LAG Berlin-Brandenburg: Das Konsultationsverfahren im Rahmen einer Massenentlassung
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.7.2016 – 2 Sa 687/16
Volltext: BB-ONLINE BBL2015-2676-5
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Leitsätze
Der Arbeitgeber hat seine Beratungs-pflicht i.S.v. § 17 Abs. 2 KSchG erfüllt, wenn er mit ernsthaftem Willen zu einer Einigung zu gelangen, die Verhandlungsgegenstände gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2KSchG mit dem Betriebsrat erörtert hat.
Zwar sieht die Regelung gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 98/59/EG die Beratungspflicht vor, „um zu einer Einigung zu gelangen“, es besteht jedoch kein Zwang zur Einigung, zumal Möglichkeiten zur Vermeidung von Kündigungen bzw. der Milderung von Folgen nur zu beraten sind.
Das Ende des Konsultationsverfah-rens ist begrifflich nicht im Sinne eines prozessualen Verfahrensab-schlusses, sondern als Erfüllung der Beratungspflicht zu verstehen. Somit kann das Ergebnis der Verhandlun-gen sowohl in einer Übereinkunft als auch im Scheitern liegen.
Nach Wortlaut, Systematik und Zweck der Richtlinie 98/59/EG steht die Beurteilungskompetenz bezüglich des Scheiterns der Verhandlungen dem Arbeitgeber zu, denn er bleibt frei in seiner Entscheidung, ob er Massen-entlassungen durchführen will.
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung vom 27. Juni 2015.
Die Klägerin war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängern seit dem 01.11.1997 als Mitarbeiterin im Check-In gegen ein monatliches Entgelt von zuletzt 2.091,99 EUR brutto beschäftigt.
Die im Jahr 2011 gegründete Beklagte erbrachte seit Mai 2012 Passage-Dienstleistungen auf den Flughäfen Berlin-Tegel und Schönefeld für ihre alleinige Auftraggeberin, die G. Berlin GmbH & Co. KG (im Folgenden: GGB), die zugleich Kommanditistin der Beklagten und allein stimmberechtigte Gesellschafterin ist. Die Beklagte und die GGB gehören zur W.-Gruppe, die etwa 80 % der Bodendienstleistungen am Flughafen Berlin-Tegel erbringt. Die GGB führte als Rechtsvorgängerin der Beklagten sämtliche Vorfeld- und Passage-Dienstleistungen an den Flughäfen Tegel und Schönefeld mit ihrem Betrieb durch. Sie spaltete ihren Betrieb im Jahr 2011 in die vier Bereiche Verwaltung, Passage, Vorfeld und Werkstatt mit jeweils rechtlich eigenständigen Betrieben auf, von denen die Beklagte seit Mai 2012 die Passage-Dienstleistungen übernahm. Im Juni 2014 spaltete die Beklagte ihren Betrieb in die Betriebsteile Tegel und Schönefeld auf und übertrug den Betriebsteil Schönefeld im Wege eines Betriebsüberganges auf eine neu gegründete Gesellschaft. Die GGB beschäftigt neben der Geschäftsführerin keine Arbeitnehmer mehr, die Beklagte beschäftigte zuletzt etwa 190 Arbeitnehmer. Komplementärinnen der Beklagten und der GGB sind jeweils Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafter natürliche Personen sind. Kommanditistin der GGB ist ein Unternehmen der W.-Gruppe.
Die GGB kündigte mit Schreiben vom 9. September 2014 (Fotokopie Bl. 78 d.A.) und vom 22. September 2014 (Fotokopie Bl. 79, 80 d.A.) alle noch vorhandenen Aufträge der Beklagten aus dem Bereich Check-In zum 30. September 2014, 7. Oktober 2014 und 3. November 2014, die übrigen Aufträge zum 31. März 2015. Sie vergab die gekündigten Aufträge neu an andere Auftragnehmer, die überwiegend zur W.-Gruppe gehören.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 22. September 2014 beschloss die allein stimmberechtigte GGB mit Zustimmung der Komplementärin, dass beabsichtigt sei, den Betrieb der Beklagten zum 31. März 2015 stillzulegen und die dem Betriebszweck dienende Organisation zu diesem Datum vollständig aufzulösen. Der Geschäftsführer der Komplementärin wurde angewiesen, alle zur Vorbereitung der Stilllegung des Betriebes erforderlichen Maßnahmen durchzuführen, insbesondere mit dem Betriebsrat unverzüglich Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs durchzuführen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschafterbeschlusses vom 22. September 2014 wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 81 d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 22. September 2014 (Fotokopie Bl. 124, 125 d.A.) teilte die Beklagte dem in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat u.a. mit, dass alle noch bestehenden Dienstleistungsverträge gekündigt worden seien, und dass die GGB den Geschäftsführer aufgefordert habe, Interessenausgleichsverhandlungen über die beabsichtigte Schließung des Geschäftsbetriebes durchzuführen. Die Beklagte forderte den Betriebsrat zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan auf. Am 25. September 2014 und 7. Oktober 2014 fanden zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich statt. Mit Schreiben vom 26. September 2014 (Fotokopie Bl. 127, 127 R d.A.) gab die Beklagte dem Betriebsrat weitere Informationen u.a. zu den neuen Auftragnehmern.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2015 erteilte die Beklagte dem Betriebsrat eine „Information gem. § 17 Abs. 2 KSchG“. Darin teilte sie dem Betriebsrat u.a. mit, dass sie beabsichtige, den Betrieb stillzulegen und die Arbeitsverhältnisse der gesamten Belegschaft von aktuell 192 Arbeitnehmern im Januar 2015 zu kündigen. Das Schreiben enthielt ferner Informationen über die Anzahl und Berufsgruppen der Beschäftigten und der zu entlassenden Arbeitnehmer, den Zeitraum der Entlassungen, zur Sozialauswahl und zu Kriterien für die Abfindungen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens nebst Anlagen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 122 – 130 d.A.) verwiesen.
Mit Beschluss vom 20. Januar 2015 beschloss die allein stimmberechtigte GGB mit Zustimmung der Komplementärin, den Betrieb der Beklagten zum 31. März 2015 stillzulegen und wies den Geschäftsführer der Komplementärin an, alle zur Stilllegung des Betriebs erforderlichen Maßnahmen durchzuführen, insbesondere die Arbeitsverhältnisse mit allen Mitarbeitern durch einvernehmliche Aufhebungsverträge oder durch betriebsbedingte Kündigungen zu beenden. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Gesellschafterbeschlusses wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 82 d.A.) verwiesen.
Nach erfolgter Betriebsratsanhörung und Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit in Cottbus und Berlin-Reinickendorf kündigte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer im Januar/Februar 2015, so auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 29. Januar 2015 zum 31. Juli 2015.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2015 (Fotokopie Bl. 104 d.A.) kündigte die Beklagte die Mieträume zum 31. März 2015. Nach dem 31. März 2015 wurden alle Mitarbeiter, deren Kündigungsfristen noch liefen, von der Beklagten unwiderruflich freigestellt. Die Beklagte erbringt seit diesem Zeitpunkt auf den Flughäfen keine Dienstleistungen mehr.
Die Klägerin hat gegen die Kündigung vom 29. Januar 2015 Kündigungsschutzklage erhoben, die das Arbeitsgericht Berlin (- 28 Ca 1559/15 -) abgewiesen hat. Auf die Berufung der Klägerin ist das Urteil vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (- 21 Sa 1241/15 -) abgeändert und festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung der Beklagten vom 29.01.2015 nicht aufgelöst worden ist. Die Revision ist zugelassen worden, der Rechtsstreit ist beim BAG anhängig.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 informierte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat erneut über eine Massenentlassung gem. § 17 Abs. 2 KSchG wegen der von ihr beabsichtigten vorsorglichen erneuten Kündigungen aller Arbeitsverhältnisse unter Beifügung der und Bezugnahme auf die dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der ersten Kündigungswelle überreichten Unterlagen und Informationen. Sie schlug dem Betriebsrat für die vorzunehmenden Konsultationen einen Termin vor und bat alternativ um Terminvorschläge des Betriebsrats. Wegen des Inhalts des Schreibens vom 10. Juni 2015 im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 158 – 167 d.A.) verwiesen.
Daraufhin fanden am 24. Juni 2015 Beratungen zwischen der Geschäftsführung der Beklagten und dem Betriebsrat statt. Hierbei wurde seitens des Betriebsrates insbesondere die Möglichkeit einer Neueröffnung des Geschäftsbetriebes der Beklagten thematisiert. Der Betriebsrat forderte, weitere Informationen zu Kalkulationsgrundlagen, Preisen etc. zu erhalten. Am Abend des 24. Juni 2015 übersandte der Geschäftsführer der Beklagten dem Betriebsrat eine E-Mail, in der er dem Betriebsrat die Möglichkeit einräumte, bis zum nächsten Tag 18:00 Uhr ergänzend bzw. abschließend Stellung zu nehmen. Des Weiteren wies er darauf hin, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die GGB eventuell am nächsten Tag eine endgültige Entscheidung treffen werde. Wegen des weiteren Inhalts der E-Mail im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 187 d.A.) verwiesen. Hierauf antwortete der Betriebsrat mit Schreiben vom 25. Juni 2015, in dem er u.a. darauf verwies, dass das Gremium in seiner Sitzung am nächsten Dienstag beraten und sodann unverzüglich und abschließend Stellung nehmen werde. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 188 d.A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 26. Juni 2016 teilte die Beklagte dem Betriebsrat u.a. mit, dass kein Einvernehmen dahin bestanden habe, dass eine abschließende Beratung durch den Betriebsrat am nächsten Dienstag abgewartet werden sollte. Es fehle an der notwendigen Grundlage für ernsthafte Gespräche über eine Neueröffnung des Betriebes. Die GGB habe entsprechend mitgeteilt, dass sie an ihrem Stilllegungsbeschluss festhalte und die Beklagte habe daher beschlossen, die Kündigungen zu wiederholen. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 189 d.A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2015 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den beabsichtigten vorsorglichen Kündigungen an. In der beigefügten Liste der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse gekündigt werden sollten, war auch die Klägerin aufgeführt. Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 204 – 210 d.A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 19. Juni 2015 forderte der Betriebsrat die Beklagte auf, das Anhörungsschreiben zurückzuziehen, da er die Anhörung für verfrüht hielt. Vorsorglich widersprach er unter Bezugnahme auf den Inhalt seines Widerspruchsschreibens vom 27. Januar 2015 den Kündigungen. Wegen des Inhalts des Schreibens des Betriebsrates im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 212 – 213 R d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 erstattete die Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit Cottbus die „Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG“. Wegen des Inhalts der Anzeige nebst Anlagen im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Fotokopie (Bl. 190 – 200 R d.A.) verwiesen. Ob eine inhaltsgleiche Massenentlassungsanzeige ebenfalls mit Schreiben vom 26. Juni 2015 an die Agentur für Arbeit Berlin Nord erfolgte, ist streitig. Jedenfalls teilte diese mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 (Fotokopie Bl. 203 d.A.) der Beklagten mit, dass die Anzeige vom 26. Juni 2015 rechtswirksam in der Agentur für Arbeit Berlin Nord eingegangen und zuständigkeitshalber von der Agentur für Arbeit Cottbus bearbeitet worden sei.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2015 (Fotokopie Bl. 26 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut aus betriebsbedingten Gründen ordentlich zum nächstmöglichen Termin, nach Berechnung der Beklagten zum 31. Dezember 2015.
Gegen diese Kündigung vom 27. Juni 2015 richtet sich die am 6. Juli 2015 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene und der Beklagten am 3. August 2015 zugestellte Kündigungsschutzklage.
Die Klägerin ist u.a. der Ansicht, dass von einer rechtsmissbräuchlichen Unternehmerentscheidung sowie von einer Umgehung tragender Prinzipien des geltenden Kündigungsschutzes auszugehen sei. Die Vorgehensweise der Beklagten stelle auch eine Umgehung des kündigungsrechtlichen Grundsatzes „Änderungskündigung geht vor Vollkündigung“ dar. Ferner sei auf Grund besonderer Umstände ein konzernbezogener Kündigungsschutz zu bejahen. Sie sei der Auffassung, dass die streitgegenständliche Kündigung im Hinblick auf die Qualifizierung der Aushöhlung der Beklagten als einem verdeckten Betriebsübergang unwirksam sei. Es liege eine Umgehung des Kündigungsschutzes nach § 613 a Abs. 3 BGB vor. Das Konsultationsverfahren gem. § 17 Abs. 2, Abs. 3 a KSchG sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die notwendigen Informationen seien nicht erteilt worden. Die Massenentlassungsanzeige sei an eine örtlich nicht zuständige Agentur für Arbeit eingereicht worden. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten nicht aufgrund der Kündigung vom 27.06.2015 zum nächstmöglichen Termin, welcher nach Berechnungen der Beklagten der 31.12.2015 sein soll, mit Ablauf des 31.12.2015 aufgelöst werden wird, sondern über den 31.12.2015 hinaus ungekündigt weiter fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Kündigung für wirksam gehalten. Sie sei wegen der Schließung des Betriebs sozial gerechtfertigt und auch im Übrigen rechtmäßig. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Ein Verstoß gegen § 17 KSchG liege nicht vor.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 01.03.2016 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt und damit wirksam im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KSchG sei. Die Beklage habe wegen der Betriebsstilllegung gekündigt, die Betriebsstillegung gehöre zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Eine Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sei entbehrlich gewesen, da die Beklagte sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt hätte. Die Kündigung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz habe nicht erfolgen können. Ob in anderen Unternehmen eine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe, sei irrelevant. Das Kündigungsschutzgesetz sei unternehmens-, nicht konzernbezogen. Die Kündigung sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 102 BetrVG oder § 17 KSchG unwirksam. Insbesondere habe die Beklagte nicht das Beratungsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG verletzt. Die Beklagte habe eine weitere Stellungnahme des Betriebsrats nach dem 26.06.2015 nicht abwarten müssen, nachdem sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 10.06.2016 umfassend gemäߧ 17 Abs. 2 KSchG informiert und zudem eine gesonderte Beratung mit dem Betriebsrat am 24.06.2015 stattgefunden hätte. Die Beklagte durfte im Übrigen rechtlich zulässig den Weg über § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG gehen. Die Beklagte habe in der Massenentlassungsanzeige ausführlich die Beteiligung des Betriebsrats unter Beifügung der entsprechenden Anlagen dargelegt. Der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige am 26. Juni 2016 stehe nicht entgegen, dass die Beratungen aus Sicht des Betriebsrats noch keinen Abschluss gefunden hätten. § 17 Abs. 2 Satz KSchG verlange nicht, dass außer der Unterrichtung des Betriebsrats und der Beratung mit diesem auch eine Einigung über die Durchführung der Massenentlassungen erzielt worden sei. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Stellungnahme des Betriebsrats nach seiner Sitzung am 30. Juni 2015 abzuwarten.
Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts Berlin und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf das Urteil vom 01.03.2016 (Bl. 276 – 297 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 01.04.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.04.2016 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und am 20.05.2016 begründete Berufung der Klägerin.
Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag erster Instanz unter konkretem Angriff des arbeitsgerichtlichen Urteils und hält die Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG und im Übrigen rechtsmissbräuchlich. Die Sozialauswahl sei mangelhaft, da sie nicht konzernbezogen durchgeführt worden sei. Die Kündigung sei auch gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Die Klägerin habe auf einem anderen Arbeitsplatz im Konzern weiterbeschäftigt werden können. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, das Massenentlassungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dabei sei insbesondere das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Ferner sei durch die Beklagte § 17 Abs. 3 a KSchG nicht beachtet worden. Die Massenentlassungsanzeige sei bei der falschen Agentur für Arbeit in Cottbus manipulativ durch falsche Angaben hinsichtlich des Betriebssitzes angezeigt worden. Die Entscheidung sei danach durch die falsche Behörde ergangen und dies sei auch beabsichtigt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.03.2016 zum Az. 18 Ca 9390/15 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten nicht aufgrund der Kündigung vom 27.06.2015 zum nächstmöglichen Termin, welcher nach den Berechnungen der Beklagten der 31.12.2015 sein soll, mit Ablauf des 31.12.2015 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass das Verfahren nach § 17 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Insbesondere sei die Massenentlassungsanzeige bei beiden möglicherweise zuständigen Agenturen für Arbeit in Berlin und Cottbus eingereicht worden. Dass dies in irreführender Absicht geschehen sein soll, sei absurd. Für die Beklagte sei es irrelevant, ob die Agentur für Arbeit Nord oder die Agentur für Arbeit Cottbus die Anzeige bescheide.
Wegen der weiteren konkreten Ausführungen der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 20.05.2016 (Bl. 310 ff. d. A.) und 06.07.2016 (Bl. 372 ff. d. A.) und der Beklagten vom 27.06.2016 (Bl. 355 d. A.) sowie vom 14.07.2016 (Bl. 379 ff. d. A.) verwiesen.
Aus den Gründen
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.
II.
In der Sache hat die Berufung der Klägerin jedoch keinen Erfolg. Sowohl im Ergebnis als auch in der zutreffenden Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Berlin, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und weist im Hinblick auf den Vortrag der Parteien in der zweiten Instanz nur auf Folgendes hin:
1. Die Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hält schon die erste Kündigung gegenüber der Klägerin vom 29.01.2015 zum 31.07.2015 für wirksam. Dies hat die Kammer in anderen Entscheidungen begründet (vgl. z. B. die beiden Prozessvertretern bekannten Entscheidungen vom 11.12.2015 – 2 Sa 1266/15 und 1267/15; zuletzt die Entscheidung vom 27.05.2016 zum Az. 2 Sa 157/16). Damit kommt es auf die Wirksamkeit der vorliegenden zweiten, nur vorsorglich ausgesprochenen Kündigung nicht an. Bereits die erste Kündigung hat nach Auffassung der Kammer das Arbeitsgericht zum 31.07.2015 beendet. Die Begründung hierfür ergibt sich aus den bisherigen Entscheidungen der Kammer 2:
a) Die Kündigung vom 29.01.2015 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.07.2015 fristgemäß gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BGB beendet. Sie ist nicht unbestimmt, insbesondere nicht im Hinblick auf die Formulierung im Kündigungsschreiben:
„Aus diesem Grund kündigen wir hiermit das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen ordentlich zum nächstmöglichen Termin.“ Denn die Beklagte konkretisiert diesen Termin im nächsten Satz: „Dies ist nach unseren Berechnungen der 31. Juli 2015.“
b) Die Kündigung war sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG, welches auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß §§ 1 Abs. 1; 23 Abs. 1 KSchG Anwendung findet. Denn die Kündigung war aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Eine wie hier vorliegend beabsichtigte Betriebsstilllegung ist als Grund für eine betriebsbedingte Kündigung nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. nur BAG 23.03.2006 - 2 AZR 162/05 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 147, Rdziff. 16; BAG 18.10.2012 - 6 AZR 41/11 - EzA, a.a.O., Nr. 170, Rdziff. 47), der sich die erkennende Kammer anschließt, anerkannt. Die Beklagte hat den endgültigen Beschluss zur Betriebsstilllegung zum 31.03.2015 am 20.01.2015 gefasst, nachdem deren einzige Auftraggeberin im Sommer 2014 sämtliche Abfertigungsaufträge spätestens zum 31.03.2015 gekündigt hatte. Sie hat sämtliche Mitarbeiter entlassen, die Betriebsräume gekündigt und somit die dem Betriebszweck dienende Organisation zum 31.05.2015 aufgelöst.
c) Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG bestanden nicht. Eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG kam nicht in Betracht, weil allen Mitarbeitern gekündigt worden ist.
d) Die Beklagte hatte auch keine Pflicht, in einem anderen Konzernunternehmen analog § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe b) KSchG für eine Beschäftigung der Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz eines Unternehmens der W.-Gruppe zu sorgen.
aa) Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die W.-Gruppe einen Konzern im Sinne von § 18 Abs. 1 AktG darstellt. Selbst wenn dies so wäre, wäre die Kündigung nicht wegen des Fehlens eines Angebots eines freien Arbeitsplatzes in der W.-Gruppe unwirksam. Denn das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen (vgl. die ständige Rechtsprechung des BAG, u.a. in den oben zitierten Entscheidungen vom 23.03.2006, a.a.O., Rdziff. 20 m.w.N. und BAG 18.10.2012, a.a.O., Rdziff. 56 m.w.N..). Nur in Ausnahmefällen kann eine konzernbezogene Betrachtung geboten sein. Dies ist dann der Fall, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Aufnahme des Mitarbeiters bereit erklärt hat oder wenn sich eine konzernweite Beschäftigungspflicht unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder aus einer anderen vertraglichen Abmachung ergeben (vgl. BAG 23.03.2006, a.a.O., Rdziff. 21; BAG 18.10.2012, a.a.O. Rdziff. 57, jeweils mit weiteren Nachweisen).
bb) Eine derartige Ausnahme ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen hat die Klägerin auch nicht aufgezeigt, wie sie sich eine andere Beschäftigung bei welchem Unternehmen der W.-Gruppe vorstellt (zu dieser Voraussetzung vgl. nur BAG 18.10.2012, a.a.O., Rdziff. 58 m.w.N.).
2.
Die Kündigung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich oder umgeht den Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 2 KSchG.
a) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf an sich „freie“ Unternehmerentscheidungen stets eine eingeschränkte Prüfung des unternehmerischen Konzepts vorgenommen, da bei einer schrankenlosen Hinnahme jeglicher unternehmerischer Entscheidung als bindend für den Kündigungs-schutzprozess der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer teilweise leerlaufen würde. Besteht etwa die Unternehmerentscheidung allein in dem Entschluss, einem oder mehreren Arbeitnehmern zu kündigen, so kann diese Entscheidung des Arbeitgebers, was schon aus dem Kündigungsschutzgesetz folgt, nicht „frei“ sein. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso stärkere Anforderungen werden etwa an die Darlegungslast des Arbeitgebers gestellt, der verdeutlichen muss, dass infolge der unternehmerischen Entscheidung ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Außerdem findet eine Missbrauchskontrolle statt. Die unternehmerische Entscheidung ist daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Diese Missbrauchskontrolle hat sich u.a. daran zu orientieren, dass durch die Wertung der Willkür und des Missbrauchs der verfassungsrechtliche geforderte Bestandsschutz nicht unangemessen zurückgedrängt wird. Neben Verstößen gegen gesetzliche und tarifliche Normen zählen hierzu vor allem Umgehungsfälle. Das Bundesarbeitsgericht hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich handelt, der durch Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen seinen Betrieb in mehrere Teile aufspaltet, um Arbeitnehmern den allgemeinen Kündigungsschutz zu entziehen und ihnen „frei“ kündigen zu können (vgl. dazu BAG 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - EzA a.a.O. Nr. 124 zu II.1 d der Gründe m.w.N. aus der Rechtsprechung).
b) Das gilt jedoch nicht in einem Konzern, wobei die Kammer auch insofern zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die W.-Gruppe einen Konzern im Sinne von § 18 Abs. 1 AktG darstellt. Denn die Unternehmerentscheidung, den Betrieb zu schließen, weil der einzige Auftraggeber ihm sämtliche Aufträge entzogen hat, ist grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Da § 1 Abs. 2 KSchG auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den betroffenen Arbeitnehmer im Betrieb bzw. im Unternehmen, nicht jedoch im Konzern abstellt, ist es - von den oben dargestellten Ausnahmefällen abgesehen - nicht möglich, die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, seinen Betrieb stillzulegen, dadurch zu ignorieren, dass bei enger wirtschaftlicher Verflechtung mehrerer Unternehmen ohne das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs die Betriebe des Unternehmens oder gar die Unternehmen des Konzern zusammengerechnet werden (vgl. nur BAG 29.06.2002, a.a.O., zu II.1 e aa) der Gründe.
c) Eine davon abweichende Ausnahme wie im Fall einer finanziell, wirtschaftlichen, organisatorisch unselbständigen Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die steuerrechtlich unselbstständig und abhängig vom herrschenden Unternehmen ist, liegt hier nicht vor. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellte, dass die W.-Gruppe ein Konzern ist, bleiben deren Tochterunternehmen rechtlich selbstständig.
3.
Die Kündigung ist auch nicht direkt oder analog gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Eine derartige Unwirksamkeit wegen eines Betriebsübergangs setzt voraus, dass ein Betrieb oder Betriebsteil übergegangen ist.
a) Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613 a Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Eine wirtschaftliche Einheit ist eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sache, die darauf ausgerichtet ist, auf Dauer eine wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung zu betreiben. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Teilaspekt der Gesamtwürdigung sind u.a. die Art des Betriebs, der Übergang materieller Betriebsmittel, der Wert immaterieller Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kunden- und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang versehenen Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben (vgl. nur BAG 18.10.2012, a.a.O., Rdziff. 37 m.w.N.).
b) Einem Betriebsübergang steht der Übergang eines Betriebsteils gleich. Betriebsteile sind Teileinheiten oder Teilorganisationen eines Betriebs. Sie müssen bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils aufweisen. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert bestehen. Der übertragene Betriebsteil muss seine organisatorische Selbstständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren. Es genügt, dass der Betriebsteilerwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es möglich ist, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. BAG 18.10.2012, a.a.O., Rdziff. 38 m.w.N.).
c) Es ist Sache des Arbeitnehmers, der sich auf die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB beruft, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen wurde. Der Arbeitnehmer muss also auch vortragen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs erfüllt sind (vgl. BAG 18.10.2012, a.a.O., Rdziff. 39 m.w.N.).
d) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungsverbots in § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB erfüllt sind. Denn sie hat bereits keinen abtrennbaren Teilbetrieb darlegen können, der auf ein anderes Unternehmen übertragen worden wäre. Die betroffenen Arbeitnehmer einschließlich der Klägerin waren in der Abfertigung beschäftigt. Sie betreuten mehrere Gesellschaften im Wechsel. Die Betreuung einer Fluggesellschaft ist jedoch keine organisatorische selbstständige Teilaufgabe im Rahmen einer Betriebsorganisation. Sie wird auch bei den Unternehmen, die diese Aufgabe nunmehr übernommen haben, nicht selbstständig organisiert; jedenfalls gibt es dazu keinen Vortrag der darlegungsbelasteten Arbeitnehmerin. Die vermeintlichen Auftragsnachfolger, die teilweise Konkurrenten der Beklagten und der W.-Gruppe sind, haben kein Personal übernommen, sondern betreuen mit ihrem eigenen Personal die Abfertigung der unterschiedlichen Fluggesellschaften.
4.
Die Kündigung ist auch nicht entsprechend § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.
a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Nach Satz 3 der Norm ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass eine Kündigung nicht nur unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausführlich genug nachgekommen ist. Die Beteiligung des Betriebsrats dient in erster Linie dem Zweck, ihm die Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen (vgl. BAG 16.01.2003 - 2 AZR 707/01 - EzA § 102 BetrVG 2001, zu B I 1 der Gründe m.w.N.).
b) Dem genügt das Anhörungsschreiben vom 20.01.2015. Es listet sämtliche Arbeitnehmer getrennt nach Sonderkündigungsschutz und ohne Sonderkündigungsschutz auf, denen gekündigt werden soll, unter Angabe von Geburtsdaten und Eintrittsdaten in das Unternehmen, die Tätigkeiten im Unternehmen, ggf. den Grad der Schwerbehinderung sowie die Kündigungsfrist. Dem Betriebsrat, dem ohnehin durch das Einigungsstellenverfahren bekannt war, dass die Beklagte beabsichtigte, den Betrieb stillzulegen, werden im Anhörungsschreiben vom 20.01.2015 nochmals die Kündigungsgründe ausführlich geschildert.
c) Der Betriebsrat hat der beabsichtigten Kündigung widersprochen mit Schreiben vom 27.01.2015. Nach Eingang dieser abschließenden Stellungnahme durfte die Beklagte die Kündigung am 29.01.2015 nach Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wirksam aussprechen.
5.
Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 134 BGB i. V. m. § 17 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3 a KSchG unwirksam. Die sich aus § 17 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 3 a KSchG ergebenden Pflichten sind voneinander zu trennen.
a) Die Beklagte hat nicht nur der Agentur für Arbeit in Cottbus, sondern auch der in Berlin Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG vor Ausspruch der Kündigung am 28.01.2015 erstattet. Es kann daher dahinstehen, ob der Betrieb der Beklagten sich in Berlin befand - wovon die Kammer angesichts der Mehrzahl der Arbeitnehmer und der Vielzahl der angemieteten Räume sowie des Sitzes der Geschäftsführung in Berlin-Tegel ausgeht - oder in Schönefeld - wofür allenfalls die Betriebsadresse in 12529 Schönefeld spricht. Die Anzeige ist auf den Vordrucken der Agentur für Arbeit ausgefüllt und gibt weitere Informationen zum Arbeitgeber, den Gründen für die Betriebsschließung, die Anzahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, den Zeitraum der Entlassungen, die Sozialauswahl (die hier nicht vorzunehmen war), den Kriterien für die zu zahlenden Abfindungen nach dem Sozialplan vom 21.01.2015 sowie zur Beteiligung des Betriebsrats. Sie stellt daher eine ordnungsgemäße Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG dar.
b) Auch das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ist von der Beklagten ordnungsgemäß durchgeführt und beendet worden.
aa) Die Konsultationspflicht des § 17 Abs. 2 KSchG ist der Sache nach regelmäßig erfüllt, wenn der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG, soweit mit ihr ein anzeigepflichtiger Personalabbau verbunden ist oder sie allein in einem solchen besteht, einen Interessenausgleich abschließt und dann erst kündigt. Soweit die ihm obliegenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit denen nach § 111 Satz 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen. Dabei muss der Betriebsrat klar erkennen können, dass die stattfindenden Beratungen auch der Erfüllung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG dienen sollen (vgl. nur BAG 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - EzA § 17 KSchG Nr. 33, Rdziff. 17).
bb) Dies ist vorliegend der Fall gewesen. Beide Betriebspartner wollten das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG auf das gleichzeitig stattfindende Verfahren nach §§ 111; 112 BetrVG verlagern.
(1) Die Beklagte hat allerdings den Betriebsrat zunächst ordnungsgemäß nach § 17 Abs. 2 KSchG informiert. Unter dem Datum 02.01.2015 und der Überschrift „Information gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ informierte die Beklagte den Betriebsrat „noch einmal formal gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ über die Betriebsschließung, die Gründe dafür, die Anzahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, den Zeitraum der Entlassungen, die wegen der Betriebsstilllegung nicht durchzuführende Sozialauswahl und die Kriterien für die Abfindung aus einem etwaigen Sozialplan, der zu diesem Zeitpunkt in der Einigungsstelle verhandelt wurde. Am Ende des Schreibens heißt es:
„Im Rahmen der Verhandlungen und insbesondere im Rahmen der Einigungsstelle haben wir ja bereits über die Möglichkeiten zur Vermeidung von Entlassungen mit Ihnen beraten, insbesondere die Möglichkeit der Errichtung einer Transfergesellschaft. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank, dass der Betriebsrat eine Information durch die Transfergesellschaft „Weitblick“ für die nächste Einigungsstellensitzung am 13. Januar 2015 möglich gemacht hat. Wir freuen uns, die Beratungen über die Vermeidung von Entlassungen an dieser Stelle fortsetzen zu können. Gerne stehe ich natürlich auch für Beratungen außerhalb der Einigungsstelle zur Verfügung.“
Damit hat die Beklagte über sämtliche in § 17 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 - 6 KSchG aufgeführten massenentlassungsrelevanten Tatsachen informiert und dem Betriebsrat im zitierten Abschlussabsatz angeboten, die weiteren Beratungen darüber in der Einigungsstelle oder auch außerhalb der Einigungsstelle durchzuführen.
(2) Dies hat der Betriebsrat mit einem Schreiben vom 14.01.2015 angenommen. Unter dem Betreff „Ihre Massenentlassungsanzeige vom 02.01.2015“ bat der Betriebsrat den Geschäftsführer der Beklagten, von der Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit „zunächst abzusehen“, weil die Folgen für die Belegschaft noch in der Einigungsstelle beraten würden. Insofern verwies der Betriebsrat auch auf die Stellungnahme von Rechtsanwalt K. vom 15.12.2014 an den Einigungsstellenvorsitzenden, die beigefügt wurde.
(3) Daraus musste die Beklagte aus der Sicht eines objektiven Dritten folgern, dass die weiteren Beratungen über Massenentlassungen in der Einigungsstelle stattfinden sollten. Tatsächlich ist dann auch noch in der Einigungsstelle am 16. und 21.01.2015 über Entlassungen gesprochen und am 21.01.2015 ein Sozialplan per Einigungsstellenspruch beschlossen worden, der sowohl die Gründung einer Transfergesellschaft als auch Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsah.
c) Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 17 Abs. 3 KSchG i. V. m. § 134 BGB nichtig.
aa) Die Beklagte hat der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 28.01.2015 zugeleitet. Sie hat damit ihre Pflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG erfüllt.
bb) Die Beklagte brauchte der Agentur für Arbeit nicht das Schreiben des Betriebsrats vom 14.01.2015 bzw. das im Anhang beigefügte Rechtsanwaltsschreiben aus dem Jahr 2014 mitzuteilen. Diese stellen keine „Stellungnahme“ im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG dar. Die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG beizufügende Stellungnahme muss sich auf das Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erforderlichen Beratungen über die Möglichkeiten beziehen, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Obwohl § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine expliziten Aussagen zum erforderlichen Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrats trifft und der Arbeitgeber diesen Inhalt nicht beeinflussen kann, genügt nicht jede Äußerung des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen. Um der Agentur für Arbeit Auskunft darüber geben zu können, ob und welche Möglichkeiten er sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und zugleich zu belegen, dass soziale Maßnahmen mit ihm beraten und ggf. getroffen worden sind, muss sich der Betriebsrat in einer Weise äußern, die erkennen lässt, dass er seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und dass es sich um eine abschließende Erklärung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen handelt. Dafür reicht auch die eindeutige Mitteilung aus, keine Stellung nehmen zu wollen (vgl. nur BAG 26.02.2015, a.a.O., Rdziff. 38 m.w.N.).
cc) Diesen Anforderungen genügt das Schreiben des Betriebsrats vom 14.01.2015 nicht. Es ist weder abschließend noch hat der Betriebsrat damit kundgetan, dass er seinen Verhandlungsanspruch als erfüllt ansehe. Vielmehr wollte er dies nach dem oben Ausgeführten auf die Gespräche in der Einigungsstelle verlagern.
dd) Ist die vom Betriebsrat abgegebene Erklärung wie hier unzureichend, kann der Arbeitgeber wie vorliegend die Beklagte gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG vorgehen. Er kann zwei Wochen nach vollständiger Unterrichtung des Betriebsrats „sicher und rechtswirksam“ unter Darlegung des Stands der Beratungen Massenentlassungsanzeige erstatten (vgl. BAG 26.02.2015, a.a.O., Rdziff. 40 m.w.N.).
ee) Dies ist vorliegend geschehen. Mit dem Schreiben vom 28.01.2015 sowohl an die Agentur für Arbeit in Berlin als auch die Agentur für Arbeit in Cottbus hat die Beklagte unter „6. Beteiligung des Betriebsrats“ den Stand der Verhandlungen geschildert und auf die Verhandlungen nach dem 02.01.2015 in den Einigungsstellensitzungen vom 13., 16. und 21.01.2015 verwiesen, in denen letztendlich ein Sozialplan per Einigungsstellenspruch verabschiedet wurde. Der Geschäftsführer hat dies auch glaubhaft gemacht, indem er diese Tatsachen eidesstattlich versichert hat. Dazu musste er auch nicht die in § 23 SGB IX verwendete Formel verwenden, die nur bei einer durch die Behörde geforderten Glaubhaftmachung und Niederschrift durch die Behörde gem. § 23 Abs. 2 ff SGB X vorgeschrieben wird.
d) Endlich ist die Kündigung auch nicht gemäß § 17 Abs. 3 a KSchG i. V. m. § 134 BGB nichtig. Es liegt schon kein Sachverhalt vor, der unter den Ausnahmefall des § 17 Abs. 3 a KSchG subsumiert werden könnte. Denn § 17 Abs. 3 a KSchG betrifft den Fall, dass der Arbeitgeber in Hinblick auf die Beherrschung durch ein anderes Unternehmen die erforderlichen Auskünfte, Anzeigen und Beratungen nicht erstattet oder durchgeführt hat. Es kann auch hier dahinstehen, ob die Beklagte ein durch andere Unternehmen der W.-Gruppe beherrschtes Unternehmen ist. Denn jedenfalls hat sie alle Auskunfts-, Anzeige- und Beratungspflichten nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 KSchG erfüllt.
6. Aber auch die zweite, nur vorsorglich ausgesprochene Kündigung vom 27.06.2015, die im vorliegenden Verfahren angegriffen wird, ist wirksam.
a) Insofern wird, was die Wirksamkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 KSchG betrifft, ebenso auf die Ausführungen unter II. 1. – 4. verwiesen, wie hinsichtlich der Themenkomplexe Bestimmtheit der Kündigung, Rechtsmissbrauch, Betriebsratsanhörung und Betriebsübergang. Auch die erneute Betriebsratsanhörung zur vorsorglichen zweiten betriebsbedingten Kündigung erfüllt die durch die Rechtsprechung verlangten Grundsätze zur Betriebsratsanhörung entsprechend § 102 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BetrVG.
b) Die erneute Beratung mit dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG genügt ebenso den gesetzlichen Vorgaben und führt ebenso wenig zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB wie die ordnungsgemäße Einhaltung der Massenentlassungsanzeige.
aa) Die Beratungspflicht von Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG bezieht sich auf Möglichkeiten, Entlassungen zu vermeiden, einzuschränken, in ihren Auswirkungen zu mildern, und zwar durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der zu kündigenden Arbeitnehmer zum Ziel haben. Der Betriebsrat soll durch die Beratung auf die vom Arbeitgeber geplanten Massenentlassungen Einfluss nehmen und die Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer mildern können. Dabei sind z. B. Vorschläge zur Beschäftigungssicherung denkbar, anderweitige Beschäftigung und Qualifizierungsmaßnahmen.
Die Beratung hat dabei rechtzeitig zu erfolgen. Der Arbeitgeber hat seine Beratungspflicht erfüllt, wenn er mit ernsthaftem Willen zu einer Einigung zu gelangen, die Verhandlungsgegenstände gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit dem Betriebsrat erörtert hat. Auch ein vor Entlassung abgeschlossener Interessenausgleich gemäß § 112 BetrVG kann der Beratungspflicht genügen, er ist aber nicht erforderlich. Zwar sieht die Regelung gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 98/59/EG die Beratungspflicht vor, „um zu einer Einigung zu gelangen“, es besteht jedoch kein Zwang zur Einigung, zumal Möglichkeiten zur Vermeidung von Kündigungen bzw. der Milderung von Folgen nur zu beraten sind. Das Ende des Konsultationsverfahrens ist begrifflich nicht im Sinne eines prozessualen Verfahrensabschlusses, sondern als Erfüllung der Beratungspflicht zu verstehen. Somit kann das Ergebnis der Verhandlungen sowohl in einer Übereinkunft als auch im Scheitern liegen. Nach Wortlaut, Systematik und Zweck der Richtlinie 98/59/EG steht die Beurteilungskompetenz bezüglich des Scheiterns der Verhandlungen dem Arbeitgeber zu, denn er bleibt frei in seiner Entscheidung, ob er Massenentlassungen durchführen will (vgl. zum Ganzen nur KR-Weigand, 10. Aufl., § 17 KSchG Rdz. 61 – 62 m.w.N. aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum).
bb) Diesen Grundsätzen genügt die Beratung der Beklagten mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat:
Die Beklagte hat erneut mit dem Schreiben vom 10.06.2015 vorsorglich das Beratungsverfahren in Gang gesetzt und dem Betriebsrat über die Betriebsstilllegung, die finanziellen Verhältnisse, neue Auftragnehmer, die Anzahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, den Zeitraum der geplanten Entlassungen, die (nicht erfolgte) Sozialauswahl und die Kriterien für Abfindungen nach dem Sozialplan vom 21.01.2015 informiert. Nach diesem Schreiben erfolgte sowohl eine Stellungnahme des Betriebsrats vom 17.06.2015 (vgl. die Stellungahme Bl. 173 ff. d. A.) als auch einvernehmlich ein Termin zur Beratung mit dem Betriebsrat am 24.06.2015. Wegen der Erörterungen in diesem Termin wird auf das Protokoll der Sitzung Bl. 177 – 179 d. A. und die Präsentation Bl. 180 ff. verwiesen. Zwar besteht Streit darüber, ob das Beratungsverfahren vor der Erstattung der Massenentlassungsanzeige beendet wurde. Nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck der Richtlinie 98/59/EG steht die Beurteilungskompetenz bezüglich des Scheiterns der Verhandlungen dem Arbeitgeber zu, denn er bleibt frei in seiner Entscheidung, ob er Massenentlassungen durchführen will (zutreffend Franzen, ZfA 2006, 437, 444 f. mwN aus der Rechtsprechung des EuGH und des BAG; KR-Weigand, a.a.O., Rdz. 62). Dieser Zeitpunkt liegt vorliegend sogar vor dem Erstatten der erneuten Massenentlassungsanzeige, die Beklagte hat mit Schreiben vom 26.06.2015 (Bl. 189 d. A. in Kopie) die Beratungen beendet.
cc) Danach hat die Beklagte erneut die Massenentlassungsanzeige an die beiden Agenturen für Arbeit in Berlin und Cottbus erstattet (vgl. dazu u.a. das Schreiben vom 26.06.2015 Bl. 190 ff. bzw. 202 d. A.) sowie die Empfangsbestätigung der Agentur für Arbeit Berlin-Nord vom 05.10.2015 (Bl. 203 d. A.). Zwar ist auch die erkennende Kammer mit der Klägerin der Auffassung, dass der Betriebssitz der Beklagten in Berlin liegt und deshalb mit der Agentur für Arbeit in Cottbus die unzuständige Behörde über die Massenentlassungsanzeige befunden hat. Dies ist jedoch nicht der Beklagten anzulasten. Die Beklagte hat sowohl gegenüber der Agentur für Arbeit Berlin-Nord ( dies ist aus der im Tatbestand angesprochenen Empfangsbestätigung Bl. 203 d. A. zu ersehen) als auch gegenüber der Agentur für Arbeit in Cottbus die Massenentlassungsanzeige erstattet und dabei darauf hingewiesen, dass „sich der offizielle Betriebssitz“ in der M. 5 – 5 a in 12529 Schönefeld befindet, der überwiegende Teil der Arbeitnehmer aber in Tegel arbeiten würde. Es ist die (Zuständigkeits)Angelegenheit der Verwaltungsbehörde, die richtige Behörde die entsprechende Massenentlassungsanzeige bearbeiten zu lassen. Warum die Beklagte diese Vorgehensweise der Behörde „manipuliert“ haben sollte, wenn sie vorsorglich beide möglichen Agenturen für Arbeit informiert hat unter Hinweis auf die möglichen Zuständigkeiten (offizieller Betriebssitz versus überwiegende Beschäftigtenzahl), erschließt sich der Kammer nicht. Insbesondere ist der Sinn einer solchen „Manipulation“ nicht ersichtlich. Der Beklagten ging es im Hinblick auf die Wirksamkeit der Kündigung um die Erstattung der Massenentlassungsanzeige bei der richtigen Behörde, während der Behörde gemäß §§ 17 ff. KSchG arbeitsmarktpolitische Maßnahmen obliegen, die die von Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer vor der Arbeitslosigkeit schützen sollen (zutreffend KR-Weigand, a.a.O., Rdz. 7). Unter anderem die Transfermaßnahmen nach §§ 110; 111 SGB III unter Förderung durch die Agentur für Arbeit sind explizit Teil des von der Einigungsstelle verabschiedeten Sozialplans und bestätigen auch deshalb die Verzahnung von den Verfahren nach §§ 111; 112 BetrVG und § 17 KSchG durch die Betriebsparteien bereits anlässlich der ersten Kündigung.
dd) Im Übrigen wird zur Wirksamkeit der Anzeigen nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 3 a) auf die oben unter II.5 gemachten Ausführungen verwiesen, die entsprechend auch für die erneute Massenentlassungsanzeige vor der vorsorglich ausgesprochenen zweiten Kündigung gelten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war für die Klägerin gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zuzulassen.