R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
10.03.2011
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg: Beweislast für Vorliegen einer Benachteiligung

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.2.2011 - 22 Sa 67/10

Leitsatz

Die Beweiserleichterung des § 22 AGG erstreckt sich zumindest dann auch auf die Benachteiligung selbst, wenn die Benachteiligung im Vergleich zu einer hypothetischen Vergleichsperson in Frage steht. Dass daneben aktuelle Vergleichspersonen genauso behandelt wurden wie der behinderte Bewerber, steht dem nicht generell entgegen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch wegen behaupteter Diskriminierung in einem Stellenbesetzungsverfahren.

Der ... Kläger ist Diplom-Ingenieur (FH) Fachrichtung Elektrotechnik. Nach Abschluss seines Studiums im September ... arbeitete er von ... bis ... in vier Unternehmen als Entwicklungs- bzw. Testingenieur (vgl. Lebenslauf AS I/22 f). Seit ... ist der Kläger arbeitslos. Es ist eine Behinderung des Klägers mit einem Grad von 80 anerkannt.

Die Beklagte ist ein mittelständisches Messtechnikunternehmen mit knapp 150 Mitarbeitern. Sie beschäftigte im Jahr 2009 fünf schwerbehinderte Arbeitnehmer. Es bestanden weder ein Betriebsrat noch eine Schwerbehindertenvertretung.

Im August 2009 war auf der Homepage der Beklagten die Stelle eines Diplomingenieurs (FH/BA) oder Technikers (w/m) in der Entwicklungsabteilung, Schwerpunkt Messtechnik ausgeschrieben (AS I/15). Die Stellenausschreibung konnte - zumindest - auch vom 30.10. bis 14.11.2009 auf der Homepage der Beklagten abgerufen werden (AS I/27-29). Entgegen § 81 Abs. 1 SGB IX nahm die Beklagte keine Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf, um zu prüfen, ob die Ingenieur-/Technikerstelle mit einem arbeitslosen oder arbeitssuchenden schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Auf die Stelle meldeten sich - außer dem Kläger - sechs Bewerber, von denen vier die Anforderungen der Beklagten nicht erfüllten. Diese sechs Bewerber waren nicht schwerbehindert.

Am 09.05.2009 hatte die Beklagte die Stelle eines Teamleiters (m/w) Forschung und Entwicklung inseriert (AS II/51). Unter dem 14.11.2009 suchte die Beklagte per Zeitungsannonce einen Diplomingenieur (FH/BA) oder Techniker (w/m) in der Entwicklungsabteilung, Schwerpunkt Messtechnik (AS I/30). Der in Aussicht gestellte Aufgabenbereich und das gewünschte Profil der Ingenieur-/Technikerstellen war im Vergleich zur Ausschreibung auf der Homepage von August 2009 im Wesentlichen unverändert.

Bis Sommer 2009 hatte sich der Kläger vier Mal auf Arbeitsplätze der Beklagten beworben; im Jahr 2005 hatte er an einem Vorstellungsgespräch bei der Beklagten teilgenommen. Ende August 2009 bewarb sich der Kläger auf die Stellenausschreibung „Dipl. Ing (FH/BA) oder Techniker" auf der Homepage der Beklagten (Anschreiben vom 24.08.2009 AS I/24, E-Mail vom 28.08.2009, AS I/25 f). Der Kläger wies in der Bewerbung auf seine Schwerbehinderung hin. Er erfüllte die in der Stellenausschreibung genannten Anforderungen.

Mit E-Mail vom 28.08.2009 bat die Personalleiterin der Beklagten Frau W. den Kläger um Geduld, da die Beurteilung der Unterlagen einige Zeit dauern könne (AS I/25). Am 08.10.2009 sagte sie dem Kläger ab mit der Begründung: „Aufgrund der wirtschaftlichen Situation haben wir kurzfristig beschlossen, keine weiteren Mitarbeiter einzustellen." (AS I/26).

Am 07.12.2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche geltend wegen seiner Vermutung, dass seine Schwerbehinderung der Grund für die Nichteinstellung gewesen sei. Der Kläger bat um Mitteilung, weshalb seine Bewerbung nicht berücksichtigt wurde (AS I/31 f). Die Beklagte teilte darauf unter dem 11.12.2009 mit, sie habe die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle vom 09.05.2009 aufgrund der wirtschaftlichen Situation zurückgezogen. Sie habe keinen Bewerber berücksichtigt und weder zu Vorstellungsgesprächen eingeladen noch die Stelle besetzt. Die neue Stellenausschreibung vom 14.11.2009 habe nichts mit dem früheren Stellenangebot zu tun (AS I/33). Auf Nachfrage des Klägers erläuterte die Beklagte mit Schreiben vom 01.02.2010 (AS I/36), dass die Stellenausschreibung für die Teamleitung Forschung und Entwicklung des Geschäftsbereichs ... in KW 40 zurückgezogen und in KW 46 eine neue Stelle für eine/n Mitarbeiter/in der Entwicklungsabteilung mit anderem Anforderungsprofil und anderer Aufgabenbeschreibung ausgeschrieben worden sei. Ende August 2009 sei lediglich die Stelle des Teamleiters für ... offen gewesen und weitere Stellenangebote weder vorhanden noch veröffentlicht (Schreiben vom 25.02.2010, AS I/38).

Die Beklagte legte im vorliegenden Verfahren einen Bewerber-Beurteilungsbogen vor, der das Datum „28.08.2010" und den Namen des Klägers trägt. (AS I/72). Dort ist vermerkt: „lt. GL Bewerberstopp, alle Bewerber absagen."

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, die Beklagte habe von August bis Dezember 2009 durchgehend einen Diplom-Ingenieur (FH/BA) oder Techniker gesucht. Dies ergebe sich aus dem Stellenangebot auf der Homepage und der Stellenannonce vom 14.11.2009. Die Begründung der Absage vom 08.10.2009 sei deshalb unzutreffend. Selbst wenn den übrigen Bewerbern ebenfalls abgesagt worden sein sollte, mag dies auf anderen Gründen beruht haben.

Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass der Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens Entschädigungsansprüche nicht ausschließe. Relevant sei der Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren, den die Beklagte verletzt habe. Der Kläger hat gemeint, dass die Beklagte ihn wegen seiner Schwerbehinderung nicht eingeladen und damit aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen habe. Aufgrund des Verstoßes gegen § 81 Abs. 1 SGB IX sei eine Diskriminierung zu vermuten. Die Beklagte habe den Beweis, dass die Absage nicht einmal unter anderem durch die Behinderung des Klägers motiviert gewesen sei, nicht erbracht.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen in Höhe von mindestens 8.000,00 € nebst Zinsen hieraus seit dem 08.10.2009 in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Bewerbung des Klägers vom 24.08.2009 nicht berücksichtigen können, da sie im Hinblick auf die sehr schlechte wirtschaftliche Situation zum Bewerbungszeitpunkt, einen Umsatzeinbruch von circa 50 % und die Befürchtung, dass Liquiditätsengpässe durch Zahlungsschwierigkeiten von Großkunden eintreten würden, nach Schaltung der Stellenanzeige einen Bewerberstopp beschlossen habe. Sie habe die geschaltete Stellenanzeige versehentlich nicht von der Homepage gelöscht. Im gesamten Jahr 2009 seien Bewerber für die Entwicklungsabteilung weder zu Vorstellungsgesprächen eingeladen noch eingestellt worden; es sei auch sonst kein Ingenieur eingestellt worden. Die ausgeschriebene Stelle sei nach wie vor nicht besetzt; den übrigen - nicht schwerbehinderten - Bewerbern sei ebenfalls abgesagt worden. Nachdem sich die Befürchtung von Liquiditätsengpässen Ende Oktober/ Anfang November 2009 aufgelöst hatten, habe sie die Stellenanzeige vom 14.11.2009 geschaltet. Die Absage gegenüber dem Kläger beruhe ausschließlich auf wirtschaftlichen Gründen.

Die Beklagte hat gemeint, es liege schon gar keine Benachteiligung vor. Sie habe den Kläger genauso behandelt wie die übrigen sechs Bewerber auf die Stelle: Sie habe allen Bewerbern abgesagt, ohne sie zuvor zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben. Damit fehle es bereits an Indizien für eine Benachteiligung.

Die vorliegende Klage wurde der Beklagten am Montag, den 08.03.2010 zugestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 14.07.2010 (AS I/103 ff) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit diesem Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei auch ohne konkrete Bezifferung zulässig, weil der Betrag durch gerichtliche Schätzung bestimmt werde und der Kläger eine Größenordnung vorgegeben habe. Der Kläger habe die Forderung rechtzeitig schriftlich und gerichtlich geltend gemacht. Obwohl § 15 Abs. 2 AGG auch für Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren gelte, stehe dem Kläger kein Entschädigungsanspruch zu. Es liege nämlich gar keine Benachteiligung vor. Die Beklagte habe den Kläger nicht ungünstiger behandelt als die Mitbewerber. Dem Kläger komme die Beweiserleichterung des § 22 AGG nicht zugute, da diese nicht das Vorliegen einer Benachteiligung betreffe, sondern nur deren Motiv. Der Kläger habe den ihm obliegenden Vollbeweis, dass er benachteiligt wurde, nicht erbracht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen wird.

Das Urteil wurde dem Kläger am 28.07.2010 zugestellt. Er legte hiergegen am 27.08.2010 Berufung ein. Der Kläger begründete die Berufung am 27.10.2010, nachdem die Begründungsfrist am 28.09.2010 bis zum 27.10.2010 verlängert worden war.

Der Kläger meint in der Berufung, der Verstoß der Beklagten gegen § 81 Abs. 1 S. 1 SGB IX begründe die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Die Beklagte habe diese Vermutung nicht widerlegt. Sie habe nicht nachgewiesen, dass die Absage ausschließlich auf einem auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführenden Bewerberstopp beruht habe. Der Kläger habe die Behauptung der Beklagten, sie habe keinen Bewerber zum Gespräch geladen bzw. eingestellt, mit Nichtwissen bestreiten können. Eine Diskriminierung könne auch dann vorliegen, wenn auch die anderen Bewerber weder eingeladen noch eingestellt wurden. Eine Benachteiligung könne nämlich nicht nur im Vergleich zu einem tatsächlichen Bewerber festgestellt werden. Dass die Stelle auf der Homepage weiterhin ausgeschrieben gewesen sei, sei ein weiteres Indiz dafür, dass es keinen Bewerberstopp gab, sondern der Kläger wegen seiner Behinderung diskriminiert wurde.

Der Kläger beantragt nunmehr:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 14.07.2010 - 4 Ca 89/10 - wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen in Höhe von mindestens 8.000,00 € nebst Zinsen hieraus seit dem 08.10.2009 in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, es liege unstreitig gar keine Benachteiligung vor. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis einer Benachteiligung nicht erbracht. Da der Kläger beweispflichtig sei, genüge ein Bestreiten mit Nichtwissen nicht. Mangels Benachteiligung helfe dem Kläger die Indizwirkung des Verstoßes gegen § 81 Abs. 1 S. 1 AGG nicht weiter. Ohne Benachteiligung könne auch keine Benachteiligung wegen einer Behinderung vorliegen.

Das Landesarbeitsgericht erhob Beweis durch die Vernehmung der Personalleiterin der Beklagten Frau W. als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 01.02.2011 verwiesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 01.02.2011 Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).

Aus den Gründen

A.

Die Berufung des Klägers ist statthaft, da der Wert seiner Beschwer 600,- € übersteigt, § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Die Berufung ist auch zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO. Insbesondere setzt sich die Berufung hinreichend mit den Gründen auseinander, aufgrund derer das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat.

B.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht es der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass der Kläger seinen Klageantrag nicht beziffert hat. Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG kann unbeziffert erhoben werden. Es genügt, dass der Kläger die Tatsachen, die das Gericht für die Schätzung heranziehen soll, benannt und die Größenordnung seiner Forderung angegeben hat (vgl. BAG 22.10.2009 - 8 AZR 642/08 unter B I; 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 unter A I).

II.

Der Kläger kann von der Beklagten keine Entschädigungszahlung gemäß § 15 Abs. 2 AGG verlangen.

Der Kläger hat seine Forderung binnen zwei Monaten nach Erhalt der Absage schriftlich geltend gemacht (§ 15 Abs. 4 AGG). Er hat auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt: Die Dreimonatsfrist begann mit der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs am 07.12.2009. Sie lief gemäß § 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB erst am 08.03.2010 ab, da der 07.03.2010 ein Sonntag war. An diesem Tag wurde die Klage der Beklagten zugestellt und erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO).

Damit ist materiell zu prüfen, ob dem Kläger ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Dies ist im Ergebnis zu verneinen. Die Beklagte hat nicht gegen das Benachteiligungsverbot der §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1, 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG verstoßen.

Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet, da der Kläger sich bei der Beklagten für ein Beschäftigungsverhältnis beworben hat (§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG). Zwar liegen Indizien vor, die eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung des Klägers vermuten lassen (dazu 1.). Es war daher eine Beweisaufnahme darüber durchzuführen, ob die Beklagte gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung verstoßen hat. Die Beklagte konnte den Beweis erbringen, dass kein Verstoß vorlag (dazu 2.).

1. Die Beklagte war gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 SGB IX verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Sie hätte dazu frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen müssen, § 81 Abs. 1 S. 2 SGB IX. Im Stellenbesetzungsverfahren um die Stelle, auf die der Kläger sich Ende August 2009 bewarb, verstieß die Beklagte gegen diese Verpflichtung. Dieser Umstand ist geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung i.S. von § 81 Abs. 2 SGB IX, § 22 AGG zu begründen (vgl. BAG 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 unter A II 2 b aa zum früheren § 81 Abs. 2 Nr. 1 S. 3 SGB IX). Denn der objektiv gesetzeswidrig handelnde Arbeitgeber erweckt den Anschein, nicht nur an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein, sondern auch möglichen Vermittlungsvorschlägen und Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen zu wollen. Auf ein Verschulden kommt es für den anspruchsbegründenden Tatbestand nicht an.

Die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit ist ein Indiz, das die Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten lässt. Gemäß § 22 AGG trägt die Beklagte deshalb die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Die Frage nach dem Umfang der Beweislastregelung des § 22 AGG ist in der Literatur streitig und in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Nach Auffassung der Kammer erstreckt sich die Beweiserleichterung zumindest in Fällen wie dem vorliegenden sowohl auf die Benachteiligung an sich als auch auf das Motiv der Benachteiligung:

a) Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. § 22 AGG lautet: „Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat." Dieser Wortlaut lässt zum einen die Auslegung zu, dass die Beweiserleichterung sowohl für die Benachteiligung selbst als auch für den Benachteiligungsgrund gilt. Zum anderen ist die Auslegung möglich, dass die Beweiserleichterung allein den Benachteiligungsgrund erfasst, während der Gläubiger den Vollbeweis für die Benachteiligung an sich erbringen muss (vgl. Bertzbach in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 22 Rn. 16; Peick , Darlegungs- und Beweislast nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, S. 127). Auch die Gesetzessystematik bringt keine Klärung.

Die überwiegende Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass der Kläger nach den allgemeinen Grundsätzen zunächst den Beweis führen muss, dass er gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist (vgl. nur Diller/Krieger/Arnold , NZA 2006, 887, 891; Grobys , NZA 2006, 898, 899 f; Annuß , BB 2006, 1629, 1635; Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 22 AGG Rn. 3; Thüsing in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 22 AGG Rn. 6; Stein in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 22 AGG Rn. 13; Kremer in Hey, Kommentar zum AGG, § 22 Rn. 11 ff). Diese Auffassung kann sich auf die Begründung des Gesetzentwurfs stützen (BT-Drucks. 15/4538, S. 45, der sich allerdings noch auf eine frühere Textfassung bezog; BT-Drucks. 16/2022, S. 13). Gegen diese Auffassung sprechen jedoch sowohl europarechtliche Gründe (b) als auch Sinn und Zweck der Regelung (c).

b) § 22 AGG setzt gemeinschaftsrechtliche Vorgaben um. Lässt der Wortlaut der Norm mehrere Auslegungen zu, von denen nur eine den europarechtlichen Anforderungen genügt, ist dieser der Vorzug zu geben (EuGH 05.10.2004 - C-397/01 unter 111 ff, „Pfeiffer").

Nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Nach der Begründungserwägung Nr. 31 ist eine Änderung der Regeln für die Beweislast geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Dabei definiert Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie es als unmittelbare Diskriminierung, wenn eine Person wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Vergleichbare Regelungen enthalten Art. 2 Abs. 1 lit. a, 8 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.06.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft sowie Art. 4 der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15.12.1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Indem die Richtlinien den Begriff „Diskriminierung" benutzen, fassen sie die Benachteiligung und den Benachteiligungsgrund zusammen. Sie verweisen bezüglich der Beweiserleichterung auf den gesamten Diskriminierungstatbestand, ohne zwischen dessen einzelnen Elementen zu unterscheiden ( Windel , RdA 2007, 1, 2 f; Linck in Schaub, Arbeitsrecht-Handbuch, 13. Aufl., § 33 Rn. 132; Bertzbach in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 22 Rn. 18; Deinert in Deinert/Neumann, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 2. Aufl., § 17 Rn. 103).

Dem entspricht es, dass der EuGH im Urteil vom 10.07.2008 (C-54/07 unter 28, „Feryn") angenommen hat, dass die öffentliche Äußerung eines Arbeitgebers, er werde keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse einstellen, eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellung i.S. des Art. 2 Abs. 2 lit. a der (vergleichbaren) Richtlinie 2000/43/EG begründet; solche Äußerungen könnten bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindern. Der EuGH hat damit - wenn auch in einem Verfahren unter Beteiligung einer Stelle zur Förderung der Gleichbehandlung - eine Diskriminierung bejaht, ohne dass die konkrete Benachteiligung einer Person festgestellt wurde.

Bereits im Urteil vom 10.03.2005 (C-196/02, „Nikoloudi", Nr. 74 f) hatte der EuGH entschieden, dass das mit der Beweislastrichtlinie 97/80/EG angestrebte Ergebnis u.a. darin bestehe, dafür zu sorgen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz wirksamer angewandt wird, da bei einer anscheinenden Diskriminierung dem Arbeitgeber der Beweis dafür obliegt, dass keine Verletzung dieses Grundsatzes vorgelegen hat. Wenn ein Arbeitnehmer geltend macht, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz zu seinen Lasten verletzt worden sei, und er Tatsachen darlegt, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, sei das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen ist, dass der Arbeitgeber zu beweisen hat, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.

Geht man daher davon aus, dass die Richtlinie die Beweiserleichterung hinsichtlich aller Merkmale der Diskriminierung fordert, ist § 22 AGG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der Kläger nicht den Vollbeweis für das Vorliegen einer Benachteiligung erbringen muss. Vielmehr genügt es, dass Indizien für eine Diskriminierung vorliegen (ebenso ( Windel , RdA 2007, 1, 2 f; Linck in Schaub, Arbeitsrecht-Handbuch, 13. Aufl., § 33 Rn. 132; Bertzbach in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 22 Rn. 18; Deinert in Deinert/Neumann, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 2. Aufl., § 17 Rn. 103; Peick , Darlegungs- und Beweislast nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, § 10). Diese Voraussetzung ist durch den Verstoß gegen § 81 Abs. 1 SGB IX erfüllt.

c) Für diese Auslegung des § 22 AGG spricht auch der Sinn und Zweck der Beweiserleichterung:

Die Regelung des § 22 AGG trägt dem Umstand Rechnung, dass das diskriminierende Element in einer bestimmten Handlung, Vereinbarung oder Maßnahme für einen Arbeitnehmer häufig nur schwer nachweisbar ist. Dies gilt insbesondere für Auswahlentscheidungen bei Bewerbungen, da ein abgelehnter Bewerber als Außenstehender naturgemäß keinen Einblick in interne Entscheidungsprozesse und deren Begründung im Einzelnen hat ( Grobys , NZA 2006, 898, 899; ähnlich Krimphove , Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl., Rn. 406).

Zwar mag das Vorliegen einer Benachteiligung in vielen Fällen leicht objektiv feststellbar sein, wenn beispielsweise ein Bewerber im Gegensatz zu anderen zum Vorstellungsgespräch geladen oder gar eingestellt wurde. Jedoch setzt eine Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG nicht stets einen Vergleich mit einer aktuellen Vergleichsperson voraus. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vielmehr auch dann vor, wenn eine Person wegen eines Benachteiligungsmerkmals des § 1 AGG eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren würde. Wie eine hypothetische Vergleichsperson behandelt würde, ist für den Bewerber aber häufig ebenso schwer einsehbar wie die Frage nach dem Benachteiligungsgrund.

Dies gilt zunächst in der Situation, dass es gar keine aktuelle Vergleichsperson gibt: Bewirbt sich beispielsweise lediglich ein schwerbehinderter Mensch auf einen Arbeitsplatz, kann aus einer Absage weder auf eine Diskriminierung noch auf das Fehlen einer Diskriminierung geschlossen werden. Nur der Arbeitgeber kann offenlegen, aus welchem Grund die Absage erfolgte. Beruhte sie auf einem gemäß § 1 AGG verpönten Motiv, liegt zweifellos eine entschädigungspflichtige Diskriminierung vor. Dass in diesen Fällen allein die Absage die Beweiserleichterung rechtfertigt, auch wenn kein anderer Bewerber eingestellt wurde, zeigt die Konstellation, die der oben genannten Entscheidung des EuGH vom 10.07.2008 (C-54/07, „Feryn") zugrunde liegt: Erklärt ein Arbeitgeber öffentlich, er werde keine Arbeitnehmer einer bestimmten Rasse einstellen, und sagt er dem einzigen Bewerber, der just dieser Rasse angehört, ab, so liegt genau die Situation vor, für die die Beweiserleichterung gedacht ist. Es ist Sache des Arbeitgebers nachzuweisen, dass trotz der Indiztatsachen keine Diskriminierung vorliegt. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Pflichtverletzung des Arbeitgebers ein geringeres Gewicht hat, mag dies weniger einleuchten. Die Struktur der Fälle ist jedoch gleich: Eine Pflichtverletzung indiziert eine Diskriminierung, die der Arbeitgeber widerlegen muss.

Dass es weitere aktuelle Bewerber gibt, die in gleicher Weise behandelt werden wie der Anspruchsteller, ändert an der Bewertung jedenfalls dann nichts, wenn diese nicht geeignet sind: Bewerben sich z.B. eine ausreichend qualifizierte Frau und ein nicht qualifizierter Mann auf eine Stelle, für die ein Mann gesucht wird, so mag im Ergebnis keiner der beiden Bewerber eine Zusage erhalten. In diesem Fall liegt gleichwohl eine unmittelbare Benachteiligung vor, da die Bewerberin, wenn sie über das männliche Geschlecht verfügt hätte, die Stelle erhalten hätte. Hier ist die Benachteiligung bereits eingetreten, wenn die Bewerberin keine Zusage erhalten hat ( Euler/v. Steinau-Steinrück/Schneider in Hümmerich/Boecken/Düwell, Anwaltkommentar Arbeitsrecht, § 3 AGG Rn. 5; a. A. Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 3 AGG Rn. 4, wonach - wenn eine aktuelle Vergleichsperson vorhanden ist - eine ungünstigere Behandlung nur im Verhältnis zu dieser Person festgestellt werden kann).

Schließlich kann aber auch dann nichts anderes gelten, wenn es weitere geeignete Bewerber gibt. Selbst wenn niemand zum Vorstellungsgespräch eingeladen oder eingestellt wird, ist für den Bewerber nicht ersichtlich, warum dies geschieht. So ist es denkbar, dass allen Bewerber aus sachwidrigen Gründen abgesagt wird, z.B. dem einen wegen des Geschlechts, dem nächsten wegen einer Behinderung und einem dritten wegen seiner Rasse. In dieser Situation wäre ein Entschädigungsanspruch begründet. Lassen in diesem Fall Indizien eine Diskriminierung vermuten, ist auch das Eingreifen der Beweiserleichterung gerechtfertigt. Nur der Arbeitgeber kennt die Gründe der Absage und kann klären, ob ausschließlich andere als die verpönten Gründe für die Entscheidung maßgeblich waren. Aber selbst wenn einem Teil der Bewerber aus sachlichen Gründen abgesagt wurde, lässt sich daraus nicht schließen, dass dies auch für den Anspruchsteller gilt: Um den vom Kläger gebildeten Beispielsfall aufzugreifen, kann dem einem Bewerber abgesagt werden, weil seine Gehaltsvorstellung zu hoch war, während der andere wegen einer Behinderung nicht eingestellt wird. Da der Anspruchssteller insofern keinen Einblick hat, liegt die Situation vor, auf die die Beweiserleichterung abzielt.

Sowohl den europarechtlichen Richtlinien als auch § 22 AGG geht es um die Beseitigung von Beweisschwierigkeiten für geschäftsinterne Vorgänge, zu denen ein Arbeitnehmer in der Regel keinen Zugang hat. Da eine derartige Beweisnot auch für die Frage nach dem Vorliegen einer Benachteiligung bestehen kann, ist die Beweiserleichterung auch insofern gerechtfertigt und geboten.

2. Wegen des Verstoßes gegen § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX und der daraus folgenden Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung trägt die Beklagte nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Die Beklagte muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht - auch - auf der Schwerbehinderung beruht. Damit muss sie Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung führten , und in ihrem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war (vgl. BAG 17.08.2010 - 9 AZR 839/08 unter C III 2 b bb (3) (e) (cc) (1)). Diesen Beweis hat die Beklagte erbracht. Die Kammer ist aufgrund der Beweisaufnahme und des Inhalts der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Beklagte nicht gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung verstoßen hat.

Die Personalleiterin der Beklagten Frau W. erklärte in der Beweisaufnahme, sie habe in einer Besprechung mit den Bereichsleitern und dem Geschäftsführer darauf hingewiesen, dass eine Bewerbung vorliege; die Person des Klägers sei nicht angesprochen worden. Man habe zum damaligen Zeitpunkt entschieden, keine Einstellung vorzunehmen. Entsprechend dem Ergebnis der Besprechung sei dem Kläger die Absage erteilt worden.

Nach dem Inhalt der Erklärung der Frau W. ist auszuschließen, dass die Behinderung des Klägers auf die Behandlung seiner Bewerbung irgendeinen Einfluss hatte. Nach der Erklärung traf die Beklagte keine Auswahlentscheidung, in der die Behinderung eine Rolle hätte spielen können. Die Person des Klägers wurde gar nicht konkret angesprochen. Vielmehr entschied die Beklagte unabhängig von der Person des Klägers, gar keine Stelle zu besetzen. Die Absage erfolgte aus betrieblichen bzw. wirtschaftlichen Gründen.

Die Kammer hält die Aussage der Frau W. für glaubhaft. Frau W. war an dem Vorgang selbst beteiligt und schilderte ihre Wahrnehmungen aus eigener Erfahrung. Sie machte zum maßgeblichen Sachverhalt klare Angaben und war in der Lage, Umstände zu erfassen und zu schildern. Der Inhalt ihrer Aussage wird gestützt durch die Vorlage der Personallisten, die dokumentieren, dass zwischen Juni 2009 und Januar 2011 keine Einstellung in der Entwicklungsabteilung vorgenommen wurde. Gleiches gilt für die Liste Umsatz/Auftragseingang Stand 30.11.2009, die den Einbruch gegenüber dem Vorjahr verdeutlicht und damit plausibel macht, dass die Beklagte sich aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Einstellung entschied.

Zwar gibt es einige Unstimmigkeiten im Tatsächlichen, die auch durch die Beweisaufnahme nicht geklärt werden konnten. Diese sprechen allerdings nicht gegen den Inhalt ihrer Aussage. Vielmehr sprechen sie dagegen, von einer bewusst falschen Aussage auszugehen, da nicht angenommen werden kann, dass die Zeugin absichtlich wahrheitswidrig derartige Komplikationen vorspielte.

Dies gilt zunächst für das Besetzungsverfahren der Teamleiterstelle: Der Beklagtenvertreter legte die Annonce vom 09.05.2009 erst auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vor. Wie die Schreiben der Beklagten vom 11.12.2009 und 01.02.2010 zeigen, hatte Frau W. zumindest zu jener Zeit wohl irrtümlich angenommen, der Kläger habe sich auf die Teamleiterstelle beworben. Auch in der Beweisaufnahme schilderte Frau W. zunächst die Suche eines neuen Teamleiters. Ob und warum hier ggf. ein Missverständnis vorlag, ändert jedoch nichts daran, dass kein Bewerber eingestellt wurde und die Absage gegenüber dem Kläger ohne Ansehen seiner Person erfolgte.

Die Bedeutung des Bewerber-Beurteilungsbogens bleibt hinsichtlich des Datums und der Unterschrift unklar. Allerdings spricht er nicht für oder gegen die Berücksichtigung der Behinderung des Klägers bei der Behandlung seiner Bewerbung. Gleiches gilt für den Umstand, dass im Sommer 2009 auf der Homepage der Beklagten die Ingenieur-/Technikerstelle - und nicht die Teamleiterstelle - geschaltet war.

Die Umstände der Stellenausschreibung vom 14.11.2009, die erst die Beklagte zum Gegenstand des Verfahrens machte, erläuterte Frau W. hingegen schlüssig: Angesichts des Ausscheidens des Herrn B. sei die Beklagte einerseits um die Personalkostenreduzierung froh gewesen, habe andererseits aber Mitarbeiter in der Entwicklungsabteilung gebraucht. So habe man zunächst versucht, die Stelle unbesetzt zu lassen, sie dann doch ausgeschrieben, um sie letztlich nicht zu besetzen. Frau W. konnte dieses „Hin und Her" anschaulich und überzeugend schildern.

C.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da das Rechtsmittel keinen Erfolg hat, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt. Die Frage nach dem Umfang der Beweiserleichterung des § 22 AGG hat zwar grundsätzliche Bedeutung. Sie ist jedoch nicht entscheidungserheblich, da die Berufung auch nach der anderen als der hier vertretenen Meinung abzuweisen wäre: Ohne Beweiserleichterung wäre schon gar keine Benachteiligung des Klägers anzunehmen. Der Kläger konnte weder konkret vortragen noch beweisen, dass er anders behandelt wurde als nicht behinderte Bewerber. Ohne die Beweiserleichterung wäre er insofern aber darlegungs- und beweispflichtig. Das Urteil weicht auch nicht von anderen Urteilen i. S. d. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab.

stats