BAG: Eingruppierung einer Sachgebietsleiterin – korrigierende Rückgruppierung – Darlegungs- und Beweislast
BAG, Urteil vom 16.8.2023 – 4 AZR 339/22
ECLI:DE:BAG:2023:160823.U.4AZR339.22.0
Volltext: BB-Online BBL2023-2547-2
Orientierungssätze
1. Das für eine Eingruppierungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum besteht nicht, wenn die Klägerin für diesen unstreitig keine höhere Vergütung verlangen kann und sich auch im Übrigen aus der Feststellung keine gegenwärtigen rechtlichen Vorteile ergeben können, über die zwischen den Parteien Streit besteht (Rn. 13).
2. Im Eingruppierungsprozess trägt grundsätzlich die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des von ihr in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals. Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, d.h. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher von der Arbeitgeberin als zutreffend angenommenen Entgeltgruppe oder bei Verhinderung einer zukünftigen Vergütungssteigerung durch Abkehr von der der Beschäftigten zuvor mitgeteilten Eingruppierung, ist die Arbeitgeberin für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung darlegungs- und beweisbelastet (Rn. 24 ff.).
3. Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung gelten ihrem Sinn und Zweck nach nicht, wenn die Beschäftigte ihr Vertrauen nur auf ein Element der bisherigen Bewertung stützt. In diesem Fall ergibt sich aus der bislang vorgenommenen Zuordnung nicht zwingend die durch die Beschäftigte begehrte Eingruppierung (Rn. 30).
▄Leitsatz
Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung, nach denen die Arbeitgeberin die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisher angenommenen Bewertung der Tätigkeit trägt, sind nur anzuwenden, wenn sich aus der bislang vorgenommenen Zuordnung zu einer Entgeltgruppe oder einem Tätigkeitsmerkmal zwingend die durch die Beschäftigte begehrte Eingruppierung ergibt. Sie gelten ihrem Sinn und Zweck nach nicht, wenn die Beschäftigte ihr Vertrauen nur auf ein Element der bisherigen tariflichen Bewertung durch die Arbeitgeberin stützt, aber weitere rechtliche Folgeüberlegungen erforderlich sind, die erst zur beanspruchten Entgeltgruppe führen.▄
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin im Zeitraum vom 15. September 2017 bis zum 20. September 2022.
Die Klägerin ist seit dem 30. September 2005 bei der Beklagten beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom selben Tag richtet sich das Arbeitsverhältnis „nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung“. In der Zeit vom 15. September 2017 bis zum 20. September 2022 war die Klägerin aufgrund eines Änderungsvertrags vom 27. September 2017 als Sachgebietsleiterin „Finanzen und Abwicklung Grundstücksverkehr“ tätig. Ihr waren sieben Beschäftigte unterstellt, gegenüber denen sie die Dienst- und Fachaufsicht ausübte und weisungsbefugt war.
In der von der Beklagten im Dezember 2020 erstellten Arbeitsplatzbeschreibung wird die auszuübende Tätigkeit der Klägerin wie folgt dargestellt:
„1.1. ORGANISATORISCHE EINORDNUNG DES ARBEITSPLATZES
1.1 Fachbereich: 23 Wirtschaft
Bereich: 23.0 Zentrale Fachbereichsangelegenheiten und Immobilienverwaltung
Sachgebiet: 23.02 Finanzen und Abwicklung Grundstücksverkehr
…
3. FUNKTIONSBEZEICHNUNG: Sachgebietsleiter/in, zgl. 2. Vertreter/in 23.0
4. TÄTIGKEITEN
4.1 Verzeichnis der am Arbeitsplatz auszuführenden Tätigkeiten (Arbeitsvorgänge):
(hierzu siehe ‚Erläuterungen zur Arbeitsplatzbeschreibung‘) Anteil in % (Zeitanteil)
4.11 Leitung des Sachgebietes Finanzen / 15 %
Abwicklung des Grundstücksverkehrs – 23.02
…
4.12 Grundsatzaufgaben des Sachgebietes Finanzen / Abwicklung des Grundstücksverkehrs 75 %
● Haushaltsaufstellung/Haushaltsplanung:
25%
…
●
Zentrale Haushaltssteuerung / Mittelbewirtschaftung:
15%
…
●
Controlling:
25%
…
● Gebührenkalkulation nach § 5 NKAG:
5%
…
● Einzelfallsachbearbeitung und Rechtsfragen
5%
…
● SAP-Prozesse
5%
…
4.13 Sonderaufgaben 5 %
…“
Die Beklagte vergütete die Klägerin nach Entgeltgruppe 10 Stufe 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung (TVöD/VKA).
Mit Schreiben vom 30. März 2021 beantragte die Klägerin erfolglos „eine Höhergruppierung in eine höhere Entgeltgruppe (mindestens E11) rückwirkend zum Zeitpunkt der Übertragung“. Seit dem 21. September 2022 wird sie auf einer anderen, höher bewerteten Stelle beschäftigt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei im Streitzeitraum nach Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA zu vergüten gewesen. Ihre Tätigkeit habe sich durch „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ aus einer solchen nach Entgeltgruppe 9c TVöD/VKA herausgehoben. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe die Tätigkeit nicht aus mehreren, sondern aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang bestanden. Es sei ausreichend, wenn in diesem Arbeitsvorgang Tätigkeiten von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ in rechtserheblichem Ausmaß anfielen. Sie habe darauf vertraut, dass die Beklagte mit Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA anerkannt habe, jedenfalls zu einem Drittel der Gesamtarbeitszeit würden Arbeitsvorgänge mit solchen Tätigkeiten verrichtet. Daher trage die Beklagte nach den Grundsätzen der korrigierenden Rückgruppierung insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Im Übrigen ergebe sich die „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ aus der ihr übertragenen Führungsverantwortung, ihren Aufgaben bei der Haushaltsplanung und -aufstellung und ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem H-Kinder-Bauland-Bonus.
Die Klägerin hat – nach Rücknahme eines auf die Zahlung der Differenzvergütung gerichteten Leistungsantrags in der Revisionsinstanz mit Zustimmung der Beklagten – zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihre Arbeitsleistung ab dem 15. September 2017 bis zum 20. September 2022 nach Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin habe schon nicht schlüssig vorgetragen, ihre Tätigkeit sei von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“. Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung seien nicht anzuwenden, da die Klägerin im gesamten Streitzeitraum nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA vergütet worden sei. Ein Vertrauen in einen Anspruch auf Vergütung nach einer höheren Entgeltgruppe könne sich daraus nicht ergeben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Aus den Gründen
10 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen. Die Klage ist mit dem durch die Klägerin gestellten Feststellungsantrag teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
11 I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
12 1. Der Feststellungsantrag ist für den Zeitraum vom 1. September 2020 bis zum 20. September 2022 als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag zulässig (st. Rspr., etwa BAG 22. Juni 2022 – 4 AZR 495/21 – Rn. 19). Das Feststellungsinteresse ist nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin die Feststellung aufgrund der Änderung der von ihr auszuübenden Tätigkeit lediglich noch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt. Der erforderliche Gegenwartsbezug besteht in der Geltendmachung einer (zukünftigen) Erfüllung einer höheren, konkret bezeichneten Vergütung aus dem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (vgl. BAG 27. April 2022 – 4 AZR 463/21 – Rn. 12 mwN).
13 2. Der Antrag ist jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unzulässig, soweit er sich auf den Zeitraum vom 15. September 2017 bis zum 31. August 2020 bezieht. Insoweit fehlt es am nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse (vgl. hierzu ausf. BAG 23. Januar 2019 – 4 AZR 541/17 – Rn. 15). Der Klägerin steht, da sie etwaige Ansprüche unstreitig nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist (§ 37 TVöD/VKA) geltend gemacht hat, auch nach ihrer eigenen Auffassung für diesen Zeitraum kein weiterer Vergütungsanspruch zu. Ein Feststellungsinteresse besteht auch nicht im Hinblick auf die Stufenlaufzeiten. Die durch die Klägerin begehrte Stufe ist weder im Antrag genannt noch ist für den Fall, dass der Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA zustehen sollte, ein Streit zwischen den Parteien über die Stufenlaufzeit ersichtlich.
14 II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die Klägerin hatte im Streitzeitraum keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA.
15 1. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrags in Folge der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst (vgl. hierzu BAG 11. Juli 2018 – 4 AZR 443/17 – Rn. 20) nach dem TVöD/VKA.
16 2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den der Klägerin übertragenen Aufgaben als Sachgebietsleiterin um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handelt.
17 a) Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TVöD/VKA ist die Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist danach der Arbeitsvorgang (BAG 23. Februar 2022 – 4 AZR 354/21 – Rn. 19; 17. März 2021 – 4 AZR 327/20 – Rn. 16).
18 b) Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch die Arbeitgeberin vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD/VKA auch Zusammenhangsarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben einer Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG 23. Februar 2022 – 4 AZR 354/21 – Rn. 20; ausf. BAG 26. April 2023 – 4 AZR 275/20 – Rn. 20 ff. [zu § 22 BAT]; 9. September 2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 [zu § 12 TV-L]).
19 c) Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. zB 23. Februar 2022 – 4 AZR 354/21 – Rn. 21).
20 d) Danach bestand die von der Klägerin im Streitzeitraum auszuübende Tätigkeit als Sachgebietsleiterin aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang. Sowohl die Leitungsaufgaben als auch die Grundsatz- und Sonderaufgaben dienten dem Arbeitsergebnis der Leitung des Sachgebiets „Finanzen und Abwicklung Grundstücksverkehr“. Eine organisatorische Trennung der unmittelbaren Leitungsaufgaben von den weiteren Tätigkeiten ist nicht erfolgt. Bei der Bearbeitung der Grundsatz- und Sonderaufgaben musste die Klägerin jederzeit mit der Übernahme von Leitungsaufgaben rechnen (vgl. für einen Leiter des Sachgebiets Allgemeiner Sozialer Dienst BAG 22. Juni 2022 – 4 AZR 440/21 – Rn. 25; für eine Praxisanleiterin BAG 17. März 2021 – 4 AZR 327/20 – Rn. 20 mwN). Eine Trennung lässt sich auch nicht der Auflistung der Tätigkeiten unter unterschiedlichen Überschriften in der Arbeitsplatzbeschreibung entnehmen. Sie vermag zudem die notwendige rechtliche Bewertung zur Bestimmung von Arbeitsvorgängen entsprechend den tariflichen Vorgaben durch die Gerichte nicht zu ersetzen (vgl. BAG 10. Juni 2020 – 4 AZR 142/19 – Rn. 15).
21 Dabei ist entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin nicht um ein sog. Funktionsmerkmal (sh. dazu BAG 17. März 2021 – 4 AZR 327/20 – Rn. 23 mwN) handelt. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen unter Hinweis auf das Fehlen eines Funktionsmerkmals getrennte Arbeitsvorgänge angenommen hat (zB BAG 22. April 1998 – 4 AZR 20/97 – zu 2 c der Gründe; 25. Oktober 1995 – 4 AZR 482/94 – zu II 2 c der Gründe), erfolgte dies allein unter der Prämisse, dass tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden dürften. Diese Rechtsprechung hat der Senat aufgegeben (ausf. hierzu BAG 9. September 2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 53 ff. mwN, BAGE 172, 130).
22 3. Die maßgebenden Tätigkeitsmerkmale im Teil A Abschnitt I Nr. 3 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA lauten:
„Entgeltgruppe 9b
1. Beschäftigte mit abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
2. Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert.
(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in den Entgeltgruppen 6 bis 9a geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)
Entgeltgruppe 9c
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 9b heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist.
Entgeltgruppe 10
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.
Entgeltgruppe 11
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.“
23 4. Die Klägerin ist der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA nicht nachgekommen.
24 a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des von ihr in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals trägt. Im Grundsatz muss die Beschäftigte die tatsächlichen Voraussetzungen einer von ihr klageweise begehrten Eingruppierung im Prozess darlegen und beweisen (BAG 27. April 2022 – 4 AZR 463/21 – Rn. 27; 14. Oktober 2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 30).
25 aa) Die Beklagte hat keine korrigierende Rückgruppierung vorgenommen, die zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast geführt hätte.
26 (1) Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, dh. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Entgeltgruppe, obliegt der Arbeitgeberin, wenn sich die Beschäftigte auf die ihr von der Arbeitgeberin zuvor als maßgebend mitgeteilte Entgeltgruppe beruft, die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung (BAG 27. April 2022 – 4 AZR 463/21 – Rn. 27 mwN).
27 Die spezifische Darlegungs- und Beweislast bei einer korrigierenden Rückgruppierung setzt einen „begrenzten Vertrauensschutz“ um, den die Beschäftigte aufgrund der Mitteilung der von der Arbeitgeberin vorgenommenen ursprünglichen Eingruppierung in Anspruch nehmen kann. Die Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz verpflichtet, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen. Die hierbei vertrauensbegründende Sorgfalt und Kompetenz bezieht sich jedoch nicht allein auf die Mitteilung der maßgebenden Entgeltgruppe innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung. Sie erfasst auch die von der Arbeitgeberin aufgrund einer Bewertung vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit der Beschäftigten sowie die von ihr angenommene Erfüllung von Anforderungen des konkreten Tätigkeitsmerkmals einer Entgeltordnung. Auf die Richtigkeit gerade dieses Bewertungs- und Zuordnungsvorgangs darf eine Beschäftigte vertrauen (BAG 27. April 2022 – 4 AZR 463/21 – Rn. 28; 20. März 2013 – 4 AZR 521/11 – Rn. 20).
28 (2) Eine korrigierende Rückgruppierung hat die Beklagte nicht vorgenommen. Sie hat die Klägerin im gesamten Streitzeitraum nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA vergütet.
29 bb) Der vorliegende Fall ist auch kein solcher, bei dem die für die korrigierende Rückgruppierung entwickelte Rechtsprechung ebenfalls angewendet werden kann.
30 (1) Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung gelten ihrem Sinn und Zweck nach auch in solchen Fällen, in denen die Arbeitgeberin durch Abkehr von der der Beschäftigten früher mitgeteilten und in der Folgezeit praktizierten Eingruppierung eine Vergütungssteigerung in der Zukunft zu verhindern sucht (vgl. zur Vermeidung eines Höhergruppierungsantrags nach § 29b TVÜ-VKA BAG 27. April 2022 – 4 AZR 463/21 – Rn. 30 ff.; zur Überleitung in eine neue Entgeltordnung BAG 20. März 2013 – 4 AZR 521/11 – Rn. 19; zum Bewährungsaufstieg BAG 16. Oktober 2002 – 4 AZR 447/01 – zu II 3 der Gründe; 26. April 2000 – 4 AZR 157/99 – zu I 3 a bb (2) der Gründe, BAGE 94, 287). Die Übertragung der Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung ist aber nur dann berechtigt, wenn sich aus der durch die Arbeitgeberin zunächst angenommenen Entgeltgruppe oder dem mitgeteilten Tätigkeitsmerkmal zwingend die tarifliche Voraussetzung auch der begehrten Entgeltgruppe ergibt (BAG 26. November 2003 – 4 AZR 695/02 – zu II 4 a der Gründe; 17. Mai 2000 – 4 AZR 232/99 – zu 2 c bb der Gründe).
31 (2) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine solche Fallgestaltung vorliegend nicht gegeben.
32 (a) Aus der durch die Beklagte mitgeteilten Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA ergibt sich nicht zwingend die Erfüllung des durch die Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA. Die Beklagte ist vom Vorliegen mehrerer Arbeitsvorgänge ausgegangen, die nur zum Teil die tarifliche Anforderung der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ erfüllten. Der zeitliche Anteil dieser Arbeitsvorgänge an der Gesamttätigkeit betrug ihrer Würdigung nach mehr als ein Drittel, aber weniger als die Hälfte. Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA würde jedoch erfordern, dass zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die diese Anforderung erfüllen. Das wäre vorliegend aber nur dann der Fall, wenn entweder – wovon die Klägerin ausgeht – die Bestimmung der Arbeitsvorgänge durch die Beklagte fehlerhaft erfolgt ist oder mindestens ein weiterer Arbeitsvorgang das Tarifmerkmal der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ erfüllt und die Bewertung der Beklagten insoweit fehlerhaft gewesen wäre. Wäre hingegen die Beurteilung der Beklagten korrekt, lägen nicht im erforderlichen zeitlichen Umfang Arbeitsvorgänge vor, bei denen Tätigkeiten von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ anfallen.
33 (b) Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, nach einer Korrektur der Bestimmung der Arbeitsvorgänge und Vorliegen eines einheitlichen Arbeitsvorgangs erfülle dieser zwingend insgesamt die Anforderung der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“. Ändert sich aufgrund neuer Bewertung der zeitliche Umfang des Arbeitsvorgangs, ist eine eigenständige Prüfung erforderlich, ob eine Tätigkeit, die ein Heraushebungsmerkmal erfüllt, im erforderlichen Umfang innerhalb des Arbeitsvorgangs auszuüben ist. Dies ist nicht zwingend der Fall (BAG 22. April 2009 – 4 AZR 166/08 – Rn. 34 ff.). Die Klägerin hat damit nicht auf eine Mitteilung der Beklagten vertraut, sondern im Hinblick auf die Bestimmung der Arbeitsvorgänge und das Vorliegen der Heraushebungsmerkmale eigene rechtliche Schlussfolgerungen gezogen, die die Beklagte ihrer Auffassung nach ebenfalls hätte ziehen müssen.
34 (c) Ein Vertrauen in die Bewertung der Beklagten scheidet zudem aus, weil die Klägerin deren Bewertung jedenfalls teilweise – in Bezug auf die Bestimmung der Arbeitsvorgänge – für fehlerhaft hält. Damit zieht sie gerade in Zweifel, dass deren Bewertung mit der erforderlichen Sorgfalt und Kompetenz vorgenommen worden ist.
35 (d) Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dadurch, dass die Beklagte nunmehr das Vorliegen von Tätigkeiten mit „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ in rechtserheblichem Ausmaß bestreitet, nicht einem „Höhergruppierungsantrag“ die Grundlage entzogen. Bei dem „Antrag“ der Klägerin handelt es sich nicht um einen im TVöD/VKA oder TVÜ-VKA vorgesehenen. Vielmehr legt die Klägerin – unabhängig von einer Überleitung in eine neue Entgeltordnung – lediglich ihre Rechtsauffassung dar, nach der ihre Tätigkeit höher zu bewerten sei.
36 b) Die Klägerin ist der ihr obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Dabei kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass sie eine Tätigkeit ausgeübt hat, die gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert sowie besonders verantwortungsvoll ist, also die tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 9c TVöD/VKA erfüllte. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, sie habe nicht dargetan, die von ihr auszuübende Tätigkeit habe sich zudem durch ihre „Bedeutung“ aus dieser Entgeltgruppe herausgehoben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Tätigkeit von „besonderer Schwierigkeit“ war.
37 aa) Beruft sich die darlegungs- und beweisbelastete Beschäftigte – wie vorliegend – auf die Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmals einer höheren Entgeltgruppe, welches auf dem einer niedrigeren Entgeltgruppe aufbaut und eine zusätzliche tarifliche Anforderung – „Heraushebungsmerkmal“ – vorsieht, erschließt sich deren genauer Inhalt erst durch eine Darstellung der Tätigkeit der Ausgangsentgeltgruppe und deren Anforderungen. In diesem Fall ist daher nicht ausreichend, wenn die Beschäftigte die ihr übertragenen Aufgaben im Einzelnen darstellt. Vielmehr ist darüber hinaus ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lässt, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von der in der Ausgangsentgeltgruppe bewerteten „Normaltätigkeit“ unterscheidet. Dieser Vortrag muss dem Gericht einen Vergleich zwischen der Tätigkeit der Ausgangsentgeltgruppe und der unter das höher bewertete Tarifmerkmal fallenden erlauben (st. Rspr., vgl. BAG 22. Juni 2022 – 4 AZR 495/21 – Rn. 42; ausf. BAG 14. Oktober 2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 30 ff.).
38 bb) Für die tarifliche Anforderung der gesteigerten „Bedeutung“ genügt eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Sie muss sich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beziehen und kann sich aus Art oder Größe des Aufgabengebiets sowie aus der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und die Allgemeinheit ergeben (BAG 22. Juni 2022 – 4 AZR 495/21 – Rn. 40 mwN zur insoweit inhaltsgleichen Vergütungsordnung des BAT).
39 cc) Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterliegt, soweit es sich um die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Bedeutung“ handelt, lediglich einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann in der Revisionsinstanz nur dahingehend überprüft werden, ob es den Rechtsbegriff als solchen erkannt und ihn bei der Subsumtion beibehalten hat, ob es Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat sowie darauf, ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAG 22. Juni 2022 – 4 AZR 495/21 – Rn. 41; zum Prüfungsmaßstab BAG 27. Februar 2019 – 4 AZR 562/17 – Rn. 32 mwN).
40 dd) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe es nicht vermocht darzulegen, dass das Heraushebungsmerkmal der Bedeutung auch nur in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliege, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat seiner rechtlichen Bewertung durch Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts die zutreffenden Grundsätze zugrunde gelegt. Es ist ferner unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen Umstände und wiederum Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung davon ausgegangen, weder aus der Führungsverantwortung der Klägerin noch den Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Haushaltsplanung und -aufstellung oder den Entscheidungen zum H-Kinder-Bauland-Bonus ergebe sich nach einem wertenden Vergleich die erforderliche Bedeutung der Tätigkeit. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit ihrer Revision hat sich die Klägerin auch nicht mehr gegen diese Wertung gewendet.
41 III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.