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Arbeitsrecht
31.07.2025
Arbeitsrecht
LAG Brandenburg: Einstweilige Verfügung – Untersagung eines Streiks

BAG, Urteil vom 11.10.2024 – 12 SaGA 886/24

ECLI:DE:LAGBEBB:2024:1011.12SAGA886.24.00

Volltext: BB-Online BBL2025-1847-1

Orientierungssätze

1. Einzelfallentscheidung zum Anspruch auf Unterlassung eines Streiks. (Rn. 191)

2. Eine Streikmaßnahme kann im einstweiligen Verfügungsverfahren nur dann untersagt werden, wenn sie rechtswidrig ist und dies glaubhaft gemacht ist. Die beantragte Untersagungsverfügung muss zum Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs 1 BGB) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. (Rn. 200)

3. Das Urteil ist durch Beschluss vom 5. Dezember 2024 berichtigt worden. Der Berichtigungsbeschluss ist am Ende der Entscheidung angefügt. (Rn. 286)

§ 935 ZPO, § 940 ZPO, § 1004 BGB, § 823 BGB, Art 9 Abs 3 GG

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Anspruch des verfügungsklagenden Landes auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen durch die verfügungsbeklagte Gewerkschaft (im Folgenden: Verfügungsbeklagter).

Das verfügungsklagende Land betreibt mittels fünf Eigenbetrieben 286 Kitas, in denen ca. 35.000 Kinder – so das verfügungsklagende Land – bzw. ca. 27.936 Kinder – so der Verfügungsbeklagte -betreut werden. In den Kitas werden knapp 8.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.

Das verfügungsklagende Land ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL).

In der Satzung der TdL ist auszugsweise Folgendes geregelt:

„§ 6 Mitgliedschaft

(1) …

(2) Die Mitgliedschaft endet durch Austritt oder durch Ausschluss durch die Mitgliederversammlung, bei Landesgruppen auch im Falle des Verlustes des beherrschenden Einflusses des Landes. …

§ 7 Pflichten der Mitglieder

Die Mitglieder sind verpflichtet,

1. …

2. die Beschlüsse der Mitgliederversammlung und des Vorstandes zu befolgen,

3. Tarifverhandlungen nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung aufzunehmen sowie

Tarifverträge und sonstige Vereinbarungen im Sinne von § 1 Abs. 2 nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung zu schließen,

4. übertarifliche Maßnahmen – abgesehen von Einzelfällen ohne grundsätzliche Bedeutung – nur mit Ermächtigung der Mitgliederversammlung zu beschließen und durchzuführen,

5. …

§ 12 Aufgaben der Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung hat folgende Aufgaben:

1. …

4. Beschlussfassung über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern, “

Hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Satzung wird auf die Anlage AG 12a (Bl. 286 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das verfügungsklagende Land war 1994 aus der TdL ausgeschlossen und 2013 wieder in die TdL aufgenommen worden.

In der Sitzungsniederschrift der Mitgliederversammlung der TdL am 26. Oktober 2020 heißt es auszugsweise:

II. Tagesordnung

1. …

2. Hauptstadtzulage

Die Mitgliederversammlung beschließt anschließend einstimmig und ohne Enthaltung:

„1. Die TdL missbilligt die satzungswidrige, übertarifliche Zahlung einer Hauptstadtzulage durch das Land Berlin scharf. Das Land Berlin wird deshalb aus der TdL ausgeschlossen.

2. Der Beschluss zu Ziffer 1 wird wirksam, wenn das Land Berlin

a) erneut gegen die Satzung der TdL verstößt oder

b) die satzungswidrige übertarifliche Zahlung der Hauptstadtzulage nicht bis zum 31. Oktober 2025 einstellt.

Die TdL fordert das Land Berlin auf, die satzungswidrige, zusätzliche freiwillige Arbeitgeberleistung schnellstmöglich einzustellen. Sie fordert vom Land Berlin ein eindeutiges Bekenntnis zum Flächentarifvertrag.

3. Der Eintritt der Bedingungen gemäß Ziffer 2 Buchstaben a und b wird von der Mitgliederversammlung der TdL überprüft und festgestellt. Sollte zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung des Tarifgefüges innerhalb der TdL dies mit dem Ziel der Einheitlichkeit des Tarifrechts rechtfertigen, kann die Mitgliederversammlung einen von Ziffer 1 abweichenden Beschluss fassen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage ASt 2 (Bl. 52 ff. d. A.).

In den Tarifverhandlungen im Jahr 2022 für den Sozial- und Erziehungsdienst einigten sich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und unter anderem die verfügungsbeklagte Gewerkschaft auf Entlastungen. In dem Einigungspapier vom 18. Mai 2022 heißt es auszugsweise:

„I. Entlastung

1. Regenerationstag

Beschäftigte, die in Teil B Abschnitt XXIV der Anlage 1 zum TVöD-Entgeltordnung (VKA) eingruppiert sind, erhalten ab dem Kalenderjahr 2022 für zwei Arbeitstage Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts gemäß § 21 (Regenerationstage).

2. Vorbereitungszeit

§ 3 der Anlage zu § 56 (VKA) TVöD-BT-V und § 44 Absatz 4 TVöD-BT-B werden dergestalt geändert, dass der Geltungsbereich auch das Tarifgebiet Ost umfasst und bei Beschäftigten im Erziehungsdienst – soweit gesetzliche Regelungen bestehen, zusätzlich zu diesen gesetzlichen Regelungen – im Rahmen der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Kalenderjahr 30 Stunden für Zwecke der Vorbereitung und Qualifizierung verwendet werden. Im Tarifgebiet Ost gilt, dass diese Zeiten zur Vorbereitung und Qualifizierung auch durch gesetzliche Regelungen erfüllt sein können.

II. SuE-Zulage

Beschäftigte, die in Teil B Abschnitt XXIV der Anlage 1 zum TVöD-Entgeltordnung (VKA) in den Entgeltgruppen S 2 bis S 11a eingruppiert sind, erhalten eine monatliche SuE-Zulage in Höhe von 130,00 Euro.

Beschäftigte, die in Teil B Abschnitt XXIV der Anlage 1 zum TVöD-Entgeltordnung (VKA) in den Entgeltgruppen S 11b bis S 12 sowie S 14 und S 15 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 6 eingruppiert sind, erhalten eine monatliche SuE-Zulage in Höhe von 180,00 Euro.

Die SuE-Zulage ist auf Wunsch der/des Beschäftigten kalenderjährlich bis zu einem Umfang, der einem Arbeitstag bzw. zwei Arbeitstagen entspricht, im Verhältnis 1 : 1 in Zeit umzuwandeln. Die Lage dieses Tages bzw. dieser Tage muss den dienstlichen/betrieblichen Verhältnissen entsprechen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage ASt 5 (Bl. 82 d. A.) Bezug genommen.

In der Tarif- und Besoldungsrunde mit der TdL 2023 stellte der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 Forderungen und äußerte Erwartungen. Dort heißt es auszugsweise

„I. Forderungen

1. Entgelterhöhungen

a) Die Tabellenentgelte der Beschäftigten sollen um 10,5 Prozent, mindestens aber um 500 Euro monatlich erhöht werden.

b) Die Entgelte der Auszubildenden, Studierenden und Praktikantinnen/Praktikanten sollen um 200 Euro monatlich erhöht werden.

c) Die Laufzeit der Regelung zu a) und b) soll zwölf Monate betragen.

2. …

II. Erwartungen an die Arbeitgeber:

1. Manteltarifliche Änderungen für Beschäftigte

a. …

c. ver.di konnte in der Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst 2022 für die Beschäftigten in den Kommunen eine ganze Reihe von Verbesserungen erreichen. Wir erwarten, dass die Verbesserungen aus diesem Abschluss mit den Kommunen auch auf die Beschäftigten der Länder übertragen werden.

d. …

2. …“

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage ASt 6 (Bl. 83 f. d. A.).

Die Tarifeinigung in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder vom 9. Dezember 2023 lautet in Auszügen:

„I Entgelt

II. Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst

1. Wegfall der besonderen Stufenlaufzeiten, Anhebung der Entgeltgruppe S 9

a) …

2. Heimzulage, Praxisanleiterzulage

3. Sonderregelungen für das Land Berlin, die Freie Hansestadt Bremen und die Freie und Hansestadt Hamburg

In § 52 TV-L wird folgende Nummer 5 eingefügt:

„Nr. 5

Zulage für bestimmte Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder Berlin, Bremen und Hamburg

(1) Die Regelungen dieser Nummer gelten nur für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst des Landes Berlin, der Freien Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg.

(2) Beschäftigte, die nach Teil II Abschnitt XX Unterabschnitt 2 der Entgeltordnung in der Entgeltgruppe S 9 eingruppiert sind, erhalten eine monatliche Zulage in Höhe von 130 Euro.

(3) Beschäftigte, die nach Teil II Abschnitt XX Unterabschnitt 4 der Entgeltordnung in einer der Entgeltgruppen S 8b bis S 14 sowie in der Entgeltgruppe S 15 Fallgruppe 1 eingruppiert sind, erhalten eine monatliche Zulage. Die Zulage beträgt für Beschäftigte der Entgeltgruppen S 8b bis S 9 130 Euro, im Übrigen 180 Euro.

(4) Beschäftigte, die nach Teil II Abschnitt XX Unterabschnitt 5 der Entgeltordnung eingruppiert sind, erhalten eine monatliche Zulage in Höhe von 130 Euro.

(5) Beschäftigte, die nach Teil II Abschnitt XX Unterabschnitt 6 der Entgeltordnung in einer der Entgeltgruppen S 2 bis S 9 eingruppiert sind, erhalten eine monatliche Zulage in Höhe von 130 Euro.“

4. Inkrafttreten der Nummer 1 und 2 dieses Abschnittes II zum 1. Oktober 2024 und der Nummer 3 dieses Abschnittes II zum 1. Januar 2024.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage ASt 4 (Bl. 78 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Verfügungsbeklagte hat das verfügungsklagende Land mit Schreiben vom 19. April 2024 zu Verhandlungen über einen „Tarifvertrag Pädagogische Qualität und Entlastung“ für die Beschäftigten in den Kitas aufgefordert (Anlage ASt 8, Bl. 90 d. A.).

Das verfügungsklagende Land verwies mit Schreiben vom 30. April 2024 auf die fehlende Tarifzuständigkeit aufgrund der Mitgliedschaft in der TdL (Anlage ASt 9, Bl. 91 d. A.).

Der Verfügungsbeklagte rief die Beschäftigten der fünf Kita-Eigenbetriebe für den 6. Juni 2024 zu einem Warnstreik auf. Weitere Streiks folgten vom 10. bis 12. Juni 2024, am 20. Juni 2024, am 27. Juni 2024, am 4. Juli 2024, vom 8. bis 12. Juli 2024 sowie am 12. und 19. September 2024.

Mit Schreiben vom 4. September 2024 konkretisierte der Verfügungsbeklagte seine Forderungen. Dort heißt es auszugsweise:

„1. Festlegung einer Mindestpersonalausstattung (Fachkraft-Kind-Relation)

Es wird trägerübergreifend die Festlegung einer einheitlichen Fachkraft-Kind-Relation gefordert, die sich am Alter der zu betreuenden Kinder orientiert und zusätzliche Faktoren berücksichtigt.

Alter/Entwicklung Fachkraft-Kind-Relation

Für folgende Faktoren sind zusätzliche Zeitkontingente festzulegen:

Faktor I: A Status, Jugendamtseinweisung; Migration; Familiensprache; Kinder aus Krisen-/Kriegsgebieten; von Behinderung bedroht,

Faktor II: B Status; Behinderung,

Faktor III: z. B. B + Status, Autismusspektrum, mehrfach schwerstbehindert, Feststellung Gesundheitsamt, Kinder mit grenzverletzendem Verhalten.

Zur Erreichung der Fachkraft-Kind-Relation sind folgende Zeiten zusätzlich zu berücksichtigen

- 7 Stunden/Woche mittelbare pädagogische Arbeit (mpA)

- 25 Tage Krankheit/Jahr

- 7 Tage Fortbildung/Jahr

- 30 Tage Urlaub/Jahr u.ä.

und bei der Berechnung des sich daraus ergebenden Personalschlüssels verbindlich festzuschreiben.

Die mittelbare pädagogische Arbeit ist ebenso wie Urlaub und Fortbildung im Dienstplan auszuweisen.

2. Konsequenzenmanagement

Zudem werden Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) im Falle der Nichteinhaltung der Fachkraft-Kind-Relation und zur Sicherung der pädagogischen Arbeit gefordert.

2.1. Es wird die Festlegung eines trägerübergreifenden einheitlichen betrieblichen Notfallrahmenplans gefordert. Diese Notfallrahmenplan soll folgende Punkte beinhalten:

2.2. Für belastende Situationen erhalten Beschäftigte eine Freischicht als Belastungsausgleich. Bei Erreichung von 9 Punkten ist der bzw. dem Beschäftigten eine Freischicht zu gewähren. Die Gewährung erfolgt in ganzen Tagen, Grundlage ist die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit der bzw. des jeweiligen Beschäftigten.

Belastende Situationen sind die unterstehenden Tatbestände/Situationen mit folgender Bewertung:

Tatbestand/Situation Bewertung

Nichteinhaltung der Fachkraft-Kind-Relation 1 Punkt

Tätlicher und/oder psychischer Übergriff 1 Punkt

Einsatz einer Nichtfachkraft oder einrichtungsfremden 1 Punkt

Personal

3. Es braucht mehr Zeit für Ausbildung und Qualität in der Ausbildung

Ausgangspunkt hierfür ist, dass Mitarbeitende in Ausbildung (MiAs) nicht auf die festzulegende Fachkraft-Kind-Relation (siehe 1.) anzurechnen sind. Hierzu gehört insbesondere, dass MiAs in den ersten beiden Ausbildungsjahren weder alleinverantwortlich für Bezugskinder noch für eine Gruppe sind.

3.1. …

Zudem ist eine Mindestpraxisanleitungszeit für MiAs und Mentor*innen von mindestens

- 4 Stunden/Woche Anleitungszeit für MiAs, sowie

- 4 Stunden/Woche Anleitungszeit je MiA für Mentor*innen festzulegen.

…“

Wegen des vollständigen Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage ASt 22 (Bl. 58 ff. d. A.) Bezug genommen.

In der von dem Verfügungsbeklagten am 13., 18. und 19. September 2024 durchgeführten Urabstimmung sprachen sich 91,7 % der Mitglieder für einen Erzwingungsstreik aus.

Verhandlungen über eine Notdienstvereinbarung scheiterten.

Der Verfügungsbeklagte überreichte in einem Gespräch am 20. September 2024 der Fachsenatorin und dem Finanzsenator eine Verfahrensvereinbarung über Inhalt und Ablauf der zu führenden Gespräche über die Lösung des Tarifkonflikts. In der Gesprächsrunde am 25. September 2024 wurden Details einer zu treffenden Verfahrensvereinbarung verhandelt. Der Verfügungsbeklagte legte eine geänderte Verfahrensvereinbarung vor (Anlage AG 8, Bl. 133 ff. d. A.). Eine Einigung konnte nicht erzielt werden.

Am 26. September 2024 rief der Verfügungsbeklagte zu einem unbefristeten Streik ab dem 30. September 2024 auf (Anlage ASt 26, Bl. 65 d. A.).

Mit ihrem beim Arbeitsgericht Berlin am 26. September 2024 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das verfügungsklagende Land begehrt, dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer des verfügungsklagenden Landes zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks durchzuführen.

Es hat die Ansicht vertreten, der angekündigte Streik sei wegen Verstoßes gegen Artikel 9 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) rechtswidrig. Gemäß dem Beschluss der TdL vom 26. Oktober 2020 verliere es seine Mitgliedschaft im Falle des Verstoßes gegen die Satzung. Ein solcher Satzungsverstoß läge mit der von dem Verfügungsbeklagten geforderten Verhandlung eines Tarifvertrages und dessen Abschluss vor. Das verfügungsklagende Land würde durch die Aufnahme der geforderten Tarifverhandlungen seine grundrechtlich garantierte Freiheit, einem Arbeitgeberverband beizutreten und in ihm zu verbleiben, verlieren. Damit sei der Arbeitskampf unmittelbar auf den Verlust der Mitgliedschaft des verfügungsklagenden Landes im Arbeitgeberverband gerichtet.

Zudem läge ein Verstoß gegen die Gegenspielerposition der Tarifvertragsparteien vor. Der Ausschluss eines Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband könne nicht erstreikt werden.

Der Verfügungsbeklagte verstoße mit seinen Forderungen gegen die Friedenspflicht.

Regelungen zum Belastungsausgleich seien in der Tarifrunde 2023 durch Einführung einer SuE-Zulage aufgenommen worden. Diese Zulage regele die besondere Belastung der Erzieherinnen und Erzieher abschließend. Dies folge daraus, dass die Tarifvertragsparteien daneben für den gesamten Sozial- und Erziehungsdienst auch die Verkürzung der Stufenlaufzeiten und die Einführung einer Heimzulage vereinbart haben.

Die Forderung des Verfügungsbeklagten nach „mehr Zeit für Ausbildung“ in Gestalt einer bezahlten Mindestpraxisanleitungszeit verstoße gegen die Friedenspflicht aus § 14 Tarifvertrag für Auszubildende der Länder in Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz (TVA-L BBiG), denn § 14 TVA-L BBiG enthalte bereits eine Regelung zur bezahlten Freistellung des Auszubildenden für Ausbildungszwecke.

Der Streik des Verfügungsbeklagten sei zudem im Hinblick auf die Forderung der Mindestpersonalausstattung auf ein tariflich nicht regelbares Ziel gerichtet. Das Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege (Kindertagesförderungsgesetz - Kita-FöG) beschränke die tarifliche Regelbarkeit. Mit der konkreten Personalbemessung in § 11 KitaFöG würde die Mindestpersonalausstattung in Tarifverträgen gesetzlich ausgeschlossen. Das Kitaförderungsgesetz regele in § 11 Absatz 2 in Verbindung mit den §§ 12 ff Kindertagesförderungsverordnung (VOKitaFöG) die Personalbemessung abschließend.

Der Streik sei auch in Bezug auf das geforderte Konsequenzenmanagement auf ein tariflich nicht regelbares Ziel gerichtet. Die von dem Verfügungsbeklagten verlangten Punkte zum betrieblichen Notfallrahmenplan unterlägen der unternehmerischen Entscheidung des verfügungsklagenden Landes, was näher ausgeführt wird.

Das verfügungsklagende Land hat beantragt,

1. dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Verfügungsklägers zu Streiks aufzurufen und / oder Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des Verfügungsklägers durchzuführen, um seine Streikforderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen durchzusetzen;

2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.

dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Verfügungsklägers zu Streiks aufzurufen und / oder Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des Verfügungsklägers durchzuführen, um seine Streikforderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über die Regelung einer Mindestpersonalausstattung, Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) im Falle der Nichteinhaltung der Mindestpersonalausstattung und mehr Zeit für die Ausbildung durchzusetzen;

3. den Verfügungsbeklagten zu verpflichten, seinen Streikaufruf vom 26. September 2024 durch entsprechend zu veröffentlichende Erklärungen, insbesondere durch Aushänge, Flugblätter und Veröffentlichung auf der Startseite seiner Internetseite https://lbb.verdi.de zu widerrufen;

4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. bis 3.

dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, für den am 30. September 2024 beginnenden Streik bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung zwischen den Parteien einen Notdienst einzurichten, den das Gericht festlegt;

5. dem Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem Mitglied des Bundesvorstandes, anzudrohen.

Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, der Zulässigkeit eines gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber um den Abschluss eines Firmentarifvertrages geführten Streiks stehe jedenfalls generell weder die individuelle Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers noch die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes entgegen.

Eine Friedenspflicht bestehe nicht.

Eine rechtliche Verpflichtung zur Einrichtung von Notdiensten bestehe nicht, was näher ausgeführt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Antragsschrift, die Schutzschrift und den Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 26. September 2024 verwiesen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 27. September 2024 dem Verfügungsbeklagten untersagt, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des verfügungsklagenden Landes durchzuführen, um seine Streikforderungen zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über die Regelung einer Mindestpersonalausstattung, Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) im Falle der Nichteinhaltung der Mindestpersonalausstattung und für mehr Zeit für die Ausbildung durchzusetzen, und dem Verfügungsbeklagten aufgegeben, seinen Streikaufruf vom 26. September 2024 durch entsprechend zu veröffentlichende Erklärungen, insbesondere durch Aushänge, Flugblätter und durch Veröffentlichungen auf der Startseite der Internetseite https:/ibb.verdi.de zu widerrufen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Anträge seien zulässig und begründet. Ein Verfügungsanspruch bestehe. Eine Streikmaßnahme könne im einstweiligen Verfügungsverfahren dann untersagt werden, wenn sie rechtswidrig und dies glaubhaft gemacht sei. Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Streikaufruf vom 26. September 2024 sei rechtswidrig, denn er verletze die Friedenspflicht. Die Streikforderung zum Belastungsausgleich verstoße gegen die Friedenspflicht, da speziell für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst im Tarifabschluss vom 9. Dezember 2023 aufgrund der Belastung dieser Beschäftigtengruppe eine tarifvertragliche Regelung vereinbart worden sei. So regele die Sonderregelung für das Land Berlin, die Freie Hansestadt Bremen und die Freie und Hansestadt Hamburg in der neueingeführten Nummer 5 zu § 52 TV-L die Gewährung einer monatlichen Zulage von 130 Euro bzw. 180 Euro. Daneben seien auch die Verkürzung der Stufenlaufzeiten und die Einführung einer Heimzulage vereinbart worden. Dies ergebe sich im Einzelnen aus Ziffer II der Tarifeinigung in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder. Der Umstand, dass es dem Verfügungsbeklagten nicht gelungen sei, das umfassendere Regelwerk des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) aus dem Jahr 2022, welches neben Zulagen zusätzlich Entlastungstage für Erzieherinnen und Erzieher und mehr Zeit für Ausbildung beinhaltet habe, im Rahmen der Tarifverhandlungen auch für die Beschäftigten der Länder durchzusetzen, führe dazu, dass sowohl ein „Nachverhandeln“ als auch der Abschluss eines eigenständigen Entlastungstarifvertrages für die Beschäftigten im Land Berlin unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Friedenspflicht offensichtlich ausgeschlossen sei. Dies gelte in gleicher Weise auch für die Forderung nach mehr Zeit für Ausbildung, da die tarifliche Regelung in § 14 TVA-L – ohne Öffnungsklausel – die Entgeltfortzahlung in anderen Fällen abschließend regele. Ob die gesetzlichen Regelungen im Kita-FöG und der VOKitaFöG zur Personalausstattung der gewerkschaftlichen Forderung nach einer tarifvertraglichen Festlegung zur Mindestpersonalausstattung (Fachkraft-Kind-Relation) entgegenstehe, habe keiner Entscheidung bedurft. Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liege vor. Dem verfügungsklagenden Land sei es nicht zumutbar, mit einem unbefristeten Streik „überzogen“ zu werden. Bereits bei Zweifeln über die Rechtmäßigkeit des angestrebten Tarifvertrages dürfe von dem äußersten Mittel des Streiks nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn für die Zulässigkeit der tariflichen Regelung sehr beachtliche Gründe sprechen würden. Dieses Maß werde nicht gewahrt. Zum einen verstoße der Streikaufruf gegen die Friedenspflicht. Zum anderen verletze er auch die Rechte des verfügungsklagenden Landes aus Artikel 9 Absatz 3 GG. Die Aufnahme von Tarifverhandlungen ohne Zustimmung der Mitgliederversammlung der TdL stelle ein satzungswidriges Verhalten dar, was zur Wirksamkeit des Ausschlusses des Landes Berlin aus der TdL führe. Das verfügungsklagende Land würde durch die Aufnahme der geforderten Tarifverhandlungen seine grundrechtlich garantierte Freiheit, einem Arbeitgeberverband beizutreten und in ihm zu verbleiben, verlieren. Damit wäre der Arbeitskampf auf den Verlust der Mitgliedschaft in der TdL gerichtet. Dieses Risiko sei dem verfügungsklagenden Land nicht zumutbar. Bei der Abwägung spiele zudem eine Rolle, dass dem verfügungsklagenden Land durch die Warnstreiks ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden sei und bereits über 700 Kinder von den Eltern streikbedingt aus der Betreuung in Kita-Eigenbetrieben des verfügungsklagenden Landes abgemeldet worden seien. Unter ultima-ratio-Gesichtspunkten sei kein Raum für einen Streik, wenn die Parteien Gespräche über den Abschluss einer sogenannten Verfahrensvereinbarung fortsetzen und somit über die Lösung des „Konfliktes“ verhandeln würden. Aufgrund der Ankündigung des Verfügungsbeklagten, sich an einer Untersagungsverfügung zu halten, sei im Tenor Abstand von der Androhung von Ordnungsgeld genommen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Verfügungsbeklagten am 30. September 2024 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 2. Oktober 2024 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 4. Oktober 2024 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Das verfügungsklagende Land, dem die Berufungsbegründung am 7. Oktober 2024 zugestellt wurde, hat mit beim Landesarbeitsgericht am 10. Oktober 2024 eingegangenem Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt.

Der Verfügungsbeklagte und Berufungskläger tritt der angefochtenen Entscheidung, soweit den Anträgen stattgegeben wurde, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.

Eine Ankündigung, sich an eine Untersagungsverfügung zu halten, sei in der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt. Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung habe der Vertreter des Verfügungsbeklagten gegenüber dem Prozessvertreter des verfügungsklagenden Landes lediglich erklärt, ver.di werde sich an das halten, wozu sie rechtlich verpflichtet sei.

In dem Schreiben vom 12. Oktober 2023 habe der Verfügungsbeklagte zwischen Forderungen und Erwartungen differenziert. Dies erkläre sich im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Tarifrunde 2023 um eine Entgeltrunde handelte. Die manteltariflichen Regelungen, unter ihnen § 52 TV-L, bestanden ungekündigt fort.

Die in der Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst 2022 mit der VKA vereinbarten Verbesserungen – zwei Regenerationstage, 30 Stunden pro Kalenderjahr für Zwecke der Vorbereitung und Qualifizierung, monatliche SuE-Zulage in unterschiedlicher Höhe, Möglichkeit der Umwandlung der SuE-Zulage in kalenderjährlich zwei Arbeitstage 1 : 1 in Zeit, Zulage für Praxisanleiter – seien in der Anlage zu § 56 TVöD-VKA eingefügt worden.

Im Tarifergebnis mit der TdL sei lediglich die SuE-Zulage übernommen worden. Weitere spezielle Regelungen zur Entlastung und/oder zum Gesundheitsschutz sowie die Praxisanleiterzulage seien nicht übernommen worden.

Hinsichtlich der Tarifforderung bezüglich einer Mindestpersonalausstattung sowie eines Konsequenzenmanagements bestehe keine Friedenspflicht. Es handele sich vorliegend um eine Tarifforderung, die einen komplett anderen Ansatz verfolge als die in der Entgeltrunde 2023 mit der TdL erhobenen Forderungen und Erwartungen. Es handele sich um rein monitäre Regelungen, die mit den die Verringerung der Belastung der Beschäftigten im Alltag zum Ziel habenden Forderungen für einen Tarifvertrag Pädagogische Qualität und Entlastung keine gemeinsame Zielrichtung teilen würden.

Die Anlage zu § 56 TVöD-BT-V-VKA enthalte neben den Entgeltregelungen in § 1 dieser Anlage explizit Regelungen, welche den kollektiven und individuellen Gesundheitsschutz der Beschäftigten stärken sollen. Die Tarifvertragsparteien hätten mit der Einfügung des neuen § 2a deutlich machen wollen, dass der Gesundheitsschutz durch die Regelungen zu den Regenerations-/Umwandlungstagen erweitert werden solle. Die bereits seit der Tarifauseinandersetzung mit der VKA 2009 bestehenden besonderen Regelungen zum Gesundheitsschutz im Bereich Sozial- und Erziehungsdienst hätten seitdem keinen Eingang in den TVL gefunden. Die TdL habe damit bewusst darauf verzichtet, entsprechende Regelungen zu übernehmen. Die TdL habe es in der Entgeltrunde 2023 abgelehnt, Regenerations-/Umwandlungstage zu vereinbaren.

Es sei in der Tarifrunde 2023 eine Erwartung formuliert und keine Forderung nach Übernahme gestellt worden. Dadurch, dass diese Erwartung nicht auf bestimmte Bereiche begrenzt worden sei, sei davon auszugehen, dass sie sich zunächst auch auf die Übernahme der Regenerations-/Umwandlungstage bezogen habe. Im Verlaufe der Verhandlungen habe die TdL signalisiert, nur bestimmte Teile des Abschlusses mit der VKA übernehmen zu wollen. Keine Übernahme habe insbesondere für den Bereich der Regenerations-/Umwandlungstage, die sogenannte Heimzulage sowie bestimmte Verbesserungen in den Eingruppierungen der Beschäftigten und bezüglich der Einführung der Praxisanleitungszulage erfolgen sollen.

Bei den gestellten Forderungen zu einem Tarifvertrag Pädagogische Qualität und Entlastung handele es sich zudem einen gänzlich anderen Regelungsgegenstand als bei Regenerations-/Umwandlungstagen.

Im Forderungskatalog zum Tarifvertrag Pädagogische Qualität und Entlastung werde zunächst eine Mindestpersonalausstattung (Fachkraft-Kind-Relation) gefordert. Es handele sich dabei um eine Forderung nach einem bestimmten Personalschlüssel. Die Einhaltung dieses Schlüssels solle durch ein bestimmtes System sanktioniert werden (sog. Konsequenzenmanagement). Das Ergebnis – ein zusätzlicher freier Tag – sei lediglich ein Annex zum geforderten Personalschlüssel, der nur greife, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Dagegen werde der Regenerationstag (§ 2a der Anlage zu § 56 TVöD-VKA) voraussetzungsfrei gewährt.

Die Forderung nach einem bestimmten Personalschlüssel/quantitativen Besetzungsregelungen sei ein legitimes tarifliches Ziel.

Bezüglich der Forderung nach mehr Zeit für Ausbildung bestehe keine Friedenspflicht.

Die an die TdL gerichtete Erwartung habe sich bezogen auf die Übernahme einer Zulage für Praxisanleiter/innen im Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes. Vorliegend werde im Forderungskomplex „Mehr Zeit für Ausbildung“ insbesondere die Festschreibung einer Mindestpraxisanleitungszeit von vier Stunden verlangt. Damit werde auch eine andere Zielrichtung verfolgt als die in § 14 TVA-L BBiG geregelte bezahlte Freistellung von Verpflichtungen zur planmäßigen Ausbildung zum Zwecke der Vorbereitung auf Prüfungen.

Der Streik sei nicht auf den Verlust der Mitgliedschaft des verfügungsklagenden Landes in der TdL gerichtet. Der Umstand, dass die Parteien Gespräche über eine Verfahrensregelung zur Beilegung des Konfliktes geführt haben, zeige, dass das verfügungsklagende Land Wege für möglich halte, den Konflikt zu lösen, ohne den Ausschluss aus dem Arbeitgeberverband zu riskieren. Der angekündigte Arbeitskampf ziele allein darauf ab, das verfügungsklagende Land zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zu bewegen, an deren Ende der Abschluss eines Tarifvertrages stehe. Der angekündigte Arbeitskampf sei daher allein auf die Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gerichtet.

Ein Satzungsverstoß hinsichtlich der vorliegenden Tarifforderungen könne gegebenenfalls dann vorliegen, wenn das verfügungsklagende Land Tarifverhandlungen ohne Zustimmung der Mitgliederversammlung aufnähme. Wenn aber, wovon vorliegend auszugehen sei, das verfügungsklagende Land bezüglich der konkreten Forderungen des Verfügungsbeklagten einen entsprechenden Antrag auf Aufnahme der Tarifverhandlungen in der Mitgliederversammlung nicht gestellt habe, werde es sich vorliegend nicht auf diesen Umstand berufen können.

Bestritten werde, dass die Beschlüsse der TdL vom 26. Oktober 2020 wirksam zustande gekommen seien.

Die Forderungen seien nicht aufgrund gesetzlicher Regelungen im Kitaförderungsgesetz und/oder der VOKitaFöG unzulässig. Dort seien keine Regelungssperren für tarifliche Mindestbesetzungsregelungen zu erkennen. § 21 KitaFöG enthalte vielmehr einen eindeutigen Hinweis auf die Möglichkeit einer Tarifierung.

Ein Verfügungsgrund sei nicht festzustellen.

Ein wirtschaftlicher Schaden des verfügungsklagenden Landes durch die Warnstreiks sei weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Der Wahrheitsgehalt der zitierten Pressemeldungen werde bestritten. Die Abmeldungen könnten aus den vielfältigsten Motivationen heraus erfolgt sein.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. September 2024, Az. 56 Ga 11777/24, die Anträge des verfügungsklagenden Landes und Berufungsbeklagten kostenpflichtig zurückzuweisen

und

die Anschlussberufung des verfügungsklagenden Landes zurückzuweisen.

Das verfügungsklagende Land beantragt,

die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. September 2024 – 56 Ga 11777/24 – zurückzuweisen

und

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. September 2024 – 56 Ga 11777/24 – abzuändern, soweit es die Anträge des verfügungsklagenden Landes abgewiesen hat, und nach den Schlussanträgen des verfügungsklagenden Landes in erster Instanz zu erkennen.

Das verfügungsklagende Land verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es den Anträgen stattgegeben hat, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Es ist der Ansicht, eine Friedenspflicht bestehe.

Der Berufungsbegründung des Verfügungsbeklagten sei zu entnehmen, dass auch dieser von einer Friedenspflicht ausgehe. Wenn aus Sicht des Verfügungsbeklagten der TV-L im Jahr 2023 eine Sperrwirkung über die Friedenspflicht herbeigeführt und streikbare Forderungen ausgeschlossen habe, so könne jetzt im Verhältnis zum verfügungsklagenden Land nichts anderes gelten.

Der TV-L enthalte Regelungen zum Gesundheitsschutz. Die Tarifvertragsparteien hätten sich in den Tarifvertragsverhandlungen 2023 für die Beschäftigten im Bereich Sozial- und Erziehungsdienst des verfügungsklagenden Landes auf einen zusätzlichen Belastungsausgleich in finanzieller Form durch Verkürzung der Stufenlaufzeiten und die Einführung der SuE-Zulage verständigt. Die SuE-Zulagen sei nicht in der Entgeltordnung zum TV-L, sondern in § 52 TV-L vereinbart worden. Dies verdeutliche, dass auch die SuE-Zulage zum Ausgleich besonderer Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst vereinbart worden sei, d. h. zur Entlastung.

Nach Kenntnis des verfügungsklagenden Landes habe der Verfügungsbeklagte die Übernahme der im Jahr 2022 für den Sozial- und Erziehungsdienst im TVöD vereinbarten Entlastungsregelungen durchaus gefordert bzw. zum Inhalt der Verhandlungen gemacht und diese bis zum Schluss der Verhandlungen verfolgt. Wenn der Verfügungsbeklagte ausführe, weitere spezielle Regelungen zur Entlastung und/oder zum Gesundheitsschutz und auch die Praxisanleiterzulage seien hingegen nicht übernommen worden, heiße dies, dass über diese Punkte verhandelt worden sei.

Dem verfügungsklagenden Land drohe der Ausschluss aus der TdL.

Wenn der Verfügungsbeklagte trotz Kenntnis des Ausschlusses als Folge der von ihm verlangten Tarifverhandlungen einen Streik zur Erzwingung derselben durchführe, sei der Ausschluss zwar nicht das primäre, aber das notwendige Ergebnis des Streiks des Verfügungsbeklagten.

Ein Missbrauchsfall liege nicht vor. Das verfügungsklagende Land sei bereits einmal aufgrund eines Satzungsverstoßes aus der TdL ausgeschlossen worden. Der Beschluss vom 26. Oktober 2020 sei nicht „auf Vorrat“ und insbesondere nicht im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Tarifforderung ergangen.

Die TdL lehne auch die von dem Verfügungsbeklagten erhobenen Forderungen ab, wie dem Protokoll der Mitgliederversammlung der TdL vom 14. bis 16. Mai 2024 zu entnehmen sei.

Mit der Anschlussberufung verfolgt das verfügungsklagende Land seinen Antrag zu 1. und den Antrag zu 5. weiter.

Der vom Arbeitsgericht aufgeführte Grund, der Streikaufruf des Verfügungsbeklagten verletze die Rechte des verfügungsklagenden Landes aus Artikel 9 Absatz 3 GG, weil die Aufnahme von Tarifverhandlungen ohne Zustimmung der Mitgliederversammlung der TdL ein satzungswidriges Verhalten darstelle, was zur Wirksamkeit des Ausschlusses des verfügungsklagenden Landes aus der TdL führe, bestehe unabhängig davon, welche Forderungen der Verfügungsbeklagte mit einem Streikaufruf verfolge.

Die Androhung eines Ordnungsgeldes sei erforderlich, weil der vom Arbeitsgericht herangezogene Grund für die Abweisung nicht oder jedenfalls nicht mehr vorliege. Die Androhung sei offensichtlich erforderlich, um die Einhaltung der im Urteil festgelegten Pflichten des Verfügungsbeklagten sicherzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze des Verfügungsbeklagten vom 4. Oktober 2024 (Bl. 190 ff. d. A.), vom 9. Oktober 2024 (Bl. 281 ff. d. A.) und vom 10. Oktober 2024 (Bl. 320 ff. d. A.) sowie auf die Schriftsätze des verfügungsklagenden Landes vom 9. Oktober 2024 (Bl. 274 ff. d. A.) und vom 10. Oktober 2024 (Bl. 294 ff. d. A.) Bezug genommen.

 

Aus den Gründen

I. Die Berufung des Verfügungsbeklagten ist zulässig, ebenso die Anschlussberufung des verfügungsklagenden Landes.

 

A. Die gemäß § 8 Absatz 2, 4, § 64 Absatz 1, Absatz 2 ArbGG statthafte Berufung des Verfügungsbeklagten ist von ihm form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 519, 520 Absatz 1, Absatz 3 ZPO, § 66 Absatz 1 ArbGG).

 

B. Das verfügungsklagende Land hat frist- und formgerecht im Sinne von § 64 Absatz 6 ArbGG, § 524 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 ZPO Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

 

II.         Die Berufung des Verfügungsbeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht dem Verfügungsbeklagten untersagt, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des verfügungsklagenden Landes durchzuführen, um seine Streikforderungen zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über die Regelung einer Mindestpersonalausstattung, Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) im Falle der Nichteinhaltung der Mindestpersonalausstattung und mehr Zeit für die Ausbildung durchzusetzen, und dem Verfügungsbeklagten aufgegeben, seinen Streikaufruf vom 26. September 2024 durch entsprechend zu veröffentlichende Erklärungen zu widerrufen. Dagegen hat die Anschlussberufung des verfügungsklagenden Landes teilweise Erfolg. Dem Verfügungsbeklagten ist ein Ordnungsgeld anzudrohen für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung. Im Übrigen ist sie unbegründet.

 

A. An den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die auf die Untersagung eines Streiks gerichtet ist, sind bestimmte Anforderungen zu stellen.

 

1. Ein Antrag auf Unterlassung einer Streikmaßnahme erfordert im einstweiligen Verfügungsverfahren einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund, §§ 935, 940 ZPO.

 

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt, wie sich mittelbar aus § 62 Absatz 2 ArbGG ergibt, auch im Bereich des Arbeitskampfs in Betracht (vgl. Hess. LAG, Urt. vom 9. Januar 2024 - 10 GLa 15/24 - zitiert nach juris, dort Rn. 44 m.w.N.). Für den heranzuziehenden Prüfungsmaßstab ist zu beachten, dass eine Unterlassungsverfügung, die auf den Abbruch eines laufenden oder unmittelbar bevorstehenden Streiks gerichtet ist, einer Befriedigungsverfügung gleichkommt. Sie nimmt die Hauptsache regelmäßig vorweg. Deshalb ist an den Erlass einer solchen einstweiligen Verfügung ein strenger Maßstab anzulegen. Die einstweilige Verfügung ist umso eher zu erlassen, je offensichtlicher die Rechtswidrigkeit der Maßnahme ist (Hess. LAG, a.a.O. m.w.N.).

 

2. Mit Blick auf die besondere Bedeutung des Streikrechts (Art. 9 Absatz 3 GG) sowie die mit einem Arbeitskampfgeschehen oftmals schwierigen und komplexen Fragestellungen wird nach zum Teil vertretener Auffassung verlangt, die Streikmaßnahme müsse offensichtlich rechtswidrig sein (Hess. LAG, a.a.O. Rn. 45 mit Hinweis auf LAG Nürnberg, Urteil vom 20. Juli 2023 - 3 SaGa 6/23 - Rn. 34, NZA-RR 2023, 539; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. August 2016 - 4 SaGa 2/16 - Rn. 42, BeckRS 2016, 71965; LAG Sachsen, Urteil vom 2. November 2007 - 7 SaGa 19/07 - Rn. 93, NZA 2008, 59; Bertzbach/Kloppenburg in Däubler Arbeitskampfrecht 4. Aufl. § 24 Rn. 43).

 

Nach einer Gegenmeinung ist ausreichend, wenn die Streikmaßnahme (lediglich) rechtswidrig ist (Schleusener in GMP, ArbGG, 10. Auflage § 62 Rn. 113).

 

Zum Teil wird vertreten, eine Unterlassungsverfügung setze jedenfalls voraus, dass die Rechtswidrigkeit des Streiks ohne rechtsfortbildende Überlegungen feststellbar sei (Linsenmaier in ErfKom, 24. Aufl., Art. 9 GG, Rn. 229).

 

Ein Anspruch auf Unterlassung einer Arbeitskampfmaßnahme besteht nur dann, wenn diese rechtswidrig, gegebenenfalls sogar greifbar oder offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. Hess. LAG, Urteil vom 3. September 2021 - 16 SaGa 1046/21 - zitiert nach juris, dort Rn. 48).

 

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 7. April 2020 (- 1 BvR 2674/15 - zitiert nach juris, dort Rn. 16) dahinstehen lassen, ob eine offensichtliche Rechtswidrigkeit zu fordern ist.

 

3. Eine Streikmaßnahme kann im einstweiligen Verfügungsverfahren nur dann untersagt werden, wenn sie rechtswidrig ist und dies glaubhaft gemacht ist. Die beantragte Untersagungsverfügung muss zum Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Absatz 1 BGB) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein (Hess. LAG, Urteil vom 9. Januar 2024 - 10 GLa 15/24 - zitiert nach juris, dort Rn. 48).

Der Anspruch auf Unterlassung einer Streikmaßnahme folgt grundsätzlich aus den §§ 1004, 823 BGB in Verbindung mit Artikel 14 GG. Das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist nach § 1004 Absatz 1, § 823 Absatz 1 BGB deliktisch geschützt (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 - zitiert nach juris, [BB 2016, 3066] dort Rn. 25). Das Recht aus Artikel 9 Absatz 3 GG abzuleitende Recht auf einen Arbeitskampf ist nicht uneingeschränkt gewährt (Hess. LAG, a.a.O. Rn. 49). Es kann insbesondere durch andere verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter eingeschränkt werden. Im jeden Fall bedarf es eines verhältnismäßigen Ausgleichs (sog. praktische Konkordanz) beider geschützten Interessen. Zentraler Maßstab für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit eines Streiks ist mithin der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine weitere Grenze eines rechtmäßigen Streiks ist ferner die Wahrung der Friedenspflicht (Hess. LAG, a.a.O. m.w.N.).

 

B. Dem verfügungsklagenden Land steht gegenüber dem Verfügungsbeklagten kein Anspruch zu, diesem zu untersagen, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des verfügungsklagenden Landes zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des verfügungsklagenden Landes durchzuführen, um seine Streikforderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen durchzusetzen.

 

1. Der Verfügungsbeklagte verstößt mit einem Streikaufruf und/oder der Durchführung von Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des verfügungsklagenden Landes nicht gegen Artikel 9 Absatz 3 GG. Dem steht weder die individuelle Koalitionsfreiheit des verfügungsklagenden Landes noch die kollektive Koalitionsfreiheit der TdL entgegen. Trotz der Verbandszugehörigkeit des verfügungsklagenden Landes können mit diesem Haustarifverträge abgeschlossen werden. Auch deren Erzwingung durch einen Streik ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

 

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zitiert nach juris, [BB 2003, 1125] dort Rn. 24 ff.) steht die Verbandszugehörigkeit eines Arbeitgebers dem freiwilligen Abschluss von Firmentarifverträgen nicht entgegen.

 

aa) Der Arbeitgeber verliert durch den Beitritt zu einem Arbeitgeberverband nicht die Fähigkeit, Partei eines Firmentarifvertrages zu sein (BAG, a.a.O., Rn. 25).

 

bb) Die Tariffähigkeit eines einzelnen Arbeitgebers und die Wirksamkeit eines von ihm abgeschlossenen Tarifvertrags hängt auch nicht davon ab, ob nach der Satzung des Arbeitgeberverbands der Abschluss von Firmentarifverträgen durch einen verbandszugehörigen Arbeitgeber zulässig ist (BAG, a.a.O., Rn. 27). Die Satzung begründet verbandsinterne Pflichten der Verbandsmitglieder. Sie vermag jedoch nicht deren Außenverhältnis zu Dritten zu gestalten. Deshalb ist auch ein gegen die Satzung des Arbeitgeberverbands verstoßender Tarifvertrag wirksam (BAG, a.a.O. m.w.N.). Der einzelne Arbeitgeber kann seine Tariffähigkeit nicht durch schuldrechtliche Verpflichtungen beseitigen, die er gegenüber einem Arbeitgeberverband eingeht. Er ist rechtlich nicht in der Lage, über seine Tariffähigkeit zu disponieren. Diese ist nicht nur ein Recht, sondern zugleich eine dem Arbeitgeber auch im Interesse des sozialen Gegenspielers gesetzlich verliehene, unverzichtbare Eigenschaft. Es kann deshalb dahinstehen, ob und in welchem Umfang im Innenverhältnis zwischen dem Arbeitgeberverband und seinen Mitgliedern Satzungsbestimmungen zulässig sind, durch welche den Mitgliedern die Verpflichtung auferlegt wird, den Abschluss von Firmentarifverträgen - sei es überhaupt, sei es über im Verbandstarifvertrag geregelte Gegenstände - zu unterlassen (BAG, a.a.O. m.w.N.).

 

b) Arbeitskämpfe gegen einzelne dem Arbeitgeberverband angehörende Arbeitgeber zur Erzwingung von Firmentarifverträgen sind nicht generell ausgeschlossen (BAG, a.a.O., Rn. 28).

 

Die grundsätzliche Zulässigkeit eines auch gegen einen einzelnen Arbeitgeber geführten Streiks beruht auf der den Arbeitnehmern durch Artikel 9 Absatz 3 GG garantierten Koalitionsfreiheit (BAG, a.a.O. Rn. 30). Zu dieser gehört die Betätigung der Gewerkschaften zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Darunter fällt insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen. Die Wahl der Mittel, die sie zur Erreichung dieses Zwecks für geeignet halten, überlässt Artikel 9 Absatz 3 GG grundsätzlich den Koalitionen. Zu den geschützten Mitteln zählen Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Allerdings sind der Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen Grenzen gezogen. Diese für jeden Arbeitskampf geltenden Grenzen sind auch bei der Beurteilung eines um den Abschluss eines Firmentarifvertrags gegen einen einzelnen verbandsangehörigen Arbeitgeber geführten Streiks zu beachten. Die hierbei maßgeblichen Grundsätze führen nicht zur generellen Unzulässigkeit derartiger Streiks (BAG, a.a.O. Rn. 30 m.w.N.).

 

Der Zulässigkeit eines gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber um den Abschluss eines Firmentarifvertrags geführten Streiks stehen jedenfalls generell auch weder die individuelle Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers noch die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands entgegen (BAG, a.a.O. Rn. 33 m.w.N.). Die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Artikel 9 Absatz 3 Satz 1 GG garantierte Koalitionsfreiheit schützt als Doppelgrundrecht sowohl die Freiheit der potentiellen oder tatsächlichen Mitglieder einer Koalition als auch die Freiheit einer Koalition in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihrer koalitionsspezifischen Betätigung (BAG, a.a.O. Rn. 33 m.w.N.).

 

Durch den gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber um einen Firmentarifvertrag geführten Streik wird die individuelle Vereinigungsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers jedenfalls nicht generell verletzt (BAG, a.a.O. Rn. 34). Seine Freiheit, in dem Verband zu verbleiben oder aus ihm auszutreten, wird regelmäßig nicht beeinträchtigt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitskampf gerade darauf gerichtet ist, den Arbeitgeber zum Verlassen des Verbands zu veranlassen. In einem solchen Fall kann der Streik eine mit Artikel 9 Absatz 3 Satz 2 GG nicht zu vereinbarende Verletzung der positiven Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers und zugleich einen unzulässigen Angriff auf den Mitgliederbestand des Arbeitgeberverbands darstellen. Bei einem allein auf die Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gerichteten Streik ist dies aber regelmäßig nicht der Fall (BAG, a.a.O.).

 

Auch die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands ist durch den um den Abschluss eines Firmentarifvertrags gegen ein Verbandsmitglied geführten Streik jedenfalls so lange nicht beeinträchtigt, wie der Verband seine Betätigungsfreiheit weder durch den Abschluss einschlägiger Tarifverträge, die noch gelten, wahrgenommen hat, noch wahrzunehmen beabsichtigt (BAG, a.a.O. Rn. 35 m.w.N.). Zumindest soweit bestimmte Arbeitsbedingungen durch Verbandstarifverträge weder geregelt sind noch demnächst geregelt werden sollen, rechtfertigt die kollektive Betätigungsfreiheit des Arbeitgeberverbands es nicht, der Gewerkschaft die kampfweise Durchsetzung eines Firmentarifvertrags gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber zu untersagen. Die Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands verlangt nicht, dass eine Gewerkschaft Arbeitskämpfe nur gegen den Verband führt (BAG, a.a.O.).

 

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Verfügungsbeklagte trotz der Zugehörigkeit des verfügungsklagenden Landes zur TdL mit diesem Haustarifverträge abschließen. Auch deren Erzwingung durch einen Streik ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

 

aa) Die in der Satzung der TdL enthaltene Pflicht der Mitglieder der TdL und somit auch des verfügungsklagenden Landes, Tarifverhandlungen nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung aufzunehmen sowie Tarifverträge und sonstige Vereinbarungen im Sinne von § 1 Absatz 2 der Satzung nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung zu schließen, beseitigt nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht die Tariffähigkeit des verfügungsklagenden Landes.

 

bb) Die individuelle Vereinigungsfreiheit des verfügungsklagenden Landes wird nicht verletzt.

 

Dies wäre dann der Fall, wenn der Arbeitskampf gerade darauf gerichtet ist, den Arbeitgeber – hier das verfügungsklagende Land – zum Verlassen des Arbeitgeberverbandes zu veranlassen.

 

Die Mitgliederversammlung der TdL hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2020 das verfügungsklagende Land aus der TdL unter der Bedingung ausgeschlossen, dass das verfügungsklagende Land erneut gegen die Satzung der TdL verstößt oder die satzungswidrige übertarifliche Zahlung der Hauptstadtzulage nicht bis zum 31. Oktober 2025 einstellt. Die Wirksamkeit des Beschlusses wird an dieser Stelle zu Gunsten des verfügungsklagenden Landes unterstellt.

 

Mit Verhandlungen über einen Haustarifvertrag würde das verfügungsklagende Land gegen die in § 7 der Satzung normierte Pflicht, Tarifverhandlungen nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung zu führen, verstoßen, wenn diese keine Zustimmung erteilt hat.

 

Dies setzt zunächst voraus, dass das verfügungsklagende Land erfolglos die Zustimmung zur Aufnahme von Tarifvertragsverhandlungen beantragt hat.

 

Eine Aufforderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen seitens des Verfügungsbeklagten ist nicht darauf gerichtet, das verfügungsklagende Land zum Verlassen des Arbeitgeberverbandes zu veranlassen. Es ist nicht das primäre Ziel, sondern kann Folge von Tarifverhandlungen sein.

 

Die Mitgliederversammlung hat sich zudem in dem Beschluss vom 26. Oktober 2020 vorbehalten, unter bestimmten dort genannten Voraussetzungen einen von Ziffer 1 – Ausschluss des verfügungsklagenden Landes aus der TdL – abweichenden Beschluss zu fassen.

 

Eine Zielgerichtetheit, wie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlich, ist vorliegend nicht feststellbar.

 

2. Des Weiteren bestehen Bedenken, ob die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit für diesen weit gefassten und nicht auf konkrete, unmittelbar bevorstehende Streikmaßnahme abstellenden Antrag gegeben ist.

 

C. Das Arbeitsgericht hat zu Recht dem Verfügungsbeklagten untersagt, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des verfügungsklagenden Landes durchzuführen, um seine Streikforderungen zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über die Regelung einer Mindestpersonalausstattung, Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) im Falle der Nichteinhaltung der Mindestpersonalausstattung und für mehr Zeit für die Ausbildung durchzusetzen.

 

1. Ein Verfügungsanspruch des verfügungsklagenden Landes besteht.

 

a) Der Streik ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil der Verfügungsbeklagte gegenüber dem verfügungsklagenden Land einen Firmentarifvertrag erzwingen will.

 

aa) Trotz Zugehörigkeit des verfügungsklagenden Landes zur TdL kann der Verfügungsbeklagte mit dem verfügungsklagenden Land Haustarifverträge abschließen. Insoweit wird auf das oben unter II. B. 1. a) und b) Ausgeführte Bezug genommen.

 

bb) Die individuelle Koalitionsfreiheit des verfügungsklagenden Landes wird durch die Aufforderung, Tarifverhandlungen über die Regelung einer Mindestpersonalausstattung, Regelungen zum Belastungsausgleich im Falle der Nichteinhaltung der Mindestpersonalausstattung und Regelungen für mehr Zeit für die Ausbildung aufzunehmen, nicht verletzt.

 

Vorliegend ist der Arbeitskampf nicht darauf gerichtet, das verfügungsklagende Land zum Verlassen der TdL zu veranlassen.

 

(1) Nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL vom 26. Oktober 2020, dessen wirksames Zustandekommen von dem Verfügungsbeklagten bestritten wurde und hier zu Gunsten des verfügungsklagenden Landes unterstellt wird, wird der Ausschluss des verfügungsklagenden Landes aus der TdL unter anderem wirksam, wenn das verfügungsklagende Land erneut gegen die Satzung der TdL verstößt.

 

Das verfügungsklagende Land würde gegen die Satzung der TdL dann verstoßen, wenn es ohne Zustimmung der TdL Tarifverhandlungen mit dem Verfügungsbeklagten aufnimmt.

 

Zwar hat das verfügungsklagende Land vorgetragen, dass die TdL wiederholt Anträge des verfügungsklagenden Landes und anderer Mitglieder der TdL abgelehnt habe. Insoweit bezieht es sich auch auf das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 14. bis 16. Mai 2024. Danach lehnt die TdL weiterhin Tarifverhandlungen zu Fragen der Personalbemessung ab.

 

Dass das verfügungsklagende Land vorliegend eine Zustimmung für die von dem Verfügungsbeklagten angestrebten Tarifvertragsverhandlungen beantragt und nicht erhalten hat, wurde vom verfügungsklagenden Land nicht vorgetragen.

 

(2) Auch aus den von dem Verfügungsbeklagten aufgestellten Forderungen kann nicht gefolgert werden, dass der Arbeitskampf gerade darauf ausgerichtet ist, das verfügungsklagende Land zum Verlassen der TdL zu veranlassen.

 

Der Verfügungsbeklagte hat das verfügungsklagende Land aufgefordert, Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages „Pädagogische Qualität und Entlastung“ aufzunehmen. Nach den Ausführungen des Verfügungsbeklagten im Schreiben vom 4. September 2024 ist Ziel der Abschluss eines Tarifvertrages. Dieser bezieht sich nach den mitgeteilten Forderungen – Mindestpersonalausstattung, Konsequenzenmanagement für den Fall der Nichteinhaltung der Fachkraft-Kind-Relation und zur Sicherung der pädagogischen Arbeit, Mindestpraxisanleitungszeit – auf die Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.

 

(3) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die TdL durch die Aufnahme dieser Tarifverhandlungen in ihrer kollektiven Koalitionsfreiheit beeinträchtigt wird.

 

Die TdL hat zu diesem Themenkreis keinen Tarifvertrag abgeschlossen. Sie beabsichtigt auch nicht, zu diesen Forderungen Tarifverträge abzuschließen. Vielmehr vertritt sie die Auffassung, die geforderte Mindestpersonalausstattung sei einer tariflichen Regelung nicht zugänglich.

 

(4) Das verfügungsklagende Land ist durch die sich aus den mit der TdL abgeschlossenen Tarifverträgen ergebende Friedenspflicht gegen einen Streik geschützt, der auf den Abschluss von Tarifverträgen mit derselben Regelungsmaterie gerichtet ist.

 

b) Der Streik, zu dem der Verfügungsbeklagte aufruft, ist rechtswidrig, weil der Verfügungsbeklagte mit einem Teil seiner Forderungen gegen die Friedenspflicht verstößt.

 

aa) Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer nicht rechtmäßigen Tarifforderung dient, ist insgesamt rechtswidrig (BAG, Urteil vom 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 - zitiert nach juris, [BB 2016, 3066] dort Rn. 51).

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, a.a.O. Rn. 52 m.w.N.) kann ein Arbeitskampf nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer und friedenspflichtwahrender Ziele geführt werden. Das gibt die Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der durch Artikel 9 Absatz 3 GG geschützten Tarifautonomie vor. Diese ist darauf gerichtet, das Arbeitsleben in dem von staatlicher Rechtsordnung freigelassenen Raum durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen und zu befrieden. Dieses Ziel kann unter anderem nur erreicht werden, wenn ein Tarifvertrag während seiner Geltungsdauer durch einen Arbeitskampf nicht in Frage gestellt wird und die durch ihn vermittelte Planungssicherheit wahrt. Diese Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist gefährdet, wenn ein Arbeitskampf auch darauf gerichtet ist, eine kollektive Regelung vor deren Ende zu beseitigen oder zu ändern (BAG, a.a.O. m.w.N.). Das hat zur Folge, dass eine Forderung, die kampfweise durchgesetzt werden soll, sowohl tariflich regelbare Gegenstände betreffen als auch die Friedenspflicht beachten muss. Forderungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht durch Artikel 9 Absatz 3 GG gedeckt und beeinträchtigen grundrechtlich geschützte Interessen des Kampfgegners (BAG, a.a.O.).

 

Die Friedenspflicht muss nicht besonders vereinbart werden (vgl. BAG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zitiert nach juris, [BB 2003, 1125] dort Rn. 37). Sie ist vielmehr dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent.

 

Sofern von den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht nicht absolut, sondern relativ (BAG, a.a.O. Rn. 39). Sie bezieht sich nur auf die tarifvertraglich geregelten Gegenstände. Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollen, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG, a.a.O. m.w.N.).

 

bb) Teile der Forderungen des Verfügungsbeklagten auf Festlegung einer Mindestpersonalausstattung und Regelung eines Konsequenzenmanagements verstoßen gegen die aus § 52 TV-L resultierende Friedenspflicht.

 

(1) In der Tarifrunde 2023 haben die Tarifvertragsparteien im Dezember 2023 für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder Berlin, Bremen und Hamburg mit Nr. 5 des § 52 TV-L eine Regelung getroffen, die die vom Verfügungsbeklagten begehrte Regelung zu Vorbereitungszeiten in Form von mittelbarer pädagogischer Arbeit und einem Belastungsausgleich in Form einer Freischicht sperrt.

 

Die Tarifvertragsparteien haben die Sachmaterie Belastungsausgleich für die im Sozial- und Erziehungsdienst Beschäftigten der Länder Berlin, Bremen und Hamburg erkennbar umfassend geregelt.

 

(a) Gegenstand der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien 2023 war nicht nur die SuE-Zulage, sondern auch Regenerations- und Umwandlungstage sowie Vorbereitungszeit.

 

Der Verfügungsbeklagte hatte die mit der VKA für den Sozial- und Erziehungsdienst getroffenen Regelungen in die Verhandlungen mit der TdL eingeführt und zum Gegenstand gemacht.

 

Gegenstand der Einigung mit der VKA bei den Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst im Jahr 2022 war eine Sozial- und Erziehungsdienst-Zulage, die auf Wunsch des Beschäftigten in einen oder zwei freien Arbeitstagen umgewandelt werden kann, Regenerationstage sowie pro Kalenderjahr 30 Stunden für Zwecke der Vorbereitung und Qualifizierung.

 

Der Verfügungsbeklagte hatte mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 Entgelterhöhungen gefordert und als Erwartung manteltarifliche Änderungen für die Beschäftigten geäußert. Der Verfügungsbeklagte nahm ausdrücklich Bezug auf die in der Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst 2022 für die Beschäftigten der Kommunen erreichten Verbesserungen und äußerte die Erwartung, dass die Verbesserungen aus dem Abschluss mit den Kommunen auch auf die Beschäftigten der Länder übertragen werden könne.

 

Bei der Tarifrunde 2023 handelte es sich um eine Entgeltrunde, der Entgelttarifvertrag war gekündigt, nicht jedoch der Manteltarifvertrag, der TV-L. Gefordert werden konnte seinerzeit eine Entgelterhöhung, nicht jedoch eine Änderung des TV-L, eine solche war jedoch im Konsenswege möglich.

 

Gegenstand der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien 2023 waren auch Regenerations- und Umwandlungstage und eine Vorbereitungszeit.

 

Aus dem Vortrag des Verfügungsbeklagten ergibt sich, dass diese Regenerations- und Umwandlungstage Gegenstand der Verhandlungen gewesen sind, denn nach dem Vortrag des Verfügungsbeklagten lehnte die TdL es in der Entgeltrunde 2023 ab, Regenerations- und Umwandlungstage zu vereinbaren. Auch aus dem Vortrag des Verfügungsbeklagten, die TdL habe im Verlaufe der Verhandlungen signalisiert, nur bestimmte Teile des Abschlusses mit der VKA übernehmen zu wollen, keine Übernahme habe unter anderem für den Bereich der Regenerations- und Umwandlungstage erfolgen sollen, folgt, das Gegenstand der Verhandlungen nicht nur die Sozial- und Erziehungsdienst-Zulage, sondern der Tarifabschluss des VKA für den Sozial- und Erziehungsdienst 2022 insgesamt.

 

(b) Die Tarifvertragsparteien haben mit der Tarifeinigung vom 9. Dezember 2023 eine abschließende Regelung bezüglich der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst getroffen.

 

Ergebnis der Verhandlungen war die Aufnahme der Sozial- und Erziehungsdienstzulage, jedoch ohne Umwandlungsmöglichkeit. Hinsichtlich der Umwandlungstage und der Regenerationstage sowie der Vorbereitungszeit konnte der Verfügungsbeklagte sich dagegen nicht durchsetzen.

 

Die Tarifvertragspartien haben mit der SuE-Zulage nicht nur eine finanzielle Regelung getroffen, sondern auch eine Regelung zur Entlastung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

 

(c) Die Forderungen des Verfügungsbeklagten sind teilweise in dem Regelungspaket enthalten, das Gegenstand der Verhandlungen 2023 war und mit der Tarifeinigung vom 9. Dezember 2023 abschließend für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst geregelt wurde.

 

Insoweit sind die Forderungen des Verfügungsbeklagten nach einer Festlegung einer Mindestpersonalausstattung und Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) gemeinsam zu betrachten.

 

(aa) Der Verfügungsbeklagte fordert neben der Festlegung der Fachkraft-Kind-Relation auch die Festlegung von Zeitkontingenten für bestimmte Sachverhalte, so auch für die mittelbare pädagogische Arbeit und Fortbildung.

 

Gegenstand des Tarifergebnisses der VKA 2022 war eine Vorbereitungszeit von 30 Stunden pro Kalenderjahr für Zwecke der Vorbereitung und Qualifizierung. Dieses Tarifergebnis war Gegenstand der Tarifverhandlungen des Verfügungsbeklagten mit der TdL im Jahr 2023, es wurde von den Tarifvertragsparteien nicht übernommen. Die Tarifeinigung vom 9. Dezember 2023 enthält eine abschließende Regelung für den Sozial- und Erziehungsdienst. Da diese Regelung Gegenstand der Verhandlungen war und nicht in die Tarifeinigung vom 9. Dezember 2023 aufgenommen wurde, spricht dies dafür, dass die Tarifvertragspartien dies bewusst nicht geregelt haben, es also eine solche Vorbereitungszeit nicht geben sollte. Die in § 3 der Anlage zu § 56 TVöD-BT-V VKA enthaltene Regelung von 30 Stunden für Zwecke der Vorbereitung und Qualifizierung entspricht inhaltlich der Forderung nach der Festlegung von Zeitkontingenten für mittelbare pädagogische Arbeit und Fortbildung. Der Verfügungsbeklagte fordert insoweit etwas, das Gegenstand der Verhandlungen 2023 war und dass die Tarifvertragsparteien nicht in ihre Einigung aufgenommen haben.

 

(bb) Der Verfügungsbeklagte fordert im Rahmen des Konsequenzenmanagements als Belastungsausgleich eine Freischicht nicht nur bei Nichteinhaltung der Fachkraft-Kind-Relation, sondern auch bei Vorliegen weiterer Sachverhalte, wie zum Beispiel tätlicher und/oder psychischer Übergriffe.

 

Gegenstand der Tarifeinigung für den Sozial- und Erziehungsdienst 2022 war die Regelung von Regenerationstagen (§ 2a der Anlage zu § 56 TVöD VKA). Diese Regenerationstage werden voraussetzungsfrei gewährt. Sie sollen der Entlastung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst dienen.

 

Auch wenn die von dem Verfügungsbeklagten geforderten Freischichten bestimmte Sachverhalte voraussetzen, verfolgen sie doch das gleiche Ziel, den Ausgleich von aus der Tätigkeit resultierenden Belastungen der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

 

(2) Ob es sich bei den Forderungen des Verfügungsbeklagten auf Festlegung einer Mindestpersonalausstattung unter Regelung eines Konsequenzenmanagements um tariflich regelbare Forderungen handelt, kann dahinstehen.

 

cc) Es kann dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagte mit der Forderung „Mehr Zeit für Ausbildung und Qualität der Ausbildung“ gegen die Friedenspflicht verstößt, da der Streik aus anderen Gründen rechtswidrig ist.

 

Fraglich ist jedoch, ob § 14 TVA-L BBiG eine abschließende Regelung enthält. Danach ist den Auszubildenden das Ausbildungsentgelt für insgesamt fünf Ausbildungstage fortzuzahlen, um sich vor den in den Ausbildungsordnungen vorgeschriebenen Abschlussprüfungen ohne Bindung an die planmäßige Ausbildung auf die Prüfung vorbereiten zu können.

 

Vorliegend fordert der Verfügungsbeklagte unter anderem eine Mindestpraxisanleitungszeit für Auszubildende und für Mentoren von vier Stunden pro Woche. Diese Zeiten sollen während der gesamten Dauer der Ausbildung gewährt werden und unterscheiden sich von der in § 14 Absatz 1 TVA-L BBiG geregelten Zeit der Vorbereitung auf die Prüfung.

 

Gegenstand der Verhandlungen 2023 war eine Praxisanleiterzulage, nicht jedoch die Regelung einer Praxisanleitungszeit für Auszubildende und Mentoren.

 

2. Das Arbeitsgericht hat zu Recht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes bejaht.

 

a) Neben dem Verfügungsanspruch setzt der Erlass einer einstweiligen Verfügung als Verfügungsgrund voraus, dass die Gefahr des endgültigen Rechtsverlustes besteht (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. August 2016 - 4 SaGa 2/16 - zitiert nach juris, dort Rn. 92). Hier ist eine Interessenabwägung der beteiligten Parteien vorzunehmen, in die sämtliche in Betracht kommenden materiell-rechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Seiten einzubeziehen sind. Hierbei kann neben der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage auch von Bedeutung sein, dass ein Schadenersatzanspruch gemäß § 945 ZPO bei einem Erfolg des Verfügungsgegners im Hauptprozess nicht in der Lage ist, die entstandenen Nachteile auszugleichen. Auch muss bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, welchen Umfang die gestellten Anträge haben. Anträge, die den Arbeitskampf insgesamt verhindern sollen, greifen in die grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen des Verfügungsgegners so stark ein, dass der Kernbereich des Grundrechts aus Artikel 9 Absatz 3 GG gefährdet sein kann. Weniger stark wird eingegriffen, wenn lediglich die Rechtswidrigkeit einzelner Kampfhandlungen im Rahmen der einstweiligen Verfügung geltend gemacht wird. Wegen des zeitlich begrenzten Rahmens von Arbeitskampfmaßnahmen führt in der Regel ihre Untersagung auch zu einer endgültigen Entscheidung. Dies gebietet, dass Einschränkungen der Kampfmöglichkeiten der Parteien im Arbeitskampf durch einstweilige Verfügungen nur in ganz seltenen Fällen vorgenommen werden. Da es gerade Wesen des Arbeitskampfes ist, durch Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf den jeweiligen Gegner einzuwirken, kann nicht jede Schädigung, die durch Kampfmaßnahmen eintritt, den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen. Vielmehr müssen schon erhebliche und unverhältnismäßige wirtschaftliche oder sonstige Schäden durch die rechtswidrigen Kampfmaßnahmen eintreten, die das Eingreifen durch das Gericht notwendig erscheinen lassen (LAG Baden-Württemberg, a.a.O. m.w.N.).

 

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen überwiegt das Interesse des verfügungsklagenden Landes an der Untersagung des Streiks gegenüber dem Interesse des Verfügungsbeklagten an der Durchführung des Streiks.

 

Es stehen sich mit dem Streikrecht des Verfügungsbeklagten und der Friedenspflicht und der Koalitionsfreiheit, auf welche sich das verfügungsklagende Land beruft, auf beiden Seiten grundrechtlich geschützte Rechtspositionen gegenüber. Im Falle der Stattgabe des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden ebenso vollendete Tatsachen geschaffen wie im Fall seiner Abweisung.

 

Die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sprechen, überwiegen gegenüber dem Interesse des Verfügungsbeklagten an der Durchführung des Streiks. Es sind die Folgen abzuwägen, die einträgen, wenn eine einstweilige Verfügung nicht erginge, der Antrag aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Verfügung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (so zu einstweiligen Anordnungen nach § 32 Absatz 1 BVerfGG: BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2019 - 1 BvR 842/17 - zitiert nach juris, dort Rn. 7).

 

Auf Seiten des verfügungsklagenden Landes ist zu berücksichtigen, dass der Streik rechtswidrig ist, da der Verfügungsbeklagte mit einem Teil seiner Forderungen gegen die Friedenspflicht verstößt.

 

Zum anderen hat der Verfügungsbeklagte ausweislich des Streikaufrufs (Anlage ASt 26, Bl. 65 d. A.) für den Zeitraum ab dem 30. September 2024 zu einem unbefristeten Streik aufgerufen.

 

Der angekündigte Streik würde zu einer erheblichen Einschränkung des Kita-Betriebes und damit zu einer erheblichen Einschränkung der Betreuung und Versorgung der zu betreuenden Kinder führen. Von dem Streik sind eine Vielzahl von Eltern der in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des verfügungsklagenden Landes betreuten Kinder sowie die Kinder betroffen.

 

Auch handelt es sich um einen unbefristeten Erzwingungsstreik.

 

Dagegen ist auf Seiten des Verfügungsbeklagten zu berücksichtigen, dass mit der Untersagung des Streiks grundgesetzlich geschützte Rechtspositionen gefährdet werden. Ein einmal untersagter Streik kann, sollte sich in einem Hauptsacheverfahren der Unterlassungsanspruch als ungerechtfertigt erweisen, nicht ohne weiteres nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens fortgeführt werden.

 

D. Das Arbeitsgericht hat den Verfügungsbeklagten zu Recht verpflichtet, seinen Streikaufruf vom 26. September 2024 zu widerrufen.

 

Der Streik ist rechtswidrig, da der Verfügungsbeklagte mit einem Teil seiner Forderungen gegen die Friedenspflicht verstößt. Es wird Bezug genommen auf das oben unter II. C. 1. b Ausgeführte.

 

E. Der Antrag zu 4 ist nicht zur Entscheidung angefallen, da das verfügungsklagende Land mit dem Hilfsantrag zu 2 und dem Antrag zu 3 obsiegt und die prozessuale Bedingung des Unterliegens mit den Anträgen zu 1 bis 3 nicht eingetreten ist.

 

F. Auf den Antrag des verfügungsklagenden Landes war dem Verfügungsbeklagten gemäß § 890 ZPO für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld anzudrohen.

 

Bei Zuwiderhandlung einer Unterlassungsanordnung sieht § 890 Abs. 1 ZPO für den Fall der Zuwiderhandlung eine Verurteilung zu einem Ordnungsgeld vor. Vorangehen muss dabei jedoch eine entsprechende Androhung, die auf Antrag zu erlassen ist (§ 890 Abs. 2 ZPO). Diese Androhung hat das verfügungsklagende Land hier beantragt.

 

Das Höchstmaß eines einzelnen Ordnungsgeldes beträgt nach § 890 Abs. 1 Satz 2 ZPO 250.000 Euro. Diesen Betrag hält Kammer vorliegend im Hinblick auf die Interessen und den Gegenstand des Unterlassungsanspruchs auch für angemessen.

 

III. Die Kosten des Rechtsstreites haben die Parteien entsprechend ihrem jeweiligen Teilunterliegen zu tragen, § 92 ZPO.

 

IV. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 72 Absatz 4 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.

 

 

 

 

 

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