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Arbeitsrecht
26.09.2014
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Erforderliche Abmahnung bei Kündigung wegen privater Internetnutzung

ArbG Berlin: Erforderliche Abmahnung bei Kündigung wegen privater Internetnutzung

ArbG Berlin, Urteil vom 9.5.2014 – 28 Ca 4045/14

Amtliche Leitsätze

I. Auch die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen (an sich untersagter) privater Internetnutzung kommt nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit in aller Regel erst nach vergeblicher Abmahnung des Arbeitnehmers (bildhaft: "gelbe Karte") in Betracht (s. BAG 19.04.2012 - 2 AZR 186/11 - AP § 14 KSchG 1969 Nr. 13).

II. Eine Abmahnung ist nicht bereits deshalb entbehrlich, weil der betreffende Arbeitnehmer nicht ernsthaft mit Billigung, Gestattung oder Duldung seiner privaten Internetnutzung habe rechnen können. Die Frage entsprechender "Bösgläubigkeit" entspricht zwar dem historischen Ursprung des Abmahnungsgebots im deutschen Dienstvertragsrecht (s. RG 14.01.1897 - VI 277/96 - RGZ 38, 114-119). Sie erschöpft aber nicht seinen Geltungsgrund, der heute neben besagtem "Vertrauensschutz" im schon erwähnten Prinzip der Verhältnismäßigkeit liegt (s. statt vieler BAG 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 Rn. 56; 19.04.2012 a.a.O. Rn. 22). Danach ist die Abmahnung allenfalls dann entbehrlich, wenn nach den Umständen des Falles auch die mit ihr verlautbarte ultimative Missbilligung der privaten Internetnutzung eine künftig einschlägig störungsfreie Vertragserfüllung des Arbeitnehmers nicht erwarten lässt.

III. Zu Konsequenzen des Prognoseprinzips im Kündigungsschutzrecht und zu normativen und empirischen Fragen der Wiederherstellbarkeit gestörten Vertrauens.

Sachverhalt

Es geht im Wesentlichen um auf Gründe im Verhalten gestützte – vorzugsweise fristlose – Kündigung. - Vorgefallen ist folgendes:

I. Die (heute1) 42-jährige Klägerin, die mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 als schwerbehinderter Mensch (§ 2 Abs. 2 SGB IX.2) anerkannt ist3, trat im Juni 2010 zur „Mitarbeit im Bereich Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung“4 (Kopie Arbeitsvertrag: Urteilsanlage I.) in die Dienste der Beklagten, die mit rund 200 Arbeitspersonen5 (wohl) Kunstherzen entwickelt, herstellt und vertreibt. Teil der Ausstattung des Arbeitsplatzes der Klägerin ist ein Personalcomputer (PC) mit Internetanschluss, dessen Nutzung im Hause der Beklagten eine Bestimmung in einem „Handbuch“6 regelt7. In dieser Regelung, auf die die Klägerin der Beklagten zufolge bei Beginn ihrer Tätigkeit „hingewiesen“ worden ist8, heißt es:

„10.3. Telefon, Internet und E-Mail

Die B.-GmbH [Firma der Beklagten im Original ausgeschrieben; d.U.] gestattet als einseitige freiwillige, jederzeit ohne besonderen Grund wieder einstellbare Leistung die nur gelegentliche und im Verhältnis zur geschäftlichen Nutzung eindeutig unerhebliche private Nutzung des geschäftlichen Telefon-, Internet- und E-Mail-Anschlusses. Dies beinhaltet z.B. kurze Telefonate, die der Organisation persönlicher Angelegenheiten dienen (Absprache Kinderbetreuung, Werkstatttermine, etc.)“.

Bei der Beklagten gilt hinsichtlich der Arbeitszeit sogenannte „Gleitzeit“9. Deren Rahmen erstreckt sich offiziell von 6.00 Uhr bis 23.00 Uhr10. Allerdings besteht eine Sonderabsprache mit der Klägerin, wonach diese ihren (achtstündigen) Dienst bereits um 4.45 Uhr oder 5.00 Uhr beginnen darf. Hierfür bezog sie zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, bei regelmäßige 40 Wochenarbeitsstunden ein Monatsgehalt von 2.336,28 Euro (brutto).

II. Mit besagten „Ereignissen“ hat es folgende Bewandtnis:

1. Aus Gründen und unter Begleitumständen, die nicht näher erläutert sind11, unterzog die Beklagte ab einem gleichfalls nicht konkret festgestellten Zeitpunkt die Verbindungen der Klägerin ins Internet einer Kontrolle. Fest steht, dass sie bei dieser Gelegenheit zwischen dem 30. Januar 2014 und 8. Februar 2014 auf eine Reihe von Internetkontakten stieß, die sie als private Verbindungen der Klägerin einstuft (s. Kopie [englischsprachiger] Aufzeichnungen12: Urteilsanlage II.1.-II.11.) und für die betreffenden Arbeitstage mit folgenden Zeitkontingenten quantifiziert13:

29.01.2014:

 

2 Stunden, 32 Minuten

 

[ohne Beleg; d.U.]

30.01.2014:

 

2 Stunden, 11 Minuten

 

[s. Urteilsanlage II.1.]

31.01.2014:

 

2 Stunden

 

[s. Urteilsanlage II.2.]

03.02.2014:

 

2 Stunden, 10 Minuten

 

[s. Urteilsanlage II.3.]

04.02.2014:

 

2 Stunden, 22 Minuten

 

[s. Urteilsanlage II.4.]

05.02.2014:

 

1 Stunde, 34 Minuten

 

[s. Urteilsanlage II.5.]

06.02.2014:

 

1 Stunde, 43 Minuten

 

[s. Urteilsanlage II.6.]

07.02.2014:

 

1 Stunde, 44 Minuten

 

[s. Urteilsanlagen II.7.-10]

08.02.2014:

 

1 Stunde, 11 Minuten

 

[s. Urteilsanlage II.11.].

2. Wegen des so beschriebenen Geschehens kam es in der Folgezeit zwischen den Parteien zu wiederholtem dialogischen Austausch. Wie sich dieser Austausch im Einzelnen gestaltete, ist nicht restlos ausgeleuchtet. Fest steht aber, dass die Klägerin ab 10. Februar 2014 arbeitsunfähig erkrankte14. Fest scheint auch zu stehen, dass die Beklagte sich ohne vorherige Konsultation der Klägerin mit Schreiben vom 13. Februar 2014 (Kopie: Urteilsanlage III.) an das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales wandte, um dort die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin zu beantragen15. Fest steht schließlich, das Sachwalter der Beklagten sodann am 17. Februar 2014 Kontakt zur Klägerin aufnahmen. Ein von ihnen gefertigtes „Protokoll“16 (Kopie: Urteilsanlage IV.) stellt Anlass und Verlauf des Geschehens so dar:

 „Protokoll

________________________________________________________________________________________________________

 

 

Telefonkonferenz

 

 

Sitzungsdatum

 

17.02.2014      11:45-12:00 Uhr

 

 

Protokollführer

 

 

W.17

 

Teilnehmer

 

 

H. H. (Bereichsleiter QM/RA)

M. W. (Leiter Personal)

M. N18.

 

       

 

 

Thema

 

Konfrontation mit Vorwürfen zur intensiven privaten Nutzung des Internets

 

 

Eine interne Recherche der IT-Abteilung, welche Aufgrund von Mitarbeiterhinweisen die Internetverbindungsdaten einiger Mitarbeiter überprüfte, ergab im Falle von Frau N19. eine nicht unerhebliche private Nutzung des Internets. Nach Ermittlung der Verbindungsdaten wurde vorsorglich das Integrationsamt bzgl. einer Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung kontaktiert und ein entsprechender Antrag gestellt. Frau N. ist seit 10.02.2014 krankgeschrieben. Um zu vermeiden, dass Frau N. zuerst vom Integrationsamt bzgl. der o.g. Vorwürfe kontaktiert wird, wählten wir ein telefonisches Gespräch zur Klärung der Situation.

Frau N. wurde zu Beginn des Gespräches mit den Vorwürfen konfrontiert. Frau N. gab darauf hin zu, regelmäßig in größerem Umfang (1-2 Stunden täglich) das Internet für private Zwecke genutzt zu haben. Es tue ihr sehr leid und sie würde sich freuen die Gelegenheit zu bekommen, das Unternehmen ... von ihr zu überzeugen. Sie möchte für ihren Arbeitsplatz kämpfen und nach Möglichkeit gern eine zweite Chance bekommen. Sie ist bereit, trotz ihrer aktuellen krankheitsbedingten Abwesenheit kurzfristig zu einem Gespräch in das Unternehmen zu kommen.

Es wurde vereinbart, dass Frau N. sich nach ihrem heutigen Arztbesuch telefonisch zur Terminabsprache in der Personalabteilung meldet“.

 [Unterschriften der Herren H. u. W.; d.U.]

3. Tags darauf (18. Februar 2014) kam es zur verabredeten persönlichen Begegnung mit den Akteuren der Beklagten. Ihren Verlauf schildert ein „Protokoll“ gleichen Datums20 (Kopie: Urteilsanlage V.) mit diesen Worten:

 „Protokoll

________________________________________________________________________________________________________

 

 

 

 

 

Mitarbeitergespräch

 

 

 

 

 

 

Sitzungsdatum

 

 

18.02.2014      10:00-10:30 Uhr

 

                                       

Protokollführer

 

 

W. (Abteilungsleiter HR)

 

       

Teilnehmer

 

 

H. H. (Bereichsleiter QM/RA)

U. U. (Teamleiter QS)

M. N21. (MA QS)

Thema: Besprechung der Vorwürfe der intensiven privaten Internetnutzung

Eine interne Recherche der IT-Abteilung, welche Aufgrund von Mitarbeiterhinweisen die Internetverbindungsdaten einiger Mitarbeiter überprüfte, ergab im Falle von Frau N22. eine nicht unerhebliche private Nutzung des Internets im Umfang von ca. 2 Stunden täglich. Nach Ermittlung der Verbindungsdaten wurde vorsorglich das Integrationsamt bzgl. einer Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung kontaktiert und ein entsprechender Antrag gestellt.

Frau N. teilte zu Beginn des Gespräches mit, dass die erhobenen Vorwürfe zutreffen. Es sei ihr sehr unangenehm und sie möchte alles dafür tun, eine zweite Chance zu erhalten. Auf die Frage, wie Sie denn ihr Arbeitspensum mit 75% Arbeitszeit leisten konnte, obwohl sie noch eine erkrankte Kollegin zu vertreten hatte und ob wir bei einer Weiterbeschäftigung mit 25% mehr Leistung rechnen könnten, antwortete Frau N., dass sie sehr schnell arbeiten könne und im Falle einer Weiterbeschäftigung mehr als 50% Leistungssteigerung erzielen könnte. Sie wäre bereit ihr Fehlverhalten, sprich die täglichen 2 Stunden privaten Internetsurfens, auch mit nicht vergüteten Überstunden wieder auszugleichen. Sie kann sich nicht erklären, was sie dazu veranlasst hat, sich derart falsch zu verhalten. Sie erklärt, dass sie insbesondere ,facebook‘ intensiv nutze und sich darauf eine Art ,Abhängigkeit‘ ergeben habe. Für den Fall der Weiterbeschäftigung bitten Frau N. darum, das Internet für sie dauerhaft abzuschalten.

Herr H. erläutert, wie sehr das Vertrauen aus seiner Sicht gestört ist, zumal Frau N. im Zeitraum der Internetkontrolle einigermaßen dringlich den Wunsch nach Gehaltsanpassung äußerte. In Verbindung mit dem nun offenbarten Fehlverhalten wirke dies im Nachhinein einigermaßen zynisch.

Es wurde vereinbart, dass die Personalabteilung sich bis Freitag 21.02.2014 bei Frau N. zurückmeldet, ob eine Zusammenarbeit weiterhin vorstellbar sein wird. Bis dahin ist Frau N. entsprechend bezahlt freigestellt.

Berlin 18.02.2014“

 

 [Unterschriften der Herren H./U./W.; d.U.].

3. Am 19. Februar 2014 wandte die Klägerin sich nochmals persönlich per E-Mail23 (Kopie: Urteilsanlage VI.) mit diesen Worten an Herrn W.:

„Betreff: Entschuldigung

… Wie Sie sehen sitze ich heute Morgen am Pc und muss Ihnen einfach mal eine Mail schicken. Da ich nicht so der gute Redner bin möchte ich es heute noch einmal schriftlich verpacken. Mit tut das alles wirklich furchtbar leid und ich kann es kaum in Worte fassen.

In meiner bisherigen Berufszeit musste ich noch nie solch ein unangenehmes Gespräch führen. Ich weiß selber nicht was mich dort geritten hat, wenn ich könnte würde ich das rückgängig machen und heute lieber wieder auf meinem Arbeitsplatz sitzen und Ihnen zeigen was ich kann.

Ich würde Ihnen gerne beweisen das man sich auf mich verlassen kann und ich werde alles dafür tun die geforderten Pumpen/Bauteile so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen. Denn ich weiß in meiner Arbeit bin ich einfach super. Ich weiß das man jetzt das gegenseitige Vertrauen wieder aufbauen müsste aber dazu muss ich einfach die Chance bekommen. Ich finde jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient. So wie es andere in der Firma auch bekommen haben. Ich biete Ihnen an, die Fehlstunden sprich meine Internet Stunden nachzuarbeiten. Auch wenn es an den Samstagen sein sollte würde ich das unentgeltlich tun. Sie sehen der Job ist mir wirklich sehr, sehr wichtig und ich würde wirklich alles tun um mein Fehlverhalten aus zu merzen. Ich stehe nach wie vor hinter unserer Firma und dem Produkt. Ich würde mich auch vor meinem Team und Herrn L. für mein Fehlverhalten entschuldigen. Denn auch Sie wissen das ich hilfsbereit und kollegial bin und Sie auch bei Ihren Arbeiten unterstütze. Bitte geben Sie mir die Chance dazu. Man kann sich ja dann in ein paar Monaten noch mal über meine Arbeitsleistungen unterhalten. Sie werden dann aber sehen das ich mein Versprechen mich voll und ganz in meine Arbeit zu knien eingehalten habe.

So das brannte mir jetzt am frühen Morgen noch auf der Seele und so schriftlich kann ich das besser wie in mündliche Worte fassen.

Es gut mir wirklich alles sehr leid und mehr kann ich von meiner Seite aus jetzt leider nicht tun.

Sie können die Mail ja an Herrn H. und Herrn U. gegebenen falls weiterleiten“.

4. Es half nichts: Nachdem die von der Beklagten eingeschaltete Schutzbehörde mit Bescheiden vom 2724. und 2825. Februar 2014 antragsgemäß ihre Zustimmung zur ultimativen Trennung von der Klägerin erteilt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Februar 2014 (Kopie: Urteilsanlage VII.), das seine Adressatin (wohl26) am selben Tag erreichte, ohne Angabe von Gründen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses „fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin“.

III. Damit will es die Klägerin nicht bewenden lassen: Sie nimmt die Beklagte mit ihrer am 19. März 2013 bei Gericht eingereichten und eine Woche später (26. März 2013) zugestellten Klage auf Feststellung in Anspruch, dass die Kündigungen ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet hätten. Außerdem verlangt sie ein Zwischen- und notfalls Endzeugnis und wünscht für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen vorläufige Weiterbeschäftigung. - Sie hält die Kündigungen bereits deshalb für unwirksam, weil sie wegen des vorgeworfenen Verhaltens „bisher nicht abgemahnt“ worden sei27. Insofern lässt sie unter anderem darauf verweisen, dass in der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Abmahnung vor fristloser Kündigung selbst für den Fall gefordert worden sei, in welchem „ein leitender Angestellter trotz ausdrücklichen Verbots der privaten Internetnutzung sich über mehrere Stunden täglich pornografische Internetseiten angeschaut“ habe28. Im Übrigen habe sie sich nicht nur einsichtig gezeigt und wegen ihres Verhaltens bei der Beklagten schriftlich entschuldigt, sondern auch angeboten, eventuelle Fehlstunden unentgeltlich nachzuarbeiten29. Schließlich habe sie angeregt, zum Ausschluss etwaiger Wiederholungen „das Internet auf ihrem Dienstrechner zu sperren“30. - Nur „der guten Ordnung halber“ legt sie endlich noch Wert auf die Feststellung, dass die in den „Surfprotokollen“ (Urteilsanlage II.) angegebenen Nutzungszeiten nicht in jedem Falle diejenigen Zeiten widerspiegelten, in denen sie nicht gearbeitet habe31: In einigen Fällen habe sie vielmehr nach dem Öffnen einer Internetseite zur Privatnutzung diese „nur nicht gleich wieder geschlossen, wenn sie ihre Arbeit wieder aufgenommen“ habe32. Endlich enthalte der Report Verweise auf Internetseiten, die sie „definitiv nie aufgerufen“ habe33.

IV. Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufgelöst wurde;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 27. Februar 2014 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt;

4. die Beklagte im Falle ihres Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. zu verurteilen, sie als Mitarbeiterin im Bereich Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen;

5. die Beklagte bei Abweisung des Feststellungsantrags zu 1. zu verurteilen, ihr ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

V. Sie hält die Klagebegehren der Sache nach für insgesamt haltlos. Insbesondere seien die Kündigungen im Schreiben vom 27. Februar 2014 (Urteilsanlage VII.) rechtlich nicht zu beanstanden:

1. Hierzu verweist die Beklagte zunächst darauf, dass sie habe „feststellen“ müssen, dass die Klägerin nicht nur „privat gesurft“, sondern auch Zeiten ihres Kommens und Gehens „großzügig ausgelegt“ habe34. Es habe sich nämlich gezeigt, dass zwischen den Zeitpunkten ihres Kommens und Gehens und den Betriebszeiten ihres Computers „erhebliche Differenzen“ lägen35. Demgegenüber sei sie „als QS-Mitarbeiterin angewiesen, sich zuerst an- und als letztes abzumelden“36. Das werfe insofern Fragen auf, als es diesseits der Zeiten besagter Computeraktivierung „keine Tätigkeiten“ gebe, die sie auszuführen habe37.

2. Was das Internet anbelangt, so habe die Klägerin dieses jedenfalls „an mehreren Tagen“ wie geschildert privat genutzt38. Selbst wenn man einen Teil der betreffenden Zeiten als Pausengestaltung ansehe, bleibe noch immer „eine erhebliche private Internetnutzung“ zu verzeichnen39. Insofern falle auch auf, dass diese Nutzung sehr oft morgens zu einer Zeit erfolgt sei, in der noch niemand anders vor Ort gewesen sei40. Jedenfalls habe die Klägerin die besagten Internetkontakte „in den Besprechungen am 17. und 18.02.2014“ auch „umfänglich eingeräumt“41.

VI. Hierzu erwidert die Klägerin unter anderem folgendes:

1. Soweit es nunmehr auch um die Erfassung ihrer Arbeitszeit gehe, sei ihr eine Weisung, sich zuerst mit ihrem PC anzumelden und als Letztes abzumelden, nicht bekannt42. Ebenso wenig treffe zu, dass sie ohne Aktivierung ihres Computers keine Arbeitsleistungen erbringen könne43. Unabhängig davon sei eine angeblich fehlerhafte Erfassung ihrer Arbeitsleistung nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens beim hiesigen Integrationsamt gewesen und schon deshalb als vermeintlicher Kündigungsgrund im hiesigen Verfahren nicht verwertbar44.

2. Was den Umfang ihrer privaten Internetnutzung betrifft, so würden die von der Beklagten zur Sprache gebrachten Angaben (s. oben, S. 3 [II.1.]; Urteilsanlage II.) mit Nichtwissen bestritten45. Die in den „Surf-Protokollen“ aufgeführten „Domain‘s“ seien ihr in der „übergroßen Anzahl“ nicht bekannt46. Das gelte beispielsweise für die zum 7. Februar 2014 mit einer Stunde und 27 Minuten verzeichnete Domain „akamaihd.net“, und für die am selben Tage mit einer Stunde und neun Minuten enthaltene „sensic.net“ ebenso wie für die 53 Minuten „fbcdn.net“, die 30 Minuten „adition.com“, die 18 Minuten „doubleclick.net“, die 17 Minuten „gstatic.com“, die 14 Minuten „adscale.de“, die elf Minuten „ivwbox.de“ und die nochmals elf Minuten „chartbeat.net“47. Unabhängig davon legt die Klägerin Wert auf die Feststellung, dass sie den ihr vorgeworfenen Vertragsverstoß nicht nur dem Grunde nach eingeräumt, ihr Verhalten bedauert und Vorschläge unterbreitet habe, wie sich Wiederholungen in Zukunft aus-schliessen ließen48. Außerdem lässt sie darauf hinweisen, dass Kollegen etwa wegen fehlerhafter Arbeitszeiterfassung lediglich eine Ermahnung erhalten hätten49. Gleichfalls mit nur einer Abmahnung seien weitere Mitarbeiter bedacht worden, denen vorgeworfen worden sei, sich während ihrer Nachtschichten über betriebliche Computer Filme und Internetseiten mit pornographischen Inhalten angesehen zu haben50.

VII. Die Beklagte entgegnet unter anderem, sie habe „die Arbeitsabläufe der Klägerin überprüft“51. Dabei sei aufgefallen, dass die Zeiten zwischen dem Beginn der Arbeitszeit und erstmaligem Anschalten des Rechners „weit auseinander“ lägen52. Richtig sei allerdings, dass keine Anweisung bestehe, sich wie geschildert an- und abzumelden53. Richtig sei auch, dass das Integrationsamt zu den diesbezüglichen Vorwürfen „noch nicht“ angehört worden sei54. Insofern solle nur „die Haltung der Klägerin verdeutlicht“ werden, die sich – so die Beklagte - „zu verharmlosen“ und „als Opfer und als reumütigen Sünder darzustellen“ suche55. Das habe sie „allerdings erst gemacht“, als sie mit den Vorwürfen „näher konfrontiert“ worden sei56. Mit „den weiteren Arbeitszeitbetrugsvorwürfen“ gehe sie „ähnlich“ um57: Sie halte sich „bedeckt, bis sie es nicht mehr leugnen“ könne58. - Des Weiteren legt die Beklagte unter Angabe einer diesbezüglichen Internetadresse Wert auf die Feststellung, dass die Klägerin „gemeinsam mit ihrem Mann eine Labradorzucht seit 2009“ betreibe59. Diese Unternehmung verlaufe, wie die Beklagte unter Hinweis auf ein – nicht näher erläutertes - „Gästebuch“ anmerkt60, „erfreulich“. - Im Übrigen habe die Klägerin „die umfangreichen privaten Surfzeiten“ sowohl im Telefonat vom 17. Februar 2014 als auch im Gespräch am 18. Februar 2014 – wie schon erwähnt - unumwunden zugegeben61. Außerdem lässt die Beklagte ihre bisherigen Ausführungen nunmehr um folgende Schilderung ergänzen62:

 „Die Klägerin hat nicht nur in der dargelegten Woche die Beklagte betrogen. Dies hat sie schon von Anfang an des Beschäftigungsverhältnisses gemacht.

Die Klägerin arbeitet mit Frau S. in einem Raum zusammen. Frau S., die länger als die Klägerin bei der Beklagten beschäftigt ist, hat ihren Arbeitstag meistens später begonnen, so gegen 6 Uhr. Sie hat einen sehr guten Einblick auf den Monitor der Klägerin. Sie hat in einer Anhörung der Beklagten ausgesagt, dass die Klägerin jeden Tag, an dem beide gleichzeitig tätig waren, in diesem erheblichen Ausmaß (ca. 1-2 Stunden) privat während der Arbeitszeit gesurft hat. Sie hat hierbei u.a. ihre Labradorzucht betrieben. Darüber hinaus konnte sie sehen, wie die Klägerin intensiv auf Facebook gesurft hat. Auch hierüber betrieb die Klägerin während der Arbeitszeit ihre Labradortzucht und pflegte ihre privaten Kontakte. Unabhängig von der umfangreichen privaten Surfzeit hat die Klägerin nach Wahrnehmung von Frau S. regelmäßig ihre normale Mittagspause im Umfang von ca. 30 Minuten gemacht“; Beweis: Zeugnis Frau S..

Alles in allem ergäbe sich hiernach, so die Beklagte weiter, aus den Gesamtzeiten privater Surfzeiten ein „Schaden von vermutlich mehr als 600 Stunden“63. Auf diese Weise habe die Klägerin sie jeden Arbeitstag um Arbeitszeit und damit um Entgelt betrogen und obendrein „ihr Gewerbe während der Arbeitszeit ausgeübt“64. - Soweit sie im Gespräch am 18. Februar 2014 eine Leistungssteigerung um 50 v.H. angeboten habe, sei dies „natürlich erst einmal schön“65. Insofern frage sich jedoch, warum die Klägerin „nicht bislang schon diese Arbeitsleistung erbracht“ habe66. Immerhin müsse sie ohnehin wie jeder andere Arbeitnehmer „das ihr Zumutbare“ leisten, habe dies aber „offensichtlich die ganze Zeit nicht getan“67. Ihr Angebot sei also „eher ein Beweis dafür, dass die Arbeitseinstellung der Klägerin mehr als zu wünschen übrig“ lasse68. - Was schließlich die von ihr erwähnten Kollegen betreffe, so seien deren Fälle mit dem ihren nicht vergleichbar: Zwar habe Herr L. an einem Tag versehentlich eine falsche Zeit (60 Minuten) eingetragen69. Doch habe er sich dafür nach Konfrontation mit der Abweichung „auf seine Initiative hin vor dem gesamten Produktionsteam entschuldigt“70. Bei Herrn H. seien ihrer Personalabteilung bezüglich der Arbeitszeiten keine Verfehlungen bekannt71. Dasselbe gelte für Herrn P. im Bezug auf die „Nutzung von Internetseiten mit pornografischem Inhalt“72. Herrn W. sei zwar durch eine Telefonrechnung aufgefallen, die auf die Nutzung einer Sex-Hotline zurückgegangen sei73. „Weitere Beobachtungen“ hätten jedoch „keine weiteren Verfehlungen“ ergeben, sodass man sich bei ihm auch aufgrund seiner 20jährigen Betriebszugehörigkeit auf eine Abmahnung beschränkt habe74.

VIII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.

Aus den Gründen

Der Klage ist ihr Erfolg nicht zu versagen.

Das gilt für jedes der Rechtsschutzanliegen der Klägerin. - Im Einzelnen:

A. Die Kündigungen vom 27. Februar 2014

I. Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (27. Februar 2014) bei Gericht einreichen lassen (19. März 2014). Die Zustellung ist am 26. März 2014 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin bei rechtlich gebotener75 Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO76 die ihr durch die § 13 Abs. 1 Satz 277, § 4 Satz 178 KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigungen „gelten“ folglich nicht schon kraft Gesetzes nach § 7 (1. Halbsatz)79 KSchG als „von Anfang an rechtswirksam“. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen (hier in erster Linie sogenannten „wichtigen“) Grundes und dürfen – selbstverständlich – auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.

II. Diesen Anforderungen genügen die hiesigen Kündigungen indessen nicht. Die Klägerin hat der Beklagten keinen Grund gegeben, ihr Arbeitsverhältnis – sogar fristlos - aufzukündigen. Die Kündigung wäre hier schon nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG80 „sozial gerechtfertigt“81. Folglich steht der Beklagten erst recht kein sogenannter „wichtiger“ Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB82 zu, kraft dessen sofortige  Lösungswirkung zu erzielen wäre. Einschlägig kündigungsrelevante Tatsachen sind von der dafür bekanntlich darlegungs- und beweisbelasteten83 Beklagten nicht beigebracht. - Der Reihe nach:

1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG84 ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Von den so umschriebenen möglichen „Störquellen“ (Wilhelm Herschel 85) im Vollzug eines Arbeitsverhältnisses geht es der Beklagten erklärtermaßen um sogenannte verhaltensbedingte Gesichtspunkte. Als Grundstein setzt eine so motivierte Kündigung eine – in aller Regel: vorwerfbare - Verletzung vertraglicher Pflichten des Arbeitnehmers voraus86.

2. Bereits diese Voraussetzung verhaltensbedingter Kündbarkeit des hiesigen Arbeitsverhältnisses könnte einigen Bedenken begegnen (a.); zumindest können der Beklagten spätestens die übrigen normativen Anforderungen an die Kündbarkeit geschützter Arbeitsverhältnisse wegen vertraglichen Fehlverhaltens der Klägerin nicht bescheinigt werden (s. unten, S. 16 ff. [b.]). - Insofern, nochmals, der Reihe nach:

a. Zum besagten „Grundstein“ gilt folgendes:

aa. Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass die fortgesetzte Zweckentfremdung der technischen Infrastruktur des Betriebes zur privaten Eigennutzung nach der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen jedenfalls dann eine kündigungsrelevante Verletzung des Vertrages darstellen kann, wenn der Arbeitgeber sich solcherart „Selbstbedienung“ zuvor ebenso unmissverständlich wie konsequent verbeten hat. Insofern ist insbesondere anerkannt, dass sogar ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen kann, „wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichen Umfang (,ausschweifend‘) nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt“87. In diesem Zusammenhang stellen die Gerichte aus der vielschichtigen Kaleidoskopie dieses heutigen Massenphänomens modernen Arbeitslebens88 besonders auf vier verschiedene Problemfacetten ab, deretwegen die Belange des Arbeitgebers durch besagte unerlaubte Selbstbedienung spezifisch gefährdet seien: Gemeint ist neben dem „Herunterladen“ potentiell dubioser Datenmengen als solchem, deren für das Ansehen des Unternehmens womöglich kompromittierender Charakter89, ferner die Entstehung unerwünschter Kosten90 und nicht zuletzt die Vorenthaltung des – obwohl bezahlten - Arbeitsvermögens des zu Privatzwecken surfenden Mitarbeiters91.

ab. Im Lichte dieser Grundsätze scheint für den hiesigen Streitfall zwar feststellbar zu sein, dass die Klägerin an den mit ihr (wohl) erörterten Tagen vom 29. Januar bis 8. Februar 2014 in vermutlich nicht zu vernachlässigendem Ausmaß während ihrer persönlichen Arbeitszeit zu privaten Zwecken im Internet „unterwegs“ war.

 (1.) Allerdings ist schon insofern festzuhalten, dass damit noch längst nicht gesagt ist, dass dies auch im ihr von der Beklagten zur Last gelegten Umfange (s. oben, S. 3 [II.1.]; Urteilsanlage II.) dingfest zu machen wäre. Die Klägerin hat dazu klargestellt (s. oben, S. 8-9 [VI.2.]), dass von der prinzipiellen Zubilligung privater Surf-Aktivitäten beileibe nicht sämtliche Zeiten mitumfasst seien, die die Beklagte ihr insofern zugeschrieben wissen will. Dass die Belege der Beklagten (Urteilsanlage II.) die behaupteten Zeitmengen schon unabhängig davon rechnerisch nicht nachvollziehbar hergeben, dass sie – für das Gericht nicht ohne Weiteres verwertbar (§ 184 Satz 1 GVG92) – in englischer Sprache abgefasst sind, ist im Kammertermin bereits kurz erörtert worden. - Die Frage des insoweit objektivierbaren Umfangs privater Internetnutzung der Klägerin kann allerdings letztlich aus den gleich noch zu erläuternden Gründen (s. nachfolgend S. 16 ff. [b.]) auf sich beruhen.

 (2.) Ebenso kann für die Frage der Vertragswidrigkeit zunächst noch dahingestellt bleiben, inwiefern es Abstriche spätestens bei der für die Kündigungsrelevanz vertraglichen Fehlverhaltens maßgeblichen Vorwerfbarkeit etwaiger Surfgewohnheiten der Klägerin (s. oben, S. 13 [1.]) nach sich zöge, dass die Beklagte den Internetumgang ihres Personals bis zu den hier apostrophierten „Hinweisen“ (s. oben, S. 4 [vor 3.]; Urteilsanlage IV.) anscheinend in keiner Weise kontrollierte: Wenn es nach ihren eigenen Angaben (s. oben, S. 10) zutreffen soll, dass die Klägerin nicht nur seit Anbeginn ihres betrieblichen Daseins im Hause gleichsam tagtäglich nicht nur unter den Augen einer Kollegin privat im Internet unterwegs gewesen sei, sondern dabei auch noch ganz ungestört „ihre Labradorzucht betrieben“ habe, so müsste dies zumindest erheblich zu denken geben: Immerhin könnte eine solche ausdauernde Abwesenheit jeglicher Aufmerksamkeit der betrieblichen Autoritäten triftige Zweifel daran wecken, dass das handbuchförmige Reglement der Beklagten (s. oben, S. 2 [I.]), welches sie der Klägerin heute zum Zeichen tiefgreifender Vertragsverletzung vorhält, auf tatsächliche Geltung konsequent angelegt waren. Hier wären ggf. zunächst „Widersprüche in der Organisation“ des Betriebes vor ultimativen Maßnahmen gegen einzelne Arbeitspersonen abzustellen, von denen im kündigungsschutzrechtlichen Fachschrifttum aus guten Gründen schon vor mittlerweile fast 20 Jahren höchst anschaulich die Rede war93.

ac. Auf sich beruhen kann nach den insoweit jüngsten Äußerungen der Beklagten zur vormals angeblich bestehenden Weisung über die zeitliche Sychnronizierung von PC-Betrieb und persönlicher Präsenz ihres QS-Personals im Hause (s. einerseits oben, S. 7-8 [V.1.]; andererseits oben, S. 9 [VII.]), dass ein solcher Vorwurf angesichts des hiesigen Konsultationsverfahrens beim Integrationsamt (s. oben, S. 3 [II.2.]; Urteilsanlage III.) der hiesigen Kündigung vom 27. Februar 2014 – wie bereits die Klägerin zutreffend hat anmerken lassen94 - in der Tat nicht zugrunde gelegt werden könnte95.

b. Dass es auf diese Schranken kündigungsrechtlicher Dispositionsmacht der hiesigen Beklagten letztlich nicht ankommt, beruht – wie bereits vorausgeschickt (s. oben, S. 13 [2.]) - auf Prüfkriterien, die die Gerichte für Arbeitssachen in einem sich über Jahrzehnte hinweg erstreckenden Entwicklungsprozess über den weiter oben apostrophierten „Grundstein“ hinaus nicht zuletzt unter dem Einfluss verfassungsrechtlich inspirierter Wertungen herausgebildet haben. - Auch insofern, neuerlich, der Reihe nach:

ba. Angesprochen ist [im] kündigungsschutzrechtlichen Prüfungsaufbau96 zunächst die Frage, ob ein Vertragsverstoß nach Art und Begleitumständen eine gegen die Person des „Übeltäters“ gerichtete Maßnahme97 überhaupt gebietet:

 (1.) Diese Maxime des geltenden Kündigungsschutzrechts geht in erheblichem Maße auf Vorarbeiten von Wilhelm Herschel zurück98 und hat sodann von Ulrich Preis als „Prognoseprinzip“99 ihren heutigen Namen erhalten. Kennzeichen ihrer inzwischen sowohl beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG100) als auch vom Bundesarbeitsgericht (BAG101) aufgenommenen Lehren102 ist die Einsicht, dass der arbeitsrechtlichen Kündigung selbst bei gravierendsten Vertragsverfehlungen kein Strafcharakter zukommt. Sie ist vielmehr in den Dienst präventiver „Gefahrenabwehr“ gestellt, soll dem Arbeitgeber also lediglich die Rechtsmacht verleihen, sich gegen künftige Beeinträchtigungen relevanter Vertragsbelange vonseiten ihres Adressaten wirkungsvoll zu schützen103. Danach ist grundsätzlich zu fordern, dass „Wiederholungsgefahr“ besteht, die freilich in aller Regel zu Recht daraus hergeleitet wird, dass es zur Vertragsverletzung bereits einmal gekommen ist104. Soweit eine konkrete Wiederholung des inkriminierten Geschehens hingegen unwahrscheinlich erscheint, wird den Erfordernissen des „Prognoseprinzips“ nach gängigen Doktrinen allerdings in gleicher Weise genügt, wenn die Beziehung der Vertragsparteien durch den betreffenden Vorfall nachhaltig geschädigt sei105. In solchen Fällen wird dem auf nicht absehbare Zeit entstandenen „Vertrauensschaden“ dieselbe Wirkung zugebilligt wie einer Wiederholungsgefahr, so dass es beim Kündigungsgrund gleichfalls bewendet.

 (2.) Auch solche „Negativprognose“ kann der hiesigen Beklagten indessen nicht bescheinigt werden. Insofern kann ihr angesichts der Besonderheiten des Streitfalles schon nicht einmal zweifelsfrei zugebilligt werden, dass sich nach ausgiebiger Thematisierung des unerwünschten privaten Surfgeschehens überhaupt noch weiterer Handlungsbedarf im Blick auf die Klägerin ergäbe:

 (a.) Insofern verweist diese nämlich nicht ohne Grund darauf, dass sie sich erkennbar nach Kräften bemüht hat, zur Bewältigung des von der Beklagten seit 17. Februar 2014 zur Sprache gebrachten Konflikts mit brauchbaren Mitteln konstruktiv beizutragen. Sie hat sich nicht nur im Text vom 19. Februar 2014 (s. oben, S. 5-6 [3.]; Urteilsanlage VI.) eindringlich um Verständnis und Nachsicht bemüht, sondern auch Vorschläge unterbreitet, um dadurch die Folgen des Konflikts möglichst zu kompensieren und künftige Wiederholungen auszuschließen. Das ist nicht nur ein deutliches Zeichen für die Wirksamkeit eines „Weckrufs“ bei der Klägerin, sondern lässt entsprechende Steuerungswirkung und damit eine Wiederherstellung der gestörten betrieblichen Kooperation106 hier in der Tat auch ohne sonstige Weiterungen erwarten.

 (b.) Allerdings verkennt das befasste Gericht bei dieser Einschätzung nicht, dass die Beklagte nicht nur darauf besteht, jedes Vertrauen in die Loyalität der Klägerin und die Gedeihlichkeitsperspektiven der Beziehung nunmehr eingebüßt zu haben107, sondern auch in Stil und Diktion ihres Prozessvorbringens wenig Hoffnung vermittelt, zu solchen Entwicklungen den nötigen Eigenbeitrag leisten zu wollen.

 (ba.) Das hilft aber nichts und verbessert schon gar nicht ihre Prozessrechtsstellung: Insofern genügt es nämlich nicht, die Zeit beim (vermeintlichen) Vertragsverstoß der Betroffenen einfach anhalten zu wollen, um über „Vertrauensperspektiven“ - abschließende – kündigungsrelevante Prognosen stellen zu wollen. In dieser Hinsicht verhält es sich in der Arbeitswelt nämlich nicht anders als auch sonst im zwischenmenschlichen Zusammenleben: Aus gutem Grund hat namentlich der Zweite Senat  des BAG zutreffend darauf verwiesen, dass auch „Vertrauen“ durch künftige Vertragstreue „zurückgewonnen“ (besser vielleicht: erneuert) werden könne108. - Im Klartext: Es muss nur Gelegenheit dazu gegeben werden – statt einmal erlittene Kränkung beharrlich „nachzutragen“.

 (bb.) Diesen Erfahrungssätzen entsprechen moderne Erkenntnisse der Beziehungsforschung: Hierfür sei nur auf die Untersuchungen des amerikanischen Wissenschaftlers John Gottmann verwiesen, über dessen Resultate die Zeitschrift „GEO“ schon im Dezember 2002 höchst anschaulich berichtete109: Danach ließen sich die emotionalen Irritationen erlittener Kränkungen in Partnerschaften regelmäßig neutralisieren, wenn es dem „Störer“ gelänge, dem Partner „fünf positive Erlebnisse etwa der gleichen Größenordnung“ zu stiften110. „Fünf zu eins“ heißt die daraus abgeleitete Kompensationsformel111 (Martenstein: „Glücksformel“), die somit die nicht zuletzt im Arbeitsleben augenscheinlich unverhältnismäßig oft zutiefst unwillig zur „Irreparabilität“ gestempelte Vertrauensstörung als vermeintlichem Zwangsschicksal der Beziehung überzeugend in die Sphäre aktiver Beeinflussbarkeit zurückholt. Der Störer braucht nur eben – wie dies die Klägerin insofern zu Recht erbittet - die Chance zu solcher „Bewährung“. - Genau darum geht es112.

bb. Selbst wenn man die Dinge in diesem Punkt anders werten wollte, wäre der hiesigen Kündigung vom 27. Februar 2014 (Urteilsanlage VII.) freilich noch immer keine „soziale Rechtfertigung“ nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG113 zu bescheinigen. Das liegt am letzten der schon wiederholt vorausgeschickten Prüfkriterien (s. oben, S. 13 [2.]; S. 16-17), die tatsächlich neben besagtem „Grundstein“ verhaltensbedingter Kündbarkeit geschützter Arbeitsverhältnisse erst in ihrer Gesamtheit diejenige „kündigungsrelevante Gefahrenlage“114 konstituieren, die letztlich typischerweise den Weg zur ultimativen Trennung vorzeichnet:

 (1.) Gemeint ist der Umstand, dass das Recht zur arbeitgeberseitigen Kündigung geschützter Arbeitsverhältnisse nach langjährig eingespielter Rechtsprechung der Arbeitsjustiz nicht zuletzt unter dem Einfluss grundrechtlicher Vorgaben115 vom sogenannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „beherrscht“116 wird.

 (a.) Diese – bereits im Rechtsdenken der Antike verwurzelte117 – Rechtsausübungsschranke, deren Anerkennung speziell im kündigungsrechtlichen Sachzusammenhang namentlich auf Anstöße von Erich Molitor 118, Hans Galperin 119, Dirk Neumann 120 und Wilhelm Herschel 121 zurückgeht, verlangt vom Arbeitgeber, seine vertraglichen Belange gegenüber dem Arbeitnehmer möglichst schonend zu verfolgen (salopp: „keine Kanonen auf Spatzen“122). Mit anderen Worten: Er darf auf Störungen seiner vertraglichen Belange nicht ultimativ mit Kündigung reagieren, solange er diese Belange auch auf rücksichtsvollere Weise wirksam zu wahren imstande ist. Die Kündigung hat danach in den heute selber schon fast klassischen Worten des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die „unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio)“123 zu sein.

 (b.) Aus diesem normativen Rahmen ergibt sich in Fällen, in denen die Beseitigung der Vertragsstörung durch Änderung des Verhaltens des Arbeitnehmers erwirkt werden kann, unter anderem die Obliegenheit für den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung vergeblich abzumahnen124.

Allerdings ist dies beileibe nicht die einzige Konsequenz des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Dieses erschöpft seinen Geltungsanspruch nämlich keineswegs darauf, den Arbeitgeber auf dieses oder jenes (schonendere) Mittel zur Verhaltenssteuerung zu verweisen. – Im Gegenteil: Namentlich in Fällen, in denen der Vertragsbeziehung eine gedeihliche Perspektive nicht (nur) durch eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers, sondern gleichermaßen oder ausschließlich auf andere Weise verschafft werden kann, ist ein Grundsatz zu beachten, der sich im gerichtlichen „Hausgebrauch“ seit Jahrzehnten bewährt und – soweit ersichtlich – auf Alfred Hueck zurückgeht125: Danach ist eine Kündigung allenfalls dann „sozial“ gerechtfertigt, wenn es nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen „technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art“ zu entsprechen126.

 (c.) Dieser Verweis auf möglichst schonende Wege der Problemlösung hat mittlerweile aufschlussreiche Spuren auch im geschriebenen Gesetzesrecht hinterlassen: So finden sich seit dem Inkrafttreten des sogenannten Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969127 mit dem 1. September 1969 in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe b128 sowie § 1 Abs. 2 Satz 3129 KSchG Vorgaben, die bestimmte Aspekte des Prinzips der Verhältnismäßigkeit kodifizieren. Neuerdings kommt hinzu, dass mit der anlässlich der Schuldrechtsreform des Jahres 2002 eingeführten Regelung des § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grunde nunmehr ausdrücklich angeordnet ist, dass die Kündigung in Fällen, in denen der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht, „erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig“ ist. Insofern hat das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren130. Die gesetzliche Regelung zeichnet damit – generalisierend – nach, was für den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz seit Jahrzehnten bereits zum Standard herausgebildet worden ist.

 (2.) Auch diese Grundsätze verwehren es der hiesigen Beklagten, sich von der Klägerin wegen ihrer in der Zeit vom 29. Januar bis 8. Februar 2014 beobachteten „Ausflüge“ ins Internet zu privaten Zwecken nun kurzerhand per Kündigung zu trennen. Das hat mehrere Gründe, an denen auch die Einwände der Beklagten nichts ändern können:

 (a.) Bereits diesseits des gerade abgehandelten Abmahnungsgebots ist der von der Klägerin selber schon am 18. Februar 2014 außergerichtlich zur Sprache gebrachte Vorschlag (s. oben, S. 5 [vor 3.]; S. 6-7 [III.]; Urteilsanlage V.) zu nennen, sie von einer Verbindung ins Internet abzusperren. Das erscheint ohne Weiteres gangbar. Jedenfalls hat die Beklagte, die auch für die Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit als Teil des sogenannten „Kündigungsgrundes“ darlegungs- und beweisbelastet ist131, weder vorgerichtlich noch im Rechtsstreit zu erkennen gegeben, was solcherart technischer Gefahrenabwehr, die als Paradebeispiel schonenderer Problemabhilfemöglichkeiten im Sinne schon Alfred Hueck‘s (s. oben, S. 23 [vor (c.)]) gelten könnte, betrieblich im Wege stehen sollte. Insofern wäre die Beklagte somit in erster Linie nicht nur darauf zu verweisen, sondern (wohl) auch gut beraten, den Vorschlag der Klägerin zur Wahrung der beiderseitigen Belange schlicht aufzugreifen132.

 (b.) Im Übrigen bliebe in der Tat, soweit unter den hiesigen Bedingungen erklärter Problemlösungsbereitschaft der Klägerin überhaupt noch angezeigt, eine verbale Reaktion in Betracht zu ziehen, als die die besagte „gelbe Karte“ förmlicher Abmahnung fungieren könnte. Das entspricht der referierten Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen (s. oben, S. 22 [(b.)]; S. 23-24 [(c.)]. Soweit die Beklagte insofern meint, von ihren diesbezüglichen Obliegenheiten zum Abmahnungsgebot befreit zu sein, kann das Gericht dem weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht folgen:

 (ba.) Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass bei den Gerichten für Arbeitssachen bis in die jüngere Zeit zU.ilen der Gedanke anklingt, es genüge gleichsam das Wissen einer Arbeitsperson, sich bei (intensiver) privater Nutzung des betrieblichen Internetzuganges vertragswidrig zu verhalten, um damit das vorerwähnte Abmahnungsgebot auszuschalten und dem Arbeitgeber bei Bedarf den sofortigen Zugriff auf die Kündigung zu verschaffen. Die Beklagte hat dazu in der mündlichen Verhandlung daher einen Text aus der Judikatur (wohl) des Bundesarbeitsgerichts zitiert, bei dem es sich – wenn das Gericht nicht irrt – um folgende (hier um ihren Kontext ergänzte) Zeilen133 handelt:

 „Der Arbeitnehmer kann weiter auch nicht damit rechnen, der Arbeitgeber sei, selbst wenn er prinzipiell eine private Nutzung des Internet duldet, damit einverstanden, dass er sich umfangreiche pornografische Dateien aus dem Internet herunterlädt (…). Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, von Dritten nicht mit solchen Aktivitäten seiner Mitarbeiter in Verbindung gebracht zu werden (…). Weist in diesen Fällen die Nichtleistung der vertraglich geschuldeten Arbeit einen erheblichen zeitlichen Umfang, wie hier vor allem am 3. und 16.10.2002, auf, kann der Arbeitnehmer in keinem Fall mit einer Duldung bzw. Gestattung durch seinen Arbeitgeber ernsthaft rechnen.

Deshalb muss es jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Es bedarf daher in solchen Fällen auch keiner Abmahnung. Mit dem Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung vor Kündigungsausspruch soll vor allem dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen (…). Dementsprechend bedarf es einer Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (...)“.

 (bb.) Auch damit lässt sich das Blatt jedoch nicht wenden. Abgesehen davon, dass der Zugriff der Klägerin bei ihren privaten Internetaktivitäten – soweit ersichtlich – wohl gerade nicht irgendwelchen „umfangreichen pornografischen Dateien“ galt, wirken auch die Begleitüberlegungen der damaligen Urteilsbegründung missverständlich. Jedenfalls trägt der aktuelle normative Bezugsrahmen nicht diejenigen Aussagen des damaligen Urteils, die für die vermeintliche Reichweite des Abmahnungsgebots „Gut-“ oder „Bösgläubigkeit“ einer Arbeitsperson das (alleinige) Zünglein an der Waage bilden zu lassen scheinen. Tatsächlich erschöpft sich der heutige – mittlerweile zweigliedrige - Geltungsgrund des Abmahnungsgebots darin nicht:

 [1.] Richtig ist aber, dass das prozedurale Gebot vergeblicher Abmahnung seinen historischen Ursprung in der kündigungsrechtlichen Judikatur zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen bereits des Reichsgerichts (RG) einer Konstellation verdankt, in der es genau um die Kenntnis der Zielperson von Inhalt und Grenzen ihrer (damals: außervertraglichen; vermeintlichen) Handlungsfreiheit ging. - Dazu hat die befasste Kammer vor einigen Jahren aus (auch dort) gegebenem Anlass – gleichfalls zum BAG-Urteil vom 7. Juli 2005 - dies ausgeführt134:

 „(1.) Dem Urteil vom 7. Juli 2005 zufolge, soll mit dem Abmahnungsgebot, vor allem dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen‘135. Gemessen daran, sei eine Abmahnung nicht stets vonnöten: Da jedem Arbeitnehmer jedenfalls ,klar sein‘ müsse,,dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich‘ verletze, bedürfe es in solchen Fällen keiner Abmahnung136. Demselben Begründungsmuster folgt das Urteil vom 12. Januar 2006: Danach sei eine Abmahnung ,ausnahmsweise entbehrlich‘, wenn ,eine schwere Pflichtverletzung‘ vorliege, deren ,Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar‘ und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber ,offensichtlich ausgeschlossen‘ sei137. In nochmals gleichem Sinne judiziert der Zweite Senat im Urteil vom 31. Mai 2007: So sei die Rechtswidrigkeit seines Handelns dem Arbeitnehmer bei ,einer „schweren Pflichtverletzung“‘ regelmäßig genauso ohne Weiteres erkennbar, wie seine Perspektive,,dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen‘ sei138. Eben hiervon könne bei jener ,sogenannten exzessiven Privatnutzung des Internets‘ ausgegangen werden, wie sie den Urteilen vom 7. Juli 2005 und 27. April 2006 zur Debatte gestanden habe139.

 (2.) Wäre dem zu folgen, so käme es für den hiesigen Streitfall auf nähere Feststellungen zur zwischen den Parteien heftig umstrittenen Frage an, in welchem Umfang der Kläger den an seinem Arbeitsplatz verfügbaren Internetanschluss tatsächlich für private Belange genutzt und ob es sich danach ggf. um ,exzessive‘ Zweckentfremdung gehandelt hat. Bejahendenfalls wäre der Folgefrage nachzugehen, was vom weiteren Streit der Parteien über den vom Kläger zu seiner Entlastung beklagten ,Leerlauf‘ (…) zu halten ist140. Obendrein – und systematisch an sich vorrangig – wäre zu prüfen, ob die Beklagte es sich nicht zu leicht damit macht, dem Kläger unter Hinweis auf insgesamt 876 Blatt eng bedruckten Papiers (… ) den Vorwurf ausschweifender Privatnutzung des Internets zu machen, ohne die Kriterien ihrer Einordnung als ,dienstlich‘ oder ,privat‘ mitzuteilen und das Gericht stattdessen zur etwaigen Vergewisserung nur auf eine Befragung ihrer Datenschutzbeauftragten zu verweisen.

bb. Das alles kann hier jedoch auf sich beruhen. Im vorliegenden Falle war eine Abmahnung des Klägers nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit nämlich unabhängig von den besagten Umständen zwingend geboten. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Kläger die (etwaige) Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens hat ,erkennen‘ oder ob er damit hat ,rechnen‘ können, dass die Beklagte es als schwerwiegend ansehen und nicht ,hinnehmen‘ würde. Die so ins Spiel gebrachten Gesichtspunkte tragen zur Klärung der Reichweite des Abmahnungsgebots nichts bei:

 (1.) So trifft es namentlich nicht zu, wie das BAG a.a.O.141 meint, dass der Sinn und Zweck der Abmahnung schlicht darin läge, dem ,Einwand des Arbeitnehmers‘ zu begegnen, er sei sich der Pflichtwidrigkeit irgendeines Verhaltens nicht bewusst gewesen. Tatsächlich geht es beim Abmahnungsgebot keineswegs und schon gar nicht primär darum, etwaige Unklarheiten des Arbeitnehmers über seinen Pflichtenkreis oder die Toleranzgrenzen des Arbeitgebers auszuräumen. Wie bereits erwähnt (s. oben, S. 13-15 [A.II.2 a.]), geht es dabei nach heutigem Erkenntnisstand vielmehr um die Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. …

 (a.) Dem BAG ist allerdings zuzubilligen, dass das Abmahnungsgebot historisch aus höchstrichterlichen Bewertungsmustern hervorgegangen ist, die seine zitierten Annahmen durchaus stützen. Deren ungebrochene Fortschreibung entspricht jedoch nicht mehr dem aktuellen normativen Umfeld. – Hierzu, nochmals, der Reihe nach:

Verfolgt man die Zitierungsgenealogie des vom Zweiten Senat a.a.O. angesprochenen Konzepts des Abmahnungsgebots in Judikatur und Schrifttum zu ihren Ursprüngen zurück, so führt diese Quellenforschung zu einem Urteil des Sechsten Zivilsenats des Reichsgerichts (RG) von 1897142:

 (1.) Das RG bekam es damals mit einem Fall zu tun, bei dem der technische Leiter einer Spinnerei und Bindfadenfabrik fristlos gekündigt worden war, weil er ,mit der (ihm die Wirtschaft führenden und seine Wohnung teilenden) unverehelichten P. dauernd unsittlichen Verkehr unterhalten‘ habe143. Dieser Kündigung hatte der Betroffene u.a. entgegen gehalten, der Unternehmer habe von dem Verhältnis ,bereits ein halbes Jahr vor der … Kündigung Kenntnis erlangt‘. Daraus sei zu schließen, dass der Unternehmer auf sein Recht zur Heranziehung des ,Konkubinats‘ als Entlassungsgrund verzichtet habe144.

Der Senat mochte so weit zwar nicht gehen. Er verlangte aber – immerhin - die Prüfung, ob der Unternehmer (nach den dortigen Prozessrollen im Rahmen einer Räumungsklage: der Kläger) „nicht, wenn er den Beklagten zunächst gewähren ließ, nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, dafern seine Anschauung sich änderte, dies dem Beklagten mitzuteilen, und ob er nicht auf den jetzt geltend gemachten Entlassungsgrund sich nur dann berufen dürfe, wenn er den Beklagten zur Lösung seines unsittlichen Verhältnisses aufgefordert, dieser aber dem nicht alsbald entsprochen hätte“145.

Man sieht (hoffentlich): Hier findet sich das Grundmuster jener vorerwähnten These des BAG, es gehe bei der appellativen Einforderung vertragsgerechten Verhaltens vor Ausspruch der Kündigung (nur) um die Ausräumung eines „Einwandes“ des Gekündigten.

 (2) Die Entscheidung des Reichsgerichts zitierte Alfred Hueck im gemeinsam mit Hans Carl Nipperdey verfassten Lehrbuch für Arbeitsrecht bei der Behandlung des ,Kündigungsverzichts‘146. Auf die hierbei entstandene Passage Hueck’s bezog sich sodann Erich Molitor147. Er war es (wohl) auch, mit dem der bis dahin zumindest im Dienstvertragsrecht148 noch nicht gebräuchliche Begriff der ,Abmahnung‘ das Licht der (Arbeits-)Welt erblickte.

Ein Urteil des LAG Bremen vom 6. Mai 1953149, das nicht zuletzt dem Abmahnungsgebot im Kündigungsrecht als ,notwendige Voraussetzungen eines Kündigungsentschlusses‘ eine wichtige Bresche schlug150, nahm Alfred Hueck zum Anlass zu folgender – einschränkenden - Anmerkung151:

,2. Ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung auffordern muss, das vom Arbeitgeber beanstandete Verhalten aufzugeben, kann m.E. nur nach den Umständen des Einzelfalles entschieden werden. Bei schweren Pflichtverletzungen, deren Unzulässigkeit der Arbeitnehmer ohnehin kennt, ist eine solche Aufforderung nicht nötig; bei einem Verhalten, dessen Duldung durch den Arbeitgeber als möglich erscheinen konnte, wird man umgekehrt entscheiden müssen‘.

 (3.) Auf diese (eigene) Anmerkung bezog Hueck sich einige Jahre später auch in seinem Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz152. Dort wurde das Diktum dann bis zur 10. Auflage des Werkes (zuletzt durch Götz Hueck) fortgeschrieben153, ehe sich Wilfried Hillebrecht ein Jahr darauf (1981) in der Erstauflage des ,KR‘154 zu tendenziell verwandten Wertungen bekannte155.

 (4.) An die Überlegungen namentlich von Alfred Hueck und Wilfried Hillebrecht knüpfte der Zweite Senat des BAG unter dem Vorsitz von Hillebrecht im Juni 1983 erstmals an156. Seitdem gehören die beteiligten Denkfiguren zum Standardrepertoire157 seiner Judikatur regelmäßig dann, wenn die Entbehrlichkeit einer Abmahnung vermittelt werden soll. – Das gilt, wie gesehen ( … ), bis heute.

 (b.) Entspricht hiernach die These, eine Abmahnung solle den Einwand eines vertragswidrig agierenden Arbeitnehmers ausräumen, er sei der Sache nach ,gutgläubig‘ gewesen, unverkennbar dem historischen Ursprung des Abmahnungsgebots, so ist es dabei jedoch keineswegs geblieben. Vielmehr hat sich – wie oben ( … ) schon ausgeführt - spätestens158 Ende der Achtziger Jahres des vorigen Jahrhunderts die Erkenntnis durchgesetzt, dass sein Geltungsanspruch aus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit herrührt. In dessen Licht geht es – wie gleichfalls schon erwähnt - nicht länger darum, mit dem ,bösgläubigen‘ Arbeitnehmer möglichst kurzen Prozess zu machen, sondern darum, den Arbeitgeber auf das schonendste geeignete (und zumutbare) Mittel zur künftigen Wahrung seiner Vertragsbelange zu verweisen. Es ist denn auch dieser ,Aspekt‘, von dem das BAG a.a.O. mit vollem Recht betont (...), dass er durch die heutige Regelung des § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB ,eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren‘ habe.

 [2.] Das alles zeigt: Wird somit aus heutiger Sicht und mit vollem Recht als Geltungsgrund des Abmahnungsgebots das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstanden159, so ist der Gerechtigkeitswert des ursprünglichen Geltungsgedankens damit zwar nicht überholt. Er tritt aber neben diesen und bedeutet im Ergebnis, dass beide Aspekte kumulierte Geltung beanspruchen. Insofern darf es auch als wohlerwogen angesehen werden, dass der Zweite Senat seine jüngeren Ausführungen zur Entbehrlichkeit einer Abmahnung im Kontext der § 314 Abs. 2160, § 323 Abs. 2 Nr. 3161 BGB deutlich anders als nach den Formeln der – wie gesehen - letztlich auf das Reichsgericht zurückgehenden Rechtsprechung akzentuiert: Wie beiläufig schon zitiert162, bedarf es einer Abmahnung im Lichte des Prinzips der Verhältnismäßigkeit danach nur dann nicht, wenn entweder – anders als hier - eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten ist oder es sich aber „um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist“163. Ist somit dies der heute maßgebliche Leitgedanke, dann wird nicht nur der auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nach den Grundsätzen sogenannter „praktischer Konkordanz“164 (Konrad Hesse) dringend benötigte Anschluss an die schon bei Wilhelm Herschel entwickelten Grundsätze zu den Grenzen des Abmahnungsgebots (s. oben, S. 19 Fn. 105) in gelungener Weise hergestellt. Stattdessen ist dann auch für den Streitfall evident, dass eine „erstmalige“ Übertretung der der Klägerin durch das betriebliche Nutzungsreglement gesetzten Schranken gegen private Internetausflüge für die Beklagte nie und nimmer „unzumutbar“ sein kann: Denn dann kann die Devise nicht sein, die Klägerin als „Erste Hilfe“ ultimativ aus dem Betrieb zu verbannen und damit – im Bilde - „das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Dann kann es vielmehr allenfalls darum gehen, das unerwünschte Verhalten als solches zu unterbinden. Genau hierzu bietet sich spätestens die Abmahnung an, der ihre Eignung zur entsprechenden Verhaltenssteuerung in aller Regel und erst Recht hier auch allemal zugetraut werden darf165.

 (c.) Schließlich ergibt sich auch nicht etwa deshalb ein anderer Befund, weil die Beklagte – wie hier bereits von der empirischen Seite des Problems her im Zusammenhang mit dem Prognoseprinzip erörtert (s. oben, S. 17-21) – mit Nachdruck darauf besteht, jedes Vertrauen in die Integrität der Klägerin eingebüßt zu haben. Insofern bliebe vielmehr auch in normativer Hinsicht ein weiteres Mal daran zu erinnern, dass das Abmahnungserfordernis im Dienste des Prinzips der Verhältnismäßigkeit erklärtermaßen auch auf den sogenannten „Vertrauensbereich“ des Arbeitsverhältnisses erstreckt worden ist166. Das gilt erst Recht im Zeitalter seiner Kodifizierung in den schon erwähnten §§ 314 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB167 (s. oben, S. 31 [2.]) und ist nicht zuletzt gesetzessystematisch geboten: Insofern ist im Fachschrifttum mit vollem Recht wiederholt daran erinnert, dass jede Verabsolutierung vorgeblich irreparabel zerstörten Vertrauens auf die Wiederbelebung genau jener sogenannten absoluten Kündigungsgründe hinausliefe168, die bekanntlich schon Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit dem schon erwähnten (s. oben, S. 23-24) Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz endgültig verabschiedet worden sein sollten. Allein dies entspricht zugleich den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 GG169, zu dessen Inhalten im Lichte heutigen Verständnisses nicht zuletzt die – in den bisherigen Ausführungen denn auch gebührend praktizierte - Einzelfallwürdigung von Kündigungskonflikten gehört170.

III. Bleibt es nach allem dabei, dass der Beklagten der Versuch nicht zu ersparen ist, der Klägerin - äußerstenfalls - durch Abmahnung zu verdeutlichen, das ihre Vorgaben aus dem betrieblichen „Handbuch“ trotz einwandfreier Arbeitsleistungen auch für sie und trotz etwaiger „Abhängigkeit“171 keine privaten Ausflüge ins Internet dulden, so erweist sich die Kündigung vom 27. Februar 2014 - spätestens - danach als nicht haltbar. - Die Konsequenzen verlautbart der Tenor zu I. des Urteils.

B. Der (weitere) Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2.)

Der Klage war ihr Erfolg auch nicht zu versagen, soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 2. festgestellt sehen will, dass ihr Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern über den 27. Februar 2014 hinaus fortbestehe: Es ist in der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen bekanntlich anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen die Kündigung vorsorglich auch den sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO172 stellen kann, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich während des Rechtsstreits überraschend auf andere – zU.ilen schlicht untergeschobene - Beendigungstatbestände beruft173. Dieses Klagebegehren wird daher im Fachschrifttum auch pointiert als „Schleppnetzantrag“ bezeichnet174. Das ihm zugrunde liegende Schutzbedürfnis ist auch der hiesigen Klägerin – ohne gegen die Akteure der Beklagten persönlichen Argwohn zu hegen – objektiv nicht abzusprechen. - Daher also: Tenor zu II.

C. Das Zwischenzeugnis (Klageantrag zu 3.)

Begründet ist auch der Wunsch der Klägerin nach einem Zwischenzeugnis, den ihr die Beklagte somit zu Recht nicht streitig macht:

Unter den Gerichten für Arbeitssachen175 sowie im Fachschrifttum176 besteht im Grundsatz Einigkeit, dass der Arbeitnehmer nicht nur nach § 109 GewO177 Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch darauf, während des – selbst ungekündigten - Arbeitsverhältnisses ein Zwischenzeugnis zu erhalten (s. heute § 241 Abs. 2 BGB178). Das soll jedenfalls dann gelten, wenn für das Begehren ein „triftiger“ Grund besteht179. Hierher gehört nicht zuletzt der Fall, dass sich ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer – wenn auch (noch) ohne rechtlich durchgreifende Beweggründe - trennen will180: In solchen Problemlagen bedingt schon sein wohlverstandenes Eigeninteresse, der Zielperson den Weg in eine Anschlussbeschäftigung nicht unnötig zu verbauen. Solche Verhältnisse prägen ersichtlich auch die hiesige Fallgestaltung. Ihnen trägt der Tenor zu III. des Urteils die gebotene Rechnung.

D. Die Weiterbeschäftigung (Klageantrag zu 4.)

Dass die Klägerin bis zur Beendigung des Kündigungsrechtsstreits ihre vorläufige Weiterbeschäftigung fordern kann, ergibt sich nach aus den bekannten Grundsätzen in BAGE 48, 122181. - Dem trägt der Tenor zu IV. Rechnung.

E. Kosten und Streitwerte

Für Kosten und Streitwerte lässt es sich kurz machen:

I. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO182). Besagte Kosten treffen nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO183 und in den Grenzen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG184 die Beklagte, weil sie im Rechtsstreit unterlegen ist (Tenor zu V.).

II. Den Wert der Streitgegenstände hat das Gericht aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG185 im Tenor festgesetzt. Ihn hat es für die Kündigungsschutzklage (Antrag zu 1.) nach Maßgabe des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG186 mit der dreifachen Monatsvergütung der Klägerin bemessen, also mit (3 x 2.336,28 Euro = ) 7.008,84 Euro. Der weitere Feststellungsantrag ist ohne Ansatz geblieben, während das Zwischenzeugnis und das Weiterbeschäftigungsverlangen mit nochmals je einer Monatsvergütung (2.336,28 Euro) zu Buche schlägt. Das macht zusammen (7.008,84 Euro + 2.336,28 Euro + 2.336,28 Euro = ) 11.681,40 Euro und erklärt den Tenor zu VI.

 

Fußnoten

 

1) Geboren im Juni 1971.

2) S. Text: „§ 2 Behinderung. (1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. - (2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben“.

3) S. Klageschrift S. 3 (Bl. 3 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).

4) S. Kopie des (ursprünglich befristeten) Anstellungsvertrags vom 14./21.6.2010 als Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 6-9 GA).

5) S. die Angabe der Beklagten im Antrag auf Zustimmung zur Kündigung vom 13.2.2014 an das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin; Kopie als Anlage B 3 zum Beklagtenschriftsatz vom 30.4.2014 (Bl. 103-105 GA) S. 2: „Anzahl der Arbeitsplätze im Gesamtunternehmen (§§ 73, 74 SGB IX) 200“.

6) S. dazu auch schon Klageerwiderungsschrift vom 1.4.2014 S. 4 (Bl. 47 GA): „Bei der Beklagten ist es grundsätzlich nicht gestattet, die betrieblichen Ressourcen wie z.B. Rechner und Internetzugang zu privaten Zwecken zu nutzen. Das gilt ohne Besonderheiten auch für die Pausen“.

7) S. Beklagtenschriftsatz vom 30.4.2014 S. 11 [c.] (Bl. 100 GA).

8) S. Beklagtenschriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.: „Auf diese Regelung wurde die Klägerin bei Beginn ihrer Tätigkeit hingewiesen“.

9) S. Klageerwiderungsschrift S. 1 (Bl. 44 GA).

10) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

11) S. dazu lediglich unten, S. 4 [vor 3.] (Urteilsanlage IV.): „Recherche der IT-Abteilung“ zu „Internetverbindungsdaten einiger Mitarbeiter“ aufgrund „von Mitarbeiterhinweisen“.

12) S. Kopien als Anlagenkonvolute zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 58-61 GA; Bl. 62-63 GA; Bl. 50-53 GA; Bl. 64 GA).

13) S. Klageerwiderungsschrift S. 3 [2 a.] (Bl. 46 GA).

14) S. Klageerwiderungsschrift S. 4 (Bl. 47 GA): „In der Woche darauf war sie krankgeschrieben“.

15) S. Kopie als Anlage zur Klageschrift (Bl. 13-16 GA); nochmals als Anlage B 3 zum Beklagtenschriftsatz vom 30.4.2014 (Bl. 103-106 GA).

16) S. Kopie als Teil des Anlagenkonvoluts B 2 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 56 GA).

17) Es handelt sich bei Herrn M. W. um den Personalleiter der Beklagten; d.U.

 

18) Nachname der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.

 

19) Wie Fn. 18.

 

20) S. Kopie als (weiterer) Teil des Anlagenkonvoluts B 2 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 57 GA).

21) Nachname der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.

 

22) Wie Fn. 18.

 

23) S. Kopie als Anlagenkonvoluts B 2 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 57 GA).

24) S. Kopie als Anlage zur Klageschrift (Bl. 17-18 GA).

25) S. Kopie als Anlage zur Klageschrift (Bl. 19-21 GA).

26) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA): „Am 27.02.2014 ist das Arbeitsverhältnis durch die Beklagte fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt worden“.

27) S. Klageschrift S. 3 (Bl. 3 GA).

28) S. Klageschrift a.a.O. - mit Hinweis auf BAG 19.4.2012 – 2 AZR 186/11 [AP § 14 KSchG 1969 Nr. 13 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27 = DB 2013, 124].

29) S. Klageschrift S. 4 (Bl. 4 GA).

30) S. Klageschrift S. 4 (Bl. 4 GA).

31) S. Klageschrift a.a.O.

32) S. Klageschrift a.a.O.

33) S. Klageschrift a.a.O.

34) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 (Bl. 45 GA).

35) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

36) S. Klageerwiderungsschrift S. 3 [vor 2.] (Bl. 46 GA).

37) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.: „Die Klägerin ist als QS-Mitarbeiterin angewiesen, sich zuerst an- und als letztes abzumelden. Denn erst dann kann sie die QS-Aufträge lesen, Arbeitsanweisungen laden oder Ergebnisse der QS-Prüfungen in die Datenbanken eintragen. Davor oder danach gibt es keine Tätigkeiten, die sie für die Beklagte auszuführen hat. Die Beklagte fragt sich, was genau die Klägerin in dieser Zeit gemacht hat“.

38) S. Klageerwiderungsschrift S. 3 [2.] (Bl. 46 GA).

39) S. Klageerwiderungsschrift S. 4 [vor 3.] (Bl. 47 GA).

40) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

41) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

42) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 S. 1 (Bl. 69 GA).

43) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 a.a.O.

44) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 S. 2 [vor 2.] (Bl. 70 GA).

45) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 S. 3 (Bl. 71 GA).

46) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 a.a.O.

47) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 a.a.O.

48) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 a.a.O.

49) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 a.a.O. - mit Hinweisen auf die Herren Stefan L. und Christian H. [Nachnamen im Original ausgeschrieben; d.U.].

50) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 a.a.O. - mit Hinweisen auf die Herren P. und W. [Nachnamen im Original ausgeschrieben; d.U.].

51) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 1 (Bl. 90 GA).

52) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

53) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 10 [6 a.] (Bl. 99 GA).

54) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 6 [vor 3.] (Bl. 95 GA).

55) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

56) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

57) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

58) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

59) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 3 [3.] (Bl. 95 GA).

60) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

61) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 6 [4.] (Bl. 95 GA).

62) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 7 [5 a.] (Bl. 96 GA).

63) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

64) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

65) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 8 [c.] (Bl. 97 GA).

66) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

67) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

68) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

69) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 12 (Bl. 101 GA).

70) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

71) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

72) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

73) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 a.a.O.

74) S. Schriftsatz vom 30.4.2014 S. 12-13 (Bl. 101-102 GA).

75) Vgl. zur analogen Anwendung der Vorgängervorschrift in § 270 Abs. 3 ZPO statt vieler BAG 26.6.1986 – 2 AZR 358/85 – BAGE 52, 263 = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 14 = NZA 1986, 761 [B.II.3 c, cc.], wonach die Regelung des § 270 ZPO a.F. „auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet“; 17.6.1998 – 2 AZR 336/97 – NZA 1998, 1225 = RzK I 7 b Nr. 32 [II.1.], wonach „gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO die Drei-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch dann gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 Abs. 3 ZPO: 'demnächst')“; ebenso schon BAG 8.4.1976 – 2 AZR 583/74 – AP § 4 KSchG 1969 Nr. 2.

76) S. Text: „§ 167 Rückwirkung der Zustellung. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt“.

77) S. Text: „§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen. (1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden“.

78) S. Text: „§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“.

79) S. Text: „§ 7 Wirksamwerden der Kündigung. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam“.

80) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist“.

81) S. zu dieser Prüfungsfolge auch bei Erklärung einer fristlosen Kündigung näher Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 483-484: „Der Rechtsanwender, dem die Überprüfung einer außerordentlichen Kündigung obliegt, fragt – als Kontrollüberlegung – zunächst, ob der vorgelegte Sachverhalt überhaupt eine personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen vermag. Diese Kontrollfrage ist möglich, geboten und hilfreich, weil es in der Tat keinen außerordentlichen Kündigungsgrund geben dürfte, der nicht in diese Dreiteilung eingeordnet werden könnte. … Kommt er nach dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass schon eine ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt wäre, scheitert natürlich erst recht die außerordentliche Kündigung“; ders. DB 1990, 685, 689; ders. Anm. BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 44; Reiner Ascheid, KSchR (1993), Rn. 92; Walter Erman/Detlev W. Belling, BGB, Handkommentar, 12. Auflage (2008), § 626 Rn. 45; früher schon Klaus Popp, Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (1980), in: Wilhelm Maus/F. Jochen Kremp, Handbuch des Arbeitsrechts, Teil VI B; s. im gleichen Sinne auch Wilhelm Herschel, BB 1982, 254.

82) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann“.

83) S. zur Beweislast für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG; Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) … 4Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen“; s. entsprechend zum „wichtigen Grund“ nach § 626 Abs. 1 BGB statt vieler etwa BGH 20.2.1995 – II ZR 9/94 – ZIP 1995, 560 = NJW-RR 1995, 669 [I.3 a.]: „Wer einen wichtigen Kündigungsgrund geltend macht, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 28.10.2002 – II ZR 353/00 – ZIP 2002, 2254 = NJW 2003, 431 [I.2 c, bb.]: „Wer einen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB geltend macht, wie hier die Beklagte, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 12.2.2007 – II ZR 308/05 – ZIP 2007, 396 = NJW-RR 2007, 690 [III.1.]; ständige Rechtsprechung.

84) S. Text oben, S. 12 Fn. 80.

85) S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [23.7.1970] AP § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz Nr. 3 [III.b.2]: „Die Dreiteilung der Kündigungsgründe gibt … die Richtung an, aus der die Störung kommen kann“; ebenso BAG 25.11.1982 – 2 AZR 140/81 – BAGE 40, 361 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 7 [B.I.3.]; 29.1.1997 – 2 AZR 9/96 – BAGE 85, 107 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 32 = NZA 1997, 709 [II.1 c.]: „§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG differenziert insoweit nach der 'Störquelle', nicht nach den der 'Störung' eventuell zugrunde liegenden ferneren Ursachen“.

86) S. dazu statt vieler BAG 23.6.2009 – 2 AZR 283/08 – AP § 1 KSchG 1969 Abmahnung Nr. 5 = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75 [I.1.]: „Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht – in der Regel schuldhaft – erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint“; s. zur derzeitigen Formel der Judikatur des Zweiten Senats aus neuerer Zeit anschaulich BAG 19.4.2012 (Fn. 28) [I.2 b. - „Juris“-Rn. 23]: „Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe ,bedingt‘, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht“; 11.07.2013 – 2 AZR 994/12 – NZA 2014, 250 [B.I.1. - „Juris“-Rn. 20]; s. zu § 626 Abs. 1 BGB orientierungshalber auch BAG 20.8.2009 – 2 AZR 165/08 – NZA 2009, 1227 [B.I.]: „Eine schwere, insbesondere schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grunde an sich nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen“.

87) S. dazu BAG 7.7.2005 – 2 AZR 581/04 – BAGE 115, 195 = AP § 626 BGB Nr. 192 = NZA 2006, 98 [Leitsatz]: „Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichen Umfang (‚ausschweifend’) nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt“; 12.1.2006 – 2 AZR 179/05 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = NZA 2006, 980 [B.III.2 a.]; 27.4.2006 – 2 AZR 386/05 – BAGE 118, 104 = AP § 626 BGB Nr. 202 = NJW 2006, 2939 = NZA 2006, 977 [B.II.2 a.]; 31.5.2007 – 2 AZR 200/06 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.57 = NJW 2007, 2653 = NZA 2007, 922 [B.II.4 a. - „Juris“-Rn. 19].

88) S. zur Empirie bereits im Jahre 2007 die Notiz im Berliner „Tagesspiegel“ vom 6.4.2008 S. 3, wonach entsprechenden Angaben des „BITKOM“ zufolge bereits im Jahre 2007 von den Beschäftigten „fast jeder Dritte (30 Prozent) während der Arbeit ins Netz“ ginge; nachdem für die Vorjahre (2003 und 2005) von 16 bzw. 20 Prozent die Rede war, dürfte sich die Verbreitung digitaler Informationstechnologie am Arbeitsplatz in den vergangenen sechs Jahren bei vorsichtiger Schätzung verdoppelt haben; d.U.

89) S. grundlegend BAG 7.7.2005 (Fn. 87) [B.II.2 a. - „Juris“-Rn. 24]: „Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensystems (‚unbefugter download’), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des – betrieblichen – Betriebssystems verbunden sein können oder anderseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil strafbare oder pornographische Darstellungen herunter geladen werden (…)“; ebenso im Anschluss BAG 27.4.2006 (Fn. 87) [B.II.2 b. - „Juris“-Rn. 22]; 31.5.2007 (Fn. 87) [B.II.4 a. - „Juris“-Rn. 19].

90) S. BAG 7.7.2005 (Fn. 87) [B.II.2 a. - „Juris“-Rn. 24]: „die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber – zusätzliche – Kosten entstehen und der Arbeitnehmer die Betriebsmittel – unberechtigterweise – in Anspruch genommen hat“; ebenso im Anschluss BAG 27.4.2006 (Fn. 87) [B.II.2 b. - „Juris“-Rn. 22]; 31.5.2007 (Fn. 87) [B.II.4 a. - „Juris“-Rn. 19].

91) S. BAG 7.7.2005 (Fn. 87) [B.II.2 a. - „Juris“-Rn. 24]: „die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt (…)“; ebenso im Anschluss BAG 27.4.2006 (Fn. 87) [B.II.2 b. - „Juris“-Rn. 22]; 31.5.2007 (Fn. 87) [B.II.4 a. - „Juris“-Rn. 19].

92) S. Text: „§ 184 Deutsche Sprache. Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet“.

93) S. Erwin Fromm, Die arbeitnehmerbedingten Kündigungsgründe (1995), S. 277 ff.: „Indessen gehört es zu den wichtigsten soziologischen Einsichten, dass die Welt sich nicht als Ergebnis individueller Aktivitäten begreifen lässt. Sie ist letztlich nur unter Einbeziehung sozialer Phänomene wie Rollenprozesse, Gruppendynamik und institutioneller Mechanismen verständlich. … So hat die Konfliktforschung reichhaltiges Material zusammengetragen, wie durch überindividuelle Phänomene individuelles Fehlverhalten geradezu vorprogrammiert wird. So können Widersprüche in der Organisation eines Betriebs Kompetenzstreitigkeiten auslösen, die rasch als individuelles Fehlverhalten missverstanden werden können. Ebenso kann ein individuelles Fehlverhalten die Folge von Spannungen zwischen formalen und informellen Verhaltensnormen bzw. Widersprüchen zwischen Gruppenzielen und Betriebszielen sein. .… Auch hier darf das bei isolierter Betrachtung fehlerhaft handelnde Individuum nicht zum alleinigen Zurechnungssubjekt gemacht werden, weil es überindividuelle Mechanismen sind, die sein Tun und Lassen entscheidend beeinflusst haben. All diesen Einsichten trägt das Kündigungsschutzrecht Rechnung, indem es den kontradiktorischen Gegensatz von ,vertragswidrig-vertragsgemäß' zugunsten eines abgestuften Systems unterschiedlicher Verantwortungsgrade relativiert“.

94) S. Schriftsatz vom 10.4.2014 S. 2 [vor 2.] (Bl. 44 GA).

95) S. dazu statt vieler BVerwG 2.7.1992 – 5 C 39/90 – BVerwGE 90, 275 = DVBl 1992, 1487 = MDR 1992, 1156 = DÖV 1993, 74 [„Juris“-Rn. 28]: „Zwar können im Kündigungsschutzprozess Umstände, die bie Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bereits bestanden haben, auch nach Ablauf der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB arbeitsvertragsrechtlich nachgeschoben werden (…). Ein derartiges Nachschieben von Kündigungsgründen ist aber dann unzulässig, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts der präventiven Kontrolle durch die Hauptfürsorgestelle unterliegt, weil die nachgeschobenen Gründe nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens waren und die Hauptfürsorgestelle keine Gelegenheit hatte zu prüfen, ob sie die spezifischen Belange des Schwerbehinderten überwiegen und deshalb die Aufhebung der öffentlich-rechtlichen Kündigungsschranke rechtfertigen (...)“; VGH Baden-Württemberg 5.8.1996 – 7 S 483/95 – ESVGH 47, 75 [Leitsatz 3.]: „Den Arbeitgeber trifft die Obliegenheit, die für ihn maßgeblichen Kündigungsgründe innerhalb der Antragsfrist zu benennen. Ein Nachschieben von Kündigungsgründen ist grundsätzlich nicht zulässig“; ArbG Lüneburg 18.5.2000 – 2 Ca 726/00 – NZA-RR 2000, 530 [„Juris“-Rn. 23]: „Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle ist nämlich Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Kündigung durch den Arbeitgeber und beinhaltet insoweit zunächst im Hinblick auf eine beabsichtigte Kündigung eine Sperrwirkung zugunsten des Arbeitnehmers. Der Wegfall dieser Sperrwirkung erfolgt durch die einzuholende Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Indes ist der Wegfall der Sperrwirkung stets an den Sachgrund der Kündigung gebunden“; LAG Mecklenburg-Vorpommern 22.6.2006 – 1 Sa 96/06 – n.v. (Volltext: „Juris“) [„Juris“-Rn. 31]: „Richtiger Weise wird davon auszugehen sein, dass ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens waren, unzulässig ist auf Grund des Schutzzweckes und der rechtlichen Konstruktion des Sonderkündigungsschutzes für Schwerbehinderte, ,nach der die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle als öffentlich-rechtliches Wirksamkeitserfordernis nur erteilt wird für eine Kündigung aus den vom Arbeitgeber gegenüber der Hauptfürsorgestelle angegebenen (vgl. § 21 Abs. 4 SchwbG) und der präventiven Kontrolle unterzogenen Gründen‘ (BVerwG 2.7.1992 [s. oben – im Text dieser Fn.; d.U.]; … )“.

96) S. dazu etwa – falls Interesse – Bernd Ruberg, Sozialrechtfertigung als Organisationsschutz – Zur personen- und verhaltensbedingten Kündbarkeit geschützter Arbeitsverhältnisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG (1999), S. 27 ff.; 61 ff.

97) S. zur Tragweite dessen namentlich die für die betriebliche Fehlerkultur ebenso essentiellen wie vielfach vernachlässigte Erkenntnis im Beitrag von Rosemarie Stein im Berliner „Tagesspiegel“ vom 29.6.2005 S. 24 mit dem Hinweis auf das prägnante Diktum des Präsidenten der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz: „Nicht ‚Wer war schuld?’, sondern ‚Was war schuld?’, habe man zu fragen“; s. mit ähnlicher Stoßrichtung etwa auch das Diktum des Vorsitzenden der Fachgruppe Personalmanagement des Bundesverbandes Deutscher Unternehmerverbände (BDU) Jan Kunert im Berliner „Tagesspiegel“ vom 11.8.2002 S. K 1: „Uns geht es nicht in erster Linie um die Schuldfrage, die ist eher nachrangig. Es müssen Lösungsstrategien entwickelt werden“.

98) S. Wilhelm Herschel, Gedanken zur Theorie des arbeitsrechtlichen Kündigungsgrundes, in: Theo Mayer-Maly, Reinhard Richardi u.a. (Hrg.), Festschrift für Gerhard Müller (1981), S. 191, 202 [III.2.]: „In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass der Kündigungsgrund seiner Natur nach zukunftsbezogen ist. Nicht was war, entscheidet für sich betrachtet, vielmehr kommt es stets nur auf die Auswirkungen für die Zukunft an. Zurückliegende Ereignisse als solche vermögen also die Kündigung nicht zu rechtfertigen, mögen sie an sich noch so schwerwiegend sein“.

99) S. Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 322 ff.: „Ein neues, bisher allerdings kaum gewürdigtes Prinzip plaziert sich im Kündigungsrecht: Das Prognoseprinzip. Dieses Prinzip ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass die Kündigungsgründe ihrer Natur nach zukunftsbezogen sind. Damit soll ausgedrückt werden, dass für die Rechtfertigung einer Kündigung nicht in der Vergangenheit liegende Ereignisse, sondern allein die zukünftigen Auswirkungen vergangener oder gegenwärtiger Ereignisse ausschlaggebend sind. … Nach Löwisch [Hinweis auf Herschel/Löwisch, Rn. 75 zu § 1 KSchG; d.U.] kommt es ganz allgemein für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung darauf an, ob die Prognose zum Zeitpunkt des Ausspruchs einer Kündigung berechtigt war oder nicht“; ders. DB 1988, 1387, 1388 [3.].

100) S. BVerfG 2.7.2001 – 1 BvR 2049/00 – AP § 626 BGB Nr. 170 = NZA 2001, 888 = MDR 2001, 1119 [II.1 a.]: „Die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist streng genommen zwar keine Sanktion für Verhalten in der Vergangenheit, sondern nur die Möglichkeit, sich von einem Dauerschuldverhältnis zu lösen, an dem man für die Zukunft zumutbar nicht festhalten kann“.

101) S. dazu aus jüngerer Zeit BAG 23.6.2009 (Fn. 86) [I.1 b.]: „Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen“; 19.4.2012 (Fn. 28) [I.2 b. - „Juris“-Rn. 23]: „Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe ,bedingt‘, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht“; ebenso BAG 11.07.2013 (Fn. 86) [B.I.1. - „Juris“-Rn. 20]; s. weit früher auch schon BAG 8.2.1962 – 2 AZR 252/60 – AP § 611 BGB Erfinder Nr. 1 [III.5.]: „Die Beklagte verkennt, dass eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund des Arbeitsverhältnis zwar für die Zukunft beendet, für den Gekündigten aber keine pönalen Folgen haben kann. Sie ist ihrer Funktion nach das Mittel, das für den Vertragspartner untragbar gewordene und ihm auch für die Dauer der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbare Arbeitsverhältnis zu beenden, mag sie auch ggf. für das gesellschaftliche Ansehen des Betroffenen nachteilige Folgen haben“.

102) S. hierzu auch schon Wolfhard Kohte, II. Anm. BAG [20.5.1988 – 2 AZR 682/87] AP § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung Nr. 9 [I.]: „Gerade für diese Kündigungsgründe ist kennzeichnend, dass die Kündigung nicht selten als Strafe erfahren bzw. verhängt wird und dabei der Konflikt für beide Seiten eine starke emotionale Komponente hat. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in mehr als 40% der Sachverhalte die Kündigung ohne Abmahnung bereits beim ersten Konflikt ausgesprochen wird (…). … Ein solcher Rückgriff auf das allgemeine Zivilrecht erleichtert es zugleich, sich deutlicher von der straforientierten Empirie abzusetzen; denn die privatrechtliche Kündigung soll ein für die Zukunft nicht mehr tragbares Rechtsverhältnis lösen, nicht jedoch eine private Strafe darstellen (...)“.

103) S. hierzu anschaulich auch BAG 10.11.1988 - 2 AZR 215/88 – AP § 1 KSchG 1969 Abmahnung Nr. 3 = NZA 1989, 633 [II.2 d, bb.]: „Nach § 1 KSchG ist eine Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn Gründe vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegen stehen, was nach herrschender Auffassung bei allen Kündigungsgründen festzustellen ist (…). - Damit ist die negative Prognose Voraussetzung für die einseitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung, die eines rechtfertigenden Grundes bedarf (…). Die negative Prognose kann der Arbeitgeber nur mit dem Vortrag begründen, in Zukunft sei mit weiteren Störungen zu rechnen“; s. weitaus früher auch schon LAG Frankfurt/Main 11.9.1957 – II La 199/57 – AP § 626 BGB Nr. 19 [3.], wonach der fristlosen Kündigung auch für Vertragsverfehlungen „nicht ein Strafcharakter“ zukomme, sondern danach zu fragen sei, „ob im Falle der Weiterbeschäftigung des Klägers – auch nur bis zum Ende der Kündigungsfrist – für das beklagte Land Schäden oder Gefahren drohten oder entstanden“.

104) S. dazu bereits grundlegend Wilhelm Herschel, Gedanken zur Theorie des arbeitsrechtlichen Kündigungsgrundes, in: Theo Mayer-Maly, Reinhard Richardi u.a. (Hrg.), Festschrift für Gerhard Müller (1981), S. 191, 202 f., wonach es für die Negativprognose regelmäßig mit dem Nachweis bewenden könne, „dass … eine Störung stattgefunden hat, es sei denn, es seien Umstände ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr unwahrscheinlich“ machten“.

105) S. auch insofern grundlegend Wilhelm Herschel (Fn. 104) S. 203: „Abgesehen von der Wiederholungsgefahr kann aber eine erhebliche Störung noch eine stärkere Folgewirkung nach sich ziehen. Das Ereignis kann nämlich so beschaffen sein, dass es, namentlich mit Rücksicht auf Ansehen und Ehre des Kündigenden, eine ersprießliche Weiterführung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen erscheinen lässt. Beispiele: Ein Arbeitnehmer beleidigt seinen Arbeitgeber tätlich; ein Arbeitgeber bezichtigt einen Arbeitnehmer eines von ihm nicht begangenen Verbrechens. Dadurch wird einem nutzbringenden Arbeitsverhältnis eine wesentliche Voraussetzung entzogen. Verhält es sich so, dann gewinnt sogar ein abgeschlossener Tatbestand eine zukunftsbezogene Bedeutung, selbst wenn eine Wiederholungsgefahr nicht besteht“.

106) S. dazu anschaulich Joachim Heilmann/Tatjana Aigner, Streitkultur in Wirtschaftsunternehmen – Zur Konzeption eines abgestuften Konfliktmanagements, in: Dieter Strempel/Theo Rasehorn (Hrg.), Empirische Rechtssoziologie, Gedenkschrift für Wolfgang Kaupen (2002), S. 223, 239: „Insgesamt dokumentieren die Erscheinungsformen der Intervention den Versuch, die durch das Fehlverhalten gestörte Kooperation wiederherzustellen“.

107) S. zu solchen Schlaglichtern statt vieler nur etwa Beklagtenschriftsatz vom 30.4.2014 S. 7 [5.]: „zerstörte Vertrauensbasis – Hier sind folgende Aspekte wesentlich: … Die Klägerin hat nicht nur in der dargelegten Weise die Beklagte betrogen. Dies hat sie schon von Anfang an des Beschäftigungsverhältnisses gemacht. … b. Verhalten vor der Anhörung – Wie schon ausgeführt, hat die Klägerin vor der Kündigung wegen angeblicher Mehrarbeit oder Mehrbelastung für die erkrankte Kollegin Stumpf ein höheres Entgelt gefordert. Angesichts der nunmehr unstreitigen erheblichen privaten Surfzeiten ist das im Nachhinein eine erhebliche Vertrauensverletzung“; S. 10 [vor 6.] (Bl. 99 GA): „Es kann sein, dass die Klägerin nach Öffnung einer Internetseite zur privaten Nutzung diese nicht geschlossen hat, als sie wieder ihre Arbeit aufgenommen hat. Aber: Wenn sie suggerieren will, dass die exzessive private Nutzung nicht in dem von der Beklagten dargelegten Umfang stattgefunden hat, weil es Messfehler sind, dann versucht sie auch hier wieder, zu täuschen und sich ins gute Licht zu rücken“; S. 13 (Bl. 103 GA): „Es ist erschütternd festzustellen, wie die Klägerin mit allen Mitteln versucht, ihr Verhalten auch durch eine solche Inbezugsetzung zum angeblichen Fehlverhalten von Kollegen zu verharmlosen oder gar eine Art Ungleichbehandlung im Unrecht zu konstruieren“.

108) S. BAG 10.6.2010 – 2 AZR 541/09 – BAGE 134, 349 = AP § 626 BGB Nr. 229 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227 = BB 2011, 59 [A.III.3 c. - „Juris“-Rn. 35]: „Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vornherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (...)“; mit ähnlicher Tendenz zuvor schon BAG 4.6.1997 – 2 AZR 526/96 – NZA 1997, 1281 [II.1 d. - „Juris“-Rn. 21]: „Wenn das LAG in diesem Zusammenhang davon ausgegangen ist, eine Abmahnung werde beim Kläger den gewünschten Erfolg haben, nämlich sowohl eine Änderung des Verhaltens als auch eine Wiederherstellung der erforderlichen Eignung und Zuverlässigkeit für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung herbeiführen, der Kläger werde seine Zuverlässigkeit dauerhaft und Beweis stellen, so hält sich dies im Beurteilungsspielraum des Tatsachenrichters, der zu Recht – wenn auch unausgesprochen – davon ausgegangen ist, hierbei gehe es um steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers“; s. zum Fachschrifttum auch Monika Schlachter, NZA 2005, 433, 435 [III.1.]: „Auch verlorengegangenes Vertrauen kann zurückgewonnen werden“ - mit weiteren Nachweisen.

109) S. Harald Martenstein, Die Logik der Liebe, „GEO“ 12/2002 S. 89 ff.

110) S. Harald Martenstein (Fn. 110) S. 103: „Was geschieht, wenn Fred aus seiner Zeitung vorliest und Paula ihm nicht etwa antwortet, wie interessant sie diese Geschichte findet? Schlimmer noch - wenn sie nicht einmal ein zustimmendes Gemurmel von sich gibt, sondern den Fernseher einschaltet. Klar: Fred ist sauer. Was muss passieren und wie lange wird es dauern, bis er diese kleine, ärgerliche Szene vergessen hat? - Es gibt dafür eine Gesetzmäßigkeit, die mittlerweile anerkennend ,Gottmann-Konstante‘ genannt wird. Um ein negatives Partnererlebnis wettzumachen – eine Kränkung, einen Streit, eine kleine Nachlässigkeit – muss der andere etwa fünf positive Erlebnisse der gleichen Größenordnung stiften. Erst dann haben wir das Gefühl, dass wir mit dem Partner wieder quitt sind. 5:1 – die Glücksformel guter Beziehungen“.

111) S. Harald Martenstein a.a.O. (Fn. 110 – am Ende).

112) Dass solche Gelegenheit notfalls mit der Autorität des Rechts eingefordert werden muss, beruht auf dessen zwingendem Geltungsanspruch: Dieser kann es naturgemäß nicht zur Disposition des Arbeitgebers stellen, ob der Versuch zur Neubegründung wechselseitigen Vertrauens unternommen werden soll oder nicht.

113) S. Text oben, S. 12 Fn. 80.

114) S. dazu näher Bernd Ruberg (Fn. 96) S. 283 ff.

115) S. zum normativen Geltungsgrund des Prinzips der Verhältnismäßigkeit im Kündigungsschutzrecht etwa die Überlegungen bei Bernd Ruberg, (Fn. 96), S. 218 ff., 222 ff.

116) S. dazu anklingend schon BAG 25.3.1976 – 2 AZR 127/75 – AP § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 10 [V.2.]; ausdrücklich dann spätestens BAG 4.11.1981 – 7 AZR 264/79 – BAGE 37, 64 = AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 4 [II.2 b, aa.]; 18.10.1984 – 2 AZR 543/83 – BAGE 47, 80 = AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 6 [B.I.1]; 13.6.1986 – 7 AZR 623/84 – BAGE 52, 210 = AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 13 [II.1]; 16.2.1989 – 2 AZR 299/88 – BAGE 61, 131 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 20 [B.III.1 c, bb]; 17.1.1991 – 2 AZR 375/90 – BAGE 67, 75 = AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25 [II.2 c.]; 21.1.1993 – 2 AZR 330/92 – AP § 52 MitbestG Schleswig-Holstein Nr. 1 [C.II.2 b.]; 18.2.1993 – 2 AZR 518/92 – RzK I 6 f Nr. 7; 6 g Nr. 17 [B.II.2 d.]; s. aus neuerer Zeit BAG 12.7.2007 – 2 AZR 716/06 – AP § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = NZA 2008, 173 [B.II.2 a.]; s. übergreifend auch BGH 11.2.1987 – IV a ZR 194/85 – BGHZ 100, 60, 64, wo von dem „das ganze Zivilrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck“ die Rede ist.

117) S. instruktiv Franz Wieacker, Geschichtliche Wurzeln des Prinzips der verhältnismäßigen Rechtsanwendung, in: Marcus Lutter u.a. (Hrg.), Festschrift für Robert Fischer (1979), S. 867, 874 ff.; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2 (1994), § 84 I 2; s. auch Ulrich Preis, Verhältnismäßigkeit und Privatrechtsordnung, in: Peter Hanau/Friedrich Heither/Jürgen Kühling (Hrg.), Festschrift für Thomas Dieterich (1999), 429, 446, 452-453; s. ferner Bernd Ruberg, Schikanöse Weisungen (2004), S. 70 ff.

118) S. Erich Molitor, Die Kündigung, 2. Auflage (1951), S. 294: „Man wird … fordern müssen, dass jedes andere nach der gegebenen Sachlage anwendbare Mittel erschöpft ist, um das von dem Kündigenden als unhaltbar angesehene Rechtsverhältnis zumutbar zu gestalten“.

119) S. Hans Galperin, Der wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung, DB 1964, 1114, 1117 [9.], wo – soweit ersichtlich – erstmals der Ausdruck von der Kündigung als „ultima ratio“ verwendet wird.

120) S. Dirk Neumann, Kündigung bei Krankheit, 2. Auflage (1965), S. 26, wo als „allgemeiner Grundsatz des Kündigungsschutzrechts“ herausgestellt wird, dass „zu einer Kündigung nur als letztem möglichem Ausweg gegriffen werden“ solle.

121) S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [22.8.1963] SAE 1964, 2: „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel (Übermaßverbot)“; ders. Anm. BAG [26.11.1964] AP § 626 BGB Nr. 53 [IV.]: „Übermaßverbot“; ders. Anm. BAG [21.10.1965] AP § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5: „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel“; ders. Anm. BAG [12.12.1968] AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 20: „Grundsatz von der Verhältnismäßigkeit der Mittel“.

122) Das heute „geflügelte“ Wort stammt, soweit ersichtlich, von Friedrich Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 2. Auflage (1912), S. 354 für das Handeln der Polizei im konstitutionellen Rechtsstaat.

123) S. grundlegend BAG 30.5.1978 – 2 AZR 630/76 – BAGE 30, 309 = AP § 626 BGB Nr. 70 = NJW 1979, 332 [Leitsatz 2 u. III.2 b.]; s. aus jüngerer Zeit BAG 12.7.2007 (Fn. 115) [B.II.2 a.]: „Eine Kündigung ist als letztes Mittel nur zulässig, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung ausgeschöpft hat“; [B.II.2 b.]: „Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung künftig zu beseitigen“.

124) S. zu dieser Entwicklung, die ihren judikativen Ausgangspunkt – wovon noch die Rede sein wird (s. unten, S. 28 ff.) - einst beim Sechsten Zivilsenat des Reichsgerichts (RG) genommen hat, etwa schon RAG 21.5.1938 – RAG 17/38 – ARS 33, 135, 139: „Auf der anderen Seite können es die Umstände, insbesondere eine langjährige, erfolgreiche Dienstzeit des Angestellten und schwerwiegende wirtschaftliche Folgen der Kündigung für ihn durchaus rechtfertigen, dem Unternehmen erst einen Versuch zuzumuten, die Beschwerden durch eine Abmahnung abzustellen …“; s. aus jüngster Zeit sodann etwa BAG 23.6.2009 (Fn. 86) [I.1 b.]: „Außerdem ist die Abmahnung als milderes Mittel in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (…) einer Kündigung vorzuziehen, wenn durch ihren Ausspruch das Ziel – ordnungsgemäße Vertragserfüllung – erreicht werden kann“; 19.4.2012 (Fn. 28) [I.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 22]: „Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (…). Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (…). Das gilt grundsätzlich auch für Störungen im Vertrauensbereich“; im Anschluss BAG 11.7.2013 (Fn. 86) [B.I.1 a. - „Juris“-Rn. 21].

125) S. Alfred Hueck, Kündigungsschutzgesetz (1951), § 1 Rn. 36: „Darin [d.h. im Erfordernis ‚dringender betrieblicher Erfordernisse’; d.U.] kommt zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber zur Kündigung nur schreiten darf, wenn es im Interesse des Betriebe wirklich notwendig ist, und dass er nach Möglichkeit zu versuchen hat, die Kündigung durch andere Mittel, z.B. durch Arbeitsstreckung … zu vermeiden, sofern eine solche Arbeitsstreckung für den Betrieb technisch, organisatorisch und wirtschaftlich tragbar ist“.

126) S. angedeutet schon in BAG 12.12.1968 - 1 AZR 102/68 – BAGE 21, 248 = AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 20 [2.], wonach eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt sei, wenn für den Arbeitgeber „keine Möglichkeit“ bestehe, durch „andere Maßnahmen als eine Kündigung der betrieblichen Lage Rechnung zu tragen“; wie zitiert sodann seit BAG 7.12.1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157 = AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6 [II.1 a.]: „Diese betrieblichen Erfordernisse müssen ‚dringend’ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichen Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein“; im Anschluss BAG 9.11.1979 – 7 AZR 933/77 – n.v. [2.]; 17.10.1980 – 7 AZR 675/78 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 [3 b.]; 27.9.1984 – 2 AZR 63/83 – BAGE 47, 26 = AP § 2 KSchG 1969 Nr. 8 [B.II.]; 30.5.1985 - 2 AZR 321/84 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24 [B.II.1.]; ständige Judikatur - s. insofern aus neuerer und neuester Zeit etwa BAG 21.4.2005 – 2 AZR 244/04 – AP § 2 KSchG 1969 Nr. 80 = NZA 2005, 1294 [II.2.]; 3.4.2008 – 2 AZR 500/06 – n.v. (Volltext: „Juris“) [B.I.1.].

127) S. BGBl. I S. 1106.

128) S. Text [heutige Fassung; d.U.]: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) … 2Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn 1. in Betrieben des privaten Rechts a) … b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden kann und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, … “.

129) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) … 3Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat“.

130) S. BAG 12.1.2006 – 2 AZR 179/05 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68 = NZA 2006, 980 = ZTR 2006, 559 [B.III.2 b, aa. - „Juris“-Rn. 56]: Die Abmahnung „ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (…). Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren“; s. auch BAG 19.4.2012 (Fn. 28) [I.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 22]: „Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (…)“; im Anschluss BAG 11.7.2013 (Fn. 86) [B.I.1 b. - „Juris“-Rn. 22].

131) S. dazu zutreffend etwa schon BAG 26.1.1995 – 2 AZR 428/94 – BAGE 79, 169 = AP § 2 KSchG 1969 Nr. 37 = EzA § 2 KSchG Nr. 21 = NZA 1995, 628 = ZTR 1995, 269 [II.2. - „Juris“-Rn. 18]: „Ein solcher Eingriff könnte unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur dann gerechtfertigt sein, wenn das erstrebte Ziel, hier der Abbau des bei Fortgewährung der Vergütung bestehenden Ferienüberhangs, nicht durch geeignete mildere Maßnahmen erreicht werden könnte. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit die Beklagte (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG)“; s. aus jüngster Zeit mit gleicher Tendenz BAG 19.4.2012 (Fn. 28) [I.2 b. - „Juris“-Rn. 23]: „Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe ,bedingt‘, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen – wie etwa eine Abmahnung – von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (...)“; im Anschluss BAG 11.07.2013 (Fn. 86) [B.I.1 a. - „Juris“-Rn. 21]; s. zum Problem und Konsequenzen der Zuordnung von Prüfkriterien zum „Kündigungsgrund“ oder zur „Interessenabwägung“ im Rahmen des Prüfungsaufbaus näher auch Bernd Ruberg (Fn. 96) S. 73 [vor d.]; S. 80 [bb.]; S. 103 [vor 4.].

132) S. im gleichen Sinne etwa auch schon LAG Berlin 28.11.1997 – 6 Sa 75/97 – BB 1998, 784 = DB 1998, 784 = RzK I 5 b Nr. 16 (alle: Leitsatz; Volltext: „Juris“) [Leitsatz]: „Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses stellt eine unverhältnismäßige Reaktion des Arbeitgebers dar, wenn er künftige Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit betrieblichen Privilegien dadurch ausschließen kann, dass er den Arbeitnehmer von der Gewährung dieser Privilegien ausschließt“.

133) S. BAG 7.7.2005 (Fn. 87) [B.III.2. - „Juris“-Rn. 37 u. 38].

134) S. ArbG Berlin 2.5.2008 – 28 Ca 3058/08 – n.v. [S. 16-20 der Gründe].

135) S. BAG 7.7.2005 (Fn. 87) [B.III.2.].

136) S. BAG 7.7.2005 a.a.O.

137) S. BAG 12.1.2006 (Fn. 87) [B.III.2 b, aa]; s. auch BAG 27.4.2006 (Fn. 87) [B.II.2 a]: bei „hartnäckigem und uneinsichtigem Verstoß gegen die Weisung des Arbeitgebers, nicht während der Arbeitszeit mit den Arbeitsmitteln private Dinge zu treiben“.

138) S. BAG 31.5.2007 (Fn. 87) [C.I.1.].

139) S. BAG 31.5.2007 a.a.O.

140) S. insofern auch BAG 7.7.2005 (Fn. 87) [B.II.2 b, cc]: „Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Kläger in dem konkreten Zeitraum, in dem er das Internet privat genutzt hat, mangels Arbeitsanfall ohnehin untätig gewesen wäre (siehe hierzu: Mengel NZA 2005, 752, 753). Dies wäre aber vom Kläger ggf. zunächst näher darzulegen gewesen“; s. auch BAG 27.4.2006 (Fn. 87) [B.II.2 c]: „Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Beklagte nicht in ausreichendem Umfang Arbeiten zugewiesen hat, hat der Kläger nicht vorgetragen“.

141) S. BAG 7.7.2005 (Fn. 87) [B.III.2.] – Zitat oben, S. 25-26; ebenso früher bereits BAG 10.11.1988 (Fn. 103) [II.2 a.]; 31.8.1989 – 2 AZR 13/89 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 23 = NZA 1990, 433 [II.2.].

142) S. RG 14.1.1897 – VI 277/96 – RGZ 38, 114-119.

143) S. RG 14.1.1897 (Fn. 141) RGZ 38, 115.

144) S. RG 14.1.1897 (Fn. 141) RGZ 38, 116.

145) S. RG 14.1.1897 (Fn. 141) RGZ 38, 117-118.

146) S. Alfred Hueck/Hans Carl Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1 (1928), S. 280: „Dauert das vertragswidrige Verhalten einer Partei fort, so kann die Sachlage derart sein, dass der Vertragsgegner zwar nicht dauernd auf sein Kündigungsrecht verzichtet und sich schlechthin gebunden hat, dieses Verhalten zu dulden, aber dass er andererseits nach Treu und Glauben auch nicht ohne weiteres in jedem Augenblick kündigen kann, sondern dass er, wenn er seine Anschauung ändert, dies dem anderen Teil mitteilen und ihm die Kündigung androhen muss [Fußnote 6: Vgl. RG. Bd. 38 S. 117.]“; ebenso dies., Lehrbuch des Arbeitsrechts, 3./5. Auflage (1931), S. 326.

147) S. Erich Molitor, Die Kündigung (1935) S. 204: „Keine Verzeihung liegt vor, wenn der Kündigungsberechtigte einen vertragswidrigen Zustand, der ihn an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, duldet, ohne von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Er kann dann vielmehr jederzeit kündigen. Doch wird nach Treu und Glauben u.U. noch eine Verpflichtung zur vorherigen Abmahnung erforderlich sein, um dem Gegner Gelegenheit zur Beseitigung des Kündigungsgrundes zu geben (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts 1, 3./5. Auflage, S. 326)“; ebenso ders. in der 2. Auflage (Fn. 74), S. 278.

148) S. dazu, dass der Ausdruck „Abmahnung“ außerhalb des Arbeitsrechts bereits im 19. Jahrhundert in die deutsche Gesetzessprache eingegangen ist, neben den §§ 550, 553, 1053 BGB 1896 namentlich den instruktiven Beitrag von Margot Bock, ArbuR 1987, 217, 218 [2.]; dass allerdings in den Kündigungskatalogen des 19. Jahrhunderts teilweise bereits Rügeobliegenheiten enthalten waren (s. statt vieler § 111 Abs. 1 Nr. 3 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21.6.1869 [RGBl. S. 245, 270-271]: Entlassung von Gesellen und Gehilfen, „wenn sie, der Verwarnung ungeachtet, mit Feuer und Licht unvorsichtig umgehen“), steht auf einem anderen Blatt.

149) S. LAG Bremen 6.5.1953 – Sa 101/52 u. Sa 103/52 – AP 1954 Nr. 9.

150) S. LAG Bremen 6.5.1953 a.a.O.: „Eine vorhergehende Abmahnung des Arbeitgebers wird … nur dann als eine notwendige Voraussetzung seines Kündigungsentschlusses gelten dürfen, wenn es sich um ein beanstandetes und jederzeit abstellbares Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers handelt. Eine Abmahnung wegen anderer in der Person des Arbeitnehmers selbst liegenden Gründe erscheint dagegen weder notwendig noch sinnvoll“.

151) S. Alfred Hueck Anm. LAG Bremen [6.5.1953] AP 1954 Nr. 9 [2.].

152) S. Alfred Hueck, KSchG, 4. Auflage (1961), § 1 Rn. 35 c: „Je nach den Umständen des Falles kann eine vorhergehende Abmahnung des Arbeitgebers, d.h. eine Aufforderung an den Arbeitnehmer, das beanstandete Verhalten aufzugeben, erforderlich sein, etwa bei einem Verhalten, dessen Duldung durch den Arbeitgeber als möglich erscheinen konnte. Dagegen ist bei schweren Pflichtverletzungen, deren Unzulässigkeit der Arbeitnehmer ohnehin kennt, eine solche besondere Aufforderung überflüssig (vgl. LAG Bremen, AP 54 Nr. 9 mit Anm.)“.

153) S. etwa Alfred Hueck, KSchG, 7. Auflage (1970) und 8. Auflage (1972), jeweils § 1 Rn. 58; s. sodann Götz Hueck, 10. Auflage (1980), § 1 Rn. 90 a.

154) Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften.

155) S. KR/Wilfried Hillebrecht (1981), § 626 Rn. 100: „Der Partei, die ihre Leistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht oder schlecht erfüllt, wird oft erst durch die Abmahnung klargemacht, das ihr Verhalten nicht gebilligt wird. Es ist deswegen damit zu rechnen, dass die Beanstandung künftig abgestellt wird. Bei Störungen im Vertrauens- oder Betriebsbereich kann hingegen in der Regel von vornherein nicht mit einer Billigung des Verhaltens gerechnet werden“.

156) S. BAG 30.6.1983 - 2 AZR 524/81 – EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 14 [A.IV.1.]: „Auch ein Fehlverhalten im Vertrauensbereich berechtigt jedoch dann nicht ohne vorherige erfolglose Abmahnung zum Ausspruch einer Kündigung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (vgl. Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz. 90 a; KR-Hillebrecht, § 626 Rz. 100).“

157) S. zur Folgepraxis etwa BAG 12.7.1984 – 2 AZR 320/83 – AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 32 = EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 57 [B.III.b.]: „Auch besonders schwere Verstöße bedürfen keiner Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewußt sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt“; 9.1.1986 – 2 ABR 24/85 – AP § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 20 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 98 = NZA 1986, 467, 468 [II.3 b, cc.]: „Ist der Vertrauensbereich der Vertragspartner betroffen, bedarf es einer Abmahnung nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen“; 18.11.1986 – 7 AZR 674/84 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = NZA 1987, 418 [II.5.]; 31.3.1993 – 2 AZR 492/92 – BAGE 73, 42 = AP § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 32 = NZA 1994, 409 [III.2 b.]: „Bei Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern bedarf es vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich keiner Abmahnung (…). Der Arbeitnehmer weiß von vornherein, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten missbilligt“; 26.8.1993 – 2 AZR 154/93 – BAGE 74, 127 = AP § 626 BGB Nr. 112 = NZA 1994, 63 [B.I.3 a.]: „Entscheidend ist, dies hat die Rechtsprechung stets betont, dass eine sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung bei besonders groben Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers stets dann möglich ist, wenn dem Arbeitnehmer seine Pflichtwidrigkeit ohne weiteres erkennbar ist und er mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber nicht rechnen konnte“; 10.2.1999 – 2 ABR 31/98 – BAGE 91, 30 = AP § 15 KSchG 1969 Nr. 42 = NZA 1999, 708 [B.II.5.], wonach „bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung jedenfalls dann entbehrlich“ sei, „wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist“; s. aus neuerer Zeit auch BAG 25.3.2004 – 2 AZR 341/03 – NJW 2004, 3508 = NZA 2004, 1214 [B.II.3.].

158) S. zu frühen Vorläufern etwa schon RAG 21.5.1938 (Fn. 124), wo vom „Versuch“ die Rede ist, „die Beschwerden durch eine Abmahnung abzustellen“.

159) S. dazu nochmals statt vieler BAG 12.1.2006 (Fn. 130) Die Abmahnung „ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (…). Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren“.

160) S. Text: „§ 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund. (1) … (2) … [Satz 2:] § 323 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung“.

161) S. Text: „§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung. (1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten. - (2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn 1. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert; 2. der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat oder 3. besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. - (3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung“.

162) S. oben, S. 23 Fn. 124.

163) So BAG 19.4.2012 (Fn. 28) [I.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 22]; ebenso BAG 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 – AP § 626 BGB Nr. 239 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319 = ZTR 2013, 277 [A.I.2. - „Juris“-Rn. 16]; 11.7.2013 (Fn. 86) [B.I.1 a. - „Juris“-Rn. 21].

164) S. zu dieser Denkfigur und ihrer Funktion grundlegend Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage (1995), S. 28 Rn. 27: „In engem Zusammenhang damit [gemeint: das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung; d.Verf.] steht das Prinzip praktischer Konkordanz (…): verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter müssen in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, dass jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. Wo Kollisionen entstehen, darf nicht in vorschneller 'Güterabwägung' oder gar abstrakter 'Wertabwägung' eines auf Kosten des anderen realisiert werden (…). Vielmehr stellt das Prinzip der Einheit der Verfassung die Aufgabe einer Optimierung: beiden Gütern müssen Grenzen gezogen werden, damit bei zu optimaler Wirksamkeit gelangen können“; s. ferner Rnrn. 317 ff.; ErfArbR/Thomas Dieterich-Ingrid Schmidt, 14. Auflage (2014) Einleitung Rnrn. 70-71.

165) S. dazu mit Recht etwa BAG 10.6.2010 (Fn. 108) [A.III.3 c, aa. - „Juris“-Rn. 36]: „Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann ([Monika] Schlachter NZA 2005, 433, 436)“; im Anschluss BAG 9.6.2011 – 2 AZR 284/10 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37 = NZA-RR 2012, 12 = DB 2011, 2724 [III.2 a. - „Juris“-Rn. 35]; 19.4.2012 (Fn. 28) [I.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 22]; ebenso BAG 11.7.2013 (Fn. 86) [B.I.1 a. - „Juris“-Rn. 21]; s. zum (erwähnten) Fachschrifttum namentlich Monika Schlachter, Fristlose Kündigung wegen Entwendung geringwertiger Sachen, NZA 2005, 433, 435 [vor 3.]: „Von Kleptomanie einmal abgesehen, handelt es sich um steuerbares Verhalten, das durch Androhung schwerer Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses beeinflusst werden kann“.

166) S. statt vieler BAG 4.6.1997 – 2 AZR 526/96 – NZA 1997, 1281 [II.1 d.]: „Zu prüfen ist … das Abmahnungserfordernis bei jeder Kündigung, die wegen eines steuerbaren Verhaltens des Arbeitnehmers oder aus einem Grund in seiner Person ausgesprochen wurde, den er durch sein steuerbares Verhalten beseitigen, wenn also eine Wiederherstellung der Vertrauens erwartet werden konnte“; aus jüngerer Zeit BAG 10.6.2010 (Fn. 88) [A.III.3 c. - „Juris“-Rn. 35]: „Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vornherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (...)“.

167) S. dazu deutlich Monika Schlachter (Fn. 165) NZA 2005, 433, 437: „Da § 626 keine selbständige Regelung des Abmahnungserfordernisses speziell für Dienst- und Arbeitsverträge enthält, gilt die allgemeine, für alle Dauerschuldverhältnisse maßgebliche Bestimmung des § 314 II auch hier. Somit ist grundsätzlich eine fristlose Kündigung, die auf eine Vertragspflichtverletzung gestützt wird, nur noch nach Abmahnung zulässig. Die Differenzierung etwa zwischen Leistungs- und Vertrauensbereich ist seither nicht mehr nur sachlich unzweckmäßig, sondern nicht mehr haltbar“.

168) S. dazu statt vieler Wolfhard Kohte, Anm. LAG Hamm [18.9.2009 – 13 Sa 640/09] jurisPR-ArbR 22/2010 Anm. 3 [C.]: „Eine andere Argumentationsfigur, die aus meiner Sicht ebenfalls in der Tradition der absoluten Kündigungsgründe steht, ist der Topos des 'verlorenen Vertrauens'. Auch diese Kategorie steht in einem Spannungsfeld zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn man aus der Pflichtverletzung automatisch auf den Verlust des Vertrauens schließt, weil dann ebenfalls die erforderliche Abwägung unterbleibt. Die verabsolutierte Kategorie des Vertrauens ist bereits empirisch problematisch, wie [Klaus] Bartels (RdA 2010, 109, 111) nachgewiesen hat. … Es spricht nichts dafür, dass mit § 626 Abs. 1 BGB, mit dem die absoluten Kündigungsgründe verabschiedet worden sind, eine Verabsolutierung von Vertrauen verlangt wird. Mit der schematischen Verwendung dieser Kategorie wird regelmäßig die Gefahr begründet, dass den differenzierenden Kriterien des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgewichen wird ([Ulrich] Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen [1987], S. 454; ders. DB 1990, 630, 686; [Bernd] Ruberg, Sozialrechtfertigung als Organisationsschutz [1999], S. 260 ff.)“.

169) S. Text: „Art. 12 [Berufsfreiheit] (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden“.

170) S. dazu anschaulich BVerfG 8.7.1997 – 1 BvR 1243/95 u.a. - BVerfGE 96, 152 = NZA 1997, 932 = NJW 1997, 2312 = MDR 1997, 946 [C.II.2 b, aa. (1) - „juris“-Rn. 52]: „Dieser Ansatz entspricht nicht den Anforderungen, die sich aus dem Grundrecht der Beschwerdeführerin auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ergeben. Er misst der Wahrnehmung der genannten Funktionen der Sache nach die Bedeutung einer unwiderlegbaren Vermutung bei und verkürzt damit die im Lichte dieses Grundrechts gebotene Würdigung aller Umstände des Einzelfalles“.

171) Dass sich die Rechtslage ohnehin grundlegend anders als hier abgehandelt darstellte, wenn hinter der diesbezüglichen Diktion der Klägerin psychische Bindungen mit Krankheitswert stehen sollten, sei lediglich vorsorglich ergänzend angemerkt; s. zur diesbezüglichen Problemlage statt vieler nur Wolfhard Kohte/Ulrich Faber, Anm. LAG Berlin-Brandenburg [17.8.2009 – 10 Sa 506/09] jurisPR-ArbR 15/2011 Anm. 6 [A.]: „Alkoholerkrankungen und andere Suchterkrankungen gehören zu den typischen Herausforderungen betrieblicher Personalpolitik. Schrittweise verbreitet sich die Erkenntnis, dass vorschnelle Kündigungen sozial ungerechtfertigt sind, wenn die Möglichkeiten einer Entgiftung und Therapie als milderes Mittel noch nicht ausgeschöpft worden sind. Kommt es dagegen zu einem Rückfall, dann wird weiterhin nicht selten und sofort rigoros gekündigt. Auch dies kann jedoch vorschnell sein, wie die Entscheidung des LArbG Berlin-Brandenburg dokumentiert“.

172) S. Text: § 256 Feststellungsklage. (1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde“.

173) S. dazu nur BAG 13.3.1997 – 2 AZR 512/96 – EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 57 [II.1.]: „Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass ein Arbeitnehmer neben einer gegen die Kündigung nach § 4 KSchG gerichteten Klage eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungstermin hinaus erheben und damit zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend machen kann. … a) Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung  der  zulässigen Verbindung  beider Klagen  nach  § 4 KSchG  und  nach § 256 ZPO insbesondere zu den in der Praxis gelegentlich auftretenden Fällen entwickelt, bei denen Arbeitgeber oder deren Prozessbevollmächtigte durch nicht ohne weiteres erkennbare weitere (Prozess-)Kündigungen versuchen, die Wirkungen des § 7 KSchG herbeizuführen“.

174) S. Walter Bitter; Zur Kombination von Kündigungsschutzklage mit allgemeiner Feststellungsklage – Oder: Zur Schleppnetztheorie des Bundesarbeitsgerichts, DB 1997, 1407 ff.

175) S. statt vieler etwa BAG 21.1.1993 – 6 AZR 171/92 – AP § 61 BAT Nr. 1 = EzA § 630 BGB Nr. 18 = NZA 1993, 1031 = ZTR 1993, 513 [2. - „Juris“-Rn. 18]: „Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei ihm jedenfalls aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht (§ 242 BGB) zur Erteilung des Zwischenzeugnisses verpflichtet. Diese Auffassung trifft nicht zu. Zwar ist richtig, dass der Arbeitgeber aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt für verpflichtet gehalten wird, dem Arbeitnehmer schon vor dem nach § 630 BGB maßgebenden Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu erteilen (…). Der Kläger verkennt jedoch, dass die Tarifvertragsparteien für sein Arbeitsverhältnis die Voraussetzungen der Zeugniserteilungspflicht in § 61 BAT abschließend geregelt haben“; s. auch LAG Köln 9.2.2000 – 3 Sa 1296/99 – NZA-RR 2000, 419 = MDR 2000, 774 [„Juris“-Rn. 32]: „Die Pflicht des Arbeitgebers, ein Zwischenzeugnis zu erteilen, stellt eine allgemeine vertragliche Nebenpflicht dar. Sie besteht, wenn das Verlangen des Arbeitnehmers nach einem Zwischenzeugnis auf einem triftigen Grund beruht (...)“; LAG Frankfurt 28.3.2003 – 12 SaGa 1744/02 – LAGReport 2004, 215 = AR-Blattei ES 1850 Nr. 46 [II.2. - „Juris“-Rn. 25]: „Es ist allerdings anerkannt, dass nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis bestehen kann, wenn zugunsten des Arbeitnehmers ein triftiger Grund für dessen Erteilung besteht, etwa bei einem Vorgesetztenwechsel, bei einer Versetzung des Arbeitnehmers oder nach dem Ausspruch einer Kündigung mit längerer Kündigungsfrist (...)“.

176) S. dazu etwa ErfArbR/Rudi Müller-Glöge (Fn. 164), § 109 GewO Rn. 50: „Soweit tarifliche Vorschriften nicht eingreifen, kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses als allgemeine vertragliche Nebenpflicht ergeben (…). … Im Wesentlichen wird dies bei rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen des Arbeitsverhältnisses gegeben sein, wenn durch sie das Vertragsverhältnis einen erkennbaren Einschnitt erfährt. Dementsprechend können Zwischenzeugnisse bei der Versetzung, der Zuweisung einer neuen Tätigkeit oder längerem Ruhen des Arbeitsverhältnisses (z.B. Wehrdienst, Elternzeit, Abgeordnetenmandat) verlangt werden“.

177) S. Text: „§ 109 Zeugnis. (1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben über Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.. - (2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. - (3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen“.

178) S. Text: „§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis. (1) … (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten“.

179) S. dazu die Nachweise in Fn. 174 u. 175.

180) S. insofern etwa ErfArbR/Rudi Müller-Glöge (Fn. 164), § 109 GewO Rn. 50: „Während des Laufs der Kündigungsfrist oder während eines Kündigungsschutzprozesses nach einer AGKündigung hat der AN Anspruch auf ein dem Zwischenzeugnis verwandtes vorl. Zeugnis (…). Beabsichtigt der AN einen Stellenwechsel, ist ein triftiger Grund für ein Zwischenzeugnis anzuerkennen“.

181) S. hierzu BAG (GS) 27.2.1985 – GS 1/84 – BAGE 48, 122 = AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14 [Leitsatz 1.]: „Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen“; s. ferner BAG a.a.O. [C.II.3 b. u. C.II.3 c.]: „b) Abgesehen von den Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung und damit die Ungewissheit über den Prozessausgang mit den daraus folgenden Risiken ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, den gekündigten Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsprozesses nicht zu beschäftigen. … [wird aufgeführt; d.U.] – c) Die Interessenlage verschiebt sich jedoch, wenn im Kündigungsprozess ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Unwirksamkeit der Kündigung und damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt. Durch ein solches noch nicht rechtskräftiges Urteil wird zwar keine endgültige Klarheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geschaffen. Aber die Parteien hatten Gelegenheit, dem Gericht in einem ordentlichen Prozessverfahren die zur rechtlichen Beurteilung der Kündigung aus ihrer Sicht erforderlichen Tatsachen vorzutragen, dafür Beweis anzutreten und ihre Rechtsauffassungen darzustellen. Wenn ein Gericht daraufhin eine die Instanz abschließende Entscheidung trifft und die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, so ist damit zumindest eine erste Klärung der Rechtslage im Sinne des klagenden Arbeitnehmers eingetreten. … Es [gemeint: das Feststellungsurteil; d.U.] wirkt sich, solange es besteht, dahin aus, dass nunmehr die Ungewissheit des endgültigen Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen kann“.

182) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.

183) S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht. (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … “.

184) S. Text: „§ 12 a Kostentragungspflicht. (1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes“.

185) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.

186) S. Text: „§ 42 Wiederkehrende Leistungen. (1) … (4) Für die Wertberechnung bei Rechts-streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet“.

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