BAG: Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG – erfolgloser Bewerber – Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung – Erforderlichkeit der Einladung zum Vorstellungsgespräch – Einwand des Rechtsmissbrauchs
BAG, Urteil vom 19.1.2023 – 8 AZR 437/21
ECLI:DE:BAG:2023:190123.U.8AZR437.21.0
Volltext: BB-Online BBL2023-1267-2
Orientierungssätze
1. Einzelfallentscheidung zum durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) gegenüber dem Entschädigungsanspruch eines erfolglosen Bewerbers aus § 15 Abs. 2 AGG (Rn. 42 ff.).
2. Der Senat hat es offengelassen, ob der öffentliche Arbeitgeber über den Wortlaut von § 165 S. 4 SGB IX hinaus von der Verpflichtung zur Einladung einer sich bewerbenden schwerbehinderten Person zu einem Vorstellungsgespräch befreit ist, wenn diese Person nach dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ihr jedoch die persönliche Eignung in dem Sinne fehlt, dass sie nicht über charakterliche Eigenschaften verfügt, die für die zu besetzende Stelle von Bedeutung sind. Nach Auffassung des Senats könnte eine Befreiung des öffentlichen Arbeitgebers von der Einladungspflicht nach § 165 S. 3 SGB IX allenfalls dann in Erwägung zu ziehen sein, wenn die Besetzung der Stelle mit dem Bewerber/der Bewerberin offensichtlich aus Rechtsgründen ausscheidet, weil die charakterlichen Mängel ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis begründen (Rn. 34 ff.).
Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem schwerbehinderten Kläger wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 20. Dezember 2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als „Teamassistenz“ im Bürgermeisteramt zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet ist.
In zwei weiteren Revisionsverfahren streiten die Parteien über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 27. März 2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines/einer Verwaltungsfachangestellten im Bauamt (- 8 AZR 438/21 -) und über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21. und 22. Juni 2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene(n) Stelle(n) für Verwaltungsfachangestellte in der Kämmerei und im Hauptamt (- 8 AZR 439/21 -).
Der Kläger war zunächst bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 29. Juni/3. Juli 2018 als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in der Kämmerei (Beitragswesen/Feuerwehrwesen) beschäftigt und bezog ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 6 TVöD-V.
Im Verlauf dieses Arbeitsverhältnisses entwickelten sich rasch zahlreiche Unstimmig- und Streitigkeiten zwischen dem Kläger und seinen Vorgesetzten, die Gegenstand eines umfangreichen E-Mail-Verkehrs sowie eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zwischen den Parteien waren. Unter anderem stritten die Parteien über den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung eines Praktikums, das der Kläger vor dem in seinem Arbeitsvertrag vermerkten ersten Beschäftigungstag absolviert hatte, sowie über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Weitere Streitpunkte der Parteien betrafen die leidensgerechte Beschäftigung des Klägers und die entsprechende Ausstattung seines Arbeitsplatzes, die – auf gesundheitliche Gründe gestützte – Weigerung des Klägers, die Vorsitzende der Beklagten zu einer Bürgerversammlung zu begleiten und dort Protokoll zu führen, das Verlangen des Klägers, Praktikumsstunden, die er vor Aufnahme seiner Tätigkeit in der Kämmerei geleistet hatte, zu vergüten, die Höhe einer Zeitgutschrift für arbeitsfreie Tage sowie den Grund für die Nichtteilnahme des Klägers an einem Personalgespräch.
Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. Juli 2018 ordentlich zum 13. August 2018 und mit Schreiben vom 12. September 2018 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2018. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Bamberg, die er mit Anträgen auf Zahlung weiterer Vergütung sowie auf Zahlung von „Schmerzensgeld“ verband. In diesem Rechtsstreit, der unter dem Aktenzeichen – 2 Ca 575/18 – geführt wurde, machte der Kläger mit Schriftsatz vom 4. September 2018 geltend, er sei während seiner Tätigkeit bei der Beklagten insbesondere durch Verhalten des Personalverantwortlichen der Beklagten K in mehrfacher Hinsicht diskriminiert worden. In diesem Zusammenhang wies der Kläger unter der Überschrift „Besonderheit Person K“ darauf hin, er habe durch Äußerungen einer Kollegin Kenntnis von einer schweren Straftat erlangt, an der der Personalverantwortliche der Beklagten als Jugendlicher beteiligt gewesen und derentwegen dieser auch verurteilt worden sei. „Angst um Leib und Leben“ seien für ihn die Folge gewesen, die er – der Kläger – „zu seiner eigenen Sicherheit auch bei der Polizei habe anzeigen müssen“. Er habe auch furchtbare Angst vor Herrn K gehabt. „Ein Schlag auf seine Bandscheibenprothesen und es wäre aus gewesen.“. Derartige Gedanken hätten ihn belastet. Das Gesamtverhalten der Beklagten und ihres Personalverantwortlichen habe in ein „von Anfang an gezielt beabsichtigtes Muster“ gemündet, das „im Volksmund als Mobbing“ bezeichnet werde. Seine beschriebenen „Erlebnisse“ und seine Behandlung im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hätten zu einer „kausalen Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen“ geführt.
Der vorbezeichnete Rechtsstreit endete durch Prozessvergleich vom 27. Februar 2019, in dem es – auszugsweise – wie folgt heißt:
„1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom 30.07.2018 mit Ablauf des 31.08.2018.
…
3. Die Parteien halten Vorwürfe, die in der Person oder im Verhalten des Klägers begründet lagen oder die gegenüber der Beklagten erhoben wurden, nicht weiter aufrecht.
4. Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Abgeltung des Klageantrags Ziffer 13 […] gemäß §§ 1, 7, 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von 3.017,56 €.
…
7. Über diesen Vergleich hinaus bestehen zwischen den Parteien aus dem streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung wechselseitig keine finanziellen Ansprüche mehr, unabhängig davon, ob solche derzeit bekannt oder unbekannt sind und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen.
Unberührt bleiben etwaige Ansprüche des Klägers aus den Verfahren […] und 2 Ca 766/18.“
Gegenstand des im Prozessvergleich genannten Verfahrens – 2 Ca 766/18 – war ua. ein Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 24. August 2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellte(r) für das Bauamt. Die betreffende Klage wurde vom Arbeitsgericht – rechtskräftig – abgewiesen.
Mit E-Mail vom 20. Dezember 2018 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als „Teamassistenz“, in der er ausdrücklich auf seine Schwerbehinderung hinwies. In der Stellenausschreibung heißt es ua.:
„Die Einstellung erfolgt entsprechend der bisherigen Tätigkeit und Berufserfahrung sowie den persönlichen Voraussetzungen nach den Bestimmungen des TVöD in Vollzeit.
Ihre Aufgaben
Sie koordinieren die Termine der Bürgermeister und fertigen selbständig Schreiben und Vorlagen. Auch in die Öffentlichkeitsarbeit sind Sie eingebunden.
Außerdem bereiten Sie Sitzungen vor, beantworten Bürgeranfragen und organisieren einen reibungslosen Ablauf des Tagesgeschäfts. Bei Bürgerversammlungen führen Sie Protokoll.
Ihr Profil
Sie sind empathisch, ein echtes Kommunikationstalent und zeitlich flexibel einsetzbar.
Sie verfügen über sehr gute EDV-Kenntnisse (Outlook, Word, Excel) und zeichnen sich durch Freundlichkeit und Selbstbewusstsein im Umgang mit dem Bürger aus.
Teamfähigkeit, selbständiges Arbeiten und eine gute Allgemeinbildung zählen zu Ihren Stärken.“
In seiner Bewerbungs-E-Mail vom 20. Dezember 2018 führte der Kläger ua. aus:
„Mein Lebenslauf ergänzt sich aktuell um die Tatsache, dass ich bei Ihnen zum 11.06.2018 meinen Dienst angetreten habe! An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich davon ausgehe, bereits in einem bestehenden Arbeitsverhältnis … [zur Beklagten] zu stehen und diese Bewerbung nur vorsorglich für den Fall erfolgt, dass dies wider Erwarten nicht der Fall sein sollte. Diese Bewerbung stellt auch kein Einverständnis für eine beabsichtigte Kündigung dar.
An der Stelle bei Ihnen bin ich nach wie vor sehr interessiert.
…
Auf den Bewerbungsverfahrensanspruch, insbesondere im öffentlich-rechtlichen Bereich, wird hingewiesen.
Dem kann und darf man sich z.B. auch nicht durch Blockieren von Absendern – wie jetzt mehrfach geschehen – zu entziehen versuchen.
Dies würde schon Art. 33 GG zuwider laufen!
Um Beachtung wird gebeten!“
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2018, das von dem Personalverantwortlichen der Beklagten K unterschrieben ist und dem Kläger am Folgetag förmlich zugestellt wurde, lud die Beklagte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch am 7. Januar 2019 um 15:00 Uhr ein.
Mit E-Mail vom 3. Januar 2019 beanstandete der Kläger die Blockierung verschiedener, von ihm im Rahmen von Bewerbungen bei der Beklagten und diesbezüglichem Schriftverkehr genutzter E-Mail-Adressen. Außerdem heißt es dort:
„…
Heute konnte ich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch zum 07.01.2019 aus unserem Briefkasten entnehmen. Die Einladung wurde von Ihnen bereits am 21.12.2018 ausgefertigt! Diese wurde laut Vermerk mit PZU am 22.12.2018 zugestellt!
Am 07.01.2019 bin ich leider verhindert, so dass ich um einen neuen Termin bitte.
…
MfG
…“
Mit E-Mail der Personalsachbearbeiterin B-K vom 3. Januar 2019 bot die Beklagte dem Kläger Ersatztermine für ein Vorstellungsgespräch am 10. Januar 2019 um 10:00 Uhr oder am 11. Januar 2019 um 10:00 Uhr an.
Am 8. Januar 2019 versandte der Kläger zwei E-Mails an die Beklagte. In einer E-Mail heißt es:
„…
am 10. oder 11.01.2019 kann ich leider nicht kommen, da ich mir beim Joggen die linke Wade verletzt habe und nicht laufen geschweige denn Autofahren kann. Um einen neuen Termin wird daher gebeten!
MfG
…“
Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Januar 2019 verlangte der Personalverantwortliche der Beklagten K persönlich vom Kläger den Widerruf der von diesem im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Bamberg (- 2 Ca 575/18 -) aufgestellten Behauptungen, wonach er – Herr K – den Kläger mit den Worten „Du Krüppel“ beschimpft und diesem gegenüber geäußert haben soll, er könne „Schwerbehinderte nicht leiden“, sowie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Mit E-Mail vom 5. Februar 2019 beanstandete der Kläger gegenüber der Beklagten, hinsichtlich seiner Bewerbung vom 20. Dezember 2018 keine weitere Nachricht erhalten zu haben. Zugleich forderte er von der Beklagten unter neuerlichem Hinweis auf seinen Bewerbungsverfahrensanspruch eine entsprechende – im Fall der Ablehnung seiner Bewerbung begründete – Mitteilung.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2019, das von der Personalsachbearbeiterin B-K unterschrieben ist, antwortete die Beklagte dem Kläger wie folgt:
„…
für Ihr Interesse an einer Tätigkeit in unserem Haus als Teamassistenz bedanken wir uns.
Leider konnten wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen.
Mit der Beteiligung des Personalrats haben wir uns für eine andere Person entschieden, die unserem Anforderungsprofil eher entspricht.
…“
Mit seiner Klage hat der Kläger – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 20. Dezember 2018 in Anspruch genommen.
Er hat geltend gemacht, die Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Sie habe ihn entgegen den Vorgaben des § 165 Satz 3 SGB IX nicht ordnungsgemäß zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, insbesondere habe sie es zu Unrecht unterlassen, ihm auf die Verhinderungsanzeige vom 8. Januar 2019 andere Ersatztermine für ein Gespräch anzubieten. Im Übrigen seien die zuvor ausgesprochenen Einladungen lediglich „pro forma“ erfolgt. Die Beklagte sei zu keiner Zeit bereit gewesen, seiner Bewerbung eine „echte Chance“ zu geben. Unter anderem zeige sich dies daran, dass sie mehrere seiner E-Mail-Adressen blockiert habe. Auch habe sie ihn, nachdem er sich im Jahr 2019 noch auf andere ausgeschriebene Stellen beworben habe, – unstreitig – überhaupt nicht mehr zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Im Rahmen seines früheren Arbeitsverhältnisses sei er von der Beklagten lediglich als „Übergangslösung“ mit dem Ziel eingestellt worden, Förderungsmöglichkeiten im Wege der Eingliederungshilfe zu nutzen. Bereits während seiner vormaligen Beschäftigung habe er Benachteiligungen wegen seiner Schwerbehinderung erfahren. Die „Drohungen“ des Personalverantwortlichen der Beklagten K im Rahmen der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Januar 2019 hätten allein dem Zweck gedient, ihn – den Kläger – auch privat unter Druck zu setzen, ihn einzuschüchtern und von weiteren Vorhaben wie Klagen und Bewerbungen abzubringen.
Der Kläger hat, nachdem er erstinstanzlich Feststellung und Zahlung beantragt hatte, zuletzt nur noch beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.052,68 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger keine Entschädigung zu schulden. Insbesondere habe sie ihre Pflichten aus § 165 Satz 3 SGB IX nicht verletzt. Nach dieser Bestimmung bestehe keine Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn – wie hier – aufgrund eines zwischen dem Bewerber und dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der Bewerbung anhängigen Kündigungsrechtsstreits Unsicherheit über die Wirksamkeit einer vor Einreichung der Bewerbung erklärten arbeitgeberseitigen Kündigung bestehe. Auch habe im Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers bereits festgestanden, dass er sich in dem vorausgegangenen und gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wegen mehrerer, den Betriebsfrieden störender Verhaltensweisen nicht bewährt habe. In einem solchen Fall seien Sinn und Zweck der Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX, dem schwerbehinderten Bewerber die Gelegenheit zu geben, den öffentlichen Arbeitgeber in einem persönlichen Gespräch von sich zu überzeugen, nicht mehr realisierbar. Unabhängig davon habe sie den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch am 7. Januar 2019 eingeladen und ihm – überobligatorisch – trotz nicht näher begründeter Verhinderung zwei Ausweichtermine angeboten, die dieser dann aber nicht wahrgenommen habe. Soweit der Kläger mit E-Mail vom 8. Januar 2019 erneut um Terminänderung nachgesucht habe, sei diese Nachricht bei ihr aus Gründen, die sie nicht zu vertreten habe, nicht, jedenfalls nicht in dem für Bewerbungen eröffneten Postfach eingegangen. Abgesehen davon sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, dem erneuten, nicht ausreichend begründeten Änderungswunsch nachzukommen. Unabhängig von alledem stehe dem Klagebegehren der durchgreifende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Die Bewerbung des Klägers sei offensichtlich ausschließlich in dem Bestreben erfolgt, einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. In dem zwischen den Parteien geführten Kündigungsrechtsstreit habe der Kläger – was unstreitig ist – die Arbeitsbedingungen bei der Beklagten als in höchstem Maße diskriminierend gerügt, sich auf „Mobbing“ berufen und ua. geltend gemacht, seine Tätigkeit bei der Beklagten sei von Angst um Leib und Leben geprägt gewesen. Vor diesem Hintergrund sei es auszuschließen, dass er sich auf die ausgeschriebene Stelle als „Teamassistenz“ mit ernsthaftem Interesse an einer Einstellung beworben habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der dieser nur die Abweisung seines Leistungsantrags angegriffen hat, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Entschädigungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat im Einvernehmen mit den Parteien die Akten nebst Vorakten der Verfahren – 8 AZR 438/21 – und – 8 AZR 439/21 – beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Aus den Gründen
24 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
25 I. Gegenstand der Revision ist nur das Begehren des Klägers, ihm wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 20. Dezember 2018 eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen. Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass mit der Revision die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die beiden weiteren Streitgegenstände, nämlich über einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie über einen Entschädigungsanspruch wegen einer Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs, nicht angegriffen wurde.
26 II. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers – soweit in der Revisionsinstanz hierüber zu entscheiden war – im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger, der nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis unter den persönlichen Anwendungsbereich des AGG fällt und der den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG) hat, hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG, die in der Ablehnung seiner Bewerbung liegt, wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat. Das Entschädigungsverlangen des Klägers ist jedenfalls dem durchgreifenden Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgesetzt.
27 1. Es kann offenbleiben, ob der Kläger, der durch die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 20. Dezember 2018 für die ausgeschriebene Stelle als „Teamassistenz“ eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG erfahren hat (zu den Voraussetzungen etwa BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 15 mwN), diese Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat.
28 a) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG, das einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte – hier die der Richtlinie 2000/78/EG – zu gewährleisten hat, untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG (zum Ganzen bspw. BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 23).
29 b) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Das spezielle Benachteiligungsverbot des § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verbietet eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund bzw. zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen (st. Rspr., zB BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 26 mwN).
30 aa) Soweit es – wie hier – um eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG an einen Grund iSv. § 1 AGG bzw. an die (Schwer)Behinderung anknüpft oder durch diese/n motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 27; 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 23 mwN).
31 bb) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 28; 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 24 mwN).
32 (1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 29; 1. Juli 2021 – 8 AZR 297/20 – Rn. 20 mwN, BAGE 175, 228).
33 (2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, ua. der Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 165 Satz 3 SGB IX geregelte Pflicht zur Einladung eines/einer schwerbehinderten oder diesem/dieser gleichgestellten Bewerbers/Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 30; 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 26; 1. Juli 2021 – 8 AZR 297/20 – Rn. 21, BAGE 175, 228; 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 29 mwN, BAGE 172, 78).
34 c) Ob die Beklagte – wie vom Kläger geltend gemacht – gegen Vorschriften verstoßen hat, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Allerdings spricht nach Auffassung des Senats – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – alles dafür, dass die Beklagte von der Verpflichtung aus § 165 Satz 3 SGB IX, den Kläger überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht wegen einer von ihr behaupteten persönlichen Nichteignung des Klägers befreit war.
35 aa) Nach § 165 Satz 1 SGB IX melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit ua. frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze. Nach § 165 Satz 3 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die sich auf einen solchen Arbeitsplatz beworben haben, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Gemäß § 165 Satz 4 SGB IX ist eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.
36 bb) „Offensichtlich“ fachlich ungeeignet iSd. § 165 Satz 4 SGB IX ist, wer unzweifelhaft dem fachlichen Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle nicht entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel in einem Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 36 mwN, BAGE 156, 107). Lassen allerdings bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 37 mwN, aaO).
37 cc) Darüber, dass dem Kläger nach seinen beruflichen Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich fehlte, besteht unter den Parteien kein Streit.
38 dd) Zwar hat der Senat es – unter Geltung der mit § 165 Satz 3 und Satz 4 SGB IX wortgleichen Vorgängerbestimmungen in § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX aF – bisher offengelassen, ob der öffentliche Arbeitgeber auch dann von der Verpflichtung entbunden ist, einen/eine schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn der/die Bewerber/in zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ihm/ihr jedoch die persönliche Eignung in dem Sinne fehlt, dass er/sie nicht über charakterliche Eigenschaften verfügt, die für die ausgeschriebene Stelle von Bedeutung sind (vgl. BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 40 ff., BAGE 172, 78; generell zur Eignung nach Art. 33 Abs. 2 GG im engeren Sinne vgl. BVerfG 23. Juni 2015 – 2 BvR 161/15 – Rn. 28 mwN; zur charakterlichen Eignung eines Stellenbewerbers als Unterfall der persönlichen Eignung vgl. BVerwG 20. Juli 2016 – 2 B 17.16 – Rn. 26 mwN).
39 Da die in § 82 Satz 3 SGB IX aF – inhaltsgleich nunmehr § 165 Satz 4 SGB IX – bestimmte Ausnahme mit dem Erfordernis der „offensichtlichen fachlichen Nichteignung“ eine abschließende Regelung enthält (BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 40, BAGE 172, 78; 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 50, BAGE 156, 107; 20. Januar 2016 – 8 AZR 194/14 – Rn. 45 mwN), hat der Senat allerdings angenommen, dass eine Befreiung des öffentlichen Arbeitgebers von der Einladungspflicht wegen fehlender persönlicher Eignung des/der schwerbehinderten Bewerbers/Bewerberin nur dann in Betracht gezogen werden könne, wenn sich die Einladung in einem solchen Fall als bloße Förmelei erweisen würde. Dies wiederum würde voraussetzen, dass die Besetzung der Stelle mit dem/der Bewerber/in offensichtlich aus Rechtsgründen ausscheide (vgl. BVerwG 15. Dezember 2011 – 2 A 13.10 – Rn. 26), weil seine charakterlichen Mängel ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis darstellen (BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 40 bis 42, aaO).
40 Ein solches offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis könnte etwa anzunehmen sein in Fällen, in denen dem Arbeitgeber wegen einschlägiger Vorstrafen eine Beschäftigung des Stellenbewerbers in der vorgesehenen Tätigkeit gesetzlich untersagt ist, wie beispielsweise nach § 72a SGB VIII (Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen bei der Wahrnehmung der Aufgaben in der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe) oder nach § 25 JArbSchG (ua. Verbot der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen durch bestimmte Personen im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen iSd. § 1 JArbSchG).
41 ee) Einen damit vergleichbaren Sachverhalt hat die Beklagte nicht dargetan. Darüber hinaus hatte sich die Beklagte mit dem Kläger in dem im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Bamberg (- 2 Ca 575/18 -) am 27. Februar 2019 geschlossenen Prozessvergleich darauf verständigt, Vorwürfe, die in der Person oder im Verhalten des Klägers lagen oder die gegenüber dem Kläger erhoben wurden, nicht weiter aufrecht zu erhalten. Bereits aus diesem Grund dürfte es der Beklagten verwehrt sein, sich gegenüber dem Entschädigungsverlangen des Klägers im vorliegenden Verfahren auf eine Befreiung von der Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX aufgrund von charakterlichen Schwächen zu berufen, die sich in dem Verhalten des Klägers in seinem früheren Arbeitsverhältnis gezeigt haben sollen.
42 2. Ob die Beklagte gegen Vorschriften verstoßen hat, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, insbesondere ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 165 Satz 3 SGB IX vorliegt, bedarf vorliegend indes keiner Entscheidung, weshalb auch dahinstehen kann, ob die diesbezüglichen Verfahrensrügen des Klägers zulässig und begründet sind. Einem etwaigen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG steht der durchgreifende Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegen.
43 a) Das Entschädigungsverlangen eines/einer erfolglosen Bewerbers/Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 37; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 46 ff.; 26. Januar 2017 – 8 AZR 848/13 – Rn. 123 ff. mwN; grundlegend BAG 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 32 ff., BAGE 155, 149).
44 aa) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (BAG 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 47; 17. März 2016 – 8 AZR 677/14 – Rn. 44 mwN). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor (BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 38; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – aaO; 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 44 mwN, BAGE 156, 71).
45 bb) Für das Vorliegen der Voraussetzungen, die gegenüber einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die Einwendung des Rechtsmissbrauchs begründen, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet (BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 66, BAGE 172, 78; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 48). Dieser muss deshalb Indizien vortragen und im Bestreitensfall beweisen, die den rechtshindernden Einwand begründen (BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 39; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – aaO).
46 cc) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB gegenüber Ansprüchen aus § 15 AGG auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (ausführlich: BAG 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 49 ff.; EuGH 28. Juli 2016 – C-423/15 – [Kratzer] Rn. 35 ff.).
47 b) Danach ist das Entschädigungsverlangen des Klägers dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt. Eine Würdigung sämtlicher Umstände unter Berücksichtigung insbesondere der Äußerungen des Klägers in dem vor dem Arbeitsgericht Bamberg geführten Kündigungsschutzverfahren (- 2 Ca 575/18 -) ergibt, dass es dem Kläger nicht darum ging, die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern dass er mit seiner Bewerbung nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen wollte mit dem alleinigen Ziel, Ansprüche auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können. Dies kann der Senat auch selbst beurteilen, da insoweit aufgrund des feststehenden Sachverhalts Entscheidungsreife gegeben ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
48 aa) Die Beklagte hat sich zur Begründung ihres Rechtsmissbrauchseinwands hauptsächlich auf Vorbringen des Klägers in einem Schriftsatz vom 4. September 2018 berufen, den der Kläger – unstreitig – in dem zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Bamberg geführten und im Februar 2019 durch Prozessvergleich beendeten Kündigungsrechtsstreit (- 2 Ca 575/18 -) eingereicht hat. In diesem – von ihm selbst verfassten – Schriftsatz hat der Kläger ua. – auch zur Begründung seines in dem betreffenden Rechtsstreit klageerweiternd erhobenen Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung – geltend gemacht, er habe während seiner Tätigkeit bei der Beklagten insbesondere durch Verhalten des Personalverantwortlichen der Beklagten K in mehrfacher Hinsicht Diskriminierungen erfahren. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auf „Besonderheiten“ betreffend die „Person K“ verwiesen und dazu vorgetragen, er habe durch Äußerungen einer Kollegin Kenntnis von einer schweren Straftat erlangt, an der der Personalverantwortliche der Beklagten als Jugendlicher beteiligt gewesen und derentwegen dieser auch verurteilt worden sei. „Angst um Leib und Leben“ seien für ihn die Folge gewesen, die er – der Kläger – „zu seiner eigenen Sicherheit auch bei der Polizei habe anzeigen müssen“. Gedanken über mögliche körperliche Übergriffe durch den Personalverantwortlichen K hätten ihn belastet. Das – im Einzelnen näher ausgeführte – vom Kläger behauptete Gesamtverhalten der Beklagten und ihres Personalverantwortlichen habe in ein „von Anfang an gezielt beabsichtigtes Muster“ gemündet, das „im Volksmund als Mobbing“ bezeichnet werde. Seine beschriebenen „Erlebnisse“ und seine Behandlung im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hätten zu einer „kausalen Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen“ geführt. Da gegenteilige Anhaltspunkte nicht vorliegen, ist davon auszugehen, dass der Kläger in dem vor dem Arbeitsgericht Bamberg geführten Kündigungsschutzprozess sein Befinden während des früheren Arbeitsverhältnisses der Parteien wahrheitsgemäß dargestellt hat.
49 bb) Wenn der Kläger aber – wie er geltend gemacht hat – im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten „Angst um Leib und Leben“ verspürt hat, seine Erkrankung auch Folge dieser Angstzustände war und er sich – jedenfalls subjektiv – systematischen Anfeindungen ausgesetzt sah, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm unter Inkaufnahme einer weiteren Schädigung seiner Gesundheit ernsthaft daran gelegen war, in das von ihm offensichtlich als äußerst belastend empfundene Arbeitsumfeld bei der Beklagten, deren Personalverantwortlicher unverändert Herr K war, zurückzukehren. Das gilt unabhängig davon, wer die im früheren Arbeitsverhältnis aufgetretenen vielfältigen Konflikte der Parteien verursacht hat.
50 cc) Eine andere Bewertung ist auch nicht aufgrund der mehrfachen schriftlichen Bekundungen des Klägers geboten, Interesse an der ausgeschriebenen Stelle zu haben. Diese Erklärungen stellen sich ausgehend von den Äußerungen des Klägers in dem im Verfahren – 2 Ca 575/18 – vor dem Arbeitsgericht Bamberg eingereichten Schriftsatz vom 4. September 2018 über sein Empfinden im früheren Arbeitsverhältnis als bloßes „Lippenbekenntnis“ dar.
51 dd) Der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs steht auch nicht das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 14. Februar 2022 entgegen, mit dem er seine Revisionsbegründung ergänzt hat. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um neuen Vortrag handelt, der im Revisionsverfahren grundsätzlich keine Berücksichtigung finden kann (vgl. dazu BAG 18. September 2019 – 5 AZR 335/18 – Rn. 39).
52 (1) Der Kläger hat insoweit – zusammengefasst – geltend gemacht, er habe mit seinen Bewerbungen versuchen wollen, die Beklagte doch noch von seiner Eignung zu überzeugen. Ihm sei von verschiedener Seite dringend empfohlen worden, sich weiterhin zu bewerben, da davon ausgegangen worden sei, dass die Amtszeit der Bürgermeisterin zum 1. Mai 2020 enden würde und ihm dann – bei entsprechendem Wechsel in der Verwaltungsführung – wieder bessere Chancen zu bescheinigen wären. Für ihn sei im Zeitpunkt seiner Bewerbung allerdings nicht absehbar gewesen, dass die Bürgermeisterin der Beklagten wiedergewählt werden würde.
53 (2) Damit hat der Kläger jedoch zum einen keinen Vortrag geleistet, der erklären könnte, dass er ein ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle hatte. Er hat insoweit nämlich nicht in Abrede gestellt, zum Zeitpunkt der Bewerbung in seinem Verhältnis zu dem Personalverantwortlichen der Beklagten K „Angst um Leib und Leben“ verspürt zu haben. Zum anderen offenbart das Vorbringen des Klägers – ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme – zusätzliche Schwierigkeiten des Klägers im Umgang mit der Bürgermeisterin der Beklagten, die entgegen seinen Erwartungen nach ihrer Wiederwahl das Amt weiterhin ausübt.