlaubsantritt mit bereits bekannten freien Schichten bzw. Bereitschaftsschicht zu disponieren. Diese sind ihnen bekannt zu geben.
Hinsichtlich den Teilzeitmitarbeiter, die in sog. Rollier- oder Dispoplänen eingesetzt werden, wird auf Anlage 1 verwiesen.
§ 5 Umgang mit Planschichtänderungen
(Modell 1 und Modell 2)
(Mitbestimmungsverfahren und Kommunikation an die Mitarbeiter)
1. Mitbestimmungsverfahren
Dem Betriebsrat werden Änderungen von Schichten zur Mitbestimmung im jeweiligen Dienstplanausschuss, bei nachträglichen Änderungen unverzüglich, bekannt gegeben.
2. Umgang mit Schichtänderungen > 2 Stunden
Bei Abweichungen von der Schicht größer 2 Stunden werden die betroffenen Schichten seitens der Planungsgruppe auf Ausfall gesetzt und als Sonderleistung gekennzeichnet. Im Rahmen der Monatsplanung sind ausgefallene Planschichten des Modells 2, die sich aus Ausfallschichten ergeben, vorrangig in gleicher Tageslage sowie mit gleichem Ort des Dienstbeginnes zu disponieren.
3. Kommunikation an die Mitarbeiter:
Modell 1:
Liegen die Änderungen nach Herausgabe der Monatsplanung und außerhalb des jeweiligen Schichtrahmens, ist die Zustimmung des Mitarbeiters erforderlich. Liegen diese Änderungen innerhalb des jeweiligen Schichtrahmens, ist keine gesonderte Absprache mit dem Mitarbeiter erforderlich, sondern die Information erfolgt im Rahmen der Wochenplanung.
Modell 2:
…
Modell 1 und 2:
Liegen die Planschichtänderungen nach Herausgabe der konkretisierten Grundschichten (in der Regel werden diese sieben Tage vorher eingestellt) werden diese ins Tablet eingestellt. Der Mitarbeiter informiert sich selbsttätig über die Änderung sofern er sich im Dienst befindet, Planschichtänderungen, die sich kurzfristiger als 4 Tage vorher ergeben und gleichzeitig eine Veränderung des Dienstbeginns- oder -endes betreffen, werden mit dem Mitarbeiter mündlich abgesprochen.
Die Betriebspartner sind sich darüber einig, dass die Besonderheit des Eisenbahnbetriebes das Erfordernis mit sich bringt, Mitarbeiter kurzfristig zu disponieren und einzusetzen. Das betrifft v. a. Änderungen von Dienstbeginn und Dienstende im Rahmen von Notfällen im Sinne des § 14 ArbZG und ebenso in den besonderen Fällen der § 43 Abs. 2 BasisTV und § 29 Abs. 2 LfTV/LfTV-TG/Zub TV/Lrf TV.
§ 6 Holen aus Ruhe
Grundsätzlich ist Holen aus Ruhe nicht erwünscht. Dies gilt nicht für die vereinbarten flexiblen Dispophasen nach § 4 Abs. 1.
Bei Abweichung vom Grundsatz ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zu beteiligen. …
Stimmt der Mitarbeiter der Belegung eines Ruhetages mit einer Schicht zu, hat er Anspruch auf einen Ersatzruhetag. Dieser Ersatzruhetag ist unmittelbar vom Einsatzplaner bzw. Leitstelle im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter zu vereinbaren.
Wird dem Mitarbeiter ein Ersatzruhetag gewährt, ist dieser entsprechend zu kennzeichnen und kann nicht mehr mit Arbeit belegt werden.
§ 7 Umgang mit ‚Mitarbeiterwünschen‘
Jeder Mitarbeiter erhält die Möglichkeit, rechtzeitig vor Erstellen der Monatsplanung Wünsche anzumelden. …
§ 8 Ausübung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
Zur Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte im Rahmen des Dispositionsverfahrens erhält der Betriebsrat lesenden Zugriff auf das verwendete Dispositionssystem.
Die Basiswochen und Monatsplanung werden dem Betriebsrat jeweils zur Zustimmung vorgelegt. Die Unterstützung des Plansprechers ist zwar gewünscht, jedoch nicht zwingend erforderlich.
Der Betriebsrat gibt dem Arbeitgeber seine Entscheidung unverzüglich bekannt: Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so teilt er dies dem Arbeitgeber unter Angabe von Gründen mit. In diesem Fall bemühen sich die Parteien um eine einvernehmliche Lösung.
Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung nicht bis zum Vortag der Schicht, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Betriebsrat die Schicht betriebsverfassungsrechtlich behandelt hat, gegen diese keine Einwände hat und die Schicht wie vorgelegt durchgeführt werden kann.
Im Modell 1 sind sich die Betriebspartner einig, dass die Ruhetage und die Zeiträume zwischen den Ruhetagen des Jahresschichtrasterplans nach § 52 b Abs. 1 Buchstabe b und c LfTV und § 56 Abs. 1 Buchstabe b und c ZubTV/LrfTV unverbindlich und somit verschiebbar sind (siehe hierzu § 52 Abs. 2 LfTV/§ 56 Abs. 2 ZubTV/LrfTV). Deswegen wird im Rahmen der Monatsplanung die betriebsverfassungsrechtliche Ablehnung einer Verschiebung der unverbindlichen Ruhetage auf folgende Fälle begrenzt: Nichteinhaltung der tarifvertraglichen und/oder arbeitszeitgesetzlichen Regelungen.
…
§ 9 Schlussbestimmungen
Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft.
…“
Der AGV MOVE und die EVG vereinbarten am 17. September 2020 neue Tarifverträge, die mit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2021 die Vorgängertarifverträge vom 14. Dezember 2018 ersetzten. Die „Grundsatzregelung zur gemeinsamen Gestaltung der Personal-, Sozial- und Tarifpolitik in den Unternehmen des DB Konzerns (DemografieTV)“ vom 17. September 2020 enthält die gleiche Regelung zur Arbeitszeitgestaltung der Betriebsparteien wie der vorangegangene DemografieTV.
Die GDL hat die Auffassung vertreten, sie könne nach § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG und nach § 23 Abs. 3 iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG von der Arbeitgeberin die Unterlassung der Durchführung der BV SEP, hilfsweise einzelner Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung verlangen.
Sie hat – soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung – in der Sache beantragt:
1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, die Betriebsvereinbarung über die Schicht- und Einsatzplanung vom 20. August 2019 durchzuführen,
2. der Arbeitgeberin für Zuwiderhandlungen gegen die beantragte Verpflichtung ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Ordnungsgeld anzudrohen.
Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.
3. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, die folgenden Vorschriften der Betriebsvereinbarung über die Schicht- und Einsatzplanung vom 20. August 2019 durchzuführen:
– § 2 Satz 1,
– § 2 Buchstabe a,
– § 2 Buchstabe b Satz 1,
– § 2 Satz 20,
– § 2 Satz 24,
– § 3,
– § 4,
– § 5,
4. der Arbeitgeberin für Zuwiderhandlungen gegen die beantragten Verpflichtungen ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Ordnungsgeld anzudrohen.
Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie haben den Standpunkt eingenommen, die BV SEP verstoße nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. § 11 Abs. 2 DemografieTV lasse den Abschluss betrieblicher Regelungen über die Schicht- und Einsatzplanung zu. Die Betriebsvereinbarung sei zudem als günstigere Regelung iSd. „Vereinbarung zur Umsetzung der persönlichen Planungssicherheit“ zulässig. Jedenfalls greife die Regelungssperre nicht ein, da die Schicht-, Einsatz- und Urlaubsplanung der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 BetrVG unterliege. Auf einen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG könne ein Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht gestützt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der GDL zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Gewerkschaft ihre Anträge weiter.
Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben der AGV MOVE und die GDL am 24. Februar 2022 neue Tarifverträge geschlossen. Diese sind rückwirkend zum 1. März 2021 in Kraft getreten und haben den BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL, den LfTV AGV MOVE/GDL, den ZubTV AGV MOVE/GDL und den LrfTV AGV MOVE/GDL vom 4. Januar 2019 ersetzt. Nach gerichtlichem Hinweis auf die Rechtsfolgen des Außerkrafttretens dieser Tarifverträge beantragt die GDL weiter,
hilfsweise für den Fall, dass der Senat über den Unterlassungsantrag zu 1. nicht in der Sache entscheidet,
5. festzustellen, dass die zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat abgeschlossene „Betriebsvereinbarung über die Schicht- und Einsatzplanung“ rechtsunwirksam ist,
hilfsweise für den Fall, dass der Senat über den Unterlassungsantrag zu 3. nicht in der Sache entscheidet,
6. festzustellen, dass
– § 2 Satz 1,
– § 2 Buchstabe a,
– § 2 Buchstabe b Satz 1,
– § 2 Satz 20,
– § 2 Satz 24,
– § 3,
– § 4,
– § 5,
der zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat abgeschlossenen „Betriebsvereinbarung über die Schicht- und Einsatzplanung“ rechtsunwirksam sind.
Aus den Gründen
17 B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der GDL ist unbegründet.
18 I. Die Rechtsbeschwerde ist insgesamt zulässig, insbesondere ordnungsgemäß begründet iSv. § 94 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3, § 74 Abs. 2 ArbGG. Das gilt auch, soweit sie sich gegen die Abweisung des Unterlassungsanspruchs auf Grundlage von § 23 Abs. 3 Satz 1, § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch das Landesarbeitsgericht wendet. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Rechtsbeschwerdebegründung nicht mit der Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein etwaiger Verstoß gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sei jedenfalls nicht grob iSv. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, auseinandersetzt. Die Unterlassungsansprüche werden auf denselben Lebenssachverhalt gestützt und bilden lediglich einen prozessualen Anspruch (Streitgegenstand), der auf unterschiedliche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt ist. Die rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist dann in vollem Umfang eröffnet, wenn eine Sach- oder Verfahrensrüge in zulässiger Weise in das Verfahren eingeführt worden ist (zum Revisionsverfahren BGH 18. Januar 2012 – I ZR 187/10 – zu II der Gründe, BGHZ 192, 204). Für die uneingeschränkte Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde genügt daher, dass sich die Rechtsbeschwerdebegründung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zum Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG hinreichend auseinandersetzt. Das ist vorliegend der Fall.
19 II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
20 1. Das Landesarbeitsgericht hat die Unterlassungsanträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
21 a) Die Unterlassungsanträge sind nach der gebotenen Auslegung zulässig.
22 aa) Mit dem Antrag zu 1. verlangt die GDL von der Arbeitgeberin, die Durchführung der BV SEP insgesamt zu unterlassen. Der Antrag ist darauf gerichtet, dass sich die Arbeitgeberin gegenwärtig und zukünftig bei ihrem weiteren betrieblichen Handeln nicht auf die von der GDL als tarifwidrig angesehene BV SEP stützt. Entsprechendes gilt für den hilfsweise gestellten Antrag zu 3.
23 bb) Mit diesem Inhalt sind die Anträge hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die begehrten Unterlassungspflichten sind so konkretisiert, dass die Arbeitgeberin erkennen kann, was von ihr verlangt wird (zu diesem Erfordernis BAG 7. Juni 2017 – 1 ABR 32/15 – Rn. 15 mwN, BAGE 159, 222).
24 cc) Die GDL ist antragsbefugt. Sie macht geltend, die Durchführung der tarifwidrigen Betriebsvereinbarung beeinträchtigte sie in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit. Auf solche Rechtsverletzungen gestützte Unterlassungsbegehren erscheinen nicht von vornherein als aussichtslos (sh. dazu BAG 7. Juni 2017 – 1 ABR 32/15 – Rn. 16 mwN, BAGE 159, 222).
25 b) Neben der Arbeitgeberin ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG der Betriebsrat beteiligt. Die EVG und der AGV MOVE sind hingegen nicht beteiligt.
26 aa) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind im Beschlussverfahren neben dem Antragsteller die Stellen beteiligt, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen sind (BAG 20. März 2018 – 1 ABR 15/17 – Rn. 13).
27 bb) Der Betriebsrat wird durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen, da sich das Begehren gegen die Durchführung der von ihm mitvereinbarten Betriebsvereinbarung durch die Arbeitgeberin (§ 77 Abs. 1 BetrVG) richtet (vgl. BAG 7. Juni 2017 – 1 ABR 32/15 – Rn. 17, BAGE 159, 222). Dagegen wirkt sich die Entscheidung nicht unmittelbar auf die Rechtsposition der EVG oder des AGV MOVE aus.
28 c) Die Unterlassungsanträge sind unbegründet.
29 aa) Die GDL kann ihr Begehren nach den Anträgen zu 1. und 3. nicht auf § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG stützen.
30 (1) Einer Gewerkschaft steht bei einer Verletzung ihrer Koalitionsfreiheit durch tarifwidrige Betriebsvereinbarungen ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG zu.
31 (a) Art. 9 Abs. 3 GG schützt eine Koalition in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Geschützt ist insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen. Das schließt den Bestand und die Anwendung geschlossener Tarifverträge ein (BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 131, BVerfGE 146, 71). Die Koalitionsfreiheit wird nicht erst dann beeinträchtigt, wenn eine Koalition daran gehindert wird, Tarifrecht zu schaffen. Eine Einschränkung oder Behinderung dieses Freiheitsrechts liegt bereits in Abreden oder Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Wirkung des von Koalitionen geschaffenen Tarifrechts zu vereiteln oder leerlaufen zu lassen. Unschädlich ist, ob entsprechende Abreden nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtig sind, also die tarifliche Ordnung nicht in rechtlich erzwingbarer Weise ersetzen können. Die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit liegt bereits in der Eignung solcher Absprachen, aufgrund ihres erklärten Geltungsanspruchs faktisch an die Stelle der tariflichen Regelung zu treten. Darauf zielen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen und auf deren Grundlage getroffene Vereinbarungen mit einem vom Tarifvertrag abweichenden Inhalt ab. Ihr Zweck ist es, Tarifnormen als kollektive Ordnung zu verdrängen und sie damit ihrer zentralen Funktion zu berauben (BAG 7. Juni 2017 – 1 ABR 32/15 – Rn. 20, BAGE 159, 222; 17. Mai 2011 – 1 AZR 473/09 – Rn. 35, BAGE 138, 68).
32 (b) Geltendes Tarifrecht wird allerdings nur dann verdrängt, wenn der betreffende Tarifvertrag im Anwendungsbereich der fraglichen betrieblichen Regelung normativ gilt, sei es nach § 3 Abs. 1 TVG oder § 3 Abs. 3 TVG. Soweit es daran fehlt, besteht kein Geltungsanspruch des Tarifvertrags. Mit Beendigung der Tarifgebundenheit entfällt die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit als Voraussetzung eines negatorischen Unterlassungsanspruchs, der auf die Abwehr zukünftiger Störungen gerichtet ist (vgl. BAG 7. Juni 2017 – 1 ABR 32/15 – Rn. 21 mwN, BAGE 159, 222).
33 (2) Danach besteht die geltend gemachte Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit nicht mehr. Die Arbeitgeberin ist nicht mehr an die Tarifverträge vom 4. Januar 2019, auf welche die GDL ihren Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG stützt, gebunden. Diese sind durch die Nachfolgetarifverträge vom 24. Februar 2022, die zum 1. März 2021 in Kraft getreten sind, abgelöst worden. Die Berücksichtigung dieser erst nach Schluss der Anhörung in der Beschwerdeinstanz abgeschlossenen Tarifverträge unterfällt nicht dem Verbot der Berücksichtigung neuer Tatsachen aus § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Derartige Normtatsachen, zu denen auch die zeitliche Geltung von Tarifnormen gehört, sind nach § 293 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BAG 21. März 2018 – 5 AZR 2/17 – Rn. 16 mwN).
34 (3) Demgegenüber stützt die GDL ihren Unterlassungsanspruch nicht (auch) auf eine Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit im Hinblick auf die Nachfolgetarifverträge vom 24. Februar 2022. Das wäre als Antragsänderung in der Rechtsbeschwerdeinstanz auch nicht zulässig.
35 (a) Eine Antragsänderung setzt nicht zwingend eine Änderung des konkret gestellten Antrags voraus. Der Verfahrensgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO auch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrundeliegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist (BAG 8. Dezember 2010 – 7 ABR 69/09 – Rn. 16 mwN).
36 (b) Antragserweiterungen und sonstige Antragsänderungen sind im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht – abgesehen von den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO – aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen zugelassen, wenn sich der neue Sachantrag auf einen in der Beschwerdeinstanz festgestellten oder von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Beteiligten durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden (BAG 15. Mai 2018 – 1 ABR 75/16 – Rn. 36, BAGE 162, 379; 18. Mai 2016 – 7 ABR 81/13 – Rn. 24 mwN; 17. November 2010 – 4 AZR 118/09 – Rn. 12).
37 (c) Danach wäre eine Antragsänderung unzulässig gewesen. Mit der durch die Tarifverträge vom 24. Februar 2022 eingetretenen Änderung des Lebenssachverhalts ändert sich – bei gleichbleibendem Antrag – das rechtliche Prüfprogramm nicht nur unwesentlich. Es wäre in jedem Fall – unabhängig von einer ggf. bestehenden Verdrängung der Tarifverträge nach § 4a Abs. 1 TVG infolge der abgelaufenen Laufzeit des TV Grundsatzfragen – die Tarifwidrigkeit der BV SEP unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der gegenüber den Vorgängerregelungen vom 4. Januar 2019 geänderten Tarifverträge zu prüfen. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von denjenigen, in denen ein Anspruch auf unveränderte tarifliche Merkmale gestützt wird (zum Durchführungsanspruch BAG 13. Oktober 2021 – 4 AZR 403/20 – Rn. 48; im Rahmen eines Eingruppierungsrechtsstreits BAG 9. September 2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 15, BAGE 172, 130).
38 bb) Ein Anspruch auf Unterlassung der Durchführung der BV SEP insgesamt oder der im Antrag zu 3. bezeichneten Bestimmungen folgt auch nicht aus § 23 Abs. 3 iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG.
39 (1) Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft dem Arbeitgeber bei groben Verstößen gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen, eine Handlung zu unterlassen. Die Regelung dient dem Schutz der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung gegen grobe Verstöße des Arbeitgebers. Es soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sichergestellt werden, indem der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten angehalten wird (BAG 8. März 2022 – 1 ABR 19/21 – Rn. 41; 12. März 2019 – 1 ABR 42/17 – Rn. 72, BAGE 166, 79).
40 (2) Danach sind die Unterlassungsanträge der GDL ohne Erfolg. Es kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG „eine Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung“ bildet, die einen gewerkschaftlichen Unterlassungsanspruch gegen bei ihrem Abschluss tarifwidrige und daher unwirksame Betriebsvereinbarungen trägt (so BAG 20. August 1991 – 1 ABR 85/90 – zu B III 1 b der Gründe, BAGE 68, 200; für einen gewerkschaftlichen Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung BAG 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 110, 252; offengelassen in BAG 7. Juni 2017 – 1 ABR 32/15 – Rn. 23, BAGE 159, 222; 13. März 2001 – 1 AZB 19/00 – zu C I 2 a der Gründe, BAGE 97, 167; 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 – zu B II 1 a der Gründe, BAGE 91, 210). Auch dann wären die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mangels eines erforderlichen groben Verstoßes nicht erfüllt.
41 (a) Die BV SEP verstößt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
42 (aa) Nach dieser Bestimmung können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Das gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG jedoch ua. dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Die Bestimmung verdeutlicht, dass es den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleibt, ob sie ergänzende Betriebsvereinbarungen zulassen wollen oder nicht. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten ist und der Betrieb in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt. Auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kommt es nicht an. Ein Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung (BAG 17. August 2021 – 1 AZR 175/20 – Rn. 19; 13. August 2019 – 1 AZR 213/18 – Rn. 41, BAGE 167, 264).
43 Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift indes nicht, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (grdl. BAG 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – zu C I 4 der Gründe, BAGE 69, 134; vgl. auch BAG 17. August 2021 – 1 AZR 175/20 – Rn. 19; 13. August 2019 – 1 AZR 213/18 – Rn. 41, BAGE 167, 264). Ein solches Mitbestimmungsrecht setzt allerdings nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG voraus, dass insoweit keine zwingende tarifliche Regelung besteht, an die der Arbeitgeber gebunden ist. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt daher auch im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG dann zur – vollständigen oder partiellen – Unwirksamkeit einer betrieblichen Regelung, wenn dieser eine zwingende tarifliche Regelung entgegensteht (BAG 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 110, 252; sh. weiterhin BAG 12. März 2019 – 1 AZR 307/17 – Rn. 39; 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10 – Rn. 19, BAGE 139, 332: „Binnengrenze“).
44 (bb) Danach wird die Regelung der Wahlmodelle für die Schicht- und Einsatzplanung in §§ 2 bis 4 BV SEP von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfasst.
45 (aaa) Der Wahlbetrieb Oberbayern wurde bei Abschluss der Betriebsvereinbarung am 20. August 2019 vom räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL, des LfTV AGV MOVE/GDL, des ZubTV AGV MOVE/GDL und des LrfTV AGV MOVE/GDL erfasst. Die BV SEP gilt persönlich für Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG, die in den persönlichen Geltungsbereich der vorgenannten Tarifverträge fallen (§ 1 Abs. 1 BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL, § 1 Abs. 1 LfTV AGV MOVE/GDL, § 1 Abs. 1 ZubTV AGV MOVE/GDL, § 1 Abs. 1 LrfTV AGV MOVE/GDL).
46 (bbb) Gegenstand der §§ 2 bis 4 BV SEP sind insbesondere die Grundsätze der Schicht- und Einsatzplanung, die bei Abschluss der Betriebsvereinbarung am 20. August 2019 bereits in § 3 BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL vom 4. Januar 2019 vereinbart waren und durch § 52b Abs. 1 LfTV AGV MOVE/GDL, § 56 Abs. 1 ZubTV AGV MOVE/GDL und § 56 Abs. 1 LrfTV AGV MOVE/GDL vom 4. Januar 2019 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 ergänzend geregelt wurden.
47 (cc) Der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG steht nicht entgegen, dass sich die Geltungsbereiche der nicht inhaltsgleichen Tarifverträge der GDL und der EVG überschneiden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob ein nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG verdrängter Minderheitstarifvertrag die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auslöst (so BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 168, BVerfGE 146, 71; vgl. auch DKW/Berg 18. Aufl. § 77 Rn. 145; Fitting 31. Aufl. § 77 Rn. 81a; ErfK/Kania 23. Aufl. BetrVG § 77 Rn. 49; Schaub ArbR-HdB/Ahrendt 19. Aufl. § 231 Rn. 27; aA Greiner RdA 2022, 164, 165; Kreutz GK-BetrVG 12. Aufl. § 77 Rn. 111; Richardi/Richardi/Picker BetrVG 17. Aufl. § 77 Rn. 281). Der BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL, der LfTV AGV MOVE/GDL, der ZubTV AGV MOVE/GDL und der LrfTV AGV MOVE/GDL konnten bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG verdrängt werden. Die Tarifvertragsparteien hatten die Anwendung von § 4a TVG wirksam abbedungen.
48 (aaa) § 4a TVG ist tarifdispositiv. Das folgt zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut. Dafür spricht aber, dass der Gesetzgeber mit dem Tarifeinheitsgesetz in erster Linie auf eine Selbststeuerung der Tarifvertragsparteien zielt, um über die Vorwirkung dieser Regelung eine Kollision mit der Folge des Tarifverlusts zu vermeiden. § 4a TVG greift nur subsidiär ein, wenn eine autonome Verständigung der Tarifvertragsparteien nicht gelingt (BT-Drs. 18/4062 S. 9, 12). Ein solches Verständnis entspricht der grundrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit. Es erhöht die Spielräume der Tarifvertragsparteien (BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 178, BVerfGE 146, 71; BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 69, BAGE 163, 108).
49 (bbb) Der Ausschluss des § 4a TVG wurde durch die Tarifvertragsparteien wirksam vereinbart.
50 (aaaa) Erforderlich für den Ausschluss ist eine Vereinbarung aller von der Kollisionsnorm des § 4a Abs. 2 TVG (positiv oder negativ) betroffenen Tarifvertragsparteien (BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 179, BVerfGE 146, 71). Das sind die in einem Betrieb kollidierend tarifierenden Gewerkschaften und der Arbeitgeber oder – im Fall des Verbandstarifvertrags – der Arbeitgeberverband.
51 (bbbb) Für diese schuldrechtliche Vereinbarung der Tarifvertragsparteien gelten keine besonderen formalen Voraussetzungen. Ein einheitlicher Vertragsschluss aller an der Tarifkollision beteiligten Tarifvertragsparteien ist nicht erforderlich. Vielmehr kann § 4a TVG auch dadurch wirksam abbedungen werden, dass – wie vorliegend – der Arbeitgeberverband mit jeder der betroffenen Gewerkschaften entsprechende Vereinbarungen trifft. Die Rechtsfolgen des Ausschlusses, die Verdrängung (§ 4a Abs. 2 Satz 2 TVG) und das Nachzeichnungsrecht (§ 4a Abs. 4 TVG) betreffen das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft sowie deren jeweiligen Mitgliedern. Daher ist es ausreichend, dass der Arbeitgeberverband beiden Gewerkschaften zusagt, sich nicht auf § 4a TVG zu berufen (vgl. ErfK/Franzen 23. Aufl. TVG § 4a Rn. 22 f. mwN), oder mit beiden Gewerkschaften den Ausschluss von § 4a TVG vereinbart.
52 (cccc) Die Tarifvertragsparteien können weiterhin einen Ausschluss von § 4a TVG zeitlich begrenzen. Hat der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband mit den in einem Betrieb kollidierend tarifierenden Gewerkschaften getrennte Vereinbarungen mit unterschiedlichen Laufzeiten geschlossen, ist § 4a TVG im Überschneidungszeitraum abbedungen.
53 (dddd) Danach war die Arbeitgeberin an die von der GDL geschlossenen Tarifverträge vom 4. Januar 2019 bei Abschluss der Betriebsvereinbarung am 20. August 2019 unmittelbar und zwingend gebunden. Die handelnden Tarifvertragsparteien hatten die Anwendung von § 4a TVG mit dem TV Kollisionsfreiheit vom 27. Mai 2015 einerseits und dem TV Grundsatzfragen vom 30. Juni 2015 anderseits jedenfalls bis zum Ende der Laufzeit des TV Grundsatzfragen am 31. Dezember 2020 wirksam abbedungen.
54 (dd) Die Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG war nicht nach dessen Satz 2 aufgehoben.
55 (aaa) Im tarifpluralen Betrieb entfaltet jeder Tarifvertrag im Rahmen seines Geltungs- und Regelungsbereichs die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (DKW/Berg 18. Aufl. § 77 Rn. 144; Fitting 31. Aufl. § 77 Rn. 81a; Kreutz GK-BetrVG 12. Aufl. § 77 Rn. 112; ErfK/Kania 23. Aufl. BetrVG § 77 Rn. 49; Richardi/Richardi/Picker BetrVG 17. Aufl. § 77 Rn. 279; Schaub ArbR-HdB/Ahrendt 19. Aufl. § 231 Rn. 27; Greiner RdA 2022, 164, 165; B. Schmidt Tarifpluralität im System der Arbeitsrechtsordnung S. 478; Schneider Die Auswirkungen von Tarifmehrheiten im Betrieb auf die Betriebsverfassung S. 307). Die Sperrwirkung entfällt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nur, wenn alle Tarifverträge eine entsprechende Öffnungsklausel enthalten. Eine Öffnungsklausel in nur einem von mehreren Tarifverträgen reicht nicht aus (Fitting aaO Rn. 81b; Richardi/Richardi/Picker aaO Rn. 317; Schaub ArbR-HdB/Ahrendt aaO; Schneider aaO S. 325; aA Franzen RdA 2008, 193, 200; Greiner Rechtsfragen der Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfpluralität 2. Aufl. S. 379: durch Öffnungsklausel im Mehrheitstarifvertrag; NK-GA/Schwarze § 77 BetrVG Rn. 31: Sperrwirkung nur für die an den sperrenden Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer; B. Schmidt aaO S. 508: Aufhebung der Sperrwirkung bzgl. der an den Tarifvertrag mit Öffnungsklausel gebundenen Arbeitnehmer). Das ergibt die Auslegung der gesetzlichen Regelung (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14 ua. – Rn. 74 f., BVerfGE 149, 126; BAG 11. Dezember 2019 – 4 AZR 310/16 – Rn. 22 mwN, BAGE 169, 106).
56 (aaaa) Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. Nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG muss „ein Tarifvertrag“ den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulassen. Das Wort „ein“ kann sowohl im Sinne eines Zahlworts als auch als unbestimmter Artikel verwendet werden. Der Regelungszusammenhang lässt ebenfalls nicht erkennen, ob eine Öffnungsklausel in einem von mehreren Tarifverträgen die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG insgesamt aufhebt. Die Verwendung des Singulars in Satz 1 „durch Tarifvertrag“ und Satz 2 „ein Tarifvertrag“ könnte aber dafür sprechen, dass die Sperrwirkung eines Tarifvertrags nur von den jeweiligen Tarifvertragsparteien beseitigt werden kann.
57 (bbbb) Sinn und Zweck des § 77 Abs. 3 BetrVG stehen der Annahme entgegen, eine Öffnungsklausel in einem von mehreren Tarifverträgen könne die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG aufheben. Die Vorschrift dient der Sicherung der aktualisierten und ausgeübten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen. Sie soll verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend – und sei es inhaltsgleich – in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein (st. Rspr., vgl. etwa BAG 18. März 2020 – 5 AZR 36/19 – Rn. 20, BAGE 170, 172; 23. Januar 2018 – 1 AZR 65/17 – Rn. 17, BAGE 161, 305; 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – zu C I 1 der Gründe, BAGE 69, 134). Im Geltungsbereich tariflicher Bestimmungen sind betriebliche Regelungen nur zulässig, wenn die Tarifvertragsparteien ihre Regelungsbefugnis iSv. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ausdrücklich zurücknehmen (BAG 20. April 1999 – 1 AZR 631/98 – zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 91, 244).
58 (cccc) Daher setzt die Zulässigkeit betrieblicher Regelungen im tarifpluralen Betrieb voraus, dass die Sperrwirkung aller Tarifverträge aufgehoben wird. Die Entscheidung über die Öffnung „ihres“ Tarifvertrags für betriebliche Regelungen kann als eine von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Entscheidung über die Anwendung der tariflichen Regelung nur von den Parteien des jeweiligen Tarifvertrags selbst getroffen werden. Anderen Tarifvertragsparteien steht insoweit keine Regelungskompetenz zu. Sie können nicht, selbst bei einem Verzicht auf eine eigene inhaltliche Regelung, den Betriebsparteien die Möglichkeit eröffnen, von Bestimmungen anderer Tarifvertragsparteien abzuweichen (BAG 20. April 1999 – 1 AZR 631/98 – zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 91, 244). Das liefe dem Zweck der Sicherung der Tarifautonomie zuwider und wäre nicht mit der gesetzlichen Wertung zu vereinbaren, tariflichen Regelungen von Arbeitsbedingungen Vorrang vor betrieblichen Regelungen einzuräumen.
59 (bbb) Danach war die Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht durch dessen Satz 2 aufgehoben. Der von AGV MOVE und EVG vereinbarte § 11 Abs. 2 DemografieTV konnte die Sperrwirkung der tariflichen Regelungen von AGV MOVE und GDL (§ 3 BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL, § 52b Abs. 1 LfTV AGV MOVE/GDL, § 56 Abs. 1 ZubTV AGV MOVE/GDL und § 56 Abs. 1 LrfTV AGV MOVE/GDL) nicht beseitigen. Die Regelungen über die Grundsätze der Schicht- und Einsatzplanung in §§ 2 bis 4 BV SEP waren auch nicht durch Öffnungsklauseln im Tarifwerk von AGV MOVE und GDL zugelassen.
60 (aaaa) Die Öffnungsklausel in § 3 Abschnitt II Abs. 4 BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL ermöglicht den Tarifvertragsparteien lediglich eine Abweichung von der zeitlichen Abfolge der Ruhetage. Die Öffnungsklauseln in § 52b Abs. 2 LfTV AGV MOVE/GDL, § 56 Abs. 2 ZubTV AGV MOVE/GDL und § 56 Abs. 2 LrfTV AGV MOVE/GDL betreffen ebenfalls nur die Festlegung von Ruhetagen.
61 (bbbb) § 3 Abschnitt III Abs. 4 BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL lässt sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, der Abschluss ergänzender oder ändernder Betriebsvereinbarungen sei zulässig (zu diesem Erfordernis BAG 17. Januar 2012 – 1 AZR 482/10 – Rn. 27). Die Bestimmung stellt nur klar, dass die tarifliche Regelung über Grundsätze der Schicht- und Einsatzplanung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Aufstellung der einzelnen Schicht- und Einsatzpläne unberührt lässt.
62 (cccc) Die Bestimmungen in §§ 2 bis 4 BV SEP sind auch nicht durch die von AGV MOVE, Deutsche Bahn AG und GDL getroffene „Vereinbarung zur Umsetzung der persönlichen Planungssicherheit des Zugpersonals“ vom 4. Januar 2019 als günstigere Regelungen zugelassen. Der Satz „Abweichungen zugunsten der Arbeitnehmer können betrieblich vereinbart werden“ bringt weder die Zulässigkeit abweichender Regelungen noch die erforderliche Bestimmung von Gegenstand und Umfang deutlich zum Ausdruck. Vielmehr lässt die Formulierung „aus dieser Systematik folgt …“ erkennen, dass lediglich die Rechtslage – der Tarifvertrag will keine Höchstarbeitsbedingungen regeln – beschrieben und klargestellt werden soll.
63 (ee) Die zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG steht der aus § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG folgenden Sperrwirkung für abweichende Regelungen über Grundsätze der Schicht- und Einsatzplanung nicht entgegen. Dem Betriebsrat steht aufgrund des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG kein Mitbestimmungsrecht nach Nr. 2 und Nr. 5 der Bestimmung zu, soweit die Tarifverträge von AGV MOVE und GDL hierzu Regelungen treffen (Rn. 43).
64 (aaa) Der Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG verlangt die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers iSv. § 3 Abs. 1 TVG (BAG 26. September 2017 – 1 ABR 57/15 – Rn. 17, BAGE 160, 232; 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10 – Rn. 21, BAGE 139, 332). Einer normativen Gebundenheit der betriebszugehörigen Arbeitnehmer bedarf es nicht. Das gilt auch dann, wenn es sich bei der das Mitbestimmungsrecht verdrängenden tariflichen Regelung um Inhaltsnormen handelt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine bestehende tarifliche Regelung dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer ausreichend Rechnung trägt und daher Mitbestimmungsrechte entbehrlich sind. Etwaige mitbestimmungsrechtliche Schutzlücken sind nach dem Zweck des jeweiligen Mitbestimmungstatbestands zu schließen (BAG 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10 – Rn. 21, 26, aaO).
65 (bbb) In einem tarifpluralen Betrieb gelten dieselben Grundsätze. Jede tarifliche Regelung, an die der Arbeitgeber gebunden ist, verdrängt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats insgesamt auch hinsichtlich anderweitig oder nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern und nicht nur für solche, die an den die Sperrwirkung auslösenden Tarifvertrag gebunden sind (Fitting 31. Aufl. § 87 Rn. 46; Richardi/Richardi/Maschmann BetrVG 17. Aufl. § 87 Rn. 158; Koch SR 2017, 19, 21; Schnitker/Sittard ZTR 2015, 423, 424; aA Wiese GK-BetrVG 12. Aufl. § 87 Rn. 69; Franzen RdA 2008, 193, 200; Greiner Rechtsfragen der Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfpluralität 2. Aufl. S. 382; Jacobs NZA 2008, 325, 332; B. Schmidt Tarifpluralität im System der Arbeitsrechtsordnung S. 507; Schneider Die Auswirkungen von Tarifmehrheiten im Betrieb auf die Betriebsverfassung S. 341; Willemsen/Mehrens NZA 2010, 1313, 1315).
66 (aaaa) Die Annahme eines beschränkten Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bezogen auf anderweitig tarifgebundene Arbeitnehmer widerspräche der gesetzlichen Konzeption. Der Zweck des § 87 Abs. 1 BetrVG, alle betriebszugehörigen Arbeitnehmer in den sozialen Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG vor der einseitigen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers zur schützen, gebietet keine Begrenzung des im Eingangshalbsatz geregelten Tarifvorbehalts auf die Arbeitnehmer, die an die den Tarifvorbehalt begründenden tariflichen Regelungen normativ gebunden sind. Anderweitig tarifgebundene Arbeitnehmer, deren Tarifvertrag aufgrund einer Abbedingung des § 4a TVG nicht verdrängt wird, werden zunächst durch dessen Regelungen geschützt. Selbst wenn eine aus der spezifischen normativen Wirkung tariflicher Inhaltsnormen mitbestimmungsrechtliche Schutzlücke zu Lasten der anderweitig tarifgebundenen Arbeitnehmer angenommen werden könnte, führte dies nicht dazu, dass der Tarifvorbehalt nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG im tarifpluralen Betrieb eine beiderseitige Tarifgebundenheit voraussetzt. Eine etwaige auf Grundlage des konkurrierenden Tarifvertrags verbleibende mitbestimmungsrechtliche Schutzlücke wäre – ebenso wie eine solche zu Lasten von nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern (grdl. BAG 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10 – Rn. 16 bis 26, BAGE 139, 332; zur Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG weiterhin BAG 13. August 2019 – 1 ABR 10/18 – Rn. 38, BAGE 167, 252; 23. August 2016 – 1 ABR 15/14 – Rn. 18) – nach dem Zweck und der Reichweite des jeweiligen Mitbestimmungstatbestands zu schließen.
67 (bbbb) Dieses Verständnis von § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG greift – anders als die Arbeitgeberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat – auch nicht in unzulässiger Weise in die Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien ein, deren Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält, die aber aufgrund der abschließenden Regelung in einem anderen Tarifvertrag nicht für betriebliche Vereinbarungen zur Anwendung kommen kann. Dabei kann dahinstehen, ob sich aus der fehlenden Möglichkeit der Anwendung einer Öffnungsklausel auf betrieblicher Ebene durch die Betriebsparteien überhaupt eine Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit ergeben kann (zum Schutz der Anwendung geschlossener Tarifverträge BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 131, BVerfGE 146, 71). Eine Ausnahme in Bezug auf diejenigen Arbeitnehmer, die an einen Tarifvertrag mit Öffnungsklausel gebunden sind, würde die Tarifvertragsparteien dieses Tarifvertrags und ihre Mitglieder zwar weniger belasten, wäre aber zur Erreichung des mit dem Tarifvorbehalt verfolgten Ziels nicht gleich wirksam. Vielmehr würde eine Konkurrenz von – ggf. auch inhaltsgleichen – tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen ermöglicht, die der Tarifvorbehalt gerade verhindern soll. Den Parteien des Tarifvertrags mit einer Öffnungsklausel – hier AGV MOVE und EVG – bleibt es unbenommen, zur Regelung der Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder eigene inhaltliche Regelungen zu treffen. Vorliegend ist die Nichtanwendbarkeit der von ihnen in § 11 Abs. 2 DemografieTV vereinbarten Öffnungsklausel zudem eine Folge der gewillkürten Tarifpluralität. Sie beruht damit – ungeachtet einer möglichen Verdrängungswirkung nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG – auf ihrer eigenen Entscheidung, die Anwendung des § 4a TVG abzubedingen.
68 (ccc) Danach war die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit aufgehoben. Dem Betriebsrat stand hinsichtlich der Festlegung der Grundsätze der Schicht- und Einsatzplanung sowie der Urlaubsplanung aufgrund des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG und der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin an die zwingenden und insoweit abschließenden inhaltlichen Regelungen in § 3 BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL, § 52b Abs. 1 LfTV AGV MOVE/GDL, § 56 Abs. 1 ZubTV AGV MOVE/GDL und § 56 Abs. 1 LrfTV AGV MOVE/GDL kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG in diesem Umfang zu.
69 (ff) Der Verstoß der Regelungen in §§ 2 bis 4 BV SEP gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung.
70 (aaa) §§ 2 bis 4 BV SEP sind infolge des Verstoßes gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Das Außerkrafttreten des BuRa-ZugTV AGV MOVE/GDL, des LfTV AGV MOVE/GDL, des ZubTV AGV MOVE/GDL und des LrfTV AGV MOVE/GDL infolge der Ablösung durch die Nachfolgetarifverträge (Rn. 16) lässt die Unwirksamkeit dieser Regelungen der BV SEP nicht entfallen.
71 (bbb) Die Unwirksamkeit der genannten Bestimmungen der BV SEP bedingt nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB (BAG 9. Juli 2013 – 1 ABR 19/12 – Rn. 39 mwN, BAGE 145, 330) die Unwirksamkeit der gesamten BV SEP. Der verbleibende Teil der Betriebsvereinbarung stellt ersichtlich keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar. Die Bestimmungen knüpfen an die Regelung der Wahlmodelle in den §§ 2 bis 4 BV SEP an und können ohne diese die ihnen zugedachte Funktion nicht erfüllen.
72 (b) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Arbeitgeberin habe nicht grob iSv. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßen.
73 (aa) Ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen seine sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebenden Pflichten liegt vor, wenn es sich um eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung handelt. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Allerdings scheidet ein grober Verstoß des Arbeitgebers dann aus, wenn er seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt (BAG 18. März 2014 – 1 ABR 77/12 – Rn. 15; 19. Januar 2010 – 1 ABR 55/08 – Rn. 28, BAGE 133, 75).
74 (bb) Bei der Gewichtung eines Verhaltens des Arbeitgebers als „groben Verstoß“ gegen die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz haben die Tatsacheninstanzen einen Beurteilungsspielraum. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur nachprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Begriff selbst verkannt hat, ob die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen des Übersehens wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (BAG 18. März 2014 – 1 ABR 77/12 – Rn. 16; 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – zu B IV 2 b bb der Gründe, BAGE 110, 252).
75 (cc) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts stand. Es hat – einen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unterstellend – angenommen, ein solcher sei unter Berücksichtigung der schwierigen und bislang ungeklärten Rechtsfragen, die sich in einem gewillkürt tarifpluralen Betrieb mit unterschiedlichen tariflichen Öffnungsklauseln stellen, nicht als grob iSv. § 23 Abs. 3 BetrVG anzusehen. Damit hat das Landesarbeitsgericht den Begriff des „groben Verstoßes“ nicht verkannt. Es hat mit seiner Annahme auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen. Ob und in welchem Umfang die Arbeitgeberin mit der Durchführung der BV SEP gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstößt, hängt von der Beantwortung von umstrittenen und bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfragen ab. Sie betreffen die Voraussetzungen der Sperrwirkung nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG im Falle einer Tarifpluralität sowie die Frage, ob die Sperrwirkung bereits durch eine in einem von mehreren Tarifverträgen enthaltene Öffnungsklausel beseitigt wird. Weiterhin war bisher nicht geklärt, ob in einer solchen Fallgestaltung eine abschließende tarifliche Regelung, an die der Arbeitgeber gebunden ist, die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG insgesamt sperrt.
76 2. Die Ordnungsgeldanträge zu 2. und 4. sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Sie sind ersichtlich nur für den Fall der Stattgabe der Unterlassungsanträge gestellt. Diese – zulässige – innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.
77 3. Ebenfalls sind die in der Rechtsbeschwerdeinstanz hilfsweise gestellten Feststellungsanträge nicht vom Senat zu entscheiden. Die Anträge stehen unter der zulässigen, aber nicht eingetretenen innerprozessualen Bedingung der Abweisung der Unterlassungsanträge wegen Unzulässigkeit.
78 a) Die innerprozessuale Bedingung ist zulässig. Eine innerprozessuale Bedingung muss nicht notwendigerweise das Unterliegen oder Obsiegen mit dem Hauptantrag sein (BAG 17. Dezember 2015 – 2 AZR 304/15 – Rn. 23, BAGE 154, 20). Ebenso ist es zulässig, einen Feststellungsantrag – wie hier – nur für den Fall zu stellen, dass der Leistungsantrag als unzulässig abgewiesen wird (vgl. BAG 19. November 2015 – 6 AZR 559/14 – Rn. 18 mwN, BAGE 153, 271).
79 b) Die Voraussetzungen der Bedingung liegen nicht vor. Der Senat hat über die Unterlassungsanträge in der Sache entschieden. Die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft beruht auf der Unbegründetheit der Unterlassungsanträge.