: „Einschränkung des Prinzips der Parität im Arbeitskampf - Sympathieaussperrung als (letzte) Gegenwehr der Arbeitgeber?"
Professor Dr. Gregor Thüsing LL.M. (Harvard)
Tarifforum 2008 - 18.1.2008, Berlin
„Einschränkung des Prinzips der Parität im Arbeitskampf - Sympathieaussperrung als (letzte) Gegenwehr der Arbeitgeber?"
1. Vor der Entscheidung vom 19.6.2007, 1 AZR 396/06 gab es eine etablierte Rechtsprechung zum Sympathiestreik: Grundsätzlich verboten, aber ausnahmsweise zulässig, wenn es ein konzernangehöriges Unternehmen traf, oder das Unternehmen sich in den Arbeitskampf etwa durch Übernahme von Produktion eingeschaltet hatte und dadurch seine „Neutralität verlor".
2. Die Entscheidung vom 19.6.2007 erweitert den Bereich zulässiger Solidaritätsarbeitskämpfe und führt zu rechtlicher Unsicherheit: Alles ist möglich, wenn es denn verhältnismäßig ist. Die Verhältnismäßigkeit wird damit zum tragenden, aber sandigen Fundament der Rechtsprechung zum Sympathiestreik. Fallgruppen werden durch Rückgriff auf die Generalklausel aufgeweicht.
3. Argumentativ hat sich die Rechtsprechung gedreht: War es bislang begründungsbedürftig, warum Dritte in den Arbeitskampf einbezogen werden können, droht nun eine Rechtfertigung, warum Dritte nicht einbezogen werden können.
4. Sympathiestreik ist letztlich nichts anderes als eine „wirtschaftliche Geiselnahme". Solche fremdnützigen Opfer können nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässig sein. Eine Interessenabwägung freischwebend orientiert am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist hier nicht möglich.
5. Das Ausland ist zurecht bei der Zulassung des Sympathiearbeitskampfes vorsichtig: Die U.S.-amerikanische secundary action und der französische greve de solidatité sind enger gefasst.
6. Die großzügigere Zulassung der Sympathieaussperrung könnte eine Konsequenz der großzügigeren Zulassung des Sympathiestreiks sein. Hierfür spricht nicht nur das Symmetrieargument beider Rechtsinstitute, sondern auch deren funktionale Verwandtschaft.
7. Die allgemeine Fließrichtung des Arbeitskampfrechts sollte im Bewusstsein behalten, dass Streik eine scharfe Waffe ist, von der nur zurückhaltend und unter klar definierten Bedingungen Gebrauch gemacht werden sollte.