LAG Berlin-Brandenburg: Freistellung eines Konzernbetriebsrats
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2.12.2016 – 9 TaBV 577/16
Volltext: BB-ONLINE BBL2017-436-3
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Leitsätze
Für eine pauschale Freistellung von Mitgliedern des Konzernbetriebsrats als eigenes Recht des Konzernbetriebsrats, d.h. einen originären Freistellungsanspruch des Konzernbetriebsrats gibt es keine Rechtsgrundlage. Soweit die Tätigkeit für den Konzernbetriebsrat dies erfordert, ist dies ein Grund für weitere Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern durch den örtlichen Betriebsrat, ggf. auch über die Mindeststaffel gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG hinaus.
Sachverhalt
A.
Die Beteiligten streiten über einen Freistellungsanspruch des Konzern s für den Konzernbetriebsratsvorsitzenden in Höhe von 50% seiner Arbeitszeit.
Die Beteiligte zu 4) und Arbeitgeberin (Arbeitgeberin) betreibt eine Klinik mit ca. 2.000 Beschäftigten. Für diesen Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet (örtlicher Betriebsrat). Die Arbeitgeberin ist Teil eines Klinikkonzerns, zu dem eine Vielzahl von Unternehmen mit insgesamt knapp 70.000 Beschäftigten gehören und dessen Konzernmutter die Beteiligte zu 3) ist (Konzernmutter). Für diesen Konzern ist ein Konzernbetriebsrat gebildet, der Antragsteller und Beteiligte zu 1) (Konzernbetriebsrat). Der Konzernbetriebsrat besteht auf der Grundlage einer tarifvertraglichen Regelung zu Größe und Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats zwischenzeitlich aus jedenfalls 144 Mitgliedern. Der Beteiligte zu 2) ist Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, Vorsitzender des örtlichen Betriebsrats, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats und Mitglied des ebenfalls gebildeten Europäischen Betriebsrats (Konzernbetriebsratsvorsitzender).
Der Konzernbetriebsratsvorsitzende war im Rahmen der für den örtlichen Betriebsrat gemäß § 38 Abs. 2 BetrVG vorgesehenen Freistellungen zunächst zu 100% von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Seit Mai 2016 ist der Konzernbetriebsratsvorsitzende gemäß Beschluss des örtlichen Betriebsrats nunmehr zu 50% freigestellt.
Der örtliche Betriebsrat hat in einem anderen Verfahren unter Hinweis auf die zusätzlich anfallende Arbeit wegen der Stellung eines Mitglieds auch als Konzernbetriebsratsvorsitzender weitere Freistellungen über die Staffel gemäß § 38 Abs. 2 BetrVG hinaus geltend gemacht. Dieses Verfahren haben die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Konzernbetriebsrat fasste am 17. Juni 2014 den Beschluss, der Konzernbetriebsratsvorsitzende sowie drei weitere Mitglieder des Konzernbetriebsrats „sollen zur Bewältigung der umfassenden Aufgaben des KBR jeweils zu 50% für ihre Tätigkeit im KBR freigestellt werden. Ggf. vorhandene Freistellungen in den Betriebsräten der entsendenden Unternehmen entfallen in dem Umfang, in dem die Freistellungen im KBR durch den Konzern bestätigt und wahrgenommen werden“ und teilte dies der Konzernmutter am 8. August 2014 mit. Im Rahmen der weiteren Erörterungen teilte der Konzernbetriebsrat mit, aufgrund welcher Aufgaben eine Freistellung in diesem Umfang erforderlich sei. Die Konzernmutter lehnte eine Freistellung ab.
Mit ihrem am 17. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag haben der Konzernbetriebsrat und der Konzernbetriebsratsvorsitzende das Freistellungsbegehren weiterverfolgt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Ein entsprechender Anspruch ergebe sich aus § 59 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sei auch eine generelle Freistellung von der beruflichen Tätigkeit für einen bestimmten Teil der Arbeitszeit möglich. Die Regelung in § 38 BetrVG sei als Konkretisierung des § 37 Abs. 2 BetrVG zur Freistellung ohne konkreten Nachweis der Erforderlichkeit zu verstehen. Die Freistellung sei – wie im Einzelnen näher ausgeführt wird – aufgrund der dauerhaft anfallenden Arbeiten des Konzernbetriebsratsvorsitzenden für den Konzernbetriebsrat erforderlich. Aufgrund der Konzernstruktur fehle die „Zwischenebene“ eines Gesamtbetriebsrats weitgehend, der Konzernbetriebsrat nehme auch ansonsten einem Gesamtbetriebsrat obliegende Aufgaben wahr. Die anfallenden Aufgaben seien nicht von den Freistellungen auf örtlicher Ebene umfasst. Der Freistellungsanspruch bestehe unabhängig von den Verhältnissen in den örtlichen Betriebsräten.
Der Konzernbetriebsrat und der Konzernbetriebsratsvorsitzende haben beantragt,
1. festzustellen, dass Herr R. S. auf Grund des Beschlusses des Konzernbetriebsrates der H.-Kliniken GmbH vom 17.06.2014 für seine Tätigkeiten als Konzernbetriebsratsvorsitzender der H.-Kliniken GmbH in Höhe von 50 % seiner Beschäftigungszeit freigestellt ist;
hilfsweise
2. festzustellen, dass eine Freistellung des Herrn R. S. in Höhe von 50 % der Beschäftigungszeit für seine Tätigkeiten als Konzernbetriebsratsvorsitzender der H.-Kliniken GmbH erforderlich ist;
sowie hilfsweise
3. festzustellen, dass die vom Konzernbetriebsrat der H.-Kliniken GmbH am 17.06.2014 beschlossene pauschale Freistellung für Herrn R. S. in Höhe von 50 % seiner Beschäftigungszeit spätestens ab diesem Zeitpunkt für seine Tätigkeiten als Konzernbetriebsratsvorsitzender erforderlich ist.
Die Konzernmutter und die Arbeitgeberin haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Zur Begründung haben die Arbeitgeberin und die Konzernmutter – soweit angesichts der zwischenzeitlich nicht mehr gegebenen 100%-igen Freistellung des Konzernbetriebsratsvorsitzenden noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
Für die begehrten Feststellungen fehle das erforderliche Feststellungsinteresse.
§ 59 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG sei keine Anspruchsgrundlage für eine generelle Vorab-Freistellung von Konzernbetriebsratsmitgliedern. § 38 BetrVG treffe eine abschließende Sonderregelung für pauschale Freistellungen. Die vorgesehene lediglich anlassbezogene Freistellung für Konzernbetriebsratsaufgaben gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG sei sachgerecht, weil der Umfang anfallender Arbeiten im Konzernbetriebsrat erheblichen Schwankungen unterliege. § 38 BetrVG sehe keine zusätzliche Freistellung für Konzernbetriebsratsmitglieder vor, weil die hier anfallenden Sitzungen etc. zu den Aufgaben gehörten, aufgrund derer gemäß der vorgesehenen Staffel eine Freistellung örtlicher Betriebsräte erfolge.
Der Konzernbetriebsrat sei nicht aktiv legitimiert. Weder bestehe ein eigener Anspruch des Konzernbetriebsrats auf Freistellungen noch könne der Konzernbetriebsrat solche anstelle des örtlichen Betriebsrats geltend machen. Dies führe sonst zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Einflussnahme des Konzernbetriebsrats auf Entscheidungen der örtlichen Betriebsräte.
Der geltend gemachte Aufwand für Tätigkeiten des Konzernbetriebsrats sei – wie im Einzelnen näher ausgeführt wird - nicht nachvollziehbar und werde bestritten. Da die überwiegende Anzahl der Mitglieder des Konzernbetriebsrats aufgrund von Freistellungen durch die örtlichen Betriebs¬räte ganz oder teilweise freigestellt seien, könnten anfallende Aufgaben jedenfalls unter zumutbarer organisatorischer Umverteilung der Aufgaben ohne zusätzliche Freistellungen erledigt werden.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Anträge durch Beschluss vom 17. November 2015 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der zulässige Hauptantrag sei unbegründet. Der Konzernbetriebsrat habe keine Befugnis, aus eigenem Recht eine pauschale Freistellung seines Vorsitzenden zu beschließen, weshalb der Beschluss vom 17. Juni 2014 unwirksam sei. Die insoweit abschließende Regelung in § 59 Abs. 1 BetrVG verweise nicht auf § 38 BetrVG. Mitglieder des Konzernbetriebsrats, soweit diese nicht ohnehin von ihrem örtlichen Betriebsrat nach § 38 BetrVG freigestellt seien, könnten nur eine Befreiung von der beruflichen Tätigkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG verlangen, eine „Freistellung“ sei von vornherein nicht vorgesehen. Da für eine Befreiung von der beruflichen Tätigkeit eine Prüfung der Erforderlichkeit ausgehend von einer bestimmten zu erledigenden Aufgabe vorzunehmen sei, schließe dies eine pauschalierende Freistellung aus. Unabhängig hiervon gebe es für Ansprüche gegen die Konzernmutter mangels arbeitsvertraglicher Beziehungen zum Konzernbetriebsratsvorsitzenden keine Grundlage. Die Hilfsanträge seien wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig und im Übrigen aus den genannten Gründen unbegründet.
Gegen diesen dem Konzernbetriebsrat und dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden am 10. März 2016 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin haben diese am Montag, den 11. April 2016 Beschwerde eingelegt und die Beschwerde nach entsprechender Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist am 9. Juni 2016 begründet.
Zur Begründung wird unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts eröffne § 37 Abs. 2 BetrVG nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Möglichkeit einer generellen Freistellung für einen bestimmten Teil der Arbeitszeit. Da § 37 Abs. 2 BetrVG auch für den Konzernbetriebsrat gelte, stehe diesem ein eigenständiger, von den Gegebenheiten des örtlichen Betriebsrats unabhängiger Anspruch auf Freistellung seines Vorsitzenden für Konzernbetriebsratstätigkeiten zu. Die Freistellung von 50% der Arbeitszeit sei aufgrund regelmäßig anfallender Aufgaben ohne zumutbar mögliche Umverteilung der Aufgaben erforderlich, wie im Einzelnen näher ausgeführt wird. Der Konzernbetriebsrat bestehe zwischenzeitlich aus 160 Personen.
Zutreffend führe das Arbeitsgericht aus, dass sich der Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht gegen den Vertragsarbeitgeber richte. Dies werde durch die nunmehrige Antragstellung klargestellt. Ein eigener Freistellungsanspruch des Konzernbetriebsratsvorsitzenden werde nicht geltend gemacht.
Der Konzernbetriebsrat und Beschwerdeführer beantragt unter Rücknahme der Beschwerde im Übrigen mit der Klarstellung, dass nur die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 4) als Vertragsarbeitgeberin in Anspruch genommen wird,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.11.2015, Aktenzeichen 13 BV 5665/15 abzuändern und wie folgt zu erkennen:
1. festzustellen, dass Herr R. S. aufgrund des Beschlusses des Konzernbetriebsrats der H.-Kliniken GmbH vom 17.06.2014 für seine Tätigkeiten als Konzernbetriebsratsvorsitzender der H.-Kliniken GmbH in Höhe von 50% seiner Beschäftigungszeit von seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beteiligten zu 4) - zusätzlich zu seiner Freistellung gemäß Beschluss des örtlichen Betriebsrats - freigestellt ist.
hilfsweise zu 1.:
2. die Beteiligte zu 4., die H. Klinikum Berlin-B. GmbH, zu verpflichten, Herrn R. S. in Höhe von 50 % der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft zusätzlich zu seiner Freistellung gemäß Beschluss des örtlichen Betriebsrats von seiner beruflichen Tätigkeit für seine Aufgaben als Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der H. Kliniken GmbH freizustellen.
hilfsweise zu 1. und 2.:
3. festzustellen, dass eine Freistellung des Herrn R. S. in Höhe von 50% der Beschäftigungszeit von seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beteiligten zu 4) - zusätzlich zu seiner Freistellung gemäß Beschluss des örtlichen Betriebsrats - für seine Tätigkeiten als Konzernbetriebsratsvorsitzender der H.-Kliniken GmbH erforderlich ist.
hilfsweise zu 1., 2. und 3.:
4. festzustellen, dass die vom Konzernbetriebsrat der H.-Kliniken GmbH am 17.06.2014 beschlossene pauschale Freistellung für Herrn R. S. in Höhe von 50% seiner Beschäftigungszeit von seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beteiligten zu 4) - zusätzlich zu seiner Freistellung gemäß Beschluss des örtlichen Betriebsrats - spätestens ab diesem Zeitpunkt für seine Tätigkeiten als Konzernbetriebsratsvorsitzender erforderlich ist.
Die Konzernmutter und die Arbeitgeberin beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin und die Konzernmutter verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung und führen unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen aus: Für die Feststellungsanträge fehle aufgrund des Vorrangs eines Leistungsantrags das Feststellungsinteresse. Zutreffend verweise das Arbeitsgericht auf die fehlende Rechtsgrundlage für einen eigenen Anspruch des Konzernbetriebsrats auf Freistellung eines oder mehrerer seiner Mitglieder. Soweit das Bundesarbeitsgericht von einer möglichen generellen Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG ausgehe, betreffe dies Freistellungsansprüche des Betriebsrats in Betrieben mit weniger Beschäftigten als in § 38 BetrVG vorausgesetzt. Da der Konzernbetriebsrat in personeller Hinsicht von den Gesamtbetriebsräten und Betriebsräten abhängig sei, läge in einem eigenen Freistellungsanspruch des Konzernbetriebsrats im Übrigen auch eine gesetzlich nicht vorgesehene Einflussnahme auf die örtlichen Betriebsräte. Allenfalls der örtliche Betriebsrat könne (weitere) Freistellungsansprüche geltend machen, was dieser auch bis zur Erledigungserklärung in einem anderweitigen Verfahren getan habe. Unabhängig hiervon sei die Erforderlichkeit einer solchen Freistellung weder hinreichend dargelegt noch – wie im Einzelnen näher ausgeführt wird – gegeben, erst Recht nicht auf Dauer und unter Berücksichtigung bestehender und zumutbarer Möglichkeiten der Verteilung der Arbeit auf die Mitglieder.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
B.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
I.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG).
II.
1. Die Frage der Erforderlichkeit einer Freistellung ist eine im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu klärende Rechtsfrage.
2. Als Antragsteller und Beschwerdeführer am Verfahren beteiligt sind der Konzernbetriebsrat sowie der bis zur teilweisen Rücknahme der Beschwerde in der Berufungsverhandlung ebenfalls als Antragsteller unter Berufung auf eigene Rechte aufgetretene Konzernbetriebsratsvorsitzende. Die Arbeitgeberin ist schon deshalb zu beteiligen, weil diese in Anspruch genommen wird. Die Konzernmutter wurde beteiligt, weil diese bis zur teilweisen Rücknahme der Beschwerde bzw. Klarstellung der Anträge nach dem Wortlaut der Anträge ebenfalls materiell in Anspruch genommen wurde.
3. Der örtliche Betriebsrat wurde nicht weiter beteiligt, weil dieser durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht unmittelbar betroffen ist (s. zu dieser Voraussetzung BAG, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 7 ABR 24/13 –, Rn. 11, juris m.w.N.). Zwar spielt die Rechtsstellung des örtlichen Betriebsrats für die Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften eine wesentliche Rolle (s.u.), hieraus ergibt sich aber eine nur mittelbare Betroffenheit des örtlichen Betriebsrats. Eigene Rechte hat der erstinstanzlich beteiligte örtliche Betriebsrat im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht.
III.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Der Antrag zu 1) ist zulässig.
Der Antrag ist hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit diesem Antrag wird eine bereits aufgrund des entsprechenden Beschlusses des Konzernbetriebsrats gegebene pauschale Freistellung des Konzernbetriebsratsvorsitzenden von seiner beruflichen Tätigkeit für 50% seiner Arbeitszeit zusätzlich zu der unstreitig vorliegenden Freistellung von 50% gegenüber der Arbeitgeberin geltend gemacht.
Das gem. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für diesen Antrag ist gegeben. Mit diesem Antrag wird eine aufgrund des Beschlusses des Konzernbetriebsrats vom 17. Juni 2014 gegebene Freistellung des Konzernbetriebsratsvorsitzenden ohne hierfür erforderliche weitere Erklärung oder Zustimmung der Arbeitgeberin geltend gemacht. Ein Vorrang des Leistungsantrags schließt das Feststellungsinteresse nicht aus, weil ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt gar keine weitere Leistung erforderlich ist und gefordert werden könnte. Ob dies zutrifft (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 08. Januar 1980 – 6 ABR 15/78 –, Rn. 17, juris; für eine erforderliche Zustimmung ErfK/Koch, 17. Aufl., BetrVG § 38 Rn. 2) ist eine Frage der Begründetheit des Antrags.
2. Der Antrag zu 1) ist nicht begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Freistellung ein Beschluss des zuständigen Gremiums ausreichend ist oder ob es darüber hinaus einer Erklärung oder Zustimmung des Arbeitgebers bedarf, da diese Voraussetzungen nicht vorliegen.
Für eine pauschale Freistellung von Mitgliedern des Konzernbetriebsrats als eigenes Recht des Konzernbetriebsrats, d.h. einen originären Freistellungsanspruch des Konzernbetriebsrats gibt es keine Rechtsgrundlage. Soweit die Tätigkeit für den Konzernbetriebsrat dies erfordert, ist dies ein Grund für weitere Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern durch den örtlichen Betriebsrat, ggf. auch über die Mindeststaffel gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG hinaus.
a) Gemäß § 59 Abs. 1 BetrVG findet § 38 BetrVG auf den Konzernbetriebsrat keine Anwendung.
b) Auch aus § 59 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG ergibt sich kein eigener Anspruch des Konzernbetriebsrats auf pauschale Freistellungen, wie sie § 38 BetrVG vorsieht.
Zwar ist hiernach im Einzelfall eine Freistellung oder teilweise Freistellung von der beruflichen Tätigkeit auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 38 Abs. 1 BetrVG möglich (BAG, Beschluss vom 12. Februar 1997 – 7 ABR 40/96 –, Rn. 14, juris; BAG, Beschluss vom 13. November 1991 – 7 ABR 5/91 –, BAGE 69, 34-41, Rn. 18; BAG, Beschluss vom 02. April 1974 – 1 ABR 43/73 –, Rn. 9, juris). Auch wird ein solcher Freistellungsanspruch aufgrund der Verweisung in § 59 auch für die Tätigkeit des Konzernbetriebsrats angenommen (vgl. die Ausführungen zur entsprechenden Verweisung in § 51 Abs. 1 BetrVG: ErfK/Koch, 17. Aufl., BetrVG § 51 Rn. 4, § 59 Rn. 2; Richardi BetrVG/Annuß BetrVG, 15. Aufl., § 51 Rn. 51, § 59 Rn. 36; Fitting, BetrVG, 28. Aufl., § 51 Rn. 44, § 59 Rn. 18; vgl. ebenfalls zum Gesamtbetriebsrat LAG München, Beschluss vom 19. Juli 1990 - 6 TaBV 62/89 -, NZA 1991, 905).
Aus einer möglichen pauschalen Freistellung aufgrund von Aufgaben des Konzernbetriebsrats ergibt sich aber kein eigener Freistellungsanspruch des Konzernbetriebsrates. Vielmehr besteht ein Anspruch des örtlichen Betriebsrats auf – ggf. zusätzliche – Freistellungen, soweit dies aufgrund der für den Konzernbetriebsrat anfallenden Aufgaben erforderlich ist. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen.
(1) Aufgaben von Betriebsratsmitgliedern für den Gesamtbetriebsrat oder den Konzernbetriebsrat können über die Mindeststaffel gem. § 38 Abs. 1 BetrVG hinausgehende Freistellungen von Betriebsrats- (und Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats-)Mitgliedern begründen.
Zunächst können auch nach § 38 Abs. 1 BetrVG über die dort genannte Staffel hinaus Ansprüche auf Freistellungen bestehen. Hiernach sind bei einer bestimmten Anzahl an Arbeitnehmern „mindestens“ die genannte Anzahl an Betriebsratsmitgliedern freizustellen. Wenn mehr Aufgaben anfallen, besteht im Falle dauerhaft anfallender Aufgaben soweit erforderlich über die Mindestfreistellungen hinaus Anspruch auf weitere Freistellungen. So kann die Arbeitsbelastung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden durch seine Funktion als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats die Notwendigkeit der Arbeitsbefreiung eines weiteren Betriebsratsmitglieds begründen (BAG, Beschluss vom 12. Februar 1997 – 7 ABR 40/96 –, Rn. 15, juris). Aufgaben der örtlichen Betriebsratsmitglieder für den Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat können weitere Freistellungen rechtfertigen bzw. in die Bewertung einfließen, ob eine Belastung vorliegt, die zusätzliche pauschale Freistellungen rechtfertigt (ErfK/Koch, 17. Aufl., BetrVG § 38 Rn. 2). Die Entscheidung darüber, welches Mitglied des örtlichen Betriebsrats aufgrund welcher Verteilung der Aufgaben ggf. auch über die Mindeststaffel hinaus freizustellen ist, obliegt in diesem Fall dem örtlichen Betriebsrat.
Entsprechend werden von Betriebsräten mit der Begründung der Aufgaben für den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat geltend gemachte Freistellungen auch nicht unter Hinweis auf eine fehlende Zuständigkeit des Betriebsrats oder einen zumindest erforderlichen Beschluss des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats hierzu zurückgewiesen (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 5 TaBV 5/15 –, juris).
(2) Dagegen würde ein eigener Anspruch des Konzernbetriebsrats auf pauschale Freistellungen auch in das Verhältnis zum örtlichen Betriebsrat eingreifen.
Nimmt man einen zusätzlichen eigenen Anspruch des Konzernbetriebsrats auf pauschale Freistellungen seiner Mitglieder an, ergibt sich hieraus ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem örtlichen Betriebsrat und dem Konzernbetriebsrat. Anders als bei der nur anlassbezogenen Freistellung von der Arbeitspflicht für bestimmte Aufgaben, die das Verhältnis zum Arbeitgeber betrifft, ist hier auch das Verhältnis der Gremien untereinander betroffen. Es stellt sich dann die Frage, welches Gremium ggf. vorrangig gegenüber dem anderen über pauschale Freistellungen entscheiden und bestimmte Mitglieder hierfür in Anspruch nehmen darf.
Hinzu kommt, dass ein Anspruch des Konzernbetriebsrats – oder auch des Gesamtbetriebsrats - auf eine pauschale Freistellung nur mit den für dieses Gremium anfallenden Aufgaben begründet werden könnte, nicht aber mit den für den Betriebsrat anfallenden Aufgaben. Ein solcher Einfluss des Gesamtbetriebsrats bzw. Konzernbetriebsrats, wer im Betriebsrat welche Aufgaben übernimmt, ist – anders als umgekehrt - gesetzlich nicht vorgesehen. Es entscheidet der örtliche Betriebsrat, wer in weitere Gremien zwecks Übernahme weiterer Aufgaben entsandt wird bzw. wem durch Entsendung in den Gesamtbetriebsrat ggf. die Möglichkeit der Übernahme von Aufgaben auch für den Konzernbetriebsrat ermöglicht wird (§ 47 Abs. 2 BetrVG, § 55 Abs. 1 BetrVG).
D.h. im Falle einer pauschalen Freistellung durch den Konzernbetriebsrat für Aufgaben des Konzernbetriebsrats stünde dieses Konzernbetriebsratsmitglied in diesem Umfang nicht mehr für Aufgaben des örtlichen Betriebsrats zur Verfügung. Damit stellt sich die Frage, welchem Gremium ggf. vorrangige Zugriffsmöglichkeiten eingeräumt werden sollen.
Auch der vorliegende Fall zeigt das sich ergebende Problem. Hier hat der örtliche Betriebsrat zunächst eine volle Freistellung seines Vorsitzenden – und damit des Konzernbetriebsrats-vorsitzenden – beschlossen. Einem eigenen Anspruch des Konzernbetriebsrats auf eine zusätzliche Freistellung des Konzernbetriebsratsvorsitzenden für Aufgaben des Konzernbetriebsrats stand damit die bereits vorliegende Freistellung entgegen, da dieser nicht zu mehr als insgesamt 100% freigestellt werden konnte. Entsprechend hat der Konzernbetriebsrat in seinem Beschluss vom 17. Juni 2014 formuliert, es werde durch diesen Beschluss eine pauschale Freistellung auf örtlicher Ebene „frei“: „Ggf. vorhandene Freistellungen in den Betriebsräten der entsendenden Unternehmen entfallen in dem Umfang, in dem die Freistellungen im KBR durch den Konzern bestätigt und wahrgenommen werden“. D.h. es soll auf Konzernbetriebsratsebene entschieden werden, wer ggf. abweichend von der bisher vorgesehenen Verteilung der Aufgaben auf örtlicher Ebene in bestimmten Umfang für die Dauer der Wahlperiode nicht mehr für Aufgaben auf örtlicher Ebene zur Verfügung steht. Auch wenn sich die Frage angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Reduzierung der Freistellung des Konzernbetriebsratsvorsitzenden durch den örtlichen Betriebsrat auf 50% so nicht mehr stellt, wird das Problem eines Konkurrenzverhältnisses deutlich.
Eine solche Einflussmöglichkeit oder ein Vorrang des Konzernbetriebsrats gegenüber dem örtlichen Betriebsrat im Zugriff auf eine dauerhafte Freistellung bestimmter Mitglieder für eigene Aufgaben findet im Gesetz keine Grundlage. Wie sich bereits aus der Bildung des Gesamt- und Konzernbetriebsrats ergibt, ist der örtliche Betriebsrat mit der Entsendung von Mitgliedern das entscheidende Gremium. Weisungsbefugnisse des Konzernbetriebsrats – insbesondere betreffend die Organisation der Arbeit vor Ort – sind nicht vorgesehen.
Zwar wird sich die Frage praktisch häufig nicht stellen, weil sich die Gremien – wie dies vermutlich auch hier der Fall sein dürfte – absprechen und dem örtlichen Betriebsrat bekannt ist, dass in den Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat entsandte Mitglieder Zeit für diese Tätigkeit aufwenden müssen. Dies ändert aber nichts an der zugrunde liegenden Rechtsfrage. Im Übrigen sind Absprachen auch im Vorfeld ggf. geltend zu machender weiterer Freistellungen durch den örtlichen Betriebsrat möglich.
(3) Da einem bestehenden Bedarf nach weiteren Freistellungen aufgrund der anfallenden Aufgaben für den Gesamtbetriebsrat oder für den Konzernbetriebsrat durch ggf. weitere Freistellungen auf der Ebene des örtlichen Betriebsrats Rechnung getragen werden kann, besteht keine Veranlassung zusätzliche eigene Ansprüche des Konzernbetriebsrats auf pauschale Freistellungen mit der Folge ungeklärter Konkurrenzverhältnisse herzuleiten.
Soweit der örtliche Betriebsrat zusätzliche Freistellungen nicht für erforderlich hält, beispielsweise weil er annimmt, eine vorliegende Freistellung könne für diese Aufgaben genutzt werden und die weiteren für den örtlichen Betriebsrat anfallenden Aufgaben erforderten nur temporäre Befreiungen von der beruflichen Tätigkeit, wäre auch eine solche Entscheidung im Verhältnis von Betriebsrat zum Konzernbetriebsrat angelegt.
IV.
Aufgrund der Zurückweisung des Antrags zu 1) ist über den für diesen Fall hilfsweise gestellten Antrag zu 2) zu entscheiden.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Unabhängig davon, ob für eine Freistellung bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Beschluss des (Konzern-)Betriebsrats ausreicht oder eine Erklärung oder Handlung des Arbeitgebers erforderlich ist, fehlt es hier an den Voraussetzungen einer Freistellung. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
V.
Aufgrund der Zurückweisung des Antrags zu 2) ist über den für diesen Fall hilfsweise gestellten Antrag zu 3) zu entscheiden.
Dieser Antrag ist unzulässig. Es fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse.
Zwar muss sich ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen und auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten verwehrt ist (BAG, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 7 ABR 20/13 –, Rn. 21, juris m.w.N.).
Um eine solche Vorfrage geht es hier. Soweit es um konkrete Ansprüche des Konzernbetriebsrats auf Freistellung geht, ist im Rahmen der Prüfung dieser Ansprüche, wie sie mit den Anträgen zu 1) und 2) geltend gemacht wurden, gegebenenfalls auch die Erforderlichkeit einer solchen Freistellung zu prüfen.
Soweit eine Feststellung ohne Bezug zu einer weiteren Rechtsfolge begehrt wird, ggf. um diese zur Begründung von weiteren Ansprüchen gegenüber der Arbeitgeberin heranzuziehen, handelt es sich um eine Vorfrage. Unabhängig davon, ob es sich um Ansprüche des örtlichen Betriebsrats oder sonstige Ansprüche handelt, ist erst im Rahmen eines bestimmten Freistellungs- oder sonstigen konkreten Begehrens zu prüfen, ob die Voraussetzungen – u.a. die Erforderlichkeit – vorliegen, ansonsten würde ein Rechtsgutachten zu einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung erstellt.
VI.
Aufgrund der Zurückweisung des Antrags zu 3) ist über den für diesen Fall hilfsweise gestellten Antrag zu 4) zu entscheiden.
Dieser Antrag ist ebenfalls mangels Feststellungsinteresse unzulässig, auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
C.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, die Entscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG in Verbindung mit § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG gerichtskostenfrei.
D.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 i.V.m § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für den Konzernbetriebsrat wegen der grundsätzlichen Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen zugelassen.