LAG Berlin-Brandenburg: Eingruppierung eines Wachpolizisten
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2.3.2016 – 15 Sa 1952/15
Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1140-3
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Amtlicher Leitsatz
Eine Tätigkeit als angestellter Wachpolizist im Zentralen Objektschutz erfordere gründliche Fachkenntnisse.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger war in der Zeit vom 07.03.2011 bis 02.05.2015 bei dem beklagten Land als angestellter Wachpolizist in Vollzeit tätig. Tätigkeitsvoraussetzung ist ein Hauptschulabschluss und die erfolgreiche Absolvierung eines Einführungslehrgangs, den der Kläger am 17.06.2011 beendete. Im Arbeitsvertrag (Kopie Bl. 16 ff der Akte) war eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 3 TV-L vorgesehen. Später wurde diese Tätigkeit mit Zustimmung der Senatsverwaltung für F. allgemein und auch für den Kläger der Entgeltgruppe 4 TV-L zugeordnet. Mit Schreiben vom 30.12.2014 (Bl. 18 der Akte) hat der Kläger die Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TV-L geltend gemacht.
Die Aufgaben der Wachpolizei und die Befugnisse werden in der Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch Dienstkräfte der Polizei (PDieVO) geregelt (Kopie Bl. 77 ff der Akte). Es existiert eine Beschreibung des Aufgabenkreises ( (BAK) aus dem Jahr 1984 (Kopie Bl. 24 ff der Akte). Hinsichtlich der im Einführungslehrgang verwendeten Materialien wird auf die Anl. K8 (Bl. 27 ff der Akte) verwiesen.
Der Kläger hat behauptet, dass Polizisten im Gefangenendienst nach der Entgeltgruppe 8 TV-L vergütet werden. Er hat die Ansicht vertreten, dass die von ihm auszuübende Tätigkeit die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe Vc BAT erfülle. Die Tätigkeit erfordere gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen. Dies ergebe sich unter anderem aus der Anwendung der Normen des ASOG und UZwG. Es komme nicht darauf an, dass er die erforderlichen Kenntnisse tagtäglich anwende. Entscheidend sei, dass er diese Kenntnisse bereithalten müsse. Durch Rechtsvorschriften und die Beschreibung des Aufgabenkreises werde definiert, was von ihm verlangt und erwartet werde. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass sich die tatsächliche Situation gegenüber 1984 durch Zuweisung der Hauptstadtfunktion verändert hätte. Hierbei sei auch das Wiener Übereinkommen über die diplomatischen Beziehungen zu berücksichtigen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihn seit dem 01.07.2014 nach Maßgabe der Entgeltgruppe 8 des TV-L zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 4 und der Entgeltgruppe 8 beginnend mit dem 01.07.2014 ab dem jeweiligen Ersten des Folgemonats mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat behauptet, dass Polizisten im Gefangenendienst nach der Entgeltgruppe 5 TV-L vergütet werden. Es hat die Ansicht vertreten, dass der Kläger nur einen geringen Ausschnitt der Normen nach dem ASOG und dem UZwG beherrschen müsse. Er benötige nur relativ oberflächliche Kenntnisse der in der Beschreibung des Aufgabenkreises genannten Vorschriften. Es sei zu berücksichtigen, dass die Rechte über Notwehr/Nothilfe für jedermann gelten. Die Veränderung einer Gefährdungslage ändere nichts an der Eingruppierung.
Mit Urteil vom 16.09.2015 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage insgesamt abgewiesen. Der Kläger habe weder ein Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 noch der Entgeltgruppe 6 TV-L. Nach dem unstreitigen Parteivortrag und dem bisherigen Vorbringen des Klägers habe dieser schon keine Tätigkeiten erbracht, die gründliche Fachkenntnisse im Sinne der Vergütungsordnung erforderlich machten. Die Regeln zur Notwehr und Nothilfe seien allgemeine für jedermann geltende Regeln und damit keine Fachkenntnisse. Zusammengefasst gelte der Grundsatz „Waffe im Notfall verwenden, möglichst wenig Schaden anrichten“. Die Kenntnisse zum ASOG und UZwG seien als spezifisch staatliche Eingriffsrechte als Fachkenntnisse anzusehen. Dem Vortrag des Klägers sei aber nicht zu entnehmen, dass eine komplizierte Normanwendung im Sinne einer komplexen Regelungsauslegung oder einer aufwändigen Subsumtion erforderlich sei. Die Komplexität der angesprochenen Rechtsgrundlagen, die Kürze der Qualifizierungsmaßnahme als auch das vorausgesetzte Ausbildungsniveau für die Mitarbeiter des Objektschutzes zeige, dass die Schulung allenfalls eine Vermittlung oberflächlicher Kenntnisse der Rechtsgrundlagen zum Gegenstand habe. Auch im Hinblick auf den Umgang mit Waffen (Schlagstock, Tränengas, Schusswaffen) könne dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden, welche Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu Ihrem Gebrauch erforderlich seien. Insgesamt sei auch ein quantitatives Element nach dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht gegeben. Die einzelnen Vorschriften seien insgesamt auf einen eng eingegrenzten Kreis zum Schutz von Objekten ausgerichtet. Kenntnisse über den praktischen Einsatz der Zwangsmittel trügen zum erforderlichen quantitativen Element nichts bei, weil sie schon das qualitative Element nicht erfüllten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts für fehlerhaft, was näher ausgeführt wird. Er verweist auch auf verschiedene Posten- und Streifenanweisungen. Er behauptet, Wachpolizisten seien auch in der Begleitung z. B. von jüdischen Schulklassen eingesetzt.
Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.09.2015 (21 Ca 3992/15) teilweise abzuändern und festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihn in der Zeit vom 01.07.2014 bis 02.05.2015 nach Maßgabe der Entgeltgruppe 8 des TV-L zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 4 und der Entgeltgruppe 8 beginnend mit dem 01.07.2014 ab dem jeweiligen Ersten des Folgemonats mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land hält die Erwägungen des Arbeitsgerichts für zutreffend.
Aus den Gründen
I.
Die Berufung ist form-und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig.
II.
Die Berufung hat nur teilweise Erfolg. Das beklagte Land ist verpflichtet, den Kläger in der Zeit vom 01.07.2014 bis zum 02.05.2015 nach Maßgabe der Entgeltgruppe 5 des TV-L zu vergüten und ab Rechtshängigkeit Zinsen zu zahlen. In diesem Umfang war die erstinstanzliche Entscheidung teilweise abzuändern. Soweit der Kläger darüber hinaus eine Vergütungspflicht entsprechend der Entgeltgruppe 8 TV-L begehrt, steht ihm dieser Anspruch nicht zu. Insofern war die Berufung zurückzuweisen.
1. Der Feststellungsantrag des Klägers ist als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (BAG 19.11.2014 - 4 AZR 996/12 - juris). Dies betrifft auch die Frage der Feststellung einer Pflicht zur Verzinsung von Differenzbeträgen (BAG 19.02.2003 - 4 AZR 158/02 -juris).
Das erforderliche Feststellungsinteresse ist vorliegend auch nicht deswegen entfallen, weil sich die begehrte Feststellung inzwischen nur noch auf einen Zeitraum in der Vergangenheit richtet. Auch in solchen Fällen bleibt eine Feststellungsklage zulässig, wenn sich aus der beantragten Feststellung noch Rechtswirkungen für die Zukunft ergeben können (BAG 21. 7. 2009 - 9 AZR 279/08-juris). Dies ist vorliegend der Fall. Bei Stattgabe der Klage ergibt sich für das beklagte Land die Pflicht, entsprechende Differenzbeträge nachzuzahlen.
2. Auch wenn vom Kläger wörtlich nur ein Antrag auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TV-L gestellt worden ist, beinhaltet dieser Antrag als Minus auch eine Vergütungspflicht entsprechend der Überleitung zu den Entgeltgruppen 6 und 5 TV-L. Ein entsprechender Hilfsantrag ist nicht erforderlich, wenn der gestellte Antrag zwingend auch die Erfüllung der niedriger bewerteten Tätigkeitsmerkmale beinhaltet (BAG 24.02.2010 - 4 AZR 657/08 - juris). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Vergütungsgruppen unterscheiden sich nur dadurch, dass die Merkmale“ selbstständig“ und „vielseitig“ nicht erfüllt sein müssen.
3. Da die Tätigkeit des Klägers bei Einführung der Entgeltordnung des TV-L unverändert blieb und er ab dem 01.11.2006 neu eingestellt worden war, wird er gemäß § 29a Abs. 2 S. 1 TVÜ-L unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe in die Entgeltordnung zum TV-L übergeleitet (Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen § 29a TVÜ-L Rn 8). Die vorläufige Zuordnung nach der Anlage 4 zum TVÜ-L gilt als Eingruppierung. Insofern ergeben sich folgende Überleitungen aus dem BAT zu den Entgeltgruppen des TV-L:
8 |
Vc mit Aufstieg nach Vb |
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Vc ohne Aufstieg nach Vb |
7 |
Keine |
6 |
VIb mit Aufstieg nach Vc |
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VIb ohne Aufstieg nach Vc |
5 |
VII mit Aufstieg nach Vib |
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VII ohne Aufstieg nach VIb |
4 |
Keine |
3 |
Keine Sufe 6 |
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VIII mit Aufstieg nach VII |
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VIII ohne Aufstieg nach VII |
Da der Kläger in der hier in Betracht kommenden Zeit keine erforderlichen Bewährungszeiten zurückgelegt haben kann, lauten die für die Bewertung in Betracht kommenden Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a Teil I Allgemeiner Teil zum BAT:
„Vergütungsgruppe V c
1a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
1b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.
(Die Klammerzusätze zu Fallgruppe 1 a gelten.)
Vergütungsgruppe VI b
1a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
Vergütungsgruppe VII
1a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)
1b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.
(Erforderlich sind nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises.)
4. Es ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit des Klägers als Wachpolizist im Objektschutz nur einen großen Arbeitsvorgang darstellt. Seine Tätigkeit kann nicht sinnvoll weiter untergliedert werden. Hiervon geht zutreffender Weise auch die Beschreibung des Aufgabenkreises aus dem Jahre 1984 aus.
5. Der Kläger hätte bei der Einstellung richtiger Weise in die Entgeltgruppe 5 des TV-L eingruppiert werden müssen, da die von ihm auszuübende Tätigkeit der VerGr VII, Fg 1b BAT zuzuordnen war. Der Kläger war im Außendienst tätig. Seine Tätigkeit als angestellter Wachpolizist im Zentralen Objektschutz erforderte gründliche Fachkenntnisse.
5.1. „Gründliche Fachkenntnisse“ erfordern unter Berücksichtigung auch des Klammerzusatzes zur VergGr VII Fg 1b BAT nähere Kenntnisse von unter anderem Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen des fraglichen Aufgabenkreises. Diese Fachkenntnisse müssen sich nicht notwendig auf Rechtsvorschriften beziehen. Es sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen (BAG 21.03.2012 - 4 AZR 266/10 - juris Rn. 36). Insofern enthält diese Definition ein qualitatives und auch ein quantitatives Element (BAG 24.08.1983 - 4 AZR 32/81-AP Nr. 78 zu §§ 22, 23 BAT 1975). „ Gründliche Fachkenntnisse“ könne nicht deswegen verneint werden, weil sie sich z.B. jeder Kraftfahrer im Fahrschulunterricht aneignen und im Straßenverkehr beherrschen muss (ebenda). Ein Lehrgang in Umfang von 129 Stunden spreche in der Regel wegen der Kürze gegen „gründliche Fachkenntnisse“ (BAG 31.07.2002 - 4 AZR 109 20/01 - juris Rn. 54).
5.2. Bei Anwendung dieser Kriterien ist festzustellen, dass der Kläger“ gründliche Fachkenntnisse“ für die von ihm auszuübende Tätigkeit benötigt. Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Aufgabenkreises, der PDieVO und aus den eingereichten Unterrichtsmaterialien des Einführungslehrgangs.
5.2.1. Es werden nicht nur Fachkenntnisse oberflächlicher Art verlangt.
Schon die Beschreibung des Aufgabenkreises aus dem Jahre 1984 listet hinsichtlich der benötigten Fachkenntnisse „fundierter Rechtskenntnisse“ bezogen auf die Jedermannrechte Notwehr/Nothilfe/Notstand, die übertragenen Aufgaben nach dem ASOG, die Berechtigung zur sofortigen Vollziehung bei der Ausübung hoheitlicher Aufgaben und schlussendlich hinsichtlich des Rechts zum Schusswaffengebrauch auf. „Fundierte Rechtskenntnisse“ sind jedenfalls nicht nur Kenntnisse oberflächlicher Art. Im Gegensatz zur Auffassung der 1. Instanz kann das Kriterium „Fachkenntnisse“ bezogen auf die Jedermannrechte Notwehr/Nothilfe/Notstand nicht deswegen verneint werden, weil diese Rechte jedermann zustehen. Die Zusammenfassung dieser Kenntnisse mit dem Satz „Waffe im Notfall verwenden, möglichst wenig Schaden anrichten“, wird nach hiesiger Ansicht den benötigten Kenntnissen nicht gerecht. Für den rechtmäßigen Einsatz von Waffen (Schlagstock, Reizstoffsprühgerät, Schusswaffen bis hin zur Maschinenpistole) unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes reicht es jedenfalls nicht aus, nur derart oberflächliche Allgemeinplätze vermittelt zu bekommen. Auch aus den Unterrichtsmaterialien ergibt sich, dass den Angestellten im Einführungslehrgang nicht nur oberflächliche Kenntnisse vermittelt werden. Dies betrifft z.B. den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Tatbestandsvoraussetzungen der Notwehr oder die Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (Bl. 35R, 40, 45, 46 der Akte). Unabhängig hiervon hat das Bundesarbeitsgericht schon ausgeführt, dass „gründliche Fachkenntnisse“ nicht schon deswegen verneint werden könnten, weil sich solche Kenntnisse jeder Kraftfahrer im Fahrschulunterricht aneignen und im Straßenverkehr beherrschen müsse (BAG 1983 - 4 AZR 32/81 - juris Rn. 45). Dies lässt sich auf die hiesige Rechtsmaterie übertragen. Darüber hinaus geht die hiesige Kammer davon aus, dass die Kenntnisse des Durchschnittsbürgers über die Grundsätze der Notwehr/des Notstands nicht die Tiefe erreichen, die von den Angestellten im polizeilichen Wachschutz erwartet werden müssen.
5.2.2. In quantitativer Hinsicht handelt es sich bei den benötigten Fachkenntnissen auch nicht nur um solche von nicht unerheblichem Ausmaß.
Schon in der Beschreibung des Aufgabenkreises werden unter „fundierte Rechtskenntnisse“ ausdrücklich und beispielhaft 22 Normen aus dem Bereich StGB, BGB, StPO, ASOG, VwGO, VwVG und UZwG aufgelistet. Auch wenn es sich jeweils nur um einzelne oder wenige Normen aus den jeweiligen Gesetzen handelt, so geht die hiesige Kammer davon aus, dass dies ausreichend ist, um ein nicht unerhebliches Ausmaß annehmen zu können. Weitere Rechtsnormen werden zusätzlich in den eingereichten Unterrichtsmaterialien ausgewiesen (z.B. §§ 17, 21, 29, 30, 34, 35, 38 ASOG). Auch die Dauer des Einführungslehrgangs (13 Wochen) ist zusätzlich ein Indiz dafür, dass Fachkenntnisse von nicht nur unerheblichem Ausmaß vermittelt werden.
6. Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.12.2014 (Kopie Bl. 18 der Akte) auch die sechsmonatige Ausschlussfrist gemäß § 37 TV-L eingehalten. Im Gegensatz zur Auffassung des beklagten Landes ist dieses Schreiben auch hinreichend konkret formuliert. Es wird die Entgeltgruppe E 8 begehrt. Im Schlusssatz wird darauf hingewiesen, dass dies zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht werde.
7. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zinsen für die Differenzbeträge erst ab einem Tag nach Rechtshängigkeit (31.03.2015) zu, wobei aus Versehen hier schon der Tag der Zustellung genommen wurde. Für die Zeit davor fehlt es an einem Verschulden des beklagten Landes, da es sich bei Eingruppierungen im öffentlichen Dienst regelmäßig um komplizierte Rechtsfragen handelt (BAG 7.10.1981 – 4 AZR 225/79 – juris Rn 55f). Insofern war die Klage abzuweisen.
8. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers kann nicht festgestellt werden, dass er auch zusätzlich „vielseitige Fachkenntnisse“ für die Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. Insofern sind die Tatbestandsvoraussetzungen für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppen VIb, Vc BAT nicht gegeben, so dass eine Überleitung in die Entgeltgruppen E 6 oder E 8 TV-L ausscheidet.
„Vielseitige Fachkenntnisse“ erfordern gegenüber den gründlichen Fachkenntnissen eine Erweiterung des Fachwissens seinem Umfang nach. Dies kann sich beispielsweise aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich aus einem Fachgebiet stellenden Anforderungen ergeben. Hierbei reicht ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßige Bearbeitung nicht aus (BAG 21.03.2012 - 4 AZR 266/10 - juris Rn. 36).
Vorliegend ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Die Anzahl der Vorschriften ist alles in allem überschaubar. Sie beschränken sich hinsichtlich der Vielseitigkeit im Kern auf die eng abgrenzbare Materie des Ordnungsrechts und des Rechts zum unmittelbaren Zwang.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen. Die monatliche Vergütungsdifferenz zwischen der Entgeltgruppe 4 und der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 betrug in Berlin monatlich 385,20 €. Die Differenz zur Entgeltgruppe 5 betrug jeweils 78,16 €.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nur für das beklagte Land vor. Das hiesige Urteil weicht von einer Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 17.02.2016 (23 Sa 1871/15) ab, soweit der Klage stattgegeben wurde. Für den Kläger war die Revision nicht zuzulassen. Insofern handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientiert.