LAG Nürnberg: Gegenstandswert – Unwirksamkeit Gesamtbetriebsvereinbarung
LAG Nürnberg, Beschluss vom 22.7.2025 – 2 Ta 33/25
Volltext: BB-Online BBL2025-2099-3
Leitsatz
Steht die Wirksamkeit einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung im Streit, kann für die Bemessung des Gegenstandswerts vom doppelten Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG auszugehen sein (vgl. II Nr. 3.2 Streitwertkatalog).
§§ 23 Abs. 3, 33 RVG
Aus den Gründen
A. Im Verfahren war die Wirksamkeit von zehn Gesamtbetriebsvereinbarungen in Streit. Der Beteiligte zu 1 hatte beantragt festzustellen, dass die jeweiligen Gesamtbetriebsvereinbarungen unwirksam sind.
Das erstinstanzliche Verfahren endete durch die Anträge abweisenden Beschluss vom 08.04.2025, gegen den der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt hat (LAG Nürnberg, Az. 6 TaBV 11/25).
Den Gegenstandswert setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 13.05.2025, zugestellt am 21.05.2025, auf 50.000 € fest, Für jede angegriffene Gesamtbetriebsvereinbarung sei vom Hilfswert des § 23 Abs. 3 RVG (= 5.000, – €) auszugehen.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30.05.2025, eingegangen beim Arbeitsgericht Würzburg am 30.05.2025, sofortige Beschwerde ein. Der Gegenstandswert sei auf mindestens 100.000,- € festzusetzen, da die Wirksamkeit von zehn Gesamtbetriebsvereinbarungen in Streit gestanden habe.
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 30.06.2025 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Ein höherer Gegenstandswert als 50.000, – € entspreche nicht billigem Ermessen. Der (Haupt-)Antrag sei bereits unzulässig gewesen, da im Ergebnis der Antragsteller die Wirksamkeit dieser Gesamtbetriebsvereinbarungen trotz Hinweisen nur mit Nichtwissen bestritten habe.
Das Landesarbeitsgericht hörte die Beteiligten zum Nichtabhilfebeschluss an. Auf die Stellungnahmen des Beschwerdeführers und des Verfahrensbevollmächtigten zu 3 wird Bezug genommen.
B. I. Die Beschwerde ist zulässig.
Gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist, findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG eine Beschwerde dann statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Dies ist hier der Fall, denn bereits die einfache Gebührendifferenz nach Anlage 2 zum RVG beläuft sich auf 376,- €. Die Beschwerde ist auch innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des angegriffenen Beschlusses beim Erstgericht eingegangen, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG. Dem Verfahrensbevollmächtigten steht als Antragsberechtigtem ein eigenes Beschwerderecht zu, § 33 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 2 Satz 2 RVG.
II. Die Beschwerde ist begründet. Der Gegenstandswert des Verfahrens beträgt 100.000,- €.
1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 01.02.2024, NZA 2024, 308). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
2. Der Streit um die Wirksamkeit einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit (vgl. LAG Nürnberg – 19.05.2021 – 2 Ta 44/21 zum Streit um die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung). Für die Gegenstandswertbemessung ist daher von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG auszugehen.
3. Im vorliegenden Fall war die Wirksamkeit von zehn Gesamtbetriebsvereinbarungen im Streit. Die Gesamtbetriebsvereinbarungen betrafen ganz unterschiedliche Gegenstände und erstreckten sich weit über den Geltungsbereich des antragsstellenden Betriebsrats der Filiale A-Stadt MM021 hinaus. Die Beschwerdekammer erkennt daher eine erhöhte Bedeutung des Streits über die einzelnen Gesamtbetriebsvereinbarungen und hält einen Gegenstandswert in Höhe des doppelten Hilfswerts des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, also von jeweils 10.000,- € (insgesamt 100.000,- €) für angemessen. Dies steht im Einklang mit II. Nr. 3.2 Streitwertkatalog. Danach kann abweichend von II. Nr. 3.1. Streitwertkatalog vom doppelten Hilfswert auszugehen sein, wenn die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung in Streit steht. Ob die Anträge unzulässig gewesen sind oder die Rechtsverfolgung jeweils erforderlich im Sinne von § 40 BetrVG gewesen ist, spielt für die Bemessung des Gegenstandswerts keine Rolle.
C. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass. Denn eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG und Gerichtskosten werden nicht erhoben, da die Beschwerde weder verworfen noch zurückgewiesen wurde (vgl. Nr. 8614 KV-GKG).