EuGH: Diskriminierungsverbot wegen Behinderung – Kündigung wegen Krankheit
EuGH, Urteil vom 18.1.2018 – C-270/16, Carlos Enrique Ruiz Conejero gegen Ferroser Servicios Auxiliares SA, Ministerio Fiscal
ECLI:EU:C:2018:17
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-243-1
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Tenor
Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund gerechtfertigter, aber wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz auch dann entlassen darf, wenn die Fehlzeiten die Folge von Krankheiten sind, die auf eine Behinderung des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, es sei denn, diese Regelung geht unter Verfolgung des legitimen Ziels der Bekämpfung von Absentismus nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Carlos Enrique Ruiz Conejero einerseits sowie der Ferroser Servicios Auxiliares SA und dem Ministerio Fiscal (Vertreter des öffentlichen Interesses, Spanien) andererseits über die Rechtmäßigkeit seiner im Anschluss an gerechtfertigte Abwesenheiten vom Arbeitsplatz erfolgten Entlassung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 In den Erwägungsgründen 11, 12, 16, 17, 20 und 21 der Richtlinie 2000/78 heißt es:
„(11) Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.
(12) Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. …
…
(16) Maßnahmen, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung.
(17) Mit dieser Richtlinie wird unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen, nicht die Einstellung, der berufliche Aufstieg, die Weiterbeschäftigung oder die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.
…
(20) Es sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, d. h. wirksame und praktikable Maßnahmen, um den Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten, z. B. durch eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des Angebots an Ausbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen.
(21) Bei der Prüfung der Frage, ob diese Maßnahmen zu übermäßigen Belastungen führen, sollten insbesondere der mit ihnen verbundene finanzielle und sonstige Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz der Organisation oder des Unternehmens und die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.“
4 Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie bestimmt:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“
5 Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) der Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:
i) [D]iese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder
ii) der Arbeitgeber oder jede Person oder Organisation, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, ist im Falle von Personen mit einer bestimmten Behinderung aufgrund des einzelstaatlichen Rechts verpflichtet, geeignete Maßnahmen entsprechend den in Artikel 5 enthaltenen Grundsätzen vorzusehen, um die sich durch diese Vorschrift, dieses Kriterium oder dieses Verfahren ergebenden Nachteile zu beseitigen.“
6 Art. 3 („Geltungsbereich“) der Richtlinie bestimmt in Abs. 1 Buchst. c:
„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
…
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“.
Spanisches Recht
7 Art. 14 der Verfassung bestimmt:
„Die Spanier sind vor dem Gesetz gleich, und niemand darf wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seines Geschlechtes, seiner Religion, seiner Anschauungen oder jedweder anderer persönlicher oder sozialer Umstände diskriminiert werden.“
8 Der die Rechte der Arbeitnehmer betreffende Art. 4 des Real Decreto Legislativo 1/1995, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores (Real Decreto Legislativo 1/1995 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut), vom 24. März 1995 (BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654) in seiner für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) sieht in Abs. 2 Buchst. c vor:
„Die Arbeitnehmer haben im Arbeitsverhältnis das Recht,
…
c) bei der Einstellung oder nach der Einstellung nicht aufgrund des Geschlechts, des Familienstands, des Alters innerhalb der durch dieses Gesetz festgelegten Grenzen, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der sozialen Stellung, der Religion oder Weltanschauung, der politischen Ideen, der sexuellen Orientierung, der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder aufgrund der Sprache im spanischen Staat unmittelbar oder mittelbar diskriminiert zu werden.
Ebenso wenig dürfen sie aufgrund einer Behinderung diskriminiert werden, sofern sie in der Lage sind, die betreffende Beschäftigung oder Tätigkeit auszuüben.“
9 In Art. 52 („Beendigung des Vertrags aus objektiven Gründen“) des Arbeitnehmerstatuts heißt es unter Buchst. d:
„Der Vertrag kann beendet werden
…
d) wegen – gerechtfertigter, aber wiederkehrender – Abwesenheiten vom Arbeitsplatz, die 20 % der Arbeitstage in zwei aufeinanderfolgenden Monaten und insgesamt 5 % in den vorangegangenen zwölf Monaten oder 25 % in vier nicht aufeinanderfolgenden Monaten innerhalb von zwölf Monaten erreichen.
Nicht als Fehlzeiten im Sinne des vorstehenden Absatzes zu berücksichtigen sind Abwesenheiten aus folgenden Gründen: rechtmäßiger Streik für dessen Dauer, Ausübung von Tätigkeiten der gesetzlichen Arbeitnehmervertretung, Arbeitsunfall, Mutterschutz, Gefährdung während Schwangerschaft und Stillen, durch Schwangerschaft, Entbindung oder Stillen verursachte Krankheiten, Vaterschaft, Arbeitsbefreiung und Urlaub, nicht berufsbedingte Krankheit oder nicht berufsbedingter Unfall bei Genehmigung der Abwesenheit durch die Gesundheitsbehörde und einer Dauer von mehr als 20 aufeinanderfolgenden Tagen sowie von der Sozial- oder der Gesundheitsbehörde bestätigte physische oder psychische Situation, die auf geschlechtsbezogene Gewalt zurückzuführen ist.
Ebenso wenig zu berücksichtigen sind Fehlzeiten wegen der ärztlichen Behandlung von Krebs oder einer schweren Erkrankung.“
10 Art. 2 des Real Decreto Legislativo 1/2013, por el que se aprueba el Texto Refundido de la Ley General de derechos de las personas con discapacidad y de su inclusión social (Real Decreto Legislativo 1/2013 zur Billigung der Neufassung des allgemeinen Gesetzes über die Rechte von Menschen mit Behinderung und ihre soziale Eingliederung), vom 29. November 2013 (BOE Nr. 289 vom 3. Dezember 2013, S. 95635) enthält folgende Begriffsbestimmungen:
„Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck
a) Behinderung: eine Situation, die sich aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit voraussichtlich dauerhaften Beeinträchtigungen und jeder Art von Barrieren ergibt, die ihre volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft zu gleichen Bedingungen wie andere einschränken oder verhindern;
…
d) mittelbare Diskriminierung: wenn dem Anschein nach neutrale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Tarifvertrags- oder Vertragsklauseln, individuelle Vereinbarungen, einseitige Entscheidungen, Kriterien oder Verfahren, Umgebungen, Waren oder Dienstleistungen eine Person in besonderer Weise wegen einer Behinderung gegenüber anderen Personen benachteiligen können, sofern sie nicht objektiv ein rechtmäßiges Ziel verfolgen und die Mittel zu dessen Erreichung nicht angemessen und erforderlich sind.“
11 Art. 40 („Erlass von Maßnahmen zur Verhinderung oder zum Ausgleich durch die Behinderung bedingter Nachteile als Gewährleistung der vollständigen Gleichstellung im Arbeitsleben“) des Gesetzes bestimmt:
„(1) Um die vollständige Gleichstellung im Arbeitsleben zu gewährleisten, steht der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aufrechterhaltung oder dem Erlass spezifischer Maßnahmen zur Verhinderung oder zum Ausgleich durch die oder wegen der Behinderung eingetretener Nachteile nicht entgegen.
(2) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Arbeitsplatz und die Zugänglichkeit des Unternehmens den Erfordernissen jeder konkreten Situation anzupassen, damit Menschen mit Behinderung Zugang zur Beschäftigung erhalten, ihre Arbeit erledigen, beruflich vorankommen und Zugang zur Fortbildung erhalten können, es sei denn, diese Maßnahmen stellen für den Arbeitgeber eine unverhältnismäßige Belastung dar.
Bei der Feststellung, ob eine Belastung unverhältnismäßig ist, ist zu berücksichtigen, ob sie durch öffentliche Maßnahmen, Beihilfen oder Zuschüsse für Menschen mit Behinderung in ausreichendem Maß erleichtert wird; zu berücksichtigen sind auch die mit den Maßnahmen verbundenen finanziellen und sonstigen Kosten sowie Größe und Gesamtumsatz der Organisation oder des Unternehmens.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
12 Am 2. Juli 1993 wurde Herr Ruiz Conejero für eine Tätigkeit als Reinigungskraft in einem Krankenhaus in Cuenca (Spanien) in der Region Kastilien-La Mancha (Spanien) eingestellt. Zuletzt war er auf dieser Stelle bei dem Reinigungsunternehmen Ferroser Servicios Auxiliares beschäftigt.
13 Herr Ruiz Conejero arbeitete ohne besondere Vorkommnisse sowohl für dieses Unternehmen als auch für die Unternehmen, bei denen er zuvor beschäftigt war. Weder hatte er je Schwierigkeiten bei der Arbeit, noch wurde irgendeine Sanktion gegen ihn verhängt.
14 Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung stellte die Delegación de Cuenca de la Consejería de Salud y Asuntos Sociales de la Junta de Comunidades de Castilla-La Mancha (Zweigstelle Cuenca des Ministeriums für Gesundheit und Soziales der Regionalregierung von Kastilien-La Mancha) mit Bescheid vom 15. September 2014 fest, dass Herr Ruiz Conejero an einer Behinderung leide. Der Grad seiner Behinderung wurde auf 37 % festgesetzt, wovon 32 % auf eine körperliche Behinderung – eine endokrine Stoffwechselkrankheit (Adipositas) und eine Funktionseinschränkung seiner Wirbelsäule – und die übrigen 5 % auf ergänzende soziale Faktoren entfielen.
15 In den Jahren 2014 und 2015 war Herr Ruiz Conejero während folgender Zeiträume arbeitsunfähig:
– vom 1. bis zum 17. März 2014 wegen akuter Schmerzen, die einen Krankenhausaufenthalt vom 26. Februar bis zum 1. März 2014 erforderlich machten,
– vom 26. bis zum 31. März 2014 wegen Schwindel/Übelkeit,
– vom 26. Juni bis zum 11. Juli 2014 wegen Lumbago,
– vom 9. bis zum 12. März 2015 wegen Lumbago,
– vom 24. März bis zum 7. April 2015 wegen Lumbago,
– vom 20. bis zum 23. April 2015 wegen Schwindel/Übelkeit.
16 Nach der Diagnose der Servicios Médicos de la Sanidad Pública (Ärztliche Dienste des Gesundheitsamts, Spanien) wurden diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch eine degenerative Gelenkerkrankung und eine Polyarthrose verursacht, die durch die Adipositas von Herrn Ruiz Conejero verschlimmert würden. Sie hätten ihren Ursprung in den Krankheiten, die zur Anerkennung der Behinderung von Herrn Ruiz Conejero geführt hätten.
17 Herr Ruiz Conejero hatte seinem Arbeitgeber alle in Rn. 15 des vorliegenden Urteils genannten krankheitsbedingten Fehlzeiten form- und fristgerecht mittels ärztlicher Bescheinigungen angezeigt, in denen ihr Grund und ihre Dauer angegeben waren.
18 Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 kündigte Ferroser Servicios Auxiliares Herrn Ruiz Conejero gemäß Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts, da die Gesamtdauer seiner – möglicherweise gerechtfertigten – Fehlzeiten das in dieser Bestimmung festgelegte Höchstmaß überschritten habe, nämlich 20 % der Arbeitstage in den Monaten März und April 2015, wodurch seine gesamten Fehlzeiten in den zwölf vorangegangenen Monaten 5 % der Arbeitstage erreicht hätten.
19 Herr Ruiz Conejero erhob beim Juzgado de lo Social n° 1 de Cuenca (Sozialgericht Nr. 1 von Cuenca) Klage gegen diese Kündigung.
20 Er stellt weder die Existenz der Fehlzeiten noch die Richtigkeit der Angaben zu ihnen oder ihren prozentualen Anteil in Abrede, macht jedoch geltend, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Fehlzeiten und seiner Behinderung bestehe. Er begehrt die Nichtigerklärung seiner Kündigung mit der Begründung, dass sie eine Diskriminierung wegen der Behinderung darstelle.
21 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hatte Herr Ruiz Conejero freiwillig auf die von der Krankenkasse, der sein Arbeitgeber angehört, durchgeführten regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen verzichtet, so dass der Arbeitgeber nicht wusste, dass Herr Ruiz Conejero zum Zeitpunkt seiner Entlassung eine Behinderung hatte.
22 Das vorlegende Gericht führt aus, Arbeitnehmer mit Behinderung seien einem größeren Risiko als andere Arbeitnehmer ausgesetzt, dass Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts auf sie angewandt werde, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber von der Behinderung wisse. Darin liege eine Ungleichbehandlung, die eine mittelbare Diskriminierung wegen einer Behinderung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 darstelle, ohne dass es für diese Ungleichbehandlung die nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i erforderliche sachliche Rechtfertigung durch ein rechtmäßiges Ziel gebe.
23 Wegen der Auslegung der Richtlinie 2000/78 durch den Gerichtshof im Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222), stelle sich die Frage, wie die Richtlinie aufzufassen sei. Die dänische Regelung, die Gegenstand der Rechtssache gewesen sei, in der dieses Urteil ergangen sei, habe zu einer Politik der Integration von Arbeitnehmern mit Behinderung gehört, die den Arbeitgebern einen Anreiz habe bieten sollen, Arbeitnehmer einzustellen, bei denen ein besonderes Risiko bestehe, dass sie wiederholt krankheitsbedingt abwesend seien. Dies sei im Ausgangsverfahren nicht der Fall; dort gebe es kein Ziel des Gesetzgebers, Arbeitnehmer mit Behinderung zu integrieren. Somit sei Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts nicht mit der Richtlinie 2000/78 vereinbar und müsse geändert werden, um Behinderungen Rechnung zu tragen.
24 Unter diesen Umständen hat der Juzgado de lo Social n° 1 de Cuenca (Sozialgericht Nr. 1 von Cuenca) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Verbietet es die Richtlinie 2000/78, eine nationale Rechtsvorschrift, nach der ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aus objektiven Gründen wegen – gerechtfertigten, aber wiederkehrenden – Abwesenheiten vom Arbeitsplatz, die 20 % der Arbeitstage in zwei aufeinanderfolgenden Monaten und insgesamt 5 % in den vorangegangenen zwölf Monaten oder 25 % in vier nicht aufeinanderfolgenden Monaten innerhalb von zwölf Monaten erreichen, kündigen darf, auf einen Arbeitnehmer anzuwenden, der als behindert im Sinne dieser Richtlinie anzusehen ist, wenn die Abwesenheit durch die Behinderung verursacht ist?
Zur Vorlagefrage
25 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund gerechtfertigter, aber wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz auch dann entlassen darf, wenn die Fehlzeiten die Folge von Krankheiten sind, die auf eine Behinderung des Arbeitnehmers zurückzuführen sind.
26 Diese Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b. Ziff. i der Richtlinie 2000/78 im Licht des Urteils vom 11. April 2013, HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222), und damit die Vereinbarkeit von Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts mit dem Unionsrecht.
27 Einleitend ist festzustellen, dass die Richtlinie 2000/78 nach ihrem Art. 1 die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf aus einem der in diesem Artikel genannten Gründe bezweckt, zu denen die Behinderung zählt. Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gilt die Richtlinie im Rahmen der auf die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen u. a. in Bezug auf die Entlassungsbedingungen.
28 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 so zu verstehen, dass er eine Einschränkung von Fähigkeiten erfasst, die u. a. auf langfristige physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die den Betreffenden in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben unter Gleichstellung mit den übrigen Arbeitnehmern hindern können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2017, Milkova, C‑406/15, EU:C:2017:198, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Insoweit fällt die Adipositas des betreffenden Arbeitnehmers, die unter bestimmten Umständen eine Einschränkung von Fähigkeiten im Sinne der vorangegangenen Randnummer des vorliegenden Urteils mit sich bringt, unter den Begriff der Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78 (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, FOA, C‑354/13, EU:C:2014:2463, Rn. 59).
30 Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Adipositas an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben unter Gleichstellung mit den übrigen Arbeitnehmern gehindert ist, und zwar aufgrund eingeschränkter Mobilität oder dem Auftreten von Krankheitsbildern, die ihn an der Verrichtung seiner Arbeit hindern oder zu einer Beeinträchtigung der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit führen (Urteil vom 18. Dezember 2014, FOA, C‑354/13, EU:C:2014:2463, Rn. 60).
31 Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht aus, dass Herr Ruiz Conejero vor seiner Entlassung als Mensch mit Behinderung im Sinne des nationalen Rechts anerkannt worden sei. Er leide insbesondere an einer endokrinen Stoffwechselkrankheit, nämlich Adipositas, und einer Funktionsbeeinträchtigung seiner Wirbelsäule.
32 Klarzustellen ist allerdings, dass die Tatsache, dass Herr Ruiz Conejero als Mensch mit Behinderung im Sinne des nationalen Rechts anerkannt ist, nicht bedeutet, dass er an einer Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78 leidet.
33 Insoweit hat, um zu klären, ob im Ausgangsverfahren die Situation, in der sich Herr Ruiz Conejero befindet, in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt, das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die Einschränkung seiner Fähigkeiten nach der Definition in Rn. 28 des vorliegenden Urteils als Behinderung im Sinne der Richtlinie einzustufen ist.
34 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 der „Gleichbehandlungsgrundsatz“ bedeutet, „dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf“.
35 Vorliegend bestimmt Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts, dass ein Arbeitsvertrag wegen – gerechtfertigter, aber wiederkehrender – Abwesenheiten vom Arbeitsplatz beendet werden kann, die 20 % der Arbeitstage in zwei aufeinanderfolgenden Monaten und insgesamt 5 % in den vorangegangenen zwölf Monaten oder 25 % in vier nicht aufeinanderfolgenden Monaten innerhalb von zwölf Monaten erreichen.
36 Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung greift nur dann in den Schutzbereich der Richtlinie 2000/78 ein, wenn sie eine Diskriminierung im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 darstellt. Der unter die Richtlinie fallende Arbeitnehmer mit Behinderung muss nämlich vor jeder Diskriminierung im Verhältnis zu einem Arbeitnehmer ohne Behinderung geschützt werden. Daher stellt sich die Frage, ob die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Bestimmung zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderung führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 71).
37 Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts ist in gleicher Weise auf Menschen mit und ohne Behinderung anwendbar, die krankheitsbedingt dem Arbeitsplatz fernbleiben. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmung eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen der Behinderung im Sinne von Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 schafft, da sie auf einem nicht untrennbar mit der Behinderung verbundenen Kriterium beruht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 72 und 74, und vom 9. März 2017, Milkova, C‑406/15, EU:C:2017:198, Rn. 42).
38 Zu der Frage, ob Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung wegen der Behinderung führen kann, ist festzustellen, dass die Berücksichtigung von Fehlzeiten wegen einer mit der Behinderung in Zusammenhang stehenden Krankheit bei der Berechnung krankheitsbedingter Fehlzeiten darauf hinausläuft, eine mit der Behinderung in Zusammenhang stehende Krankheit dem allgemeinen Begriff der Krankheit gleichzusetzen. Wie der Gerichtshof in Rn. 44 des Urteils vom 11. Juli 2006, Chacón Navas (C‑13/05, EU:C:2006:456), ausgeführt hat, ist aber eine schlichte Gleichsetzung der Begriffe „Behinderung“ und „Krankheit“ ausgeschlossen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 75).
39 Hierzu ist festzustellen, dass ein Arbeitnehmer mit Behinderung grundsätzlich einem höheren Risiko als ein Arbeitnehmer ohne Behinderung ausgesetzt ist, dass auf ihn Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts angewandt wird. Im Vergleich zu einem Arbeitnehmer ohne Behinderung trägt ein Arbeitnehmer mit Behinderung nämlich ein zusätzliches Risiko, wegen einer mit seiner Behinderung zusammenhängenden Krankheit abwesend zu sein. Er ist somit einem höheren Risiko ausgesetzt, krankheitsbedingte Fehltage anzusammeln und damit die in Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts vorgesehene Grenze zu erreichen. Die in dieser Bestimmung aufgestellte Regel kann daher Arbeitnehmer mit Behinderung benachteiligen und so zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung wegen der Behinderung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 76).
40 Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 ist zu prüfen, ob die aus Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts resultierende Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit und ohne Behinderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist, ob die eingesetzten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen sind und ob sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des vom spanischen Gesetzgeber verfolgten Ziels erforderlich ist.
41 Zu dem mit Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts verfolgten Ziel führt die spanische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen aus, dass Absentismus am Arbeitsplatz, der sich in krankheitsbedingter unregelmäßiger und kurzzeitiger Abwesenheit vom Arbeitsplatz äußere, mit Blick auf die Erhöhung der Arbeitsproduktivität und ‑effizienz vom spanischen Gesetzgeber schon seit Langem als ein Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesehen werde, um eine unangebrachte Erhöhung der Arbeitskosten für die Unternehmen zu vermeiden.
42 Infolge dieser excesiva morbilidad intermitente (übermäßige unregelmäßige Häufung von Erkrankungen) müssten die Unternehmen nicht nur die unmittelbaren Kosten der Abwesenheit vom Arbeitsplatz in Form der in den ersten 15 Tagen des Fernbleibens zu zahlenden Leistung der sozialen Sicherheit wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, die nicht von der Allgemeinen Sozialversicherungskasse erstattet verlangt werden könne, nebst den Kosten für eine Vertretung tragen, sondern auch die mittelbaren Kosten, die darin bestünden, dass kurze Fehlzeiten besonders schwer ausgeglichen werden könnten.
43 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Wertungsspielraum nicht nur bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels, sondern auch bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen verfügen (Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Vorliegend kann der Kampf gegen Absentismus am Arbeitsplatz als ein sachlich gerechtfertigtes Ziel im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 angesehen werden, da es sich um eine beschäftigungspolitische Maßnahme handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 82).
45 Zu prüfen ist jedoch, ob die durch die nationale Regelung eingesetzten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen sind und nicht über das zu seiner Erreichung Erforderliche hinausgehen.
46 Insoweit ist es zum einen bei der Prüfung der Angemessenheit der eingesetzten Mittel Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob die in Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts vorgegebenen Zahlen tatsächlich so konzipiert sind, dass sie dem Ziel dienen, Absentismus am Arbeitsplatz zu bekämpfen, ohne rein punktuelle und sporadische Fehlzeiten zu erfassen.
47 Das vorlegende Gericht hat bei dieser Prüfung auch alle anderen relevanten Gesichtspunkte zu berücksichtigen, u. a. die von den Unternehmen wegen Absentismus am Arbeitsplatz zu tragenden unmittelbaren und mittelbaren Kosten.
48 Desgleichen hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts den Arbeitgebern einen Anreiz zur Einstellung und Weiterbeschäftigung bietet, indem er das Recht vorsieht, Arbeitnehmer zu entlassen, die krankheitsbedingt wiederholt eine Reihe von Tagen abwesend sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 88).
49 Zum anderen ist Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts bei der Prüfung der Frage, ob die darin vorgesehenen Mittel über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen, in dem Kontext zu betrachten, in den er sich einfügt, und die Nachteile, die den Betroffenen durch ihn entstehen können, sind zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Dabei hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob der spanische Gesetzgeber die Berücksichtigung relevanter Gesichtspunkte unterlassen hat, die insbesondere Arbeitnehmer mit Behinderung betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 90).
51 Bei der Beurteilung der Angemessenheit der in Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts vorgesehenen Mittel darf auch das Risiko für Menschen mit Behinderung, die im Allgemeinen bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt größere Schwierigkeiten als Arbeitnehmer ohne Behinderung haben und die spezifische Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem Schutz haben, den ihr Zustand erfordert, nicht außer Acht bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 91).
52 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts u. a. Abwesenheiten wegen nicht berufsbedingter Krankheit oder nicht berufsbedingten Unfalls bei Genehmigung der Abwesenheit durch die Gesundheitsbehörde und einer Dauer von mehr als 20 aufeinanderfolgenden Tagen nicht als wiederholte Fehlzeiten gelten, aufgrund deren der Arbeitsvertrag beendet werden kann. Auch Abwesenheiten wegen der ärztlichen Behandlung von Krebs oder einer schweren Erkrankung gelten nicht als Fehlzeiten.
53 Nach den Angaben der spanischen Regierung wollte der nationale Gesetzgeber damit einen Ausgleich zwischen den Interessen der Unternehmen und dem Schutz und der Sicherheit der Arbeitnehmer schaffen; dabei hätten Ungerechtigkeiten oder Nachteile durch die Maßnahme vermieden werden sollen. Deshalb könnten bestimmte Abwesenheiten, etwa wegen der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils beschriebenen Krankheiten, nicht als Grundlage für eine Entlassung aufgrund wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz dienen. Im Jahr 2012 habe der spanische Gesetzgeber der Liste von Abwesenheiten, die keinen Entlassungsgrund darstellen könnten, Fälle hinzugefügt, die die Folge einer ärztlichen Behandlung von Krebs oder einer schweren Erkrankung seien. Arbeitnehmer mit Behinderung fielen im Allgemeinen unter diese Fallgruppen, so dass bei ihnen die Abwesenheiten wegen der Behinderung nicht bei einer Entlassung aufgrund wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz berücksichtigt würden.
54 Nach Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts dürfen zwar bestimmte Abwesenheiten nicht als wiederkehrende Fehlzeiten berücksichtigt werden, aufgrund deren der Vertrag beendet werden kann, doch erfassen die Fehlzeiten aufgrund einer Erkrankung des Arbeitnehmers nicht alle Fälle einer „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78.
55 Nach den Angaben der spanischen Regierung gehört zu den Gesichtspunkten, die bei der in Rn. 49 des vorliegenden Urteils angesprochenen Prüfung zu berücksichtigen sind, die Tatsache, dass es in der spanischen Rechtsordnung Bestimmungen gibt, die speziell zum Schutz von Menschen mit Behinderung dienen; dazu gehört der in Rn. 11 des vorliegenden Urteils angeführte Art. 40 des Decreto Legislativo 1/2013. Solche Bestimmungen können nämlich die durch die Behinderung herbeigeführten Nachteile einschließlich des etwaigen Auftretens mit ihr zusammenhängender Krankheiten verhindern oder ausgleichen.
56 Im Licht dieser Gesichtspunkte ist es Sache des vorlegenden Gerichts, in Bezug auf Menschen mit Behinderung zu beurteilen, ob die in Art. 52 Buchst. d des Arbeitnehmerstatuts vorgesehenen Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
57 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund gerechtfertigter, aber wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz auch dann entlassen darf, wenn die Fehlzeiten die Folge von Krankheiten sind, die auf eine Behinderung des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, es sei denn, diese Regelung geht unter Verfolgung des legitimen Ziels der Bekämpfung von Absentismus nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.