LAG Köln: Einzelfallentscheidung einer außerordentlichen Kündigung wegen Überlassung eines Dienstwagens
LAG Köln, Urteil vom 7.8.2020 – 4 Sa 122/20
ECLI:DE:LAGK:2020:0807.4SA122.20.00
Volltext: BB-Online BBL2020-2355-3
Amtliche Leitsätze
1. Einzelfall einer unwirksamen fristlosen Kündigung wegen Rückgabe eines Dienstwagens, der nach den Behauptungen der Arbeitgeberin verschmutzt und nicht verkehrstüchtig gewesen sein soll und der auch zur privaten Nutzung überlassen war, weil mangels einer Wiederholungsgefahr eine Abmahnung wegen der streitigen Verletzung der Nebenpflicht ausgereicht hätte, zumal die Arbeitgeberin vorliegend gar nicht berechtigt war, den Dienstwagen von der Klägerin zurückzufordern.
2. Eine Arbeitnehmerin und vormaliges Betriebsratsmitglied, die von der Arbeitgeberin als sog. Ein-Mann-Abteilung geführt wird, stellt, jedenfalls wenn sie Aufgaben aus mehreren Bereichen der Arbeitgeberin ausübt, keine Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG dar, da es an einem eigenen Betriebszweck mangelt.
3. Ein Arbeitgeber ist verpflichtet, einer Arbeitnehmerin die Kosten für die Betankung des Dienstfahrzeugs, der auch zur privaten Nutzung überlassen ist, im Wege des Aufwendungsersatzes nach § 670 BGB zu erstatten, jedenfalls wenn ihm die Tankbelege im Original vorliegen.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen sowie von zwei ordentlichen Kündigungen sowie über verschiedene Annahmeverzugslohn- und Aufwendungsersatzansprüche.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ist im Bereich Oberflächentechnik und Gewindesicherung tätig. Ihr Sitz ist R -W . Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ohne Auszubildende beschäftigt. Bei ihr ist ferner ein Betriebsrat gebildet.
Die im Kündigungszeitpunkt 38-jährige Klägerin, geboren am 1981, ist verheiratet und mittlerweile zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Sie ist seit dem 01.04.1999 bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt. Der Ehemann der Klägerin war auch im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Zuletzt war die Klägerin im Bereich Auftragsdisposition/Produktionsleitung tätig, wobei die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin als „Auftragsdisponentin“ bezeichnet. Zuvor war die Klägerin auch in der Produktion, im Versand und im Büro bei der Beklagten tätig.
Das Gehalt der Klägerin bestand zuletzt aus folgenden Komponenten: Anzahl der Fertigungsstunden multipliziert mit dem Stundenlohn iHv. 20,00 Euro, den vermögenswirksamen Leistungen iHv. 26,59 Euro, dem Sachbezug PKW pauschal iHv. 81,00 Euro, weiteren 593,- Euro (= 1% des Bruttolistenpreises für die private PKW-Nutzung) und weiteren 239,22 Euro für die Kfz-Nutzung (Wohnung-Arbeit). Insofern wird auf die Abrechnungen aus dem Jahre 2018 auf Bl. 246-248 d. A.) Bezug genommen. Ferner hat die Klägerin zuletzt pro Monat Überstundenvergütung jeweils mit einem Betrag iHv. 560,- Euro brutto erhalten, da sie regelmäßig Überstunden geleistet hat, wobei dies rechnerisch durchschnittlich 28 Überstunden pro Monat entspricht. Insofern wird auf Bl. 249 RS d. A. und den dortigen Tenor einer gerichtlichen Entscheidung zwischen den Parteien Bezug genommen, worin rechtskräftig festgestellt wurde, dass die Beklagte für einen Zeitraum von 10 Monaten (ab Oktober 2017) zur Zahlung von Überstundenvergütung iHv. 5.600,- Euro an die Klägerin verurteilt wurde. Das Gehalt der Klägerin ist am Monatsletzten fällig.
Ab der Wahlperiode 2014 war die Klägerin zudem Betriebsratsmitglied.
Im Jahre 2016 betrug das monatliche Durchschnittsgehalt der Klägerin5.362,83 Euro brutto pro Monat.
Die Beklagte stellte die Klägerin einseitig mit Schreiben vom 31.03.2017 mit Wirkung ab dem 03.04.2017 von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Ein Widerruf ist bislang nicht erfolgt.
Die Klägerin war bis zu ihrer Freistellung zumindest mit folgenden Aufgaben bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden betraut:
• Terminplanung in Abstimmung mit dem Verkauf (inkl. Telefon und Mailkorrespondenz), ca. 15 Stunden pro Woche
• Planung des Personaleinsatzes des Produktionspersonals sowie der Aushilfen und der Schüler, ca. 1 Stunde pro Woche
• Zusammenarbeit mit der Instandhaltung bezüglich der Produktionsanlagen, der Betriebsräume sowie Gebäude, hinsichtlich Sauberkeit und Ordnung, ca. 2 Stunden pro Woche
• Musterfertigung in Abstimmung mit der Qualitätssicherung, ca. 2 Stunden pro Woche
• Ermittlung der täglichen Produktionszahlen (Erfassung Maschinenstunden), ca. 5 Stunden pro Woche
• Disposition Logistik/Versand sowie Versandvorbereitung in Abstimmung mit den Kunden und Erstellung von Lieferscheinen und Versandpapieren, ca. 10 Stunden pro Woche
• Kontrollgänge Produktion, ca. 5 Stunden pro Woche
Der Klägerin war zudem ab dem 13.05.2015 ein Dienstfahrzeug – ein R R E (amtliches Kennzeichen ) – überlassen worden, das auch privat genutzt werden durfte. Es existiert kein schriftlicher Dienstwagennutzungsvertrag zwischen den Parteien.
Der Klägerin war ferner im Zusammenhang mit der Überlassung des Dienstfahrzeuges zur privaten Nutzung auch eine Tankkarte der Firma A übergeben worden. Die Gültigkeitsdauer der Tankkarte endete im April 2018. Eine neue Tankkarte erhielt die Klägerin trotzt Aufforderung von der Beklagten nicht.
Das Wahlergebnis der Betriebsratswahl im Jahre 2018 wurde am 11.05.2018 verkündet, womit die Amtszeit der Klägerin als Betriebsratsmitglied endete, da sie nicht wiedergewählt wurde. Anschließend begann der einjährige nachwirkende Kündigungsschutz.
Die Klägerin betankte das Dienstfahrzeug in den Monaten Mai bis September 2018 mehrfach und regelmäßig und verauslagte insofern folgende Beträge:
Monat |
Monatliche Gesamtsumme |
Mai 2018 |
90,01 Euro |
Juni 2018 |
216,34 Euro |
Juli 2018 |
286,64 Euro |
August 2018 |
231,95 Euro |
September 2018 |
40,00 Euro |
Gesamt |
864,94 Euro |
Bezüglich der einzelnen Tankbelege und Kosten der einzelnen Betankungsvorgänge wird auf Bl. 7-16 d. A. Bezug genommen. Die Originale der Tankbelege wurden der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht am 08.01.2020 übergeben und es wurde festgestellt, dass die zur Akte gereichten Kopien mit den Originalen übereinstimmen. Insofern wird auf Bl. 273 RS d.A. Bezug genommen.
Im Zeitraum vom 03.08.2018 bis zum 26.08.2018 befand sich die Klägerin urlaubsbedingt im Ausland. Die Tankvorgänge am 15.08.2018 (30,05 Euro), 19.08.2018 (40,00 Euro) und am 22.08.2018 (20,01 Euro) bzgl. des Dienstfahrzeugs nahm der Ehemann der Klägerin vor.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 04.08.2018 sowie mit Schreiben vom 07.09.2018 die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die hiergegen von der Klägerin fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Siegburg (4 Ca 2334/17 G) war erfolgreich. Die Beklagte legte hiergegen Berufung ein, die beim Landesarbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 11 Sa 757/18 anhängig war. Im dortigen Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.08.2019 erging ein mittlerweile rechtskräftiges Urteil, das bezüglich der beiden og. fristlosen Kündigungen die Berufung der Beklagten zurückwies. Insofern wird Bezug genommen auf Bl. 249-250 d. A.
Für die ersten vier Tage im August 2018 zahlte die Beklagte an die Klägerin ausweislich der Gehaltsabrechnung (Bl. 248 RS d. A.) – ausgehend von einem Bruttobetrag iHv. 628,36 Euro – einen Nettobetrag iHv. 266,33 Euro aus. In August 2018 hätte die Klägerin insgesamt an 23 Arbeitstagen gearbeitet, was zu 184 Fertigungsstunden geführt hätte.
Die Beklagte forderte die Klägerin angesichts der og. Kündigung vom 04.08.2018 mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 80, 158 d.A.) sowie vom 10.08.2018 (Bl. 81, 159 d.A.) zur Rückgabe des Dienstwagens auf. In dem von der hiesigen Beklagten angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren beim Arbeitsgericht Siegburg zum Aktenzeichen 4 Ga 17/18 schlossen die Parteien am 29.08.2018 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die hiesige Klägerin verpflichtete, ihr Dienstfahrzeug bis zum 10.09.2018 um 7:00 Uhr morgens auf dem Betriebsgelände der Beklagten gewaschen, gesaugt und gereinigt zurückzugeben. Alternativ erörterten die Parteien in der mündlichen Verhandlung, dass die Klägerin das Fahrzeug auch an dem vorhergehenden Freitag, dem 07.09.2018 zurückgeben könnte, wobei sie es in diesem Falle nicht reinigen müsste. Bei einer Rückgabe am 10.09.2018 müsse das Fahrzeug komplett sauber sein.
Die Klägerin, vertreten durch ihre Schwester, brachte am 10.09.2018 das Fahrzeug zu der vereinbarten Uhrzeit zurück. Der Betriebsleiter der Beklagten, Herr R , der zugleich der Betriebsratsvorsitzende ist, war bei der Übergabe des Fahrzeugs zugegen. Der damalige Zustand des Dienstwagens ist zwischen den Parteien umstritten.
Mit Schreiben vom 12.09.2018, dem Betriebsrat am selben Tag um 15:00 Uhr zugegangen, hörte die Beklagten diesen zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin an. Bzgl. des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 116-123, 194-201 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 14.09.2018 stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zu. Insofern wird auf Bl. 124, 202 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 21.09.2018 erklärte die Beklagte dann die „außerordentliche und fristlose Kündigung“, die der Klägerin auch am selben Tag zugegangen ist. Bezüglich des Kündigungsschreibens wird Bezug genommen auf Bl. 6 d. A.
Bis zum 21.09.2018 hätte die Klägerin an 15 Arbeitstagen gearbeitet, was zu 120 Fertigungsstunden geführt hätte.
Mit Schreiben vom 14.11.2018, dem Betriebsrat am 16.11.2018 um 16:00 Uhr zugegangen, hörte die Beklagten diesen zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Klägerin an. Bzgl. des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 125-133, 203-211 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 19.11.2018 stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zu. Insofern wird auf Bl. 135, 213 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.11.2018 erklärte die Beklagte eine weitere ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2019. Bezüglich des Kündigungsschreibens wird Bezug genommen auf Bl. 34, 36 d. A.
Mit Schreiben vom 17.05.2019, dem Betriebsrat am selben Tag zugegangen, hörte die Beklagte diesen zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Klägerin an. Bzgl. des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 261-266 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 21.05.2018 stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zu. Insofern wird auf Bl. 267 d. A. Bezug genommen.
Mit weiterem Schreiben vom 27.05.2019 erklärte die Beklagte eine weitere ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2019. Bezüglich des Kündigungsschreibens wird Bezug genommen auf Bl. 231 d. A.
Die Beklagte wurde vorprozessual vergeblich zur Zahlung der geltend gemachten Zahlungsansprüche aufgefordert.
Mit ihrer am 04.10.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 26.10.2018 zugestellt wurde (Bl. 19 d. A.), sowie den Klageerweiterungen vom 28.11.2018, vom 13.06.2019 und vom 25.11.2019, die der Beklagten jeweils am 04.12.2018 (Bl. 42 d. A.), am 18.06.2019 (Bl. 233 d. A.) sowie am 27.11.2019 (Bl. 253 d. A.) zugestellt wurden, hat die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen sowie (anteiligen) Annahmeverzugslohn für die Monate August 2018 (ab 05.08.2018) und September 2018 (bis 21.09.2018) sowie einen Aufwendungsersatz für Tankkosten in Höhe von insgesamt 864,94 Euro begehrt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ein Grund für die fristlose Kündigung ebenso wenig bestehe wie ein Grund für die ordentlichen Kündigungen. Sie hat behauptet, sie habe das Fahrzeug – wie besprochen – frisch gewaschen, von innen gesaugt und gereinigt an die Beklagte übergeben habe. Sie bestreitet daher etwaige Verschmutzungen. Die Beklagte würde vielmehr nur „übliche“ Gebrauchsspuren bemängeln. Die Reinigungskosten hat die Klägerin mit Nichtwissen bestritten. Ferner hat sie bestritten, dass eine „Innenaufbereitung mit Trockeneis“, die „Geruchsbeseitigung mit Ozon“ sowie eine „Lederreinigung“ erforderlich gewesen seien. In jedem Fall sei die Kündigung aber nach Auffassung der Klägerin deswegen unverhältnismäßig, weil keine Wiederholungsgefahr bestanden habe. Soweit es die ordentliche Kündigung betrifft, hat die Klägerin bestritten, dass sie alleine eine eigene Abteilung dargestellt habe. Sie habe nicht nur die Planung der Produktion durchgeführt, sondern auch Kundenkontakt gehabt und sie sei auch im kaufmännischen Bereich tätig gewesen. Sie hat insbesondere bestritten, dass der Beschäftigungsbedarf für sie weggefallen sei, da nicht alle Aufgaben auf die Geschäftsführer K und N übertragen worden seien. Sie hat ferner mit Nichtwissen bzgl. jeder Kündigung die Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Betriebsrates bestritten. Sie habe zudem aufgrund des Ablaufs der ihr überlassenen Tankkarte im April 2018 in der Folgezeit auf eigene Kosten tanken müssen. Sie habe ausschließlich ihr Fahrzeug bzw. einen notwendigen Werkstattersatzwagen betankt. Soweit es den Annahmeverzug für den Zeitraum vom 5. bis 30. August 2018 betrifft, setzt sich die Klageforderung iHv. 5.179,81 Euro rechnerisch aus den 184 Fertigungsstunden (= 3.680,- Euro) sowie aus 26,59 Euro (vermögenswirksame Leistungen), 81,- Euro (Sachbezug PKW), 593,- Euro (1%-Regelung), 239,22 Euro (Kfz-Nutzung Wohnung-Arbeit) sowie 560,- Euro (Überstunden) zusammen. Soweit es den Annahmeverzug für den Zeitraum vom 1. bis 21. September 2018 betrifft, setzt sich die Klageforderung iHv. 3.504,92 Euro rechnerisch aus den 120 Fertigungsstunden (= 2.400,- Euro) sowie aus 26,59 Euro (vermögenswirksame Leistungen), 684,92 Euro für PKW-Nutzung (= [81,- Euro + 593,- Euro + 239,22 Euro] / 20 Tage x 15 Tage) sowie weiteren 420,- Euro für Überstunden (= 560,- Euro / 20 Tage x 15 Tage) zusammen.
Die Klägerin hat daher erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2018 nicht aufgelöst ist.
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 864,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 90,01 Euro seit dem 01.06.2018, aus 216,34 Euro seit dem 01.07.2018, aus 286,64 Euro seit dem 01.08.2018, aus 231,95 Euro seit dem 01.09.2018 und aus 40,00 Euro seit dem 01.10.2018 zu zahlen.
3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2018 nicht aufgelöst wird, sondern unverändert über den 31.05.2019 hinaus fortbesteht.
4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die Kündigung der Beklagten vom 27.05.2019 nicht aufgelöst wird, sondern unverändert über den 31.12.2019 hinaus fortbesteht.
5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.179,81 Euro brutto, abzüglich 266,33 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.551,45 Euro seit dem 01.09.2018 zu zahlen.
6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.504,92 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen.
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die ausgesprochenen Kündigungen wirksam seien. Es gäbe einen wichtigen Grund für den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 21.09.2018. Dieser sei daran zu sehen, dass die Klägerin den ihr überlassenen Dienstwagen zwar, wie im gerichtlichen Vergleich vom 29.08.2018 vereinbart, am 10.09.2018 zurückgegeben habe, dieser jedoch absprachewidrig völlig verdreckt gewesen sei. Er sei weder von außen gewaschen noch von innen gesaugt oder gereinigt gewesen, im Gegenteil, das Fahrzeug sei vielmehr stark verschmutzt, auch durch getrocknete Flüssigkeiten, gewesen und hätte stark gerochen. Hinsichtlich der einzelnen Verunreinigungen bzw. Beschädigungen wird auf die Darstellung auf Bl. 61/62 d. A. und die Schwarzweißbilder auf Bl. 82-94, 160-172 d. A. Bezug genommen. Es seien ihr insofern Reinigungskosten in Höhe von 655,- Euro brutto (= 550,42 netto zzgl. 19% Umsatzsteuer) entstanden. Bezüglich der Rechnung zur Fahrzeugreinigung der Firma G O vom 30.09.2018 wird auf Bl. 95, 173 d. A. Bezug genommen. Die Beklagte hätte einer Rückgabe am 10.09.2018 niemals zugestimmt, wenn sie geahnt hätte, dass das Auto in diesem Zustand zurückgegeben werden würde. Die Klägerin habe sich somit eine längere Nutzung erschlichen. Zudem sei das Fahrzeug in einem nicht verkehrstüchtigen Zustand gewesen, da die hinteren Bremsen als nicht mehr verkehrstüchtig eingestuft worden seien. So seien die Bremsbeläge komplett abgefahren und die Bremsscheiben beschädigt gewesen. Beim Bremsen hätte es ein deutlich hörbares Schleifgeräusch gegeben. Dies ergäbe sich aus einem Untersuchungsbericht der DEKRA Automobil GmbH vom 11.09.2018, bzgl. dessen Inhalt auf Bl. 96-113, 174-191 d. A. Bezug genommen wird. Die Klägerin habe sie bei Abschluss des Vergleichs im Kammertermin vom 29.08.2018 in dem Verfahren 4 Ga 17/18 vorsätzlich betrogen. Die ordentlichen Kündigungen vom 27.11.2018 sowie vom 27.05.2019 seien durch das Vorliegen derselben betriebsbedingten Gründe gerechtfertigt. Die Geschäftsführung der Beklagten habe am 03.02.2017 – dh. während des laufenden Betriebsratsmandats der Klägerin – die unternehmerische Entscheidung getroffen, eine Organisationsänderung vorzunehmen und die Abteilung „Arbeitsvorbereitung/Disposition“ vollständig stillzulegen und zu schließen und das entsprechende Aufgabenfeld auf die Geschäftsführung zu verteilen. Hintergrund sei, dass die Parteien im April 2009 vereinbart hätten, dass der Klägerin die Disposition für den gesamten Produktionsbereich obliege und ihr Gehalt damals auf 20,00 Euro brutto die Stunde angehoben worden sei. Die Aufgaben, für die die Klägerin bis zum 31.03.2017 zuständig gewesen sei, hätten nach dem 01.04.2017 der Geschäftsführer C K , einer der Söhne des bisherigen Geschäftsführers, sowie die Geschäftsführerin S N übernommen. Frau N habe die Terminplanung in Abstimmung mit dem Verkauf (inkl. Telefon und Mailkorrespondenz), Planung des Personaleinsatzes des Produktionspersonals sowie der Aushilfen und der Schüler, die Disposition Logistik/Versand sowie Versandvorbereitung in Abstimmung mit den Kunden und Erstellung von Lieferscheinen und Versandpapieren sowie die Kontrollgänge Produktion, ca. 5 Stunden pro Woche übernommen. Insbesondere Frau N habe auch freie Kapazitäten gehabt, die sich u. a. aus der Verlagerung von zuvor noch selbst intern ausgeführten Arbeiten zur Buchhaltungsvorbereitung und des Mahnwesens auf einen externen Dienstleister, auf eine andere Firma und die Steuerkanzlei F S übertragen worden seien. Zudem würde Frau N deutlich effektiver als die Klägerin, dh. rund 30% schneller als die Klägerin, arbeiten. Ab April 2017 hätten Herr K und Frau N die komplette Disposition und Arbeitsvorbereitung erledigt. Auf den Sonderkündigungsschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, da es zu einer kompletten Stilllegung der Abteilung „Auftragsvorbereitung/Disposition“, die die Klägerin alleine gebildet hätte, gekommen sei und andere gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin nicht bestanden hätten, da es der Klägerin entweder an der entsprechenden Qualifikation mangeln würde oder diese Stellen nicht frei wären, zumal die Beklagte keine Stelle „frei kündigen“ wollte, wobei die Klägerin nach Auffassung der Beklagten durchaus als Maschinenbediener hätte tätig sein können. Insofern sei nach Ansicht der Beklagten § 15 Abs. 5 KSchG einschlägig. Die anderen Abteilungen der Beklagten seien Geschäftsführung, Zentrale/Auftragsanlage, Verwaltung/Angebotserstellung, Betriebsleitung/Technik, Qualitätssicherung, Instandhaltung und Versand. Jede dieser Abteilungen würde eigene Zwecke verfolgen und wäre räumlich und personell und fachlich klar voneinander abgegrenzt. Außerdem würden sie jeweils über eigene Betriebsmittel verfügen, die nicht ausgetauscht werden würden. So hätte die Abteilung „Auftragsvorbereitung/Disposition“ einen PC zur Disposition, eigene Versandpapiere, einen Drucker für Verpackungskabel und eine Plantafel. Da die Klägerin aber im Zeitpunkt des Treffens der unternehmerischen Entscheidung noch Betriebsratsmitglied gewesen war, seien die Kündigungen erst später ausgesprochen worden. Freie Arbeitsplätze hätte es bei der Beklagten nicht gegeben. Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen, da es keine vergleichbaren Mitarbeiter gäbe. Die Beklagte bestreitet schließlich die Tankvorgänge in den Monaten Mai bis September 2018 mit Nichtwissen, weil es eine Aral-Tankkarte gegeben habe und weil der Klägerin aufgegeben worden sei, immer Original-Quittungen einzureichen.
Das Arbeitsgericht hat, nachdem es den Rechtsstreit zunächst wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens beim Landesarbeitsgericht Köln (11 Sa 757/18) ausgesetzt hatte, mit Urteil vom 08.01.2020 der Klage – nahezu vollständig – stattgegeben. Allerdings hat es die in den Kündigungsschutzanträgen (= Klageanträge zu 3. und 4.) enthaltenen allgemeinen (Annex-)Feststellungsanträge („…, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert fortbesteht“) als unzulässig angesehen, da keine weiteren Beendigungstatbestände in den Rechtsstreit eingeführt wurden. Insofern hätte das Arbeitsgericht im Tenor des angefochtenen Urteils die Klage noch im Übrigen abweisen müssen. Die Parteien haben dies jedoch nicht bemängelt und auch keinen Berichtigungsantrag gestellt. Soweit das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, hat es zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die fristlose Kündigung vom 21.09.2018 sei unwirksam. Die von der Beklagten vorgetragene Pflichtverletzung sei bereits an sich nicht geeignet, einen wichtigen Grund iSv. 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung eines über 20 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnisses darzustellen. Selbst wenn die Klägerin den ihr überlassenen Dienstwagen verschmutzt von innen und außen sowie mit runtergefahrenen Bremsen zurückgegeben habe, sei dies eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis, die einer Abmahnung zugängig sei, und nicht derart schwerwiegend, dass eine weitere Fortführung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte unzumutbar gewesen wäre. Dass die Klägerin sich eine um drei Tage verlängerte Nutzung des Dienstwagens entgegen der Absprache im einstweiligen Verfügungsverfahren in betrügerischer Absicht erschlichen habe, habe die Beklagte nicht vermocht darzulegen. Soweit es die ordentlichen Kündigungen vom 27.11.2018 und vom 27.05.2019 betrifft, seien diese ebenfalls unwirksam. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts vermochte die Beklagte den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs aufgrund der getroffenen unternehmerischen Entscheidung nicht substantiiert darzulegen. Ein Zusammenhang zwischen dem behaupteten Wegfall der Aufgaben der Klägerin und der unternehmerischen Entscheidung, die Abteilung stillzulegen, sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Zum einen habe die Beklagte bis auf die pauschale Behauptung, sie habe die Abteilung „Auftragsdisposition/Arbeitsvorbereitung“ stillgelegt, keinen substantiierten Vortrag dazu vorgebracht, wie die Abteilungsstrukturen im Betrieb tatsächlich aussehen und dass es sich bei der Tätigkeit, die die Klägerin ausgeübt hat, tatsächlich um eine „Ein-Mann-Abteilung“ gehandelt hat. Zum anderen habe die Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts vermocht darzulegen, warum eine am 03.02 2017 getroffene unternehmerische Entscheidung und der angeblich sofort eingetretene Wegfall des Beschäftigungsbedarfs einen Kündigungsausspruch zu einem Zeitpunkt begründen solle, der 1 ½ bzw. über 2 Jahre in der Zukunft liegt. Auch sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, dass auch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der Beschäftigungsbedarf tatsächlich nicht bestand. Die von der Beklagten im Kammertermin gelieferte Begründung, der Ausspruch der Kündigung sei erst so spät erfolgt, da die Klägerin Sonderkündigungsschutz genossen habe, würde nicht überzeugen. Zum einen sei die Kündigung vom 27.11.2018 während des nachwirkenden Kündigungsschutzes ausgesprochen worden, so dass sich die Frage stellt, warum diese nicht zu einem früheren Zeitpunkt erklärt worden ist und zum anderen könne ein Arbeitgeber den Sonderkündigungsschutz, den ein Arbeitnehmer genießt nicht dadurch umgehen, dass zwischen dem vermeintlichen Kündigungsgrund und dem Ausspruch der Kündigung 2 Jahre zugewartet wird, bis kein Sonderkündigungsschutz mehr besteht und dann die Kündigung auf einen 2 Jahre zurückliegenden Kündigungsgrund gestützt wird. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 864,94 Euro bestünde ebenfalls. Da die Klägerin keine Tankkarte mehr hatte und das Dienstfahrzeug betankt hat, stünde ihr der Ersatz der entsprechenden Aufwendungen zu. Dass die Aufwendungen der Klägerin nicht für die Betankung des eigenen PKW entstanden sind, hat die Beklagte lediglich pauschal bestritten. Letztlich waren die Tankvorgänge an sich nicht streitig, sondern vielmehr stand bei der Beklagten das Begehren im Vordergrund, die Originalbelege für die steuerliche Abrechnung zu erhalten. Diese wurden der Beklagten im Kammertermin übergeben. Schließlich bestünden auch die Annahmeverzugslohnansprüche für August und September 2018 in der geltend gemachten Höhe (§ 615 Satz 1 BGB iVm. §§ 293 ff. BGB), da die fristlosen Kündigungen vom 04.08.2019 und vom 07.09.2018 unwirksam seien – was nunmehr rechtskräftig feststeht – und die Klägerin fristgerecht jeweils Kündigungsschutzklage erhoben hat.
Gegen dieses ihr am 11.02.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 21.02.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und hat diese – nach ordnungsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – mit am 11.05.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag. Die Beklagte behauptet, dass sie nach Ablauf des nachwirkenden Sonderkündigungsschutzes der Klägerin am 13.05.2019 die erneute unternehmerische Entscheidung getroffen habe, der Klägerin erneut zu kündigen, weil ihre frühere Stelle nicht mehr existierte. Soweit es die fristlose Kündigung betrifft, vermag die Beklagte nicht nachzuvollziehen, warum mit dem Arbeitsgericht die Dauer des Arbeitsverhältnisses etwas mit einem Kündigungsgrund an sich zu haben sollte. Die Beklagte geht weiterhin davon aus, dass sich die Klägerin eine um drei Tage längere Nutzungsdauer erschlichen habe. Soweit es die betriebsbedingten Kündigungen betrifft, meint die Beklagte, das Vorliegen einer Ein-Mann-Abteilung dargelegt zu haben. Die Beklagte meint, dass bis zum 12.05.2018 eine betriebsdingte Kündigung nicht möglich gewesen wäre, da zwar die Position der Klägerin entfallen sei, aber die Beklagte keine Stelle frei kündigen wollte, da die Klägerin zumindest als Maschinenbedienerin hätte eingesetzt werden können. Bis zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln im Verfahren 11 Sa 757/18 am 28.08.2019 hätten auch die dort streitgegenständlichen Kündigungen als wirksam gegolten, so dass die Beklagte von dem Ausspruch weiterer Kündigungen abgesehen habe. Eine Weiterbeschäftigung im Bereich Lager würde ausscheiden, da es der Klägerin an einem Lehrgang für Ladungssicherheit mangeln würde, zumal sie ohnehin nicht mehr als 25kg heben dürfte, wobei im Lager Lasten bis zum 40kg zu heben seien. Einen Beschäftigungsbedarf im Bereich Büro gäbe es nicht. Die Beklagte behauptet, dass die erstinstanzlich geschilderte neue Aufgabenverteilung ab April 2017 auch für die Kündigung vom 27.05.2019 gelten würde. Soweit es den Aufwendungsersatz betrifft, bestünde der Anspruch nicht, da die Klägerin die Tankvorgänge während ihres Urlaubs im August 2018 nicht selbst durchgeführt habe. Soweit die Klägerin etwas anderes behaupte, habe sie einen Prozessbetrug begangen. Schließlich bestünden die Annahmeverzugslohnansprüche nicht, da das Arbeitsverhältnis mit Zugang der streitgegenständlichen fristlosen Kündigung beendet worden sei. Ferner behauptet die Beklagte, dass sie nicht zur Zahlung von Entgeltfortzahlung verpflichtet sei, da der 6-Wochen-Zeitraum bereits vor August 2018 abgelaufen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 08.01.2020(4 Ca 2196/18) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag. Sie behauptet, soweit es die fristlose Kündigung betrifft, dass das Dienstfahrzeug nur normale Gebrauchsspuren aufgewiesen habe. Ferner habe sie es vor Rückgabe, wie vereinbart, gereinigt. Es sei auch verkehrssicher gewesen, da sie immerhin bis zuletzt am Straßenverkehr teilgenommen habe. Einen etwaigen verkehrsuntüchtigen Zustand habe die Klägerin nicht erkennen können. Die durchgeführten Reinigungen seien nicht erforderlich gewesen. Die Kündigung sei unverhältnismäßig, da keine Wiederholungsgefahr bestanden habe. Außerdem sei die fristlose Kündigung vom 04.08.2018, auf die das Herausgabeverlangen gestützt würde, rechtskräftig für unwirksam befunden worden. Soweit es die ordentlichen Kündigungen betrifft, verweist die Klägerin darauf, dass sie auch im kaufmännischen Bereich tätig gewesen sei und mit der Planung der Produktion beschäftigt gewesen sei, so dass keine Ein-Mann-Abteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG vorliegen könnte. Zudem sei der Beschäftigungsbedarf nicht entfallen. Ein Zusammenhang zwischen der unternehmerischen Entscheidung und der Kündigung vermag die Klägerin nicht zu erkennen. Ferner ist die Klägerin der Auffassung, dass sie auch im Büro und im Versand arbeiten könnte. Soweit es die Tankvorgänge betrifft, weist die Klägerin darauf hin, dass die private Nutzung des Dienstfahrzeugs auch einschließt, dass jedenfalls der Ehegatte das Fahrzeug betanken dürfte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen (§ 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Aus den Gründen
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist.
A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b. und lit. c. ArbGG) und ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).
B. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die zulässige Klage – soweit sie Gegenstand der Berufung ist – begründet ist.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die Klageanträge zu Ziff. 1, 3 und 4 sind als Feststellungsklage jeweils zulässig. Für den punktuellen Feststellungsantrag besteht insbesondere jeweils das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Es besteht darin, dass es der Klägerin unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7, 13 Satz 2 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit außerordentlicher bzw. ordentlicher Kündigungen binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der jeweiligen Kündigung gerichtlich geltend zu machen.
2. Die Klageanträge zu Ziff. 2, 5 und 6 sind als Leistungsanträge ohne weiteres zulässig, zumal die Beklagte vorgerichtlich vergeblich zur Zahlung aufgefordert worden war.
II. Der Klageantrag zu Ziff. 1 ist begründet. Die außerordentliche und fristlose (Tat-)Kündigung der Beklagten vom 21.09.2018 ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksam und hat damit das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst.
1. Die Kündigung der Beklagten vom 21.09.2018 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist der Klägerin noch am selben Tag zugegangen.
2. Die Klägerin hat des Weiteren innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG iVm. § 13 Satz 2 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, da sie gegen die Kündigung vom 21.09.2018 beim Arbeitsgericht am 04.10.2018 Klage erhoben hat, die auch der Beklagten demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.
3. Die außerordentliche und fristlose (Tat-)Kündigung der Beklagten vom 21.09.2018 ist vorliegend gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, da kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.
a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist in zwei Stufen zu prüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. bspw. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16, Rn. 13, NZA 2017, 1179 [1180]; BAG, Urteil vom 7. Juli 2005– 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98 ff.). Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist (1. Stufe). Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (2. Stufe) (ständige Rechtsprechung, siehe bspw. BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18, Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17, Rn. 26, juris; BAG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17, Rn. 27, juris; BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15, Rn. 21 mwN, juris; BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 20 mwN, NJW 2013, 104 ff.).
b) Als wichtiger Grund „an sich“ (1. Stufe) iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet sind ua. erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung ist deren strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG, Urteil vom23. August 2018 – 2 AZR 235/18, Rn. 44, juris; BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 16, juris; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11,Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 25. November 2010 – 2 AZR 801/09, Rn. 17, juris; BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09, Rn. 30, juris).
c) Die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann „an sich“ einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten (BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17, Rn. 43, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 19. Januar 2016 – 2 AZR 449/15, Rn. 29, juris).
Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17, Rn. 44, juris; BAG, Urteil vom 10. April 2014 – 2 AZR 684/13, Rn. 14, juris; BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 583/12, Rn. 26, juris).
d) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 26, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 30, juris; BAG; Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14, Rn. 46, juris). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 21 mwN, NJW 2013, 104 ff.). Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 27, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 30, juris; BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14, Rn. 46, juris).
e) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 28, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13, Rn. 47, juris; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11, Rn. 16; BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 22 mwN, NJW 2013, 104 ff.).
f) Hieran gemessen hat das Arbeitsgericht zurecht festgestellt, dass kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.
aa) Soweit es die – ausgehend von dem gerichtlichen Vergleich beim Arbeitsgericht Siegburg vom 29.08.2018 (4 Ga 17/18) – Rückgabe des Dienstfahrzeugs betrifft, die zumindest fristgerecht erfolgte, könnte sich ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die Beklagte allenfalls ergeben, wenn das Dienstfahrzeug in nicht gereinigtem und verkehrstüchtigem Zustand, wie es die Beklagte behauptet, zurückgegeben worden wäre. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob diese behauptete Pflichtverletzung, selbst wenn sie vorläge, einen wichtigen Grund an sich bilden könnte (1. Stufe). Eine fristlose Kündigung wegen der Zurückgabe eines verdreckten und nicht mehr verkehrssicheren Dienstfahrzeugs ist vorliegend jedenfalls unverhältnismäßig (2. Stufe). Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin – angesichts der zwischenzeitlich rechtskräftig festgestellten Unwirksamkeit der fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 04.08.2018 und vom 07.09.2018 im Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.09.2019 (11 Sa 757/18) – gar nicht erst verpflichtet gewesen wäre, der Beklagten das Dienstfahrzeug zurückzugeben, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbestand, so dass die Klägerin das Fahrzeug auch weiter hätte nutzen dürfen. Allerdings hat sich die Klägerin in dem gerichtlichen Vergleich beim Arbeitsgericht Siegburg am 29.08.2018 dazu verpflichtet, das Dienstfahrzeug zurückzugeben. Bei der Rückgabe eines Dienstfahrzeugs handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht und nicht um eine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht der Klägerin. Sofern und soweit die Klägerin – entsprechend der Behauptungen der Beklagten – das Fahrzeug entgegen der übernommenen Verpflichtung nicht zuvor gereinigt und es sogar in einem nicht verkehrssicheren Zustand zurückgegeben hätte, handelt es sich dabei um keine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, so dass eine weitere Fortführung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte zumutbar ist. Da es das erste Mal vorgekommen ist, dass die Klägerin ihr Dienstfahrzeug zurückgeben sollte und es sich insofern um steuerbares Verhalten handelt, wäre eine etwaige Pflichtverletzung der Klägerin einer Abmahnung durch die Beklagte zugänglich. Hinzu kommt, dass die Parteien in dem gerichtlichen Vergleich nicht klar vereinbart haben, wie intensiv die Innen- und Außenreinigung des Fahrzeugs erfolgen sollte. Verglichen mit einer „üblichen“ Reinigung mit Staubsauger und einer Durchfahrt durch eine sog. Waschstraße waren jedenfalls eine „Innenaufbereitung mit Trockeneis“, die „Geruchsbeseitigung mit Ozon“ sowie eine „Lederreinigung“ nicht vertraglich vereinbart, so dass die Klägerin Derartiges auch nicht erbringen musste. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, eine Reinigung im Umfang von mehreren Hundert Euro vorzunehmen. Im Übrigen bestanden auch sonst mangels eines Dienstwagenüberlassungsvertrages keine Reinigungspflichten der Klägerin, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die von der Beklagten vorgenommene Reinigung des Dienstfahrzeugs die erste Reinigung überhaupt war, was aber zu ihren Lasten gehen würde. Soweit die Beklagte des Weiteren bemängelt, dass das Fahrzeug bei der Rückgabe am 10.09.2018 in nicht verkehrstüchtigem Zustand gewesen sein soll, wie es sich aus dem Untersuchungsbericht der DEKRA Automobil GmbH vom 11.09.2018 ergeben soll, hat die Beklagte nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Klägerin dies hätte erkennen können. Unstreitig hat sie das Fahrzeug bis zuletzt im Straßenverkehr benutzt, und es ist nicht zu erkennen, warum die Klägerin das behauptete Schleifgeräusch hätte wahrnehmen und dies den hinteren Bremsen zuordnen müssen oder zumindest können. Selbst wenn dies aber zugunsten der Beklagten unterstellt würde, hätte der Klägerin mittels einer Abmahnung aufgezeigt werden müssen, welche Nebenpflichtverletzung sie denn begangen haben soll. Hinzu kommt, dass auch keine Wiederholungsgefahr besteht, da nach Rückgabe des Dienstfahrzeugs eine erneute Pflichtverletzung nicht zu besorgen war. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls im vorliegenden Fall angesichts einer Beschäftigungsdauer von mehr als 18 Jahren im Kündigungszeitpunkt – selbst unter Berücksichtigung der Abmahnung vom 29.06.2016, die jedoch einen anderen Pflichtenkreis betrifft – die von der Beklagten behauptete Pflichtverletzung bzgl. des Dienstfahrzeugs keine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermag. Andere Umstände, die im Rahmen der Prüfung der 2. Stufe zugunsten der Beklagten sprechen könnten, sind von dieser nicht dargelegt worden.
bb) Soweit es den von der Beklagten behaupteten (Eingehungs-)Betrug im Termin beim Arbeitsgericht Siegburg am 29.08.2018 (4 Ga 17/18) betrifft, nämlich dass die Klägerin sich eine um drei Tage längere Nutzungsdauer erschlichen habe, kann ein derartiges Verhalten zwar grundsätzlich einen wichtigen Grund an sich (1. Stufe) für eine fristlose Kündigung darstellen. Jedoch hat die Beklagte einen derartigen Betrug durch die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. In dem dortigen Termin zur mündlichen Verhandlung wurde ausweislich des unstreitigen Parteivorbringens die weitere Dauer der Nutzung des Dienstfahrzeugs und die korrespondierende Reinigungsverpflichtung besprochen. Dass die Klägerin bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs nicht vorgehabt hätte, das Fahrzeug zu reinigen, sondern es vielmehr ungereinigt zurückzugeben, mag die Beklagte vermuten. Sie hat es aber nicht durch weitere Umstände konkretisiert. Hinzu kommt, dass die Klägerin angesichts der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 04.08.2018 und vom 07.09.2018 ohnehin berechtigt gewesen ist, dass Dienstfahrzeug bis zu dem vereinbarten Rückgabezeitpunkt – und sogar darüber hinaus – zu benutzen.
g) Die streitgegenständliche fristlose Kündigung ist auch nicht nach § 140 BGB in eine hilfsweise ordentliche Kündigung umzudeuten und als solche wirksam. Zum einen hat die Beklagte nur eine außerordentliche und fristlose Kündigung ausgesprochen und hat auch nur hierzu den Betriebsrat angehört. Zum anderen greift der nachwirkende Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG ein, der eine ordentliche Kündigung der Klägerin, deren Amtszeit als Betriebsratsmitglied erst am 11.05.2018 endete, ausschließt.
III. Der Klageantrag zu Ziff. 3 ist begründet. Die ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 27.11.2018 ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam und hat damit das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst. Der Beklagten ist die Darlegung eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes im Sinne von § 1Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht gelungen, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.
1. Die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2018 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist der Klägerin zugegangen.
2. Die Klägerin hat des Weiteren innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, da sie gegen die Kündigung vom 27.11.2018 beim Arbeitsgericht mittels Klageerweiterung vom 28.11.2018 Klage erhoben hat, die der Beklagten auch demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.
3. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Blick auf die Dauer der Beschäftigung der Klägerin und die Anzahl der bei der Beklagten regelmäßig beschäftigten Anzahl der Arbeitnehmer gem. §§ 1, Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung.
4. Die betriebsbedingte Kündigung ist vorliegend nicht sozial gerechtfertigt, da die Beklagte die Vorgaben gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht eingehalten hat. Hiernach ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Der Arbeitgeber hat nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Dies gilt insbesondere für das Vorliegen der Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse. Dasselbe gilt für die Ordnungsgemäßheit der Sozialauswahl.
a) Grundsätzlich ist eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt, wenn betriebliche Erfordernisse gegeben sind, durch die aufgrund innerbetrieblicher Umstände (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) eine veränderte Arbeitsmenge im Betrieb erledigt wird und die Kündigung dringlich geworden ist, also durch andere Maßnahmen nicht ersetzt werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 29. März 1990, AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Aufgrund dieser Ursachen muss das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf dem bisherigen oder einem anderen Arbeitsplatz entfallen sein (vgl. BAG, Urteil vom 7. Dezember 1978, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969). Die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist inhaltlich durch das Arbeitsgericht nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich sachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10, Rn. 17, juris). Allerdings ist zu prüfen, ob durch die Umsetzung der Entscheidung bzw. durch deren beabsichtigte Umsetzung der Beschäftigungsbedarf in Wegfall gerät bzw. geraten wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der konkrete Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers in diesem Sinne weggefallen ist, d.h. dass das Beschäftigungsbedürfnis gerade dort entfallen ist, wo der gekündigte Arbeitnehmer zuletzt eingesetzt worden ist. Vielmehr ist erforderlich und ausreichend, wenn durch einen bestimmten inner- oder außerbetrieblichen Grund ein Überhang an Arbeitskräften entstanden ist, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen ist. Die angesprochene beschränkte Überprüfungsmöglichkeit betrifft jedoch nicht die Umstände der Umsetzung der Unternehmerentscheidung bzw. deren beabsichtigte Umsetzung. Diese Umstände werden unter dem Gesichtspunkt der Sachlichkeit (Einhaltung der Vertrags- und Betriebsfaktoren) und der dringenden Erforderlichkeit voll überprüft. Der Arbeitgeber muss daher substantiiert dartun, welchen genauen Inhalt die getroffene Entscheidung hat und wie sich die Umsetzung seiner Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten ausgewirkt hat bzw. voraussichtlich auswirken wird. Wenn sich der Arbeitgeber insofern auf außer- oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im einzelnen darlegen (= substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Der Vortrag des Arbeitgebers muss nachprüfbar erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlass das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt, d.h. die dringenden Erfordernisse des § 1 Abs. 2 KSchG müssen einsichtig gemacht werden (vgl. BAG, Urteil vom 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99, NZA 1999, 1098, [1100]).
Das Vorstehende gilt insbesondere dann, wenn die unternehmerische Entscheidung und der Kündigungsentschluss deswegen zusammenfallen, weil nur eine Stelle bzw. Hierarchieebene mit einer Stelle entfallen soll. In diesem Fall sind die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich, so dass die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht ungesehen greifen kann. Da die Kündigung nach dem KSchG an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 770/09, Rn. 14, juris). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte oder die zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrages als zu belastend anzusehen wird (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10, Rn. 18, juris). Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahme die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann nachgeprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitnehmer muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d.h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10, Rn. 18, juris).
b) Die Beklagte vermochte vorliegend den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin zum 31.05.2019 aufgrund der getroffenen unternehmerischen Entscheidung vom 03.02.2017 nicht substantiiert darzulegen, so dass davon auszugehen ist, dass nicht alle Aufgaben auf die Geschäftsführer K und N über-tragen worden sind.
Unstreitig war die Klägerin bis zu ihrer Freistellung durch die Beklagte vom 31.03.2017 mit Wirkung ab dem 03.04.2017 mit folgenden Aufgaben bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden betraut:
Terminplanung in Abstimmung mit dem Verkauf (inkl. Telefon und Mail-korrespondenz), ca. 15 Stunden pro Woche
Planung des Personaleinsatzes des Produktionspersonals sowie der Aushilfen und der Schüler, ca. 1 Stunde pro Woche
Zusammenarbeit mit der Instandhaltung bezüglich der Produktionsanlagen, der Betriebsräume sowie Gebäude, hinsichtlich Sauberkeit und Ordnung, ca. 2 Stunden pro Woche
Musterfertigung in Abstimmung mit der Qualitätssicherung, ca. 2 Stunden pro Woche
Ermittlung der täglichen Produktionszahlen (Erfassung Maschinenstunden), ca. 5 Stunden pro Woche
Disposition Logistik/Versand sowie Versandvorbereitung in Abstimmung mit den Kunden und Erstellung von Lieferscheinen und Versandpapieren, ca. 10 Stunden pro Woche
Kontrollgänge Produktion, ca. 5 Stunden pro Woche
Darüber hinaus hat die Klägerin regelmäßig Überstunden geleistet, was angesichts der insofern rechtskräftig zugesprochenen Zahlungen durchschnittlich 28 Stunden pro Monat bzw. 560,- Euro brutto ergibt, die die Klägerin vorliegend auch im Rahmen des Annahmeverzugslohnansprüche einklagt, ohne dass die Beklagte dem nach § 138 Abs. 3 ZPO erheblich entgegen getreten wäre.
Die Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang lediglich, dass Frau Ni die Terminplanung in Abstimmung mit dem Verkauf (inkl. Telefon und Mailkorrespondenz), Planung des Personaleinsatzes des Produktionspersonals sowie der Aushilfen und der Schüler, die Disposition Logistik/Versand sowie Versandvorbereitung in Abstimmung mit den Kunden und Erstellung von Lieferscheinen und Versandpapieren sowie die Kontrollgänge Produktion, ca. 5 Stunden pro Woche übernommen habe. Insbesondere Frau N habe auch freie Kapazitäten gehabt, die sich u. a. aus der Verlagerung von zuvor noch selbst intern ausgeführten Arbeiten zur Buchhaltungsvorbereitung und des Mahnwesens auf einen externen Dienstleister, auf eine andere Firma und die Steuerkanzlei F S übertragen worden seien. Zudem würde Frau N deutlich effektiver als die Klägerin, dh. rund 30% schneller als die Klägerin, arbeiten. Ab April 2017 hätten Herr K und Frau N die komplette Disposition und Arbeitsvorbereitung erledigt.
Damit hat die Beklagte aber nicht schlüssig dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin entfallen wäre, weil die Tätigkeiten auf die beiden Geschäftsführer verteilt worden wären. Welche der vorgenannten Tätigkeiten der Klägerin – anstelle auf Frau N – auf den Geschäftsführer K übertragen worden sein sollen, hat die Beklagte nicht geäußert. Ausgehend davon, dass die Beklagte behauptet, dass Herr K und Frau N die komplette Disposition und Arbeitsvorbereitung übernommen hätten, hat sich die Beklagte nicht dahingehend geäußert, was mit den nachfolgenden Tätigkeiten (Zusammenarbeit mit der Instandhaltung bezüglich der Produktionsanlagen, der Betriebsräume sowie Gebäude, hinsichtlich Sauberkeit und Ordnung [ca. 2 Stunden pro Woche], Musterfertigung in Abstimmung mit der Qualitätssicherung [ca. 2 Stunden pro Woche] sowie Ermittlung der täglichen Produktionszahlen [ca. 5 Stunden pro Woche]) sein soll, denn diese wurden nicht von Frau N übernommen und sind auch nicht von der Disposition und der Arbeitsvorbereitung erfasst. Zudem hat Frau N nach den Behauptungen der Beklagten Tätigkeiten der Klägerin in einem Umfang von 31 Stunden pro Woche übernommen, wobei sie aber nur eine freie Kapazität von rund 22 Stunden (= 31 x 70%) gehabt haben soll, da sie rund 30% schneller bzw. effektiver als die Klägerin arbeiten können soll. Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, woraus sich diese Effizienzsteigerung ergeben soll bzw. dass Frau N ggfls. noch weitere freie Kapazitäten gehabt haben soll. Schließlich die zu berücksichtigen, dass die Klägerin unstreitig regelmäßig Überstunden pro Monat geleistet hat. Diese Überstunden hat die Beklagte weder bei der Darlegung des von der Klägerin geleisteten Arbeitszeitumfanges noch bei der Verteilung der bisherigen Aufgaben auf die beiden Geschäftsführer berücksichtigt. Insofern sind sowohl Tätigkeiten als auch Arbeitszeitvolumina vorhanden, die nicht auf andere Personen verteilt wurden, so dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin nicht entfallen ist.
c) Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass sie den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin hinreichend dargelegt hätte, verstieße die streitgegenständliche Kündigung gegen den nachwirkenden Sonderkündigungsschutz der Klägerin nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG als ehemaliges Betriebsratsmitglied, da im Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 27.11.2018 angesichts des Endes der Amtszeit der Klägerin am 11.05.2018 (= Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses) die Jahresfrist noch nicht verstrichen war.
d) Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht gemäß § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 4 KSchG ausnahmsweise wirksam.
aa) Der bisherige Arbeitsbereich der Klägerin stellt schon keine Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG dar.
Eine Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil des Betriebs, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der einen eigenen Betriebszweck verfolgt, auch wenn dieser in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs besteht (BAG, Urteil vom 23. Februar 2010– 2 AZR 656/08, Rn. 29 mwN, juris)..
Die Beklagte hat das Bestehen einer solchen Betriebsabteilung aber nicht substantiiert dargelegt. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, die Tätigkeiten der Klägerin pauschal als Abteilung „Auftragsvorbereitung/Disposition“ zu bezeichnen, die über einen PC zur Disposition, eigene Versandpapiere, einen Drucker für Verpackungskabel und eine Plantafel als Arbeitsmittel verfügen würde. Sie beschränkt sich damit auf eine Wiederholung der abstrakten Merkmale des Begriffs „Betriebsabteilung“, ohne dies durch konkrete fallbezogene Umstände näher darzulegen. Der unstreitige Tätigkeitsumfang der Klägerin wird mit der von der Beklagten gewählten Bezeichnung nicht vollständig erfasst, da die Klägerin auch außerhalb der Auftragsvorbereitung und der Disposition und damit abteilungsübergreifend tätig geworden ist. So stehen die Kontrollgänge in der Produktion, die Zusammenarbeit mit der Instandhaltung, die Musterfertigung in Abstimmung mit der Qualitätssicherung und die Ermittlung der täglichen Produktionszahlen als Tätigkeiten in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der „Auftragsvorbereitung/Disposition“. Angesichts der diversen Tätigkeiten, die die Klägerin unstreitig ausgeübt hat, mangelt es zumindest an einem eigenen Betriebszweck. Auch die räumliche und organisatorische Abgrenzung zu den anderen Gruppen bleibt unklar, gerade wenn die Klägerin zusammen mit der Instandhaltung und der Qualitätssicherung arbeiten muss und auch im kaufmännischen Bereich im Zusammenhang Ermittlung der täglichen Produktionszahlen tätig ist.
bb) Selbst wenn zugunsten der Beklagten angenommen würde, es handelte sich um eine Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG, die auch stillgelegt würde, greift die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 5 KSchG nicht zugunsten der Beklagten ein. Angesichts des engen Ausnahmetatbestands des § 15 Abs. 5 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, von sich aus alle denkbaren Übernahmemöglichkeiten eingehend zu prüfen und Umfang und Ergebnis der Prüfung im Prozess substantiiert darzulegen (BAG, Urteil vom 23. Februar 2010 – 2 AZR 656/08, Rn. 34 mwN, juris). Die Beklagte hat selbst schriftsätzlich dargelegt, dass sie die Klägerin dann iSv. § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG in der Produktion hätte einsetzen müssen, wobei sie dann – mangels eines freien Arbeitsplatzes – einen Arbeitsplatz für die Klägerin hätte frei kündigen müssen. Genau dies aber wollte die Beklagte (Bl. 316 d. A.) ausdrücklich nicht, ohne dass es betriebliche Gründe hierfür gäbe, so dass die Regelung des § 15 Abs. 4 KSchG nicht zur Anwendung gelangt.
IV. Der Klageantrag zu Ziff. 4 ist unbegründet. Die ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 27.05.2019, die nach dem Ende des nachwirkenden Sonderkündigungsschutzes der Klägerin ausgesprochen wurde, ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ebenfalls unwirksam und hat damit das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst. Der Beklagten ist die Darlegung eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht gelungen, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.
1. Die Kündigung der Beklagten vom 27.05.2019 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist der Klägerin zugegangen.
2. Die Klägerin hat des Weiteren innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, da sie gegen die Kündigung vom 27.05.2019 beim Arbeitsgericht mittels Klageerweiterung vom 18.06.2019 Klage erhoben hat, die der Beklagten auch demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.
3. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Blick auf die Dauer der Beschäftigung der Klägerin und die Anzahl der bei der Beklagten regelmäßig beschäftigten Anzahl der Arbeitnehmer gem. §§ 1, Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung.
4. Die betriebsbedingte Kündigung ist vorliegend nicht sozial gerechtfertigt, da die Beklagte die Vorgaben gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht eingehalten hat. Hiernach ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Der Arbeitgeber hat nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Dies gilt insbesondere für das Vorliegen der Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse.
Die Beklagte vermochte vorliegend den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin zum 31.12.2019 aufgrund der getroffenen unternehmerischen Entscheidung vom 03.02.2017 nicht substantiiert darzulegen, so dass davon auszugehen ist, dass nicht alle Aufgaben der Klägerin auf die Geschäftsführer K und N übertragen worden sind. Auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung vom 27.11.2018 wird vollumfänglich Bezug genommen.
V. Der Klageantrag zu Ziff. 2 ist ebenfalls begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 864,94 Euro gemäß § 670 BGB iVm. den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien im Zusammenhang mit der Überlassung des Dienstwagens zu privaten Zwecken.
1. Gemäß § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zweck der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. § 670 BGB kann auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden (st. Rspr., vgl. BAG, Urteil vom 12. März 2013 – 9 AZR 455/11, Rn. 8 mwN, NJW 2013, 2923). Wer im Interesse des Arbeitgebers und auf dessen Wunsch Aufwendungen macht, die durch keine Vergütung abgegolten werden, kann Ersatz dieser Aufwendungen verlangen (BAG, Urteil vom 16. Oktober 2007 – 9 AZR 170/07, Rn. 23 mwN, NZA 2008, 1013, 1014). Aufwendungsersatzansprüche setzen grundsätzlich einen tatsächlichen entsprechenden Aufwand voraus (vgl. BAG, Beschluss vom 11. Oktober 2010 – 9 AZN 418/10, Rn. 12, juris).
2. Die Klägerin hat, da die Beklagte ihr – trotz Aufforderung – keine neue Tankkarte zur Verfügung gestellt und deren Gültigkeitsdauer abgelaufen war, ab Mai 2018 Aufwendungen auf das ihr auch zur privaten Nutzung überlassene Dienstfahrzeug in der folgenden Höhe gemacht, indem sie das Fahrzeug betankt hat:
Monat |
Monatliche Gesamtsumme |
Mai 2018 |
90,01 Euro |
Juni 2018 |
216,34 Euro |
Juli 2018 |
286,64 Euro |
August 2018 |
231,95 Euro |
September 2018 |
40,00 Euro |
Gesamt |
864,94 Euro |
Bezüglich der einzelnen Tankbelege und Kosten der einzelnen Betankungsvorgänge wird auf Bl. 7-16 d. A. Bezug genommen.
3. Dass die Aufwendungen der Klägerin nicht für die Betankung des Dienstfahrzeugs entstanden sind, hat die Beklagte lediglich pauschal bestritten. Letztlich waren die Tankvorgänge an sich nicht streitig, sondern vielmehr stand bei der Beklagten das Begehren im Vordergrund, die Originalbelege für die steuerliche Abrechnung zu erhalten. Diese wurden der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht am 08.01.2020 übergeben und es wurde festgestellt, dass die zur Akte gereichten Kopien mit den Originalen übereinstimmen. Insofern wird auf Bl. 273 RS d. A. Bezug genommen. Weitere Einwendungen hat die Beklagte insofern nicht erhoben.
4. Soweit die Beklagte mit der Berufung gegen den Aufwendungsersatzanspruch lediglich einwendet, dass die Klägerin einzelne Tankvorgänge im August 2018 aufgrund ihrer urlaubsbedingten Abwesenheit nicht selbst vorgenommen hat, greift dieser Einwand nicht durch. Die private Nutzung des Dienstfahrzeugs schließt – mangels gegenteiliger Vereinbarungen der Parteien – auch die private Nutzung durch den Ehegatten mit ein, so dass es unbedenklich ist, wenn – angesichts des Urlaubs im Zeitraum vom 03.08.2018 bis zum 26.08.2018 – die Tankvorgänge am 15.08.2018 (30,05 Euro), 19.08.2018 (40,00 Euro) und am 22.08.2018 (20,01 Euro) bzgl. des Dienstfahrzeugs vom Ehemann der Klägerin vorgenommen wurden. Dass die Beklagte insofern keine Einwände hat, ergibt sich auch darauf, dass sie die Originalbelege der entsprechenden Tankvorgänge vorbehaltlos entgegen genommen hat.
5. Schließlich bestand auch das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien in dem gesamten Zeitraum, in dem die Aufwendungen von der Klägerin getätigt wurden.
6. Der Zinsanspruch bezogen auf die Gesamtbeträge der monatlichen Aufwendungen ergibt sich jeweils aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB, da sich die Beklagte mit der Zahlung in Verzug befindet und ihr die Originalbelege vorliegen.
VI. Auch die Klageanträge zu Ziff. 5 und 6 sind begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf den geltend gemachten Annahmeverzugslohn für August und September 2018 in der geltend gemachten Höhe gemäß §§ 611, 611a Abs. 2 BGB iVm. § 615 Satz 1 BGB iVm. §§ 293 ff. BGB iVm. dem Arbeitsvertrag der Parteien. Die Beklagte hat sich durch die Nichtannahme der Arbeitsleistung der Klägerin durch den Ausspruch der unwirksamen fristlosen Kündigungen vom 04.08.2018 und vom 07.09.2018 (siehe Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.08.2019 – 11 Sa 757/18) im genannten Zeitraum in Annahmeverzug befunden. Im Einzelnen:
1. Nach § 615 BGB hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung weiterzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muss der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung ordnungsgemäß anbieten (§§ 294-296 BGB), wobei im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung bereits automatisch in Annahmeverzug gerät, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf, denn nach § 296 BGB ist ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) überflüssig, wenn für eine vom Gläubiger vorzunehmende Mitwirkungshandlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist und der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Letztes ist der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt und ihm keine Arbeit zuweist. Dies ist vorliegend der Fall, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt:
2. Vorliegend hat die Beklagte mit Ausspruch und Zugang der fristlosen Kündigung vom 04.08.2018, zugegangen am selben Tag, gegenüber der Klägerin unmissverständlich erklärt, dass sie das Arbeitsverhältnis ab sofort als beendet ansieht. Sie hat damit zugleich erklärt, dass sie die Leistung der Klägerin ab dem Zeitpunkt des Zugangs am gleichen Tag nicht mehr in Anspruch nehmen wird. Insofern ist die Beklagte unmittelbar ab dem 04.08.2018 in Annahmeverzug geraten. Sie hat der Klägerin hiernach zudem keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt, zumal sie die Klägerin ohnehin bereits freigestellt hatte. Die Klägerin war nicht gehalten, der Beklagten seine Dienste erneut anzubieten (§§ 295, 296 Satz 1 BGB), sondern konnte eine Arbeitsaufforderung der Beklagten abwarten. Dem Arbeitgeber obliegt es als Gläubiger, dem Arbeitnehmer die Arbeits-leistung zu ermöglichen. Dazu muss er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (st. Rspr., vgl. etwa BAG, Urteil vom 17. Juli 2012 – 1 AZR 563/11, Rn. 12, juris; BAG, Urteil vom 18. Januar 2000– 9 AZR 932/98, BAGE 93, 179 ff.). Hinzu kommt, dass die Klägerin fristgerecht Kündigungsschutzklage gegen die Kündigungen vom 04.08.2018 und vom 07.09.2018 erhoben hat, deren Erhebung ein ausreichend wörtliches Angebot im Sinne von § 295 BGB darstellt (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 1990 – 2 AZR 591/89, AP Nr. 45 zu § 615 BGB), das die Beklagte nicht angenommen hat.
3. Vorliegend war die Klägerin auch leistungswillig und leistungsfähig (§ 297 BGB). Konkrete diesbezügliche Einwendungen hat die Beklagte weder vor dem Arbeitsgericht noch in der Berufungsbegründung vorgebracht. Soweit die Beklagt behauptet, dass die Klägerin erkrankt gewesen wäre und gar der 6-Wochen-Zeitraum für die Entgeltfortzahlung abgelaufen wäre, hat sie dies nicht einmal ansatzweise näher dargelegt.
4. Damit bestehen die Annahmeverzugslohnansprüche für den Zeitraum vom 05.08.2018 bis zum 21.09.2019 dem Grunde nach. Soweit die Beklagte einwendet, dass die Ansprüche wegen der fristlosen Kündigung vom 21.09.2018 nicht bestünden, verkennt die Beklagte, dass die Klägerin vorliegend nur Ansprüche bis zum Ausspruch der ersten hier streitgegenständlichen Kündigung geltend macht.
5. Der Anspruch auf Annahmeverzugslohn für den Zeitraum vom 5. bis 30. August 2018 betrifft, setzt sich die Klageforderung iHv. 5.179,81 Euro rechnerisch aus den möglichen 184 Fertigungsstunden (= 3.680,- Euro) sowie aus 26,59 Euro (vermögenswirksame Leistungen), 81,- Euro (Sachbezug PKW), 593,- Euro (1%-Regelung), 239,22 Euro (Kfz-Nutzung Wohnung-Arbeit) sowie 560,- Euro (Überstunden) zusammen. In Abzug zu bringen ist die von der Beklagten unstreitig geleistete Nettozahlung iHv. 266,33 Euro. Konkrete Einwendungen der Höhe nach hat die Beklagte nicht erhoben.
6. Soweit es den Annahmeverzug für den Zeitraum vom 1. bis 21. September 2018 betrifft, setzt sich die Klageforderung iHv. 3.504,92 Euro rechnerisch aus den möglichen 120 Fertigungsstunden (= 2.400,- Euro) sowie aus 26,59 Euro (vermögenswirksame Leistungen), 684,92 Euro für PKW-Nutzung (= [81,- Euro + 593,- Euro + 239,22 Euro] / 20 Tage x 15 Tage) sowie weiteren 420,- Euro für Überstunden (= 560,- Euro / 20 Tage x 15 Tage) zusammen. Konkrete Einwendungen der Höhe nach hat die Beklagte nicht erhoben.
7. Der Zinsanspruch bezogen auf das Bruttogehalt ergibt sich jeweils aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB, da sich die Beklagte mit der Zahlung in Verzug befindet. Einer vorherigen Mahnung bedurfte es gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, da der Leistungszeitpunkt nach dem Kalender bestimmt ist. Die Fälligkeit des Lohnanspruchs der Klägerin bestimmt sich nach § 614 Satz 2 BGB, wonach die Zahlung spätestens am Monatsletzten fällig ist, so dass sich die Beklagte ab dem 1. des jeweiligen Folgemonats in Verzug befindet.
C. Die Kosten des erfolglosen Berufungsverfahrens trägt die Beklagte, § 97 Abs. 1 ZPO.
D. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil sie auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht. Auch weicht die Kammer nicht von anderen Entscheidungen im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab.