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Arbeitsrecht
16.01.2025
Arbeitsrecht
BAG: Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG – Benachteiligung wegen des Geschlechts – Einwand des Rechtsmissbrauchs

BAG, Urteil vom 19.9.2024 – 8 AZR 21/24

ECLI:DE:BAG:2024:190924.U.8AZR21.24.0

Volltext: BB-Online BBL2025-179-3

Orientierungssätze

1. Das Verlangen eines erfolglosen Bewerbers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, wenn sich aufgrund einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Bewerber sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum ging, nur den formalen Status als Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung geltend machen zu können (Rn. 24).

2. Der Begriff der unzulässigen Rechtsausübung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist deshalb in der Revisionsinstanz nur darauf überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (Rn. 29).

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Der im Jahr 1994 geborene Kläger hat Abitur und ist ausgebildeter Industriekaufmann. Er ist wohnhaft in L bei O und war zuletzt arbeitslos. Im Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Klageverfahrens absolvierte er nach eigenen Angaben ein Fernstudium „zum Wirtschaftsjuristen (LL.M.)“.

Der Kläger bewarb sich in der Vergangenheit bei verschiedenen Arbeitgebern auf Stellenausschreibungen für eine „Sekretärin“ und führte im Nachgang Entschädigungsprozesse aufgrund einer behaupteten Benachteiligung wegen des Geschlechts.

So schrieb Anfang des Jahres 2021 ein Unternehmen in Schleswig-Holstein, das eine Kfz-Werkstatt betreibt und gebrauchte Kraftfahrzeuge veräußert, eine Stelle für eine „Sekretärin“ auf dem Internet-Portal „eBay Kleinanzeigen“ aus. Der Kläger meldete sich dort über die Chat-Funktion des Portals wie folgt:

„Hallo,

ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen.

Ich suche derzeit eine neue Wohnung im Umkreis und habe Interesse an Ihrer Stelle. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die sie fordern.

Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle.

Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann.

Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.

Ich wäre ab sofort verfügbar.

Mit freundlichen Grüßen

Herr …“

Das Unternehmen sagte dem Kläger unter Hinweis darauf ab, dass ausschließlich „eine Dame“ gesucht werde. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung verlangte der Kläger klageweise von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Klage wies das Arbeitsgericht Elmshorn durch Urteil vom 16. Dezember 2021 (– 4 Ca 592 a/21 -) mit der Begründung ab, der Kläger sei mangels förmlicher Bewerbung kein Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf seine Berufung erkannte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 21. Juni 2022 (- 2 Sa 21/22 -) dem Kläger eine Entschädigung zu.

Mit einer dem vorgenannten Anschreiben inhaltlich entsprechenden E-Mail vom 2. September 2021 bewarb sich der Kläger, lediglich ergänzt um den Zusatz, er suche derzeit eine neue Herausforderung, auf eine im August 2021 von einem Umzugsunternehmen in Berlin bei „eBay Kleinanzeigen“ ausgeschriebene Stelle für eine „Sekretärin“. Auch hierauf wurde dem Kläger mitgeteilt, dass ausschließlich nach einer Frau gesucht werde. Die anschließend erhobene Entschädigungsklage des Klägers wies das Arbeitsgericht Berlin zunächst durch Versäumnisurteil ab, das es nach Einspruch des Klägers mit Urteil vom 23. Juni 2022 (- 42 Ca 10434/21 -) mit der Begründung aufrechterhielt, das Entschädigungsverlangen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Zur Begründung führte es ua. aus, der Kammer seien – was zutrifft – binnen 15 Monaten elf Klagen aufgrund einer behaupteten Benachteiligung wegen des Geschlechts durch den Kläger allein vor dem Arbeitsgericht Berlin bekannt. Stets habe er sich – was ebenfalls zutrifft – auf bei „eBay Kleinanzeigen“ ausgeschriebene Stellen als „Sekretärin“ beworben und im Nachgang Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend gemacht. Dabei habe er jeweils im ersten Anschreiben an die Arbeitgeber einen inhaltsgleich vorformulierten Text wie in dem nunmehr zu entscheidenden Verfahren verwendet. Mit dem dort enthaltenen Hinweis auf sein männliches Geschlecht wie ua. der Unterzeichnung mit dem Zusatz „Herr …“ und der Nachfrage, ob ausschließlich eine Frau gesucht werde, habe er eine Absage geradezu provoziert. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 20. Januar 2023 (- 3 Sa 898/22 -) zurück.

Mit inhaltlich übereinstimmendem Erstanschreiben bewarb sich der Kläger zudem bei weiteren Unternehmen in Düsseldorf, Nagold, Hamburg, Hagen und Berlin auf entsprechende Stellen als „Sekretärin“.

Unter anderem schrieb – ebenfalls im August 2021 – ein Unternehmen, das Wärmekonzepte für Endverbraucher vertreibt, in Hagen eine Stelle bei „eBay Kleinanzeigen“ aus, wonach es eine „Pfiffige Büromanagerin/Sekretärin“ suchte. Darauf bewarb sich der Kläger am 3. August 2021 wiederum per Chat und unter Verwendung eines gleichlautenden Textes wie in den vorhergehenden Bewerbungsverfahren. Nach erfolgter Rückmeldung, dass ausschließlich nach einer Frau gesucht werde und erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung, die er mit einem Vergleichsvorschlag verband, erhob der Kläger Entschädigungsklage beim Arbeitsgericht Hagen. Auch hier erging zunächst gegen den Kläger ein klageabweisendes Versäumnisurteil, das das Arbeitsgericht mit Urteil vom 6. April 2022 (- 2 Ca 1421/21 -) mit der Begründung eines gegenüber dem Entschädigungsverlangen durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands aufrechterhielt. Das Landesarbeitsgericht Hamm wies die Berufung des Klägers mit Urteil vom 23. August 2023 (- 9 Sa 538/22 -) zurück.

Am 17. Januar 2022 veröffentlichte ein weiteres Unternehmen auf dem Portal „eBay Kleinanzeigen“ eine Stellenausschreibung für eine „Sekretärin“. Der Kläger bewarb sich hierauf am 18. Januar 2022 ebenfalls per Chat, wobei er sich eines gleichlautenden Textes wie zuvor bediente. Der nach weiterer Korrespondenz vom Kläger erhobenen Entschädigungsklage gab das Arbeitsgericht Gelsenkirchen, nachdem es zunächst ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen hatte, durch Urteil vom 3. August 2022 (- 2 Ca 547/22 -) teilweise statt. Auf die Berufung der Arbeitgeberin wies das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 23. März 2023 (– 18 Sa 888/22 -) die Klage insgesamt mit der Begründung eines anzunehmenden Rechtsmissbrauchs ab.

Darüber hinaus machte der Kläger, nachdem er sich zuvor erfolglos auf eine im Jobportal „Indeed“ veröffentlichte Stellenausschreibung für eine „Sekretärin“ beworben hatte, mit Klage vom 5. Oktober 2022 vor dem Arbeitsgericht Dortmund (- 3 Ca 3087/22 -) einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Diese Klage nahm er im Verlauf des Rechtsstreits zurück.

Am 3. Januar 2023 bewarb sich der Kläger bei der Beklagten, die in Dortmund eine Ingenieurgesellschaft betreibt, auf eine ebenfalls im Portal „Indeed“ veröffentlichte Stellenanzeige, in der es hieß:

„Bürokauffrau/Sekretärin

…      

Stellenbeschreibung

Anstellungsart

Vollzeit

Festanstellung

Qualifikationen

–       Microsoft Office: 1 Jahr (Erforderlich)

–       Lehre/Ausbildung (Wünschenswert)

Vollständige Stellenbeschreibung

Ihre Qualifikation

–       Sehr gute Kenntnisse in MS-Office

–       Eigenverantwortliches und selbstständiges Arbeiten

–       Hohe Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Teamfähigkeit

Ihr Aufgabengebiet

–       Firmenkorrespondenz

–       Bearbeitung von Gutachten

–       Rechnungswesen

…“   

Dabei gab der Kläger in einem auf der Plattform „Indeed“ hinterlegten Lebenslauf ua. an, sieben Jahre Erfahrung als Sekretär und in Microsoft Office zu haben. Konkretere zeitliche Angaben, Nachweise zur Ausbildung/Lehre sowie zu etwaigen Vorbeschäftigungen enthielt das Dokument nicht. In einem der Beklagten auf dem Postweg übersandten und mit seinem Vor- und Zunamen unterzeichneten Anschreiben führte er aus:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Freude und großem Interesse habe ich ihre Stellenausschreibung auf Indeed gelesen.

Ich suche derzeit eine neue Wohnung in ihrem Umkreis oder könnte mir einen Umzug sehr gut vorstellen. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word, Excel sowie typischen Bürotätigkeiten und Gesetzen gut aus. Lieferscheine kann ich auch schreiben und Rechnungen. Ich habe Berufserfahrung in der Personalabteilung, Vertrieb und im Einkauf. Ihre Anforderungen in der Stellenausschreibung erfülle ich allesamt.

Ich bewerbe mich hiermit auf die Stelle.

Ich habe eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung als Industriekaufmann und suche derzeit eine neue Herausforderung.

Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.

Ich wäre ab sofort verfügbar.

Mit freundlichen Grüßen“

Der Kläger erhielt auf seine Bewerbung von der Beklagten keine Rückmeldung. Die Stellenanzeige wurde zwischenzeitlich auf der Website gelöscht und die Stelle wurde von der Beklagten mit einer Frau besetzt.

Mit seiner am 27. Februar 2023 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die Stelle sei entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben, sondern ausschließlich an weibliche Personen adressiert gewesen. Die sich daraus begründende Vermutung, dass seine Bewerbung wegen seines männlichen Geschlechts keine Berücksichtigung gefunden habe, habe die Beklagte nicht widerlegt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nach billigem Ermessen des Gerichts, mindestens jedoch 6.000,00 Euro, zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen und dieses nach Einspruch des Klägers aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er seinen Entschädigungsanspruch weiter. Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gründen

18        Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, mit dem dieses sein klageabweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten hat, zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Entschädigungsverlangen des Klägers steht der durchgreifende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.

 

19        I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen (st. Rspr., statt vieler nur BAG 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 13 f. mwN, BAGE 176, 226).

 

20        II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

 

21        1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG erfüllt seien. Dem Anspruch stehe jedenfalls der durchgreifende Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen. Es sei unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls überzeugt, dass der Kläger systematisch und zielgerichtet vorgehe, um sich einen auskömmlichen Gewinn durch Entschädigungsansprüche „zu erarbeiten“, ohne ein Interesse am Erhalt der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle gehabt zu haben. Dafür sprächen in objektiver Hinsicht mehrere Indizien. Einen ersten Anhaltspunkt in diesem Sinne stelle angesichts einer mangelnden Umzugswilligkeit des Klägers und gleichzeitig fehlenden Vorbringens, wie er sich ein tägliches Pendeln vorgestellt habe, die räumliche Entfernung von ca. 170 km zwischen dem Wohnort des Klägers und der in Dortmund angesiedelten Stelle dar. Ein weiteres Anzeichen ergäbe sich daraus, dass die Bewerbung nach ihrer objektiven Erscheinung darauf angelegt gewesen sei, eine Absage zu provozieren. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Kläger sein im Zeitpunkt der Bewerbung betriebenes Vollzeitstudium zugunsten der Aufnahme einer Tätigkeit auf der von der Beklagten ausgeschriebenen Vollzeitstelle habe aufgeben wollen. Ein weiterer und entscheidender objektiver Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch liege schließlich darin begründet, dass sich unter Berücksichtigung der Vielzahl der gezielten Bewerbungen des Klägers auf in unterschiedlichen Bundesländern ausgeschriebene Stellen für eine „Sekretärin“ nebst der im Nachgang geführten Entschädigungsprozesse das gegenüber der Beklagten angebrachte Entschädigungsverlangen als Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens im Rahmen eines „Geschäftsmodells“ darstelle, bei dem es dem Kläger allein darum gegangen sei, durch die Erlangung von Entschädigungszahlungen – zuletzt neben dem Bezug von Bürgergeld – zusätzliche Einnahmen zu erzielen.

 

22        Das für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erforderliche subjektive Element liege ebenfalls vor. Es bestünden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der Absicht gehandelt habe, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen, indem er die Voraussetzungen für einen formalen Status eines Bewerbers iSd. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG willkürlich herbeigeführt habe. Eine „gute Möglichkeit“, dass das Verhalten des Klägers durch ein Interesse am Erhalt der Stelle motiviert sein könnte, sei unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen. Das Vorbringen des Klägers, wonach er sich im November und Dezember 2022 auch auf geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen bei anderen Arbeitgebern beworben und wonach er zwischenzeitlich für einen anderen Arbeitgeber tatsächlich gearbeitet habe, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen.

 

23        2. Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht ist von den zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Es hat diese auch rechtsfehlerfrei auf den vorliegenden Fall zur Anwendung gebracht. Die Rügen der Revision greifen insgesamt nicht durch.

 

24        a) Das Entschädigungsverlangen eines erfolglosen Bewerbers nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (BAG 14. Juni 2023 – 8 AZR 136/22 – Rn. 48; 19. Januar 2023 – 8 AZR 437/21 – Rn. 43; grundlegend BAG 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 32 ff., BAGE 155, 149).

 

25        aa) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (BAG 19. Januar 2023 – 8 AZR 437/21 – Rn. 44 mwN). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor (BAG 19. Januar 2023 – 8 AZR 437/21 – aaO; 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 44 mwN, BAGE 156, 71).

 

26        bb) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen hat, verlangt die Feststellung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im vorstehenden Sinne das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden. Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten auch eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (EuGH 28. Juli 2016 – C-423/15 – [Kratzer] Rn. 40 mwN; BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 52, BAGE 156, 71).

 

27        cc) Für das Vorliegen der Voraussetzungen, die gegenüber einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die Einwendung des Rechtsmissbrauchs begründen, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet (BAG 19. Januar 2023 – 8 AZR 437/21 – Rn. 45; 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 66, BAGE 172, 78). Dieser muss deshalb Indizien vortragen und im Bestreitensfall beweisen, die den rechtshindernden Einwand begründen (BAG 19. Januar 2023 – 8 AZR 437/21 – aaO; 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 39).

 

28        dd) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB gegenüber Ansprüchen aus § 15 AGG keinen unionsrechtlichen Bedenken (zuletzt etwa BAG 19. Januar 2023 – 8 AZR 437/21 – Rn. 46; ausführlich: BAG 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 49 ff.; EuGH 28. Juli 2016 – C-423/15 – [Kratzer] Rn. 35 ff.).

 

29        b) Der Begriff der unzulässigen Rechtsausübung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist deshalb in der Revisionsinstanz nur darauf überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (BAG 7. September 2022 – 5 AZR 502/21 – Rn. 59; 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 42 mwN).

 

30        c) Ausgehend von diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Anspruch des Klägers nach § 15 Abs. 2 AGG sei dem durchgreifenden Einwand des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

31        aa) Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Begriff des Rechtsmissbrauchs umfassend und zutreffend wiedergegeben. Damit hat es den Rechtsbegriff richtig erkannt. Der demgegenüber erhobene Einwand der Revision, das Landesarbeitsgericht habe das Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der zugrunde liegenden „EU-Richtlinien“ außer Acht gelassen, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Erwerbsleben zu schaffen, und auf dieser Grundlage sowohl bei der fallbezogenen Prüfung des objektiven als auch des subjektiven Elements unzutreffende Maßstäbe angelegt, ist unberechtigt. Der Kläger stützt diesen Einwand im Wesentlichen auf die Überlegung, selbst eine allein auf die Zahlung einer Entschädigung abzielende Klage sei geeignet, den Arbeitgeber, der eine Stelle entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG ausgeschrieben hat, und ggf. auch Dritte dazu anzuhalten, seinen bzw. ihren Pflichten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nachzukommen. Damit zeigt der Kläger jedoch keinen Gesichtspunkt auf, der einen Rechtsmissbrauch ausschließen könnte.

 

32        (1) Zwar hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben durch Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes entschieden, dass dabei – anders als in anderen Mitgliedstaaten – auf öffentlich-rechtliche Elemente wie zB Bußgelder verzichtet wird (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 25). Vielmehr sollte ein rein individualistisches Haftungssystem die Forderung der umzusetzenden EU-Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbots durch den Arbeitgeber erfüllen (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 38). In diesem Sinne verfolgt die Haftungsnorm des § 15 AGG einen doppelten Sanktionszweck, indem sie spezialpräventiv den betroffenen Arbeitgeber künftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz anhält und generalpräventiv Dritte von ähnlichen Verstößen abhält (vgl. BAG 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A) – Rn. 23; ebenso BGH 4. Mai 2022 – 1 StR 3/21 – Rn. 32, BGHSt 67, 55).

 

33        (2) Aus der vom Gesetzgeber gewollten und zur Umsetzung der EU-Vorgaben unverzichtbaren Rechtsdurchsetzung durch Private im Sinne eines „private enforcement“ (vgl. BGH 4. Mai 2022 – 1 StR 3/21 – Rn. 33, BGHSt 67, 55) kann aber nicht abgeleitet werden, das Verlangen nach einer Entschädigung sei selbst dann im Einzelfall nicht rechtsmissbräuchlich, wenn es dem Anspruchsteller mit seiner Bewerbung nicht um den Erhalt der Stelle ging, sondern er allein das Ziel verfolgte, nach Ablehnung der Bewerbung eine Entschädigung geltend machen zu können. Entsprechendes gilt, soweit nach § 17 Abs. 1 AGG ua. Beschäftigte aufgefordert sind, an der Verwirklichung der in § 1 AGG genannten Ziele mitzuwirken. Die gegenteilige Schlussfolgerung der Revision übersieht, dass nach den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nur derjenige den Schutz dieses Gesetzes vor unzulässigen Benachteiligungen einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich, dh. für sich selbst, Schutz vor Benachteiligung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit und zum beruflichen Aufstieg sucht. Das ist bei einer Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, gerade nicht der Fall (vgl. BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 48, BAGE 156, 71; 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 38, BAGE 155, 149).

 

34        Eine solche Person kann, wie der Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden hat, weder iSv. Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG und iSv. Art. 25 der Richtlinie 2006/54/EG als Opfer einer verbotenen Benachteiligung noch iSv. Art. 18 der Richtlinie 2006/54/EG als eine Person, der ein Schaden entstanden ist, angesehen werden (EuGH 28. Juli 2016 – C-423/15 – [Kratzer] Rn. 36). Sie kann deshalb nicht für sich reklamieren, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zugutekommen müssten (BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 48, BAGE 156, 71). Die unionsrechtliche Rechtslage ist insoweit im Sinne eines acte éclairé durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt. Eines weiteren – von der Revision angeregten – Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV bedurfte es nicht.

 

35        bb) Das Landesarbeitsgericht hat zudem bei der Unterordnung des Sachverhalts unter den zutreffend erkannten Rechtsbegriff des Rechtsmissbrauchs ohne Verstoß gegen Denkgesetze und ohne Verletzung allgemeiner Erfahrungssätze alle wesentlichen Umstände des Falls berücksichtigt. Es hat die von ihm erkannten Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch jedenfalls in der Gesamtschau vertretbar dahin gehend gewürdigt, dass sich der Kläger bei der Beklagten nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern dass es ihm allein darum ging, die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs zu schaffen. Es hat ferner bei seiner Entscheidung die maßgeblichen Regeln der Darlegungs- und Beweislast zutreffend angewendet.

 

36        (1) Entgegen der Auffassung der Revision hat sich das Landesarbeitsgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu den räumlichen Verhältnissen nicht allein daran „gestört“, dass die ausgeschriebene Stelle 170 km vom Wohnort des Klägers entfernt lag, was für sich genommen auch schwerlich ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein könnte (vgl. BAG 11. August 2016 – 8 AZR 809/14 – Rn. 39). Es hat auch nicht seine eigenen Mobilitätsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Klägers gesetzt. Es hat lediglich unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls, ausgehend von einer mangelnden Umzugswilligkeit des Klägers und in Anbetracht fehlenden konkreten Vortrags des Klägers dazu, wie er ein tägliches Pendeln zwischen seinem Wohnort und der Arbeitsstelle hätte bewerkstelligen wollen, in den räumlichen Gegebenheiten einen ersten und auch keineswegs allein entscheidenden Anhaltspunkt für eine fehlende Bereitschaft des Klägers gesehen, die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle anzutreten. Dabei hat das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung von einer fehlenden Umzugswilligkeit zum einen darauf gestützt, dass die Ausführungen im Bewerbungsschreiben „Ich suche derzeit eine neue Wohnung in ihrem Umkreis oder könnte mir einen Umzug sehr gut vorstellen“ in sich widersprüchlich seien. Zum anderen hat es den Behauptungen des Klägers zu einer Wohnungssuche im „Umkreis“ deshalb keinen Glauben geschenkt, weil er sich auf gerichtliche Nachfrage einzig zu einer vermeintlich erfolgten Wohnungssuche in Bochum in der B-straße geäußert habe, während er im Lauf des Verfahrens behauptet habe, nach Dortmund ziehen zu wollen. Ergänzend hat es darauf abgestellt, dass der Kläger in anderen gerichtlichen Verfahren gegenüber Unternehmen in Schleswig-Holstein, Berlin, Hagen, Hamburg, Nagold und ua. Düsseldorf ebenfalls angegebenen habe, „gerade“ nach Wohnungen in der Nähe zu suchen, wobei dies hinsichtlich zweier Bewerbungen für Stellen in Berlin und Hamburg, die im August und September 2021 erfolgten, in engem zeitlichen Zusammenhang geschehen sei.

 

37        (a) Die Annahme einer mangelnden Umzugswilligkeit des Klägers ist vom Beurteilungsspielraum der Berufungsinstanz umfasst. Die demgegenüber erhobene Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe es unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör unterlassen, diesen nach weitergehenden konkreten Wohnungssuchen „zu fragen“ und die darin sinngemäß liegende Rüge einer Überraschungsentscheidung, ist unzulässig. Es fehlt bereits an der Darlegung, warum ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl von vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf davon ausgehen konnte, sich nur auf wiederholte Frage zu den erfolgten Wohnungssuchen äußern zu müssen (zur Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht vgl. BAG 28. Februar 2023 – 2 AZN 22/23 – Rn. 6 mwN). Zudem fehlt es an Vorbringen, welchen weiteren Vortrag zu konkreten Wohnungssuchen der Kläger auf die vermisste Nachfrage des Landesarbeitsgerichts gehalten hätte.

 

38        (b) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe im Rahmen seiner Erwägungen zur Möglichkeit des Pendelns bestimmte Optionen wie die Möglichkeit des Bezugs einer Zweitwohnung, die Nutzung eines Camper-/Wohnmobils oder die Alternative eines mobilen Arbeitens nicht ausreichend in Betracht gezogen, ist ebenfalls unzulässig. Es ist schon nicht dargetan, dass es dem Landesarbeitsgericht entscheidungserheblich auf die in der Revision benannten, rein hypothetischen Möglichkeiten der Sicherstellung eines täglichen Arbeitsantritts angekommen wäre. Das ist auch nicht unmittelbar ersichtlich.

 

39        (c) Darin liegt – entgegen der Auffassung der Revision – auch keine Verkennung der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für diejenigen Umstände, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist vielmehr, ausgehend von einer den Kläger treffenden sekundären Darlegungslast, nicht zu beanstanden.

 

40        (aa) Nach allgemeinen Grundsätzen genügt die nicht darlegungspflichtige Partei ihrer Darlegungslast nicht durch einfaches Bestreiten einer nicht ins Blaue hinein erhobenen pauschalen Behauptung der darlegungspflichtigen Partei, wenn dieser die nähere Darlegung der erforderlichen Tatsachen nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (st. Rspr., vgl. nur BAG 24. Januar 2024 – 5 AZR 331/22 – Rn. 26 mwN).

 

41        (bb) In einer solchen Situation befand sich die Beklagte. Sie konnte keinen Vortrag zu vom Kläger in Betracht gezogenen Möglichkeiten, den Arbeitsplatz in Dortmund zu erreichen, halten, sondern nur verdeutlichen, dass es den Umständen nach fernlag, dass der Kläger eine tägliche An- und Abreise zur Arbeitsstelle auf sich genommen hätte. Demgegenüber war dem Kläger ein dahin gehender Vortrag ohne Weiteres möglich und in Anbetracht dessen, dass er in seinem Bewerbungsschreiben eine Umzugswilligkeit/-bereitschaft suggerierte, die sich jedoch nach vertretbarer tatrichterlicher Würdigung nicht als glaubhaft erwies, ausnahmsweise auch zumutbar. Der Kläger hätte deshalb die von ihm konkret in Betracht gezogenen Möglichkeiten zur Sicherstellung eines täglichen Arbeitsantritts in Dortmund aufzeigen müssen. Das ist nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht geschehen. Soweit sich die Revision auf die Option eines mobilen Arbeitens bezieht, ist nicht dargetan, warum das Landesarbeitsgericht eine solche Möglichkeit hätte in Betracht ziehen müssen. Dafür bestand, da die Stellenausschreibung der Beklagten keine dahin gehenden Hinweise enthielt, objektiv keine Veranlassung.

 

42        (2) Die vom Landesarbeitsgericht in die vorgenommene Gesamtbetrachtung aller Fallumstände einbezogene Würdigung des Inhalts des Bewerbungsschreibens des Klägers und der Art und Weise seiner Bewerbung ist im Ergebnis noch vertretbar und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.

 

43        (a) Die Rechtsmissbräuchlichkeit des Entschädigungsverlangens des Klägers folgt allerdings nicht allein daraus, dass das Bewerbungsschreiben, wie mit der Formulierung „Lieferscheine kann ich auch schreiben und Rechnungen“, einen wenig ansprechenden Satzbau aufweist. Entsprechendes gilt für die genutzte Kleinschreibung im Zusammenhang mit der Anrede der Beklagten („ihre“ bzw. „ihrem“) und – vor dem Hintergrund, dass die Stellenausschreibung dazu keine Aufforderung enthielt – für die fehlende Beifügung von Zeugnissen. Denn wie viel „Mühe“ ein Bewerber sich mit seinem Bewerbungsschreiben und den weiteren Bewerbungsunterlagen gegeben hat, wie ansprechend seine Präsentation ist und wie eindringlich und überzeugend er ein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet hat, mag zwar ein Umstand sein, der für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers den Ausschlag geben kann. Es existiert hingegen weder ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur derjenige, der ein solches Bewerbungsschreiben verfasst, an der Stelle interessiert ist, noch der gegenteilige Erfahrungssatz, dass derjenige, dessen Bewerbungsschreiben diesen Vorgaben nicht entspricht, sich nur mit dem Ziel bewirbt, die formale Position des Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können (vgl. BAG 14. Juni 2023 – 8 AZR 136/22 – Rn. 53; 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 47 mwN).

 

44        Entsprechend verhält es sich mit der Erwägung des Landesarbeitsgerichts, angesichts der von der Beklagten angestrebten kurzfristigen Stellenbesetzung zum 3. Oktober 2022 habe die Angabe des Klägers, nicht über eine Wohnung im Umkreis des Geschäftssitzes der Beklagten zu verfügen, bei gleichzeitiger Angabe seines 170 km vom voraussichtlichen Dienstort entfernt gelegenen Wohnorts bei der Beklagten zwangsläufig Zweifel an der Möglichkeit eines Stellenantritts zu dem in der Ausschreibung genannten Termin auslösen müssen. Auch insoweit handelt es sich grundsätzlich zwar um einen Gesichtspunkt der die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers zu beeinflussen vermag. Es besteht aber ebenfalls kein Erfahrungssatz, wonach nur ein solcher Bewerber, der für eine zu besetzende Stelle seine zeitnahe Verfügbarkeit nachvollziehbar zum Ausdruck bringt, ein Interesse am Erhalt der Stelle hat.

 

45        (b) Das Landesarbeitsgericht hat sich jedoch nicht allein auf die vorstehend genannten Gesichtspunkte zurückgezogen. Es hat vielmehr weiter angenommen, der Kläger habe in seinem Bewerbungsschreiben zwar auf die von der Beklagten geforderte Qualifikation in Form von „sehr gute[n] Kenntnisse[n] in MS-Office“ mit der Angabe Bezug genommen, sich mit „Word und Excel“ gut auszukennen. Im Übrigen habe er sich aber auf die Schilderung von Allgemeinplätzen wie „Berufserfahrung im Büro“ und ein Auskennen mit „typischen Bürotätigkeiten“ beschränkt, ohne im Rahmen seines bei „Indeed“ eingestellten Lebenslaufs nähere Angaben zu seiner Erwerbsbiographie zu machen, die eine entsprechende (Berufs-)Erfahrung hätten belegen können. Darüber hinaus hat es – nachvollziehbar – darauf abgestellt, dass die Angaben des Klägers, wonach er sich mit Gesetzen gut auskenne und auch Lieferscheine schreiben könne, ebenso wenig einen Bezug zur Stellenausschreibung aufwiesen wie der Hinweis auf seine Berufserfahrung in der Personalabteilung, im Vertrieb und im Einkauf. Vor diesem Hintergrund hat es die Ausführungen zur Gesetzeskenntnis dahin gehend bewertet, dass diese bei einem potentiellen Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Ausschreibung einer Stelle für Sekretariatstätigkeiten zwangsläufig Fragen nach dem damit verfolgten Zweck hätten hervorrufen müssen.

 

46        Die Annahme, wonach ein solches Verhalten – zumindest in der Gemengelage mit weiteren, aus Sicht des Landesarbeitsgerichts gegen ein ernsthaftes Interesse am Erhalt der Stelle sprechenden Umständen – ein objektiver Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch sein kann, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 52 ff.).

 

47        (3) Ohne Erfolg wendet sich die Revision zudem gegen die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu dem vom Kläger im Zeitpunkt seiner Bewerbung bei der Beklagten absolvierten Fernstudium zum Wirtschaftsjuristen, bei dem es sich nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO) Feststellungen um ein „Vollzeitstudium“ handelte und von dem das Landesarbeitsgericht – ebenfalls unangegriffen – angenommen hat, der Kläger habe es nicht aufgeben wollen. Insoweit ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass allein die beabsichtigte Fortsetzung des Studiums keinen objektiven Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch bietet. Die Suche eines Studenten nach einer Vollzeitbeschäftigung kann durchaus vielfältige Gründe haben, insbesondere den Grund, dass er seinen Lebensunterhalt anderweitig nicht (mehr) bestreiten kann und er sich deshalb entschließt, seine Studien nach Möglichkeit in eine ihm bei Aufnahme eines Vollzeitarbeitsverhältnisses zur Verfügung stehende Freizeit zu verlegen. Treten aber – wie hier nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts – weitere Umstände hinzu, die aus anderen Gründen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung schüren, kann der Umstand der gleichzeitigen Ausübung eines Fernstudiums zumindest insoweit Bedeutung gewinnen, als es dem Bewerber zugemutet werden kann, sich im Rahmen einer ihn treffenden sekundären Darlegungslast zu seinen konkreten Vorstellungen zur Vereinbarkeit seines (Fern-)Studiums mit einer Vollzeitbeschäftigung auf der ausgeschriebenen Stelle einzulassen. Das hat der Kläger nicht getan.

 

48        (4) Im Ergebnis kann dahinstehen, ob sich die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu dem vom Kläger ausgeübten Fernstudium in jeder Hinsicht als fehlerfrei erweisen. Deshalb kann auch offenbleiben, ob das Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Würdigung des Studiums das Vorbringen des Klägers, wonach er vor seiner Bewerbung bei der Beklagten zeitweise für einen anderen Arbeitgeber tätig war, ausreichend berücksichtigt hat. Denn das Landesarbeitsgericht hat dem Gesichtspunkt des vom Kläger absolvierten Fernstudiums, wie seine weiteren Ausführungen belegen, eine allenfalls untergeordnete Bedeutung beigemessen. Es hat nämlich einen weiteren und nach der Begründung des Berufungsurteils ausdrücklich als „entscheidend“ benannten objektiven Anhaltspunkt für einen Rechtsmissbrauch darin gesehen, dass sich die Bewerbung bei der Beklagten und die an die Nichtberücksichtigung der Bewerbung anschließende Entschädigungsklage als Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens des Klägers im Rahmen der Entwicklung eines Geschäftsmodells „in zweiter Generation“ darstelle, das darauf gerichtet gewesen sei, mit der Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG – zuletzt neben dem Bezug von Bürgergeld – zusätzliche Einnahmen zu generieren. Demgegenüber zeigt die Revision weder einen revisiblen materiell-rechtlichen Rechtsfehler noch einen Verfahrensfehler auf.

 

49        (a) Auf Rechtsmissbrauch kann allerdings nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 14. Juni 2023 – 8 AZR 136/22 – Rn. 52; 26. Januar 2017 – 8 AZR 848/13 – Rn. 145 mwN). Ein solches Verhalten lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der Bewerber, weil er sich entgegen den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage nach § 15 Abs. 2 AGG zulässigerweise seine Rechte nach diesem Gesetz wahrnimmt (BAG 26. Januar 2017 – 8 AZR 848/13 – aaO).

 

50        (b) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung von Entschädigungs- und/oder Schadensersatzansprüchen aufgrund anderer erfolgloser Bewerbungen rechtsmissbräuchlich (gewesen) sein sollte, dies nicht ohne Weiteres auch für die jeweils streitgegenständliche Bewerbung gelten muss, sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann im Zusammenhang mit einer Vielzahl anderweitiger Bewerbungen und anschließender Entschädigungsklagen nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Bewerbers feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben (vgl. etwa: BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 67, BAGE 156, 71; 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 58, BAGE 155, 149).

 

51        (c) Diesen strengen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts aber gerecht.

 

52        (aa) Das Landesarbeitsgericht hat seine Annahme zum Vorliegen eines Geschäftsmodells im vorstehend beschriebenen Sinne darauf gestützt, dass sich der Kläger laufend und deutschlandweit auf offensichtlich nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen als „Sekretärin“ beworben und nach provozierter Absage seiner Bewerbung versucht habe, Entschädigungsansprüche (gerichtlich) durchzusetzen. Das ergebe sich aus dem – entweder vom Kläger ausdrücklich zugestandenen oder jedenfalls mangels Bestreitens als unstreitig anzunehmenden – Vorbringen der Beklagten zur Art und Weise und zum Inhalt einer Vielzahl erfolgloser Bewerbungen des Klägers bei anderen Arbeitgebern und diesbezüglich angestrengter gerichtlicher Entschädigungsverfahren, auch wenn jeweils nur auf den Verfahrensstand bis zur Bewerbung des Klägers bei der Beklagten am 3. Januar 2023 bzw. deren konkludenter Absage abgestellt werde. Im Rahmen der anderweitigen Bewerbungen habe sich der Kläger zunächst mit weitgehend wortgleichen Schreiben bzw. E-Mails (vom Landesarbeitsgericht als solche der ersten Generation bezeichnet) auf die jeweiligen Stellen beworben. Im Lauf der Zeit habe er sein Verhalten den Erkenntnissen aus Entschädigungsprozessen angepasst und die von den jeweiligen Arbeitsgerichten gerügten bzw. deren Ansicht nach auf Rechtsmissbrauch hindeutenden formellen „Fehler“ im Bewerbungsverfahren abgestellt. So bewerbe sich der Kläger etwa inzwischen (in „zweiter Generation“) zusätzlich postalisch, nachdem ihm ein Arbeitsgericht vorgeworfen hatte, er sei schon kein Bewerber, da dem Unternehmen im Rahmen der Kontaktaufnahme über „eBay Kleinanzeigen“ noch nicht einmal die postalische Anschrift des Klägers bekannt gemacht worden sei.

 

53        Auch bewerbe er sich – nach Anknüpfung eines Arbeitsgerichts an dieses Indiz – zwischenzeitlich nicht mehr nur auf Stellenanzeigen, die bei „eBay Kleinanzeigen“ veröffentlicht werden, sondern nutze auch andere Job-Portale. Zudem verzichte er – anders als ursprünglich geschehen – nunmehr darauf, in seinem Anschreiben nachzufragen, ob tatsächlich nur eine Frau gesucht werde. Ferner trügen die Bewerbungsschreiben zwischenzeitlich nicht mehr die Unterschrift „Herr W“; vielmehr unterzeichne der Kläger mit seinem vollen Namen. Weiter sei der Kläger aus der Erkenntnis, dass von Arbeitsgerichten seine Formulierung „Ich habe Berufserfahrung im Büro…“ als zu pauschal gewertet worden sei, inzwischen auf die Verwendung der Formulierung übergegangen „Ich habe Berufserfahrung in der Personalabteilung, Vertrieb und im Einkauf.“

 

54        Weiter habe er zumindest bei „Indeed“ zwischenzeitlich auch einen Lebenslauf eingestellt, nachdem dessen gänzliches Fehlen von einzelnen Arbeitsgerichten als Indiz für einen Rechtsmissbrauch gewertet worden sei. Schließlich sehe der Kläger, anders als ursprünglich, von einer außergerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche ab, wie er selbst im vorliegenden Rechtsstreit mehrfach betont habe.

 

55        Bei all dem gehe es dem Kläger aber erkennbar nur darum, mögliche formelle Indizien für einen Rechtsmissbrauch zu eliminieren, und nicht um eine Verbesserung zur Steigerung von Bewerbungschancen, die ggf. die Aussicht, einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können, verringert hätte. Eine andere Bewertung des Verhaltens sei ausgeschlossen. Bezeichnender Weise erfolge die „Optimierung“ der Bewerbungen nicht – wie es von einem Bewerber mit Interesse am Erhalt einer Stelle zu erwarten gewesen wäre – im Hinblick auf die inhaltliche Überzeugungskraft der Bewerbung bzw. der beigefügten Unterlagen. Vielmehr halte er seine Bewerbung bewusst auf möglichst aussichtslosem Niveau. Das folge ua. daraus, dass der Kläger weiterhin von einer stellenbezogenen Bewerbung absehe und der auf der Plattform „Indeed“ eingestellte Lebenslauf vollkommen nichtssagend sei. Auch verzichte er nach wie vor gezielt auf die Vorlage jeglicher Nachweise oder konkreter Angaben zu seiner im Bewerbungstext behaupteten Berufserfahrung.

 

56        (bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht im Verhalten des Klägers besondere Umstände festgestellt, die aus seiner Sicht ein standardisiertes und methodisches Vorgehen des Klägers im Rahmen einer Vielzahl anderer Bewerbungsverfahren und nachfolgend geführter Entschädigungsprozesse belegen. Die daraus gezogene Schlussfolgerung, der Kläger habe sich bei der Beklagten allein in der Erwartung beworben, eine Absage zu erhalten und durch seine nachfolgende Entschädigungsforderung neben dem Bezug von Bürgergeld einen auskömmlichen „Gewinn“ zu haben, überschreitet den Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz nicht.

 

57        Soweit die Revision dem entgegenhält, in dem „Optimieren“ einer Bewerbung könne kein Indiz für Rechtsmissbrauch gesehen werden, verkennt sie die Argumentationslinie des Landesarbeitsgerichts. Erheblich war aus dessen Sicht vielmehr das rein „selektive“ Verbessern äußerer Merkmale der Bewerbung unter Beibehaltung eines im Übrigen möglichst nichtssagenden Inhalts bei gleichzeitiger Hervorhebung von Gesichtspunkten, die im Anforderungsprofil der Stelle überhaupt nicht angesprochen wurden. Die vom Landesarbeitsgericht hinsichtlich einer Minimierung des Kostenrisikos durch das Prozessverhalten des Klägers angestellten Erwägungen sind nach der Begründung des Berufungsurteils nicht tragend. Darauf, ob ihnen andernfalls zu folgen wäre, kommt es nicht an. Die betreffenden Einwände der Revision sind mangels Entscheidungserheblichkeit unbeachtlich.

 

58        (d) Der Kläger hat den vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellten Sachverhalt, soweit er sich auf Inhalt und die Anzahl erfolgter Bewerbungen bei anderen Arbeitgebern auf nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen einer „Sekretärin“ und auf den Gegenstand anschließend geführter Entschädigungsprozesse bezieht, weder mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) noch mit Verfahrensrügen angegriffen, die sich gegen die inhaltliche Richtigkeit der getroffenen Feststellungen wenden.

 

59        (e) Entgegen der Auffassung des Klägers bestand hinsichtlich seines anderweitigen Bewerbungs- und Prozessverhaltens auch kein prozessuales Verwertungsverbot.

 

60        (aa) Es kann zugunsten des Klägers, der sich insoweit vornehmlich auf einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung beruft, unterstellt werden, dass es sich bei den betreffenden Tatsachen um personenbezogene Daten iSv. Art. 4 Nr. 1 DSGVO handelt. Allerdings bestehen Zweifel, ob im Fall einer vollständigen Anonymisierung der gerichtlichen Entscheidungen durch deren Auswertung seitens einer Prozesspartei überhaupt personenbezogene Daten in diesem Sinne vorliegen. Hier kann daher dahinstehen, welche Auswirkungen es hat, dass die Beklagte ihre Informationen auf diesem Weg gewonnen hat und der Kläger vor seiner Einlassung im vorliegenden Rechtsstreit jedenfalls nicht zweifelsfrei als klagende Partei der herangezogenen Gerichtsentscheidungen identifiziert werden konnte (zu den Anforderungen an die Identifizierbarkeit des Betroffenen vgl. Auernhammer/Eßer DSGVO/BDSG 8. Aufl. Art. 4 DSGVO Rn. 20 mwN). Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass es sich sowohl bei der Erhebung der Daten und deren Einführung in den vorliegenden Prozess als auch bei deren Verwertung durch das Landesarbeitsgericht um eine Datenverarbeitung iSd. Art. 4 Nr. 2 DSGVO handelt.

 

61        (bb) Die Frage, ob die Gerichte für Arbeitssachen erhebliches, personenbezogene Daten betreffendes Prozessvorbringen der Parteien berücksichtigen dürfen bzw. müssen, beantwortet sich nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung nach deren Vorschriften. Die Datenschutz-Grundverordnung regelt die Zulässigkeit von Datenverarbeitungen auch im Verfahren vor den nationalen Zivilgerichten (vgl. BAG 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 – Rn. 16 mwN; siehe auch BGH 12. März 2024 – VI ZR 1370/20 – Rn. 32, BGHZ 240, 45).

 

62        (cc) Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO kann die Rechtsgrundlage für entsprechende Verarbeitungen durch das Recht des Mitgliedstaats festgelegt werden, dem der Verantwortliche unterliegt. Dieses muss nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DSGVO ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen. Davon ist auszugehen, wenn die Zivilgerichte (EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 32), zu denen nach unionsrechtlichem Verständnis auch die Gerichte für Arbeitssachen gehören (vgl. BAG 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22 – Rn. 24 mwN), die ihnen durch das nationale Recht übertragenen gerichtlichen Befugnisse ausüben (EuGH 4. Mai 2023 – C-60/22 – [Bundesrepublik Deutschland] Rn. 73).

 

63        (dd) Der Senat muss nicht darüber befinden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen hinsichtlich – wie hier – prozessual nicht bestrittener Tatsachen ein verfahrensrechtliches Verwertungsverbot eingreifen kann, wenn der Arbeitgeber von dem Sachverhalt durch eine unrechtmäßige Datenverarbeitung Kenntnis erlangt hat. Ein Sachvortragsverwertungsverbot, das – gerade auch im Geltungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung – allenfalls in Betracht kommt, wenn die Nichtberücksichtigung von Vorbringen wegen einer durch Unionsrecht oder Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition des Betroffenen zwingend geboten ist (vgl. dazu: BAG 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 – Rn. 18 ff.; 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22 – Rn. 27 ff. mwN), scheidet hier aus. Dies schon deshalb, weil die Beklagte die Informationen über eine Vielzahl von Bewerbungen des Klägers bei anderen Arbeitgebern, den Inhalt dieser Bewerbungen und den Gegenstand daran anknüpfender Entschädigungsklagen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO rechtmäßig erhoben hat, und sie datenschutzrechtlich auch befugt war, die Erkenntnisse prozessual zum Gegenstand ihres Sachvortrags zu machen. In einem solchen Fall sind die Gerichte für Arbeitssachen im Rahmen ihrer rechtsprechenden Tätigkeit nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e iVm. Abs. 3 DSGVO sowie den Vorgaben der Zivilprozessordnung (§§ 138, 286 ZPO) berechtigt und verpflichtet, personenbezogene Daten bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen (vgl. BAG 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 – Rn. 17 mwN; im Ergebnis ebenso BGH 12. März 2024 – VI ZR 1370/20 – Rn. 31 ff., BGHZ 240, 45).

 

64        (aaa) Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig, wenn diese zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen (zu den sich daraus ergebenden kumulativen Anforderungen vgl. EuGH 4. Juli 2023 – C-252/21 – [Meta Platforms ua. (Conditions générales d’utilisation d’un réseau social)] Rn. 106 ff.).

 

65        (bbb) Mit der Erhebung von Informationen über das Vorliegen von Bewerbungen des Klägers bei anderen Arbeitgebern, deren Inhalt und die anschließende Geltendmachung von Entschädigungsforderungen nahm die Beklagte berechtigte eigene Interessen war. Das Merkmal des „berechtigten Interesses“ wird in der Verordnung zwar nicht näher definiert. In Erwägungsgrund 47 wird aber als ein solches Interesse ua. eine Verarbeitung personenbezogener Daten angesehen, die zur Verhinderung von Betrug unbedingt erforderlich ist. Unter der Wertung des Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DSGVO (vgl. EuGH 17. Juni 2021 – C-597/19 – [M.I.C.M.] Rn. 108) sind zudem die Geltendmachung, Ausübung und Verteidigung von Rechtsansprüchen als berechtigte Interessen einzuordnen (Kühling/Buchner/Buchner/Petri 4. Aufl. DS-GVO Art. 6 Rn. 147 mwN). In diesem Sinne kann gleichermaßen von einem berechtigten Interesse ausgegangen werden, wenn die Datenerhebung zu dem Zweck erfolgt, rechtsmissbräuchliche Entschädigungsansprüche eines Stellenbewerbers zu erkennen und abzuwehren.

 

66        (ccc) Die Informationsgewinnung war auch iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zur Verwirklichung der berechtigten Interessen der Beklagten erforderlich. Zwar ist diese Voraussetzung restriktiv auszulegen; Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken (EuGH 4. Juli 2023 – C-252/21 – [Meta Platforms ua. (Conditions générales d’utilisation d’un réseau social)] Rn. 108 ff.; 17. Juni 2021 – C-597/19 – [M.I.C.M.] Rn. 110; BGH 12. Oktober 2021 – VI ZR 488/19 – Rn. 30 mwN). Hier ist das Merkmal der Erforderlichkeit aber erfüllt. Die Beklagte war grundsätzlich auf die Informationsgewinnung angewiesen. Eine Datenerhebung beim Kläger wäre jedenfalls nicht gleichermaßen erfolgversprechend gewesen. Die Beklagte konnte, wie das Verhalten des Klägers im vorliegenden Prozess belegt, nicht erwarten, durch diesen selbst über Entschädigungsforderungen informiert zu werden, die er anderweitig nach erfolgloser Bewerbung auf eine nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stelle gegenüber den betreffenden Arbeitgebern erhoben hat. Andere, den Kläger weniger belastende Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung standen ihr nicht zur Verfügung. Sie hat sich, jedenfalls was die vom Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigten Informationen aus jeweils mit Aktenzeichen benannten gerichtlichen Entscheidungen anbelangt, auch darauf beschränkt, veröffentlichte und damit allgemein zugängliche Urteile auszuwerten. Soweit es im hier angefochtenen Berufungsurteil im Rahmen einer Bezugnahme auf die Gründe der Entscheidung einer anderen Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 23. März 2023 (- 18 Sa 888/22 – Rn. 58 ff., 97) heißt: „Aber auch die Nachfrage bei anderen Unternehmen, die der Kläger auf Zahlung einer Entschädigung verklagt hat, begegnete keinen rechtlichen Bedenken“, haben die Ausführungen erkennbar keinen Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit. Es ist weder vorgetragen noch unmittelbar ersichtlich, dass die hiesige Beklagte ihre Erkenntnisse über das sonstige Bewerbungs- und Prozessverhalten des Klägers durch eine entsprechende „Nachfrage“ gewonnen hätte.

 

67        (ddd) Schließlich überwiegen hinsichtlich der Verhaltensweisen des Klägers dessen Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten die von der Beklagten wahrgenommenen berechtigten Interessen nicht. Die insoweit erforderliche Abwägung der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen (EuGH 17. Juni 2021 – C-597/19 – [M.I.C.M.] Rn. 111; BGH 12. Oktober 2021 – VI ZR 488/19 – Rn. 31 mwN) fällt zulasten des Klägers aus. Der mit der Informationsgewinnung verbundene Eingriff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ist als gering einzustufen. Die gerichtlichen Entscheidungen, aus denen die Beklagte die Daten gewonnen hat, waren anonymisiert. Aufgrund ihres im Zeitpunkt der Erhebung vorhandenen Wissens konnte die Beklagte allenfalls vermuten, dass es sich bei der jeweiligen klagenden Partei um den hiesigen Kläger handelte. Eine zweifelsfreie Zuordnung war ihr erst aufgrund der Einlassung des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit möglich. Die Erhebung der Informationen erfolgte zudem nicht anlasslos. Sie stand vielmehr im Zusammenhang mit einem zwischen den Parteien geführten Entschädigungsprozess und einer Bewerbung, die bereits gewisse Anhaltspunkte für ein mangelndes Interesse des Klägers am Erhalt der bei der Beklagten ausgeschriebenen Stelle für eine „Sekretärin“ lieferte. Der Kläger musste angesichts seines gezeigten gesamten Bewerbungsverhaltens auch mit einer Datenerhebung wie von der Beklagten vorgenommen rechnen. Zudem hat er nicht behauptet, dass die aus Gerichtsentscheidungen gewonnenen und in das vorliegende Verfahren eingeführten Informationen unwahr seien. Darauf, ob die sich aus den herangezogenen gerichtlichen Entscheidungen ergebenden Daten in den anderen Entschädigungsverfahren uneingeschränkt verwertbar waren, kommt es vorliegend nicht an.

 

68        (ee) Der Senat konnte ungeachtet des zwischenzeitlich ergangenen Vorlagebeschlusses des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Mai 2024 (- 8 Sa 688/23 -) über das Bestehen eines Verwertungsverbots abschließend befinden. Zwar hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in dem vorgenannten Beschluss dem Gerichtshof der Europäischen Union in Bezug auf die Tätigkeit der nationalen Gerichte Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt. Die Klärung dieser Fragen ist vorliegend aber nicht entscheidungserheblich. Insbesondere kommt es nicht auf die Voraussetzungen einer ggf. zweckändernden gerichtlichen Datenverarbeitung an. Hier stimmte der Zweck der außergerichtlichen Informationsgewinnung (Erlangung von Erkenntnissen über die Rechtsmissbräuchlichkeit des Entschädigungsverlangens des Klägers) sowohl mit dem Zweck von deren Einführung in den vorliegenden Rechtsstreit (Nachweisführung eines behaupteten Rechtsmissbrauchs) und dem Zweck, zu dem das Landesarbeitsgericht die Daten bei seiner Entscheidung „verwertet“ hat (tatrichterliche Beurteilung der insoweit unstreitig gebliebenen Tatsachen) überein.

 

69        (5) Das Landesarbeitsgericht hat den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt des subjektiven Elements des Rechtsmissbrauchs umfassend und mit dem gefundenen Ergebnis nachvollziehbar gewürdigt. Das gilt insbesondere auch, soweit es die „gute Möglichkeit“, dass das Verhalten des Klägers eine andere Erklärung haben könnte als nur die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils, ausgeschlossen hat.

 

70        (a) Der dahin gehenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union ist gerade nicht zu entnehmen, dass der Arbeitgeber und die Gerichte auch solche Motive ausschließen müssten, die gänzlich hypothetischer Natur sind und für deren Vorliegen es nach dem Sach- und Streitstand keinerlei Anhaltspunkte gibt. Unter Zugrundelegung der gegenteiligen Rechtsauffassung des Klägers wäre die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die Rechte als erfolgloser Bewerber praktisch ausgeschlossen. Unabhängig davon lässt sich aus den Motiven, deren Berücksichtigung der Kläger vermisst, wie etwa seinen „Marktwert“ als Arbeitskraft „zu testen“ oder mit dem Entschädigungsverlangen Arbeitgeber wie die Beklagte von künftigen, geschlechtsbezogenen Diskriminierungen abzuschrecken, eine Ernsthaftigkeit der Bewerbung in dem Sinne, dass es ihm mit seiner Bewerbung um den Erhalt der Stelle ging, gerade nicht ableiten.

 

71        (b) Der Senat hat sämtliche vom Kläger gegenüber der Würdigung des subjektiven Elements des Rechtsmissbrauchs erhobenen Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer darauf bezogenen Begründung sieht er ab (§ 564 Satz 1 ZPO).

 

72        3. Auf den ergänzenden, vom Kläger persönlich gehaltenen Vortrag vom 12. August 2024 kommt es nicht an. Vor dem Bundesarbeitsgericht muss sich eine Partei gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Soweit der Klägervertreter den „Schriftsatz“ nebst Anlagen mit der „freundlichen Bitte um Berücksichtigung“ eingereicht hat, lässt dies nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, dass er sich das klägerische Vorbringen zu eigen gemacht und die Verantwortung hierfür übernommen hat. Unabhängig davon sind die in dem „Schriftsatz“ enthaltenen, weitgehend wiederholenden materiell-rechtlichen Ausführungen nicht geeignet, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts infrage zu stellen. Soweit Verfahrensrügen erhoben oder ergänzt werden, ist dies nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt und deshalb unzulässig.

 

73        III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.          

                        Spinner   

                           

                        Krumbiegel   

                           

                        Berger   

                                        

                           

                        Lüken   

                           

                        Leitz   

                                 

 

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BAG: Gleichstellungsbeauftragte – abge-lehnte Bewerbung einer zweigeschlecht-lichen Person

BAG, Urteil vom 17.10.2024 – 8 AZR 214/23

ECLI:DE:BAG:2024:171024.U.8AZR214.23.0

Volltext: BB-Online BBL2025-▄-▄

Orientierungssätze

1. Eine Ungleichbehandlung kann nach § 8 Abs. 1 AGG wegen eines mit einem Grund iSv. § 1 AGG im Zusammenhang stehen-den Merkmals gerechtfertigt sein, wenn das Merkmal – oder sein Fehlen – eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Dies ist der Fall, wenn davon die ordnungsgemäße Durch-führung der Tätigkeit abhängt (Rn. 19).

2. Sieht das Recht eines Bundeslandes zwingend vor, dass die Stelle der Gleich-stellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen ist, kann die Ablehnung der Bewerbung einer zweigeschlechtlichen Person auf eine solche Stelle nicht allein mit der Berufung auf diese landesgesetz-liche Vorgabe gerechtfertigt werden. Es ist vielmehr zu prüfen, ob das Landesrecht mit höherrangigem Recht vereinbar ist (Rn. 21).

3. Die im Landesrecht von Schleswig-Holstein vorgesehene Beschränkung der Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten auf das weibliche Geschlecht ist nach § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG gerechtfertigt. Angesichts der Zielsetzung und der hierauf ausgerichteten landesge-setzlichen Aufgabenbeschreibung ist es eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung, dass die Gleich-stellungsbeauftragte das gleiche Ge-schlecht aufweist wie die vorrangig zu fördernden weiblichen Beschäftigten (Rn. 22 ff.).

4. Hierdurch werden zweigeschlechtliche Menschen nicht in ihrem Gleichheits-grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt. Die mit der Beschränkung auf Frauen verbundene Benachteiligung ist durch Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt (Rn. 33 ff.).

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Anspruch der klagenden Partei auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung ua. aufgrund des Geschlechts im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens um die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten.

Die klagende Partei verfügt über einen Hochschulabschluss als Magistra Juris/Master of Laws LL.M. und war mehrere Jahre akademisch-wissenschaftlich im höheren Dienst an verschiedenen Universitäten beschäftigt. Sie ist zweigeschlechtlich geboren und kann weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Sie bezeichnet sich selbst ua. als Hermaphrodit. Das angeborene biologische Geschlecht stimmt mit der geschlechtlichen Identität der klagenden Partei überein. Sie ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Der Beklagte ist ein Landkreis in Schleswig-Holstein. Er veröffentlichte im Oktober 2019 folgende Stellenausschreibung:

„Beim Kreis D ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Position der

Gleichstellungsbeauftragten

unbefristet zu besetzen. Es handelt sich um eine Vollzeitstelle (derzeit 39 Wochenstunden), die grundsätzlich teilbar ist.

Die Gleichstellungsbeauftragte trägt zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Kreisverwaltung und im Kreisgebiet bei.

Die Tätigkeit umfasst folgende Aufgabenschwerpunkte:

•       Mitwirken bei personellen, organisatorischen und sozialen Angelegenheiten

•       Steuerungsunterstützende Beratung der Verwaltungsleitung, der Geschäftsbereiche und der politischen Gremien des Kreises D bei gleichstellungspolitischen Entscheidungen und Themen

•       Koordinierung der Strategie des Gendermainstreamings

•       Entwicklung gleichstellungsrelevanter Maßnahmen, Projekte, Fortbildungen

•       Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

•       Sensibilisierung für geschlechtergerechte Strukturen und mögliche Formen der Diskriminierung

•       Netzwerk- und Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Gruppen, Verbänden, Vereinen, Institutionen, Behörden sowie privaten und öffentlichen Unternehmen zur Verbesserung der Chancengleichheit

•       Initiierung und Mitarbeit in Initiativen zur Verbesserung der Situation von Frauen im Kreis D

•       Presse und Öffentlichkeitsarbeit zu gleichstellungsrelevanten Themen

•       Beratung und Information Rat suchender Frauen

Sie sollten sich bewerben, wenn Sie über folgende Qualifikation verfügen:

einen Bachelorabschluss in der Fachrichtung Sozialwissenschaften/Erziehungswissenschaften, Allgemeine Verwaltung/Public Administration, Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften oder einem vergleichbaren Studiengang

Wir wünschen uns:

➢       Erfahrungen in politischer Frauen- und/oder Gleichstellungsarbeit

➢       Kenntnisse des Arbeits-, Familien- und Sozialrechts

➢       Erfahrungen in Verwaltungstätigkeiten und in der Zusammenarbeit mit kommunalpolitischen Gremien

➢       Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft

➢       Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick und Konfliktfähigkeit

➢       Interkulturelle Kompetenz

…“   

Die klagende Partei bewarb sich mit E-Mail vom 24. Oktober 2019 auf die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten. Der Beklagte führte am 5. Dezember 2019 unter Beteiligung des Landrats Auswahlgespräche mit mehreren Bewerbern. Am 9. Dezember 2019 führte der Beklagte ein Auswahlgespräch mit der klagenden Partei, an dem jedoch weder der Landrat noch die Schwerbehindertenvertretung teilnahmen. Mit E-Mail vom 10. Dezember 2019 teilte der Beklagte der klagenden Partei mit, dass sich die Auswahlkommission für eine andere Bewerberin entschieden habe.

Die klagende Partei hat vom Beklagten die Zahlung einer Entschädigung verlangt und die Auffassung vertreten, sie sei in nicht gerechtfertigter Weise ua. wegen ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft und ihrer Behinderung benachteiligt worden. Sie sei nur der Form halber zum Auswahlgespräch eingeladen zu keinem Zeitpunkt aber ernsthaft in die Auswahl einbezogen worden.

Die Stellenausschreibung, die nur Frauen anspreche, begründe eine Vermutung für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Die Benachteiligung wegen des Geschlechts sei weder durch die Anforderungen der konkreten Tätigkeit noch durch die – aus ihrer Sicht verfassungswidrigen – landesrechtlichen Vorgaben gerechtfertigt, die die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten ausschließlich Frauen vorbehielten. Auch liege eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft vor. Zweigeschlechtliche Menschen seien wegen genetischer Besonderheiten jedenfalls auch als ethnische Minderheit anzusehen. Der Beklagte habe im Übrigen im Rahmen des Bewerbungsverfahrens auch gegen gesetzliche Verfahrensvorschriften zum Schutz und zur Förderung der Chancen von schwerbehinderten Menschen verstoßen.

Ihre Benachteiligung im Bewerbungsverfahren sei nicht nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig gewesen. Insbesondere könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass nach den gesetzlichen Vorschriften in Schleswig-Holstein nur Frauen als Gleichstellungsbeauftragte in Betracht kämen und nicht auch andere von systematischer Ungleichbehandlung betroffene Menschen. In Bezug auf zweigeschlechtliche Menschen fehle es an der erforderlichen Legitimation ihres Ausschlusses. Wenn Männer Benachteiligungen im Arbeitsleben nicht im gleichen Maße erführen wie Frauen, gelte das gerade nicht für zweigeschlechtliche Menschen. Zweigeschlechtliche Menschen seien typischerweise im höchsten Maße für strukturelle Ungleichbehandlungen sensibilisiert und deshalb mindestens ebenso gut wie Frauen in der Lage, Frauen zu diesem Thema zu beraten.

Die klagende Partei hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 7.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 3.500,00 Euro zzgl. Zinsen verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Die klagende Partei begehrt die Zurückweisung der Revision.

Aus den Gründen

11        Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ist unbegründet. Der Beklagte hat die klagende Partei nicht wegen ihres Geschlechts oder eines anderen Grundes iSv. § 1 AGG benachteiligt.

 

12        I. Die klagende Partei hat entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gegen den Beklagten. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entschädigung liegen nicht vor.

 

13        1. Der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist zwar eröffnet. Die klagende Partei fällt nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG als sich für ein Beschäftigungsverhältnis bewerbende Person unter den persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Der Beklagte ist Arbeitgeber iSv. § 6 Abs. 2 AGG.

 

14        2. Der Beklagte hat die klagende Partei jedoch nicht unzulässig wegen ihres Geschlechts iSv. § 7 AGG benachteiligt. Die unterschiedliche Behandlung der klagenden Partei war nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig.

 

15        a) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (st. Rspr., BAG 25. April 2024 – 8 AZR 143/23 – Rn. 22).

 

16        b) Die klagende Partei wurde dadurch unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt, dass sie vom Beklagten für die ausgeschriebene Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten nicht berücksichtigt wurde, denn sie hat damit eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Darauf, ob es überhaupt andere Bewerberinnen und Bewerber gegeben hat, ob deren Bewerbungen Erfolg hatten und ob sie die Stelle angetreten haben, kommt es nicht an (vgl. BAG 25. April 2024 – 8 AZR 143/23 – Rn. 23 mwN).

 

17        c) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen (st. Rspr., BAG 25. April 2024 – 8 AZR 143/23 – Rn. 25 mwN). Vorliegend kann zu Gunsten der klagenden Partei unterstellt werden, dass sie die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG wegen ihres Geschlechts erfahren hat.

 

18        d) Eine unmittelbare Benachteiligung der klagenden Partei wegen des Geschlechts wäre nach § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG zulässig.

 

19        aa) § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen (EuGH 6. März 2014 – C-595/12 – [Napoli] Rn. 41; BAG 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19 – Rn. 37, BAGE 169, 217 jeweils mwN). Danach kann nicht der Grund iSv. § 1 AGG, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen (BAG 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19 – Rn. 38, aaO; vgl. zur RL 2000/78/EG: EuGH 17. November 2022 – C-304/21 – [Ministero dell’Interno (Limite d’âge pour le recrutement des commissaires de police)] Rn. 45 mwN). Ein solches Merkmal – oder sein Fehlen – ist zudem nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt (BAG 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19 – Rn. 39, aaO).

 

20        bb) Nach den in Schleswig-Holstein geltenden landesrechtlichen Regelungen ist die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – zwingend mit einer Frau zu besetzen. Die Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten darf nach § 18 Abs. 1 Satz 3 Gesetz zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst Schleswig-Holstein (GstG SH) „nicht ohne Zustimmung der betroffenen Frau“ erfolgen. Für den Bereich der Landkreise folgt die zwingende Besetzung der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 Kreisordnung für Schleswig-Holstein (KrO SH). Der Begriff der Gleichstellungsbeauftragten wird dort ausschließlich in der weiblichen Form verwendet, obwohl ansonsten das Gesetz, etwa in §§ 6, 7 und 10 KrO SH, jeweils die männliche und die weibliche Form nutzt (vgl. BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 27; LAG Schleswig-Holstein 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 – zu II 2 b (1) (aa) der Gründe).

 

21        cc) Die landesgesetzliche Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht führt für sich genommen jedoch nicht zur Rechtfertigung einer auf sie gestützten Maßnahme. Die gesetzliche Vorgabe ist ihrerseits nur entscheidend, wenn bezüglich des geregelten Sachverhalts die Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG inhaltlich erfüllt sind. Die Beschränkung auf weibliche Gleichstellungsbeauftragte muss darüber hinaus im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsgemäß sein (vgl. BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 27 mwN). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die vorliegend anzuwendenden landesrechtlichen Regelungen gegeben.

 

22        (1) Die landesrechtliche Vorgabe, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, ist nach § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG nicht zu beanstanden. Aufgrund der Art der auszuübenden Tätigkeit und der Bedingungen ihrer Ausübung ist es eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung, dass die Gleichstellungsbeauftragte dasselbe Geschlecht aufweist wie die nach dem Gleichstellungsgesetz Schleswig-Holstein vorrangig zu fördernden weiblichen Beschäftigten. Dieses mit dem Geschlecht im Zusammenhang stehende Merkmal stellt eine Anforderung dar, die angemessen ist und einem rechtmäßigen Zweck iSv. § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG dient.

 

23        (a) Mit der Vorgabe, Stellen für Gleichstellungsbeauftragte ausschließlich mit Frauen zu besetzen, verfolgt der Landesgesetzgeber einen rechtmäßigen Zweck.

 

24        (aa) Nach § 1 GstG SH dient das Gesetz der Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Es fördert die Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst ua. durch die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen und die Kompensation von Nachteilen, die vor allem Frauen als Folge der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung erfahren.

 

25        (bb) Dieser Zweck ist sowohl in der nationalen Rechtsordnung als auch im Unionsrecht anerkannt. Das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG berechtigt den Gesetzgeber, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen (BVerfG 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 – zu B I 2 b cc (3) der Gründe, BVerfGE 114, 357). Nach Art. 3 RL 2006/54/EG iVm. Art. 157 Abs. 4 AEUV können die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen im Arbeitsleben vorsehen. Nach Art. 23 Unterabs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht der Grundsatz der Gleichheit insbesondere der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.

 

26        (cc) Die Förderung der Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst war auch nach den konkreten Verhältnissen in Schleswig-Holstein noch ein rechtmäßiger Zweck. Nach dem Fünften Gleichstellungsbericht der Landesregierung für den Zeitraum von 2014 bis 2017/2018 waren Frauen jedenfalls noch in gewissen Führungspositionen unterrepräsentiert, obwohl sie in den anderen Entgelt- und Besoldungsgruppen überwiegend die Mehrheit bildeten (vgl. LAG Schleswig-Holstein 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 – zu II 2 b (1) (bb) (ii) (bbb) der Gründe).

 

27        (b) Es ist eine wesentliche, entscheidende und angemessene berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG, dass die Gleichstellungsbeauftragte weiblich ist. Das ergibt eine Prüfung anhand der gesetzlich vorgesehenen Aufgaben (vgl. zur früheren Rechtslage in Nordrhein-Westfalen: BAG 12. November 1998 – 8 AZR 365/97 – zu B II 3 a der Gründe, BAGE 90, 170).

 

28        (aa) Nach § 20 Abs. 1 iVm. § 23 Abs. 1 GstG SH gehört zu den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten bei allen personellen, sozialen und organisatorischen Angelegenheiten auf die Gleichstellung von Frauen hinzuwirken. Sie ist insbesondere bei Stellenausschreibungen, Einstellungen, Beförderungen und Höhergruppierungen, Kündigungen und Entlassungen sowie vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand, einschließlich vorhergehender Planungen, zu beteiligen, § 20 Abs. 2 iVm. § 23 Abs. 1 GstG SH. Auf der Ebene der Landkreise ist die Gleichstellungsbeauftragte nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KrO SH zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu bestellen. Verstößt eine Maßnahme des Landrats ua. gegen § 12 oder § 16 GstG SH, kann die Gleichstellungsbeauftragte nach § 2 Abs. 4 KrO SH Widerspruch erheben. § 12 GstG SH enthält Vorschriften zur Ermöglichung von Teilzeitarbeit und zum Schutz in Teilzeitarbeit Beschäftigter. § 16 GstG SH regelt den Schutz vor sexuellen Belästigungen. Auf der Ebene des beklagten Kreises konkretisiert § 10 Abs. 2 der Hauptsatzung des Kreises D die Aufgaben der örtlichen Gleichstellungsbeauftragten ua. dahin gehend, dass sie in der Beratung hilfesuchender Frauen tätig ist. Sie nimmt die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Gruppen, Institutionen, Betrieben und Behörden in Bezug auf frauenspezifische Belange wahr.

 

29        (bb) Ausgehend von den durch Landesrecht zugewiesenen Tätigkeiten und Aufgaben, die Gleichstellungsbeauftragte in Schleswig-Holstein ausüben bzw. zu erfüllen haben, ist es eine wesentliche, entscheidende und angemessene berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG, dass die Gleichstellungsbeauftragte dasselbe Geschlecht aufweist, wie die Gruppe der weiblichen Beschäftigten, deren Gleichstellung sie zu fördern hat. Das im Einzelfall zu prüfen, ist Sache des nationalen Gerichts (vgl. zu Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG: EuGH 17. November 2022 – C-304/21 – [Ministero dell’Interno (Limite d’âge pour le recrutement des commissaires de police) Rn. 51). Jedenfalls um einen Teil der Tätigkeiten einer Gleichstellungsbeauftragten in Schleswig-Holstein zu erbringen und die durch das Landesrecht zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen, ist das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung, weil ansonsten der verfolgte Zweck gefährdet wäre. Zwar ist das weibliche Geschlecht keine zwingende Voraussetzung, um erfolgreich an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitzuwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu entwickeln. Etwas anderes gilt jedoch für die Beratung von Frauen in Krisensituationen, insbesondere im Zusammenhang mit einer sexuellen Belästigung. In diesem Bereich ist das weibliche Geschlecht der Gleichstellungsbeauftragten eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung (vgl. BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 30 f.). Die Beschränkung auf weibliche Gleichstellungsbeauftragte stellt sicher, dass Frauen eine weibliche Ansprechpartnerin für Gleichstellungsangelegenheiten haben, was bei typisierender Betrachtung die Bereitschaft steigert, die Hilfe der Gleichstellungsbeauftragten tatsächlich in Anspruch zu nehmen (vgl. LAG Schleswig-Holstein 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 – zu II 2 b (1) (bb) (ii) (aaa) der Gründe).

 

30        Für die optimale Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Gruppen, Institutionen, Betrieben und Behörden in Bezug auf frauenspezifische Belange, kann das weibliche Geschlecht der Gleichstellungsbeauftragten ebenfalls als wesentlich, entscheidend und angemessen angesehen werden (vgl. BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 31). Dabei ist es nicht entscheidend, dass einige der Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten nicht das Vorhandensein des betreffenden Merkmals erfordern (BAG 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19 – Rn. 39 mwN, BAGE 169, 217). Dagegen kann die berechtigte Erwartung der nach dem Gleichstellungsgesetz Schleswig-Holstein vorrangig zu fördernden weiblichen Beschäftigten, sich beispielsweise in bestimmten Beratungssituationen an eine Frau wenden zu können, berücksichtigt werden (vgl. zu berechtigten Erwartungen Dritter: EuGH 15. Juli 2021 – C-804/18 ua. – [WABE] Rn. 65; anders dagegen, wenn es sich um einen besonderen Kundenwunsch im Einzelfall handelt, den der Arbeitgeber erfüllen möchte: EuGH 14. März 2017 – C-188/15 – [Bougnaoui und ADDH] Rn. 40 f.).

 

31        (cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beschränkung auf Personen weiblichen Geschlechts als Gleichstellungsbeauftragte nicht lediglich im Verhältnis zu männlichen, sondern auch gegenüber zweigeschlechtlichen Bewerbern gerechtfertigt. Der Einwand der klagenden Partei, zweigeschlechtliche Menschen seien mindestens ebenso gut wie Frauen geeignet, geschlechtsspezifische Benachteiligungen zu erkennen und abzustellen, weil sie aufgrund ihres Geschlechts stetigen Benachteiligungen im Alltag ausgesetzt seien, greift im Ergebnis nicht durch. Dabei kann der Vortrag der klagenden Partei als zutreffend unterstellt werden, dass zweigeschlechtliche Menschen im Alltag typischerweise vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt sind. Allerdings stehen dabei regelmäßig nicht Benachteiligungen aufgrund der Annahme, die betroffenen Personen seien weiblich, sondern Benachteiligungen aufgrund der Zweigeschlechtlichkeit im Vordergrund. Es kommt vorliegend nicht entscheidend darauf an, ob die betroffene zweigeschlechtliche Person im Einzelfall als Frau „gelesen“ wurde und deshalb mit den Benachteiligungen als Frau vertraut ist. Die gesetzliche Regelung ist notwendig abstrakt-generell und kann deswegen nicht darauf abstellen, ob eine einzelne Person überwiegend als zweigeschlechtlich oder häufiger als Frau oder Mann angesehen wird, was ohnehin von der subjektiven Wahrnehmung abhängt.

 

32        (2) Die Beschränkung auf weibliche Gleichstellungsbeauftragte nach dem Gleichstellungsgesetz Schleswig-Holstein und der Kreisordnung Schleswig-Holstein ist auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsgemäß.

 

33        (a) Die landesrechtliche Vorgabe, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, verletzt zweigeschlechtliche Menschen nicht in ihrem Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Benachteiligung von zweigeschlechtlichen Menschen gegenüber Frauen ist durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG zugunsten von Frauen als kollidierendem Verfassungsrecht gerechtfertigt.

 

34        (aa) Die klagende Partei kann sich als zweigeschlechtlicher Mensch auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG berufen. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt nicht nur Männer vor Diskriminierungen wegen ihres männlichen Geschlechts und Frauen vor Diskriminierungen wegen ihres weiblichen Geschlechts, sondern schützt auch Menschen, die sich diesen beiden Kategorien in ihrer geschlechtlichen Identität nicht zuordnen, vor Diskriminierungen wegen dieses weder allein männlichen noch allein weiblichen Geschlechts. Zweck des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist es, Angehörige strukturell diskriminierungsgefährdeter Gruppen vor Benachteiligung zu schützen. Die Vulnerabilität von Menschen, deren geschlechtliche Identität weder Frau noch Mann ist, ist in einer überwiegend nach binärem Geschlechtsmuster agierenden Gesellschaft besonders hoch (BVerfG 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 – Rn. 58 f., BVerfGE 147, 1).

 

35        (bb) Die Ungleichbehandlung iSv. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG von zweigeschlechtlichen Menschen gegenüber Frauen in Bezug auf die Möglichkeit als Gleichstellungsbeauftragte zu arbeiten, ist jedoch durch das Fördergebot des Art. 3 Abs. 2 GG als kollidierendem Verfassungsrecht gerechtfertigt. Die Förderungspflicht des Art. 3 Abs. 2 GG ist grundsätzlich geeignet, die Rechte aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG einzuschränken (vgl. BVerfG 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 ua. – zu D I 1 der Gründe, BVerfGE 92, 91). Die kollidierenden Verfassungsgüter sind entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in der Weise in Ausgleich zu bringen, dass die Einschränkung des Gleichheitsgrundrechts der klagenden Partei aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufgrund von Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist.

 

36        (cc) Die Regelung des Art. 3 Abs. 2 GG, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, soll nicht nur Rechtsnormen beseitigen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale anknüpfen, sondern für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzen (vgl. BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 ua. – zu C I 1 der Gründe mwN, BVerfGE 85, 191). Der über das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG hinausreichende Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 2 GG besteht darin, dass er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (BVerfG 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 – Rn. 60, BVerfGE 147, 1).

 

37        (dd) Das Gleichstellungsgesetz Schleswig-Holstein fördert die Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst ua. durch die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen und die Kompensation von Nachteilen, die vor allem Frauen als Folge der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung erfahren. Damit dient es entsprechend dem nach seinem Wortlaut für Männer und Frauen geltenden Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen im Arbeitsleben (vgl. zur Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 3 Abs. 2 GG auf Männer und Frauen: BVerfG 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 – Rn. 60, BVerfGE 147, 1; Boysen in v. Münch/Kunig 7. Aufl. Art. 3 Rn. 163; BeckOK GG/Kischel Stand 15. September 2024 GG Art. 3 Rn. 183; Dutta/Fornasier NZA 2021, 605, 611).

 

38        (ee) Zur Erreichung dieses Zwecks ist die landesgesetzliche Vorgabe, die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten zwingend mit einer Frau zu besetzen, verhältnismäßig im Sinne einer geeigneten, erforderlichen und angemessenen Regelung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des Gleichstellungsauftrags aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ein weiter Gestaltungsspielraum im Hinblick auf diejenigen Maßnahmen zukommt, die er zur Durchsetzung der Geschlechtergleichheit in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ergreift (BVerfG 15. Dezember 2020 – 2 BvC 46/19 – Rn. 98, BVerfGE 156, 224). Das gilt im Rahmen der unionsrechtlichen Vorgaben auch für die gesetzgeberische Annahme, aufgrund der ihr obliegenden Aufgaben sei das weibliche Geschlecht eine zwingende Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten (vgl. ThürVerfGH 6. März 2024 – 23/18 – zu C II 3 a aa (3) (b) (bb) der Gründe). Die gesetzliche Vorgabe, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, ist idS geeignet, das Ziel der Gleichstellung von Frauen zu fördern. Damit ist das verfassungsrechtliche Geeignetheitsgebot erfüllt, das keine vollständige Zielerreichung, sondern lediglich eine Eignung zur Förderung des Ziels voraussetzt (vgl. zum verfassungsrechtlichen Begriff der Geeignetheit: BVerfG 7. April 2022 – 1 BvL 3/18 ua. – Rn. 300 mwN, BVerfGE 161, 163). Die Beschränkung auf Frauen ist auch erforderlich, weil kein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Ziels zur Verfügung steht, das zweigeschlechtliche Menschen weniger und die Allgemeinheit nicht stärker belastet (vgl. zum verfassungsrechtlichen Begriff der Erforderlichkeit: BVerfG 1. Februar 2023 – 1 BvL 7/18 – Rn. 139 mwN, BVerfGE 166, 1). Schließlich ist die landesgesetzliche Regelung auch angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschluss von nicht weiblichen Personen vom Amt der Gleichstellungsbeauftragten eine Beeinträchtigung von hoher Intensität darstellt. Insbesondere sind nicht weibliche Personen auch in ihrer Berufsfreiheit betroffen, denn Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert sowohl die freie Wahl des Berufs als auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 69 mwN, BVerfGE 128, 157). Im Ergebnis stehen der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung jedoch nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs (vgl. zum verfassungsrechtlichen Begriff der Angemessenheit: BVerfG 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 203 mwN, BVerfGE 161, 299). Insoweit wird ergänzend auf die Ausführungen unter Rn. 20 ff. zu den vorliegend erfüllten Voraussetzungen einer wesentlichen, entscheidenden und angemessenen beruflichen Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG verwiesen.

 

39        (b) Die landesrechtliche Vorgabe, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, verletzt zweigeschlechtliche Menschen nicht in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter sind nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (BVerfG 20. September 2016 – 2 BvR 2453/15 – Rn. 18, BVerfGE 143, 22; BAG 25. Juli 2024 – 8 AZR 24/24 – Rn. 23 mwN). Art. 33 Abs. 2 GG ist jedoch nicht verletzt, wenn ein dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unterfallendes Merkmal ausnahmsweise vorausgesetzt wird und aufgrund der Anforderungen des Amtes Bewerber ohne die fragliche Eigenschaft ungeeignet sind und besondere verfassungsrechtliche Gründe für die Schaffung eines solchen Amtes sprechen (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 38 mwN; LAG Niedersachsen 24. Februar 2023 – 16 Sa 671/22 – zu B II 4 b cc (4) der Gründe).

 

40        (3) Die Entscheidung des Senats zur Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten nach der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (BAG 12. November 1998 – 8 AZR 365/97 – zu B II 3 a der Gründe, BAGE 90, 170) steht vorliegend der Annahme nicht entgegen, dass die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten nach den landesgesetzlichen Bestimmungen nur Frauen übertragen werden kann. Die nicht tragende Begründung ist zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu inhaltlich abweichenden landesrechtlichen Regelungen ergangen und stellte entscheidend auf den dortigen Parteivortrag ab.

 

41        3. Die klagende Partei kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe sie unzulässig wegen anderer Gründe iSv. § 1 AGG benachteiligt, ua. ihrer (Schwer-)Behinderung oder ihrer ethnischen Herkunft. Soweit die klagende Partei – wie hier – eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit oder des Berufs an sich ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb. In einem solchen Fall liegt regelmäßig kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund vor (vgl. BAG 14. Juni 2023 – 8 AZR 136/22 – Rn. 45 mwN). Das ist vorliegend der Fall. Es besteht die zwingende Anforderung eines anderen Geschlechts.

 

42        II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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