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Arbeitsrecht
10.01.2008
Arbeitsrecht
: Gegenstandswert für Antrag nach § 99 IV BetrVG bei Einstellung von Leiharbeitnehmer

LAG Hamburg, Beschluss vom 27.9.2007 - 8 Ta 10/07, rkr.

Leitsätze:

1. Der Gegenstandswert für den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung eines Leiharbeitnehmers gemäß § 99 IV BetrVG entspricht dem Entgelt, welches der Arbeitgeber für eine zweimonatige Leihe des betroffenen Arbeitnehmers aufzuwenden hat.

2. Der Gegenstandswert für den Feststellungsantrag nach § 100 II 3 BetrVG bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern dem Entgelt, welches der Arbeitgeber für eine zweimonatige Leihe des betroffenen Arbeitnehmers aufzuwenden hat.

3. Eine Herabsetzung des Gegenstandswerts allein deshalb, weil gleichzeitig über eine Mehrzahl gleichartiger Fälle zu entscheiden ist, kommt regelmäßig nicht in Betracht.

§ 99 IV BetrVG; § 100 II 3 BetrVG

Sachverhalt:

Im Ausgangsverfahren hat der Arbeitgeber beantragt, die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers für den Zeitraum vom 21.08. bis zum 31.12.2006 zu ersetzen und festzustellen, dass die Einstellung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Für die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers hatte der Arbeitgeber monatlich € 4.920,- aufzuwenden. Nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt. Durch Beschluss vom 27.03.2007 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren in Anwendung von § 23 III 2 RVG auf € 6.000,- fest. Der Beschluss wurde den Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats am 29.03.2007 zugestellt. Der am 12.04.2007 bei Gericht eingegangenen Beschwerde hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen.

Aus den Gründen:

II. Die Beschwerde ist gemäß § 33 III RVG zulässig, sie ist insbesondere von einem Antragsberechtigten (§ 33 II 2 RVG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwer übersteigt € 200,-. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des LAG Hamburg beträgt der Gegenstandswert für einen Antrag nach § 99 IV BetrVG, mit dem der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrat zu einer Einstellung ersetzen lassen will, 2 Monats­gehälter des betroffenen Arbeitnehmers. Für den Antrag nach § 100 II 3 BetrVG ist ein ist in diesen Fällen die Hälfte von diesem Wert, also ein weiteres Monatsgehalt in Ansatz zu bringen (LAG Hamburg v. 20.11.2006 - 8 Ta 14/06 - juris; v. 09.12.1996 - 3 Ta 21/95 - n. v.; v. 27.08. 1998 - 3 Ta 14/99 - n. v.; v. 02.12.2004 - 4 Ta 26/04 - NZA-RR 05, 209; v. 15.03.2000 - 5 Ta 2/00 - juris; ebenso LAG Düsseldorf v. 11.05.1999 - 7 Ta 143/99 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 41).

Zutreffend ist das Arbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, dass es bei dem Streit um die Ausübung eines Mitbestimmungs­rechts durch den Betriebsrat um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit handelt (LAG Hamburg v. 20.11.2006 - 8 Ta 14/06 - juris, Tz 9; v. 02.12.2004 - 4 Ta 26/04 - NZA-RR 05, 209; LAG Berlin v. 18.03.2003 - 17 Ta(Kost) 6009/03 - NZA 04, 342; LAG Bremen v. 18.08.2000 - 1 Ta 45/00 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 46). Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts für eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit ist in erster Line auf die materielle Bedeutung der Sache und auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits abzustellen. Darüber hinaus können rechtliche und tatsächliche Besonderheiten des Falles angemessen berücksichtigt werden, soweit dafür objektivierbare Anhaltspunkte erkennbar sind.

Eine Orientierung an dem in § 23 III RVG genannten Hilfswert, wie sie das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss vorgenommen hat, hält die Beschwerdekammer bei Anträgen nach § 99 IV BetrVG im Regelfall nicht für sachgerecht. Sie berücksichtigt zu wenig, dass Mitwirkungsrechte des Betriebsrats nicht um ihrer selbst willen bestehen. Sie dienen vielmehr dazu, den Arbeitgeber dazu zu veranlassen, neben den eigenen Interessen auch die Belange der durch den Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Bei einer Einstellung richtet sich das Interesse des Arbeitgebers darauf, den betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich zu beschäftigen und in den betrieblichen Ablauf zu integrieren. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Einstellung kommt deshalb regelmäßig in der Höhe der vereinbarten Vergütung zum Ausdruck (LAG Hamburg v. 20.11.2006 - 8 Ta 14/06 - juris, Tz 12; ebenso LAG Hamburg v. 09.12.1996 - 3 Ta 21/95 - n.v.). Die vereinbarte Vergütung ist deshalb auch als Anknüpfungs­punkt für die Festsetzung des Gegenstandswert beim Streit um die Mitwirkung des Betriebsrats geeignet, weil dessen Zustimmung - oder deren Ersetzung im gerichtlichen Verfahren - für die Einstellung zwingend erforderlich ist..

2. Bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern gilt im Grundsatz nichts anderes. Allerdings scheidet das vom Leiharbeitnehmer bezogene Entgelt als Anknüpfungspunkt aus, weil zwischen dem Arbeitgeber, der die Einstellung vornehmen will, und dem Leiharbeitnehmer kein Vertragsverhältnis besteht, aufgrund dessen ein Entgelt zu zahlen ist. Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit ergibt sich in solchen Fällen aus dem Entgelt, welches der Arbeitgeber für den Einsatz des Leiharbeitnehmers zu entrichten hat (ebenso LAG Hamburg v. 18.04.2007 - 4 Ta 4/07 - n.v.). Zwar dürften diese Kosten regelmäßig höher sein als das Entgelt, das eigenen Arbeitnehmern zu zahlen wäre. Der Arbeitgeber nimmt dies jedoch typischerweise in Kauf, um kurzfristige Personalengpässe zu überbrücken oder um ein höheres Maß an unternehmerischer Entscheidungsfreiheit zu behalten. Die höheren Kosten entsprechen somit der wirtschaftlichen Bedeutung der gewählten Vorgehensweise.

3. Eine Herabsetzung des Gegenstandswerts im Hinblick auf weitere Verfahren zwischen den gleichen Beteiligten kommt im vor­liegenden Fall nicht in Betracht.

a) Eine solche Herab­set­zung ist regelmäßig nicht sachgerecht (LAG Hamburg v. 20.11.2006 - 8 Ta 14/06 - juris, Tz 15; LAG Hamburg v. 18.04.2007 - 4 Ta 4/07 - n. v.; kritisch auch: LAG Hamm v. 13.05.2005 - 10 TaBV 41/05 - juris). Die Orientierung der anwaltlichen Vergütung am Gegenstandswert eines Verfahrens nach dem RVG bedeutet, dass es auf den Arbeitsaufwand, den ein Mandat verursacht, gerade nicht entscheidend ankommen soll. Der Gesetzgeber hat in Kauf genommen, dass es Mandate mit hohem Gegenstandswert gibt, die keinen besonderen Aufwand erfordern, und dass es arbeitsintensive Mandate mit geringem Gegenstandswert gibt. In beiden Fällen könnte die Vergütung des Anwalts, wenn man auf den Arbeitsaufwand abstellte, als unangemessen bezeichnet werden. Das am Gegenstandswert orientierte Vergütungssystem geht jedoch davon aus, dass über die Summe der Mandate im Laufe der Zeit ein Ausgleich erfolgt. Diesem Grundprinzip widerspräche es nach Auffassung der Kammer, in Fällen, in denen ein Anwalt wegen einer Reihe gleich oder ähnlich gelagerter Fälle einen - gemessen am Arbeitsaufwand - überdurchschnittlich hohen Verdienst erzielt, allein deshalb eine Kürzung vorzunehmen. Allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen kann die Festsetzung eines geringeren Gegenstandswerts angezeigt sein, um die anwaltliche Vergütung im Bereich des Angemessenen zu halten. Im Regelfall wird dies nur bei einer sehr hohen Anzahl von Fällen eines Anwalts in Betracht kommen, wenn diese keine wesentlichen Unterschiede aufweisen. Ohne diese engen Voraussetzungen kommt eine Herabsetzung des Gegenstandswertes in Betracht, wenn Anträge gestellt werden, ohne dass damit ein über das Führen der Verfahren als solches hinausgehender schutzwürdiger Zweck verfolgt wird. Grund für eine Herabsetzung des Gegenstandswertes ist in solchen Fällen aber nicht der vermutete Arbeitsaufwand der Prozessbevollmächtigten, sondern das wirtschaftliche Interesse am Ausgang des Verfahrens.

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall, fehlt es an einem Grund für eine Herabsetzung des Gegenstandswerts. Das Arbeitsgericht hat lediglich festgestellt, das „etliche" Parallelverfahren vorausgegangen sind. Daraus ergibt sich nicht, dass es sich um eine sehr hohe Zahl von Verfahren gehandelt hat. Auch ist nicht festgestellt, dass in den weiteren Verfahren einzelfallbezogene Erwägungen keine Rolle gespielt haben. Für einen Missbrauch der betriebsverfassungsrechtlichen Instrumentariums bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 8613 der Anlage 1 zu § 3 II GKG.

Gegen die vorliegende Entscheidung sind weitere Rechtsmittel nicht statthaft (§ 33 IV 3 RVG). Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet gemäß § 33 IV 2 RVG auch nach dem Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes aus (vgl. Natter, NZA 2004, 686).

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