BAG: Erstattung von Weiterbildungskosten
BAG, Urteil vom 6.8.2013 - 9 AZR 442/12
Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, Weiterbildungskosten zu erstatten.
Die Klägerin, die Krankenhäuser betreibt, beschäftigte den Beklagten vom 1. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2010 als Gesundheits- und Krankenpfleger. Gemäß § 6 des Arbeitsvertrags vom 31. August 2004 fanden auf das Arbeitsverhältnis „die BAT-Anwendungsordnung und die sich daraus ergebenden Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für Angestellte im Bereich der Ev. Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF)" Anwendung.
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Der Beklagte bewarb sich erfolgreich um eine von der Klägerin angebotene Weiterbildung zum Fach- und Gesundheitspfleger in der Psychiatrie. Unter dem 12. Dezember 2005 unterzeichneten die Parteien eine „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag", die die Klägerin in dieser Form auch bei anderen von ihr angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen verwendete. Die Nebenabrede enthält ua. folgende Regelungen:
„(1) Im Rahmen der nachfolgend genannten Weiterbildung ‚Fachpflege Psychiatrie' wird die E gGmbH den Mitarbeiter für den Besuch des Lehrgangs freistellen und die Lehrgangsgebühren übernehmen.
(2) Der Angestellte verpflichtet sich, die der E entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten - wie nachfolgend beschrieben - zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet. Ausgenommen ist die Kündigung bzw. der Auflösungsvertrag aufgrund einer Schwangerschaft oder Niederkunft in den letzten drei Monaten. Endet das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben, dann sind
- im ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwendungen,
- im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei Drittel der Aufwendungen,
- im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen."
Der Beklagte nahm an der Weiterbildungsmaßnahme im Zeitraum vom 8. Mai 2006 bis zum 7. Mai 2008 mit Erfolg teil. Mit Schreiben vom 1. September 2010 erklärte der Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010. Unter dem 1. April 2011 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos auf, bis spätestens 21. April 2011 ein Drittel der von ihr für seine Weiterbildung aufgewandten Kosten, die sie anteilig mit 9.346,28 Euro bezifferte, zu ersetzen.
Die Klägerin, die ihr Rückzahlungsbegehren auf Nr. 2 der „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag" stützt, hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.212,94 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. April 2011 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Rückzahlungsklausel in der „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag" sei eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die ihn unangemessen benachteilige. Die Regelung sei nicht ausreichend transparent.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die teilweise Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Aus den Gründen
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Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin 6.212,94 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. April 2011 zu zahlen.
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I. Der von der Klägerin erhobene Zahlungsanspruch folgt nicht aus Nr. 7 der Sonderregelungen für Angestellte in Kranken-, Heil-, Pflege- und Entbindungsanstalten sowie in sonstigen Anstalten und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen (SR 2a BAT-KF aF), die gemäß § 6 des Arbeitsvertrags vom 31. August 2004 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die dort genannten Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen. Die Revision hat hiergegen keine Einwände erhoben.
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II. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der Weiterbildungskosten aus der „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag" vom 12. Dezember 2005. Die Rückzahlungsklausel in Nr. 2 der Nebenabrede ist intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und benachteiligt den Beklagten deshalb unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel entfällt ersatzlos und ist auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten.
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1. Die Nebenabrede unterfällt der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Rückzahlungsvereinbarung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Solche liegen vor, wenn der Arbeitgeber Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und sie dem Arbeitnehmer bei Abschluss eines Vertrags stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Revision ist der Annahme des Landesarbeitsgerichts, bei Nr. 2 der Nebenabrede handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, nicht entgegengetreten.
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2. Der Beklagte wird durch die Regelung in Nr. 2 der Nebenabrede unangemessen benachteiligt. Die Klausel ist nicht hinreichend klar und verständlich. Die Regelung lässt nicht erkennen, welche finanziellen Belastungen - ggf. in welcher Größenordnung - auf den Beklagten zukommen.
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a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach muss die Klausel die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber als Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (vgl. BAG 20. März 2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 23). Im Falle von Rückzahlungsklauseln liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot insbesondere in den Fällen vor, in denen die Klausel dem Arbeitgeber als Verwender vermeidbare Spielräume hinsichtlich der erstattungspflichtigen Kosten gewährt. Ohne dass zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten angegeben sind, kann der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen. Erforderlich ist die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (vgl. BAG 21. August 2012 - 3 AZR 698/10 - Rn. 18 f.).
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b) Die Angaben in Nr. 2 der Nebenabrede genügen dem Transparenzgebot schon deshalb nicht, weil die Klausel der Klägerin vermeidbare Spielräume bei der Bestimmung der zu erstattenden Kosten eröffnet.
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aa) Die in der Rückzahlungsklausel verwendete Formulierung „die der E entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten" lässt offen, welche Kosten dies im Einzelnen sein sollen. Es fehlt an der Angabe, welche konkreten Kosten damit gemeint sind und in welcher Höhe diese anfallen können. Der Klausel ist nicht zu entnehmen, mit welchen Lehrgangsgebühren zu rechnen ist, ob der Beklagte neben den Lehrgangsgebühren Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu erstatten hat, wie diese ggf. zu berechnen sind (zB Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), für welchen konkreten Zeitraum Lohnfortzahlungskosten anfallen, ob die Rückzahlungsverpflichtung auf die Netto- oder die Bruttosumme gerichtet ist und ob auch die Beiträge zur Zusatzversorgung zu erstatten sind. Die Intransparenz der Klausel wird im Übrigen durch den Umstand belegt, dass die Klägerin die Klageforderung auf der Grundlage der von ihr selbst gestellten Klausel mehrfach unterschiedlich berechnete. Zunächst hat sie unter Einschluss der Sozialversicherungsabgaben und der Beiträge zur Zusatzversorgung 9.346,28 Euro beansprucht. Sodann hat sie den Erstattungsbetrag „buchhalterisch noch einmal nachberechnet" und ihn mit 8.649,29 Euro beziffert. Schließlich hat sie die Forderungshöhe zumindest unter Ausschluss der Zusatzversorgungsbeiträge auf eine dritte Weise bestimmt und danach 6.212,94 Euro geltend gemacht.
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bb) Die genauere Bezeichnung dieser Kosten war der Klägerin möglich. Dies ergibt sich aus der Berechnung, die die Klägerin ihrem Rückforderungsverlangen zugrunde legt. Mit der Klageschrift vom 20. Mai 2011 reichte sie eine Aufstellung zur Akte, die verschiedene Rechenpositionen ausweist. Die Klägerin hat Umstände, die den Schluss rechtfertigten, sie habe von diesen Positionen bei Abschluss der Nebenabrede keine Kenntnis gehabt, nicht vorgetragen, solche sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr bietet die Klägerin nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vergleichbare Weiterbildungen jährlich ein bis zwei Mitarbeitern an. Die Klägerin hatte demnach Kenntnis von den dabei anfallenden Kosten.
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c) Die Angriffe der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis.
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aa) Soweit die Klägerin in der Revisionsinstanz erstmals vorträgt, die Weiterbildungskosten habe sie „vor Antritt der Ausbildungsmaßnahme überschlägig errechnet" und diese seien den Arbeitnehmern im Übrigen „genauestens bekannt", verhilft dies der Revision nicht zum Erfolg. Zum einen handelt es sich um neuen Sachvortrag, der vom Senat nicht berücksichtigt werden kann (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zum anderen genügt es nicht, wenn die Klägerin die Kosten „vor Antritt der Ausbildungsmaßnahme" überschlägig berechnet. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Parteien schlossen die Nebenabrede im Streitfall am 12. Dezember 2005. Die Weiterbildungsmaßnahme begann erst am 8. Mai des Folgejahres. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, sie habe den Beklagten vor oder spätestens bei Vertragsschluss auf sein Kostenrisiko hingewiesen.
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bb) Soweit die Revision auf die Regelung in Nr. 7 der SR 2a BAT-KF aF verweist, übersieht sie, dass die Parteien nicht die gesamte Vorschrift, sondern lediglich die für die Klägerin günstige Rückzahlungsklausel - und diese mit inhaltlichen Änderungen - in der Nebenabrede übernommen haben. Die Klausel ist deshalb nicht lediglich einer Rechtskontrolle zu unterwerfen, wie dies bei kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem sog. Dritten Weg nach den einschlägigen Organisations- und Verfahrensvorschriften von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurden, angenommen wird (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 217/11 - Rn. 71).
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d) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus. Anderenfalls würden die gesetzlichen Wertungen des § 307 BGB unterlaufen.
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aa) Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass der Regelungsplan der Parteien infolge der durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel entstandenen Lücke einer Vervollständigung bedarf. Dies verlangt zumindest, dass die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine angemessene, den typischen und schutzwürdigen Interessen des Klauselverwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet (BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 36).
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bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Klausel mit einem zulässigen Inhalt. Sie hatte es bei Stellen der Nebenabrede in der Hand, eine transparente Klausel ohne ungerechtfertigte Wertungsspielräume zu formulieren.
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III. Die Klägerin kann ihr Zahlungsverlangen auch nicht mit Erfolg auf bereicherungsrechtliche Vorschriften stützen. Insbesondere hat sie keinen Anspruch auf Erstattung der Weiterbildungskosten nach § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB. Der Beklagte hat die Fortbildung nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Der rechtliche Grund besteht in der - mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel - wirksamen Fortbildungsvereinbarung (BAG 21. August 2012 - 3 AZR 698/10 - Rn. 33 ff.).
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IV. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).