LAG Nürnberg: Gebührenwegfall – Gebührenermäßigung – Versäumnisurteil
LAG Nürnberg, Beschluss vom 17.1.2024 – 5 Ta 98/23
Volltext: BB-Online BBL2024-563-4
Leitsatz
Ergeht in einem arbeitsrechtlichen Rechtsstreit in erster Instanz ein Versäumnisurteil, kommt weder ein Wegfall der Gebühren nach KV-GKG Nr. 8210 Abs. 2 noch eine Gebührenermäßigung nach KV-GKG Nr. 8211 in Betracht.
Aus den Gründen
I.
Im Ausgangsverfahren erging ein Versäumnisurteil am 26.09.2023 zu Lasten des Beklagten und der Streitwert wurde auf 12.000,00 € festgesetzt. Gegen das Versäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 28.09.2023 Einspruch eingelegt und mit weiterem Schriftsatz vom 29.09.2023 den Anspruch anerkannt. Daraufhin erging Anerkenntnisurteil am 02.10.2023. Mit Kostenrechnung vom 18.11.2023 wurden gegenüber dem Beklagten Gerichtskosten nach Nr. 8210 KV-GKG in Höhe von 590,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich der als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf des Beklagten vom 18.11.2023. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass KV-GKG 8210 Abs. 2 richtigerweise so zu verstehen sei, dass die Gebühr entfalle, wenn das Verfahren ohne streitige Verhandlung und nicht durch Versäumnisurteil beendet werde. Der Wortlaut lautet daher bei Beendigung des gesamten Verfahrens ohne streitige Verhandlung, wenn kein Versäumnisurteil ergeht“. Es heiße nicht, erging oder ergangen ist, sondern ergeht. Die Gegenwartsform ergehe, besage hier, dass das Verfahren in diesem Moment beendet werde, nicht, dass es zuvor beendet worden ist, sonst wäre im Gesetzestext eine Vergangenheitsform benutzt worden wie eben „erging oder ergangen ist“. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Die Kostenbeamtin hat die Beschwerde als Erinnerung behandelt und dieser nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 23.10.2023 dem zuständigen Kammervorsitzenden beim Arbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass nach KV-GKG 8210 Abs. 2 die Gebühr entfällt bei Beendigung des gesamten Verfahrens ohne streitige Verhandlung, wenn kein Versäumnisurteil ergeht. Der 2. Halbsatz umfasse dabei entgegen der Ansicht des Beklagten sowohl die Gegenwarts- als auch die Vergangenheitsform. Da vorliegend ein Versäumnisurteil ergangen sei, falle die Gebühr nach KV-GKG 8210 an. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 23.10.2023 zugestellt. Hiergegen hat die Klagepartei mit Schriftsatz vom 13.11.2023 sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass durch den Einspruch vom 28.09.2023 gegen das Versäumnisurteil das Verfahren in den Stand zum Zeitpunkt vor dem Schluss der Güteverhandlung zurückversetzt worden sei und somit vor Stellung des Antrags auf Erlass des Versäumnisurteils. Der rechtzeitige Einspruch versetze den Prozess in die Lage zurück, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befunden habe, also vor Schluss der Güteverhandlung und vor Stellung des Antrags auf Erlass des Versäumnisurteils in der anschließenden „weiteren“ Verhandlung. Werde ein Verfahren jedoch ohne streitige Verhandlung beendet, so entfalle nach KVGKG Nr. 8210 Abs. 2 die Gebühr. Werde ein Verfahren nach streitiger Verhandlung beendet, so ermäßige sich nach KV-GKG 8211 die Gebühr. Hierdurch werde durch den Gesetzgeber dem geringeren Aufwand Rechnung getragen, wenn entweder keine streitige Verhandlung stattfinde oder keine Urteilsbegründung abzufassen sei. Nachdem das Verfahren ohne streitige Verhandlung beendet worden sei und auch nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Anerkenntnisurteil, sei KV-GKG 8210 Abs. 2 anzuwenden.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. Dem Beklagten wurde nochmals Gelegenheit gegeben, zum Nichtabhilfebeschluss Stellung zu nehmen. Im Rahmen der Stellungnahme führte der Beklagte aus, dass Sinn und Zweck der Regelung über den Gebührenwegfall in Teil 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG-KV Nr. 8210 bzw. Nr. 8211 die Entlastung der Gerichte sei. Dabei gehe es auch oder gerade um die zeitlich intensive Abfassung von Tatbestand und Entscheidungsgründen. Eine Reduktion des Arbeitsaufwands der Arbeitsgerichte würde jedoch konterkariert werden, wenn statt des Anerkenntnisses nach dem Einspruch gegen das Versäumnisurteil, wie hier geschehen, um einen Gebührenwegfall zu erreichen, erst eine streitige Verhandlung stattfinden müsste, nach der dann ein Anerkenntnis abgegeben werde um wenigstens eine Gebührenreduktion auf 0,4 zu erlangen. Letzteres würde einen bedeutend höheren Aufwand für alle Beteiligten bringen und könne daher vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, wenn es ihm um die Reduktion des Arbeitsaufwandes der Arbeitsgerichtsbarkeit gehe.
II.
Die an sich statthafte und zulässige Beschwerde des Beklagten ist in der Sache nicht begründet. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat zu Recht mit Beschluss vom 25.10.2023 die Erinnerung des Beklagten zurückgewiesen. Ein Entfall der Gebühren nach KV-GKG Nr. 8210 Abs. 2, S. 1 als auch eine Gebührenermäßigung nach KV-GKG Nr. 8211 kommt nicht in Betracht.
Voraussetzung für den Wegfall der Gebühr ist unter anderem, dass kein Versäumnisurteil ergeht. Zutreffend hat das Arbeitsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss darauf hingewiesen, dass der 2. Halbsatz der KV-GKG 8210 Abs. 2 sowohl die Gegenwarts- als auch die Vergangenheitsform umfasst. Dabei ist es nach dem Wortlaut der KV-GKG Nr. 8210 ohne Relevanz ob gegen das Versäumnisurteil ein Einspruch ob zulässig oder unzulässig erhoben wurde. Entscheidend ist alleine der Erlass eines Versäumnisurteils. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig und das Ergebnis entspricht der überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (siehe Toussaint, Kommentar zum Kostenrecht, 53. Auflage 2023 zu Teil 8 Nr. 8210 Rn. 4, Binz/Dörndorfer/Zimmermann, Kommentar zum GKG zu Nr. 8210 Rn. 9; Schneider/Volpert/Fölsch, Kommentar zum gesamten Kostenrecht, 3. Auflage unter Nr. 1210 Rn. 18 und Nr. 1211 Rn. 77, die jeweils den gleichen Sachverhalt regeln; OLG Düsseldorf vom 10.10.1996, 10 B 101/96 und LAG Hessen vom 12.12.2005 – 13 Ta 569/05).
Dieses Ergebnis entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (Deutscher Bundestag – Drucksache 12/6962 vom 04.03.1994 im Kostenrechtsänderungsgesetz zu Nr. 1202, dort Seite 70) und ist damit begründet, dass ein Wegfall der Gebühren nicht angezeigt sei, da die Gerichte vor Erlass eines Versäumnisurteils eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen haben und damit das Gericht in der Sache beansprucht wird.
Da das Versäumnisurteil in KV-GKG Nr. 8211 Satz 1 Ziffer 2 nicht genannt ist, tritt eine Ermäßigung bei einem vorausgegangenen Versäumnisurteil selbst bei einer streitigen Verhandlung nicht ein wie sich aus KV-GKG Nr. 8211 S. 1 a.E. ergibt (siehe Schneider/Volpert/Fölsch, gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage zu KV-GKG Nr. 1211 Rn. 113 m.w.N., Binz/Dörndorfer/Zimmermann, Kommentar zum GKG Nr. 8211 Rn. 9, LAG Hessen vom 12.12.2005, 13 Ta 569/05).
Nachdem weder die Voraussetzungen für einen Wegfall der Gebühren noch die für eine Reduzierung vorliegen, erweist sich die sofortige Beschwerde als unbegründet.
Die Kostenentscheidung für das vorliegende Verfahren folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.