LAG Nürnberg: Betriebsvereinbarung über einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat
LAG Nürnberg, Beschluss vom 24.10.2024 – 5 TaBV 6/24
Volltext: BB-Online BBL2025-499-1
Leitsätze
Der den Betriebspartnern bei der Schaffung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats zustehende Beurteilungsspielraum ist überschritten, wenn aufgrund der neuen Struktur eine ordnungsgemäße Erfüllung der Betriebsratsaufgaben nicht möglich ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Wahrnehmung von wesentlichen Betriebsratsaufgaben auf Dritte übertragen werden muss. Eine Betriebsvereinbarung über einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat, die die Vollfreistellung aller 35 Betriebsratsmitglieder und die Bestellung von 35 Kommunikationsbeauftragten vorsieht, die wesentliche Betriebsratsaufgaben wahrnehmen sollen, ist daher unwirksam.
Rechtsmittel ist zugelassen
Aus den Gründen
I.
Die Beteiligten streiten um die Anfechtung einer Betriebsratswahl.
Die Beteiligte zu 42) betreibt in Deutschland 531 Kfz-Meisterwerkstätten (Filialen) mit integriertem Autofahrer-Fachmarkt. Sie beschäftigt dabei deutschlandweit mehr als 8.000 Mitarbeiter.
Der Beteiligte zu 41) ist der durch die streitgegenständliche Wahl vom 19.07.2023 gewählte unternehmenseinheitliche Betriebsrat mit 35 Mitgliedern, dessen Sitz am Unternehmenssitz der Beteiligten zu 42) in CC-Stadt in der Oberpfalz angesiedelt ist.
Die Antragsteller und Beteiligten zu 1) bis zu 40) sind wahlberechtigte Arbeitnehmer der Beteiligten zu 42) aus unterschiedlichen Filialen.
Bei der Beteiligten zu 42) wurde bereits am 01.03.2022 ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt. Vor dieser Wahl schloss die Beteiligte zu 42) mit ihrem damaligen Gesamtbetriebsrat zwei Gesamtbetriebsvereinbarungen über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 II, I Nr. 1 a BetrVG vom 25.01./05.02.2021 (GBV I) und vom 23.02.2022 (GBV II). Diese Wahl mit 71 freigestellten Betriebsräten wurde erst- und zweitinstanzlich für unwirksam erklärt (ArbG: 3 BV 4/22 und LAG: 1 TaBV 22/22). Über die zugelassene und eingelegte Rechtsbeschwerde hat das BAG in der Sache nicht mehr entschieden, nachdem der erstmalig gewählte unternehmenseinheitliche Betriebsrat während des laufenden Verfahrens zurückgetreten war (7 ABR 2/23).
Die hier gegenständliche Wahl des Beteiligten zu 41) erfolgte daraufhin auf Grundlage einer abermals abgeänderten Betriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 II, I Nr. 1 a BetrVG vom 22.02.2023 (BV III, Bl. 157 ff. d.A.).
Vor der ersten Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats am 01.03.2022 waren 227 der 531 Filialen durch einen Betriebsrat vertreten. Zudem gab es einen Gesamtbetriebsrat mit 51 Mitgliedern, von denen 21 Mitglieder zu 100% und weitere 30 Mitglieder zu 50% freigestellt waren.
Vor der erstmaligen Wahl hatten einzelne örtliche Betriebsräte nach Kenntniserlangung von der GBV I Statusverfahren gem. § 18 II BetrVG eingeleitet mit dem Ziel der Feststellung, dass die jeweiligen örtlichen Filialen weiterhin als betriebsratsfähige Organisationseinheiten anzusehen sind. Erstinstanzlich wurde hierzu erkannt, dass am Standort BCStadt auch nach Abschluss der GBV I weiterhin eine betriebsratsfähige Einheit besteht, da die GBV nicht den Anforderungen des § 3 I BetrVG entspricht (3 BV 9/21). Die Beschwerde dagegen wurde vom Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 02.09.2022 zurückgewiesen (8 TaBV 15/22). Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin hat das BAG mit Beschluss vom 25.10.2023 die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben bzw. abgeändert und den Antrag des BC-Stadter Betriebsrats als unzulässig abgewiesen (7 ABR 25/22).
Vor der Durchführung der gegenständlichen Wahl hatte der BC-Stadter Betriebsrat beim Arbeitsgericht Weiden im Rahmen eines Eilverfahrens durch Beschluss vom 12.07.2023 eine Wahlabbruchsverfügung erwirkt (2 BVGa 1/23). Diese Entscheidung wurde durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17.07.2023 abgeändert und der Antrag abgewiesen (1 TaBV 2/23).
Daraufhin wurde am 19.07.2023 die gegenständliche Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates auf Grundlage der BV III durchgeführt. Mit Schreiben des Wahlvorstands vom 21.07.2023 wurde das Wahlergebnis bekanntgegeben (vgl. Bl. 167 d.A.).
Der gewählte Betriebsrat der CE. hat sich dann in einer Sitzung am 09.01.2024 eine Geschäftsordnung gegeben (Anlage BB1, Bl. 81 d. Berufungsakte). Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachvortrags sowie der gestellten Anträge wird auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 06. Dezember 2023 die Betriebsratswahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats vom 19.07.2023 für unwirksam erklärt und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass die formalen Voraussetzungen für eine Anfechtung der Betriebsratswahl erfüllt seien. Die angefochtene Wahl sei zwar nicht nichtig, aber anfechtbar, da der Betriebsbegriff verkannt worden sei. Die Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 sei unwirksam, was damit auch auf die auf dieser Grundlage durchgeführte Wahl durchschlage. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sei die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats durch Betriebsvereinbarung möglich, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtere. Dabei sei jedoch zu beachten, dass die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates dann vom Zweck der Regelung nicht mehr gedeckt sei, wenn die Erleichterung der Bildung von Betriebsräten ohne Weiteres bereits durch eine Zusammenfassung von Betrieben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b i.V.m. Abs. 2 BetrVG erreicht werden könne und sich dies demgegenüber der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates als ersichtlich weniger sachgerechte Lösung darstelle. Bei der Wahl zwischen den sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 a, b BetrVG ergebenden Möglichkeiten hätten sich die beiden Betriebspartner an dem Grundsatz der Ortsnähe zu orientieren. Im zu entscheidenden Fall könne nicht festgestellt werden, dass die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats die Bildung von Betriebsräten erleichtere oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dienlich sei. Zwar sei festzustellen, dass durch einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat eine Vielzahl von Filialen in die Mitbestimmung geführt werde und auch das Kriterium der Entscheidungsnähe für die Möglichkeit der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates sprechen würde. Jedoch sei das Kriterium der Ortsnähe vorliegend mit einem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat nicht vereinbar. Die Betriebsvereinbarung vom 22.03.2023 führe nunmehr zu einer Reduzierung der vorgesehenen Betriebsratsmitglieder um mehr als die Hälfte im Verhältnis zu den Vorgängergesamtbetriebsvereinbarungen insgesamt auf nunmehr 35 mit einer Zuständigkeit für 531 Filialen mit über 8.000 Mitarbeitern. Dabei hätte es schon unter der Geltung der bisherigen Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV I und II) mit jeweils 71 freigestellten Betriebsräten und 10 Auskunftspersonen bzw. 10 Kommunikationsbeauftragten Defizite bei der Ortsnähe gegeben. Der persönliche Kontakt sei aufgrund der räumlich sehr weiten Entfernung der meisten Filialen vom beschlossenen Sitz des Einheitsbetriebsrates in CC-Stadt erheblich erschwert. Die Betreuungsdichte von rechnerisch 7 bis 8 Filialen pro Betriebsratsmitglied bei einem Konzept mit „Reise- und Ausschussbetriebsräten“ entsprechend noch geringer und erschwere eine sachgerechte Betriebsratsarbeit, die doch auch in der Klärung von zeitaufwendigen kritischen und/oder vertraulichen und/oder fortgesetzten Sachverhalten vor Ort bestünden. Dies einerseits im Hinblick auf den persönlichen Kontakt zu den Arbeitnehmern und andererseits auch in Bezug auf die interne Kommunikation, Funktionsfähigkeit und damit Schlagkraft des Betriebsratsgremiums. Technische Ausstattung helfe hier nur bedingt, ersetze gerade im Betätigungsfeld eines Betriebsratsgremiums den persönlichen Austausch nicht und dürfe daher nicht zu einer Kombination von Defiziten im Bereich der Ortsnähe herangezogen werden. Diese Defizite hätten sich mit der neuen GBV vom 22.02.2023 noch in einem Ausmaß weiter verschlimmert, so dass das Ziel einer ortsnahen Arbeitnehmervertretung nicht mehr erreicht werde. Der neue Betriebsrat sei nicht mehr ortsnah im Sinne der BAG- Rechtsprechung errichtet, sondern im Gegenteil besonders ortsfern. Durch die Reduzierung der Anzahl der Betriebsratsmitglieder um mehr als die Hälfte auf nunmehr 35 in der neuen Betriebsvereinbarung verschlechtere sich die Betreuungsdichte noch einmal erheblich. Daran ändere auch die Stellung der Kommunikationsbeauftragten gemäß der Betriebsvereinbarung nichts. Denn diese Personen seien gerade keine Betriebsräte, sondern reine Hilfskräfte des Gremiums, deren Tätigkeit auf die Hilfstätigkeit der Informationsvermittlung zwischen dem Betriebsrat und Belegschaft beschränkt sein müsse. Zu beachten sei auch, dass vorliegend für eine effektive Betriebsratstätigkeit über alle in Deutschland verteilten Filialen auch nach der Vorstellung der Betriebsparteien der ursprünglichen Gesamtbetriebsvereinbarung mit 71 Betriebsratsmitgliedern weit mehr Betriebsratsmitglieder notwendig gewesen seien als gesetzlich vorgegeben. Daher könne in der neuen Organisationsstruktur auch keine Verbesserung bei der Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen erkannt werden. Die neue Betriebsvereinbarung verfehle das Ziel einer möglichst arbeitnehmernahen Gestaltung der Mitbestimmungsordnung und erweise sich somit auch bei Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums und der für die vorgesehene neue Betriebsratsstruktur sprechenden Aspekte als unwirksam. Mit einer Regionalstruktur stünde eine wesentlich ortsnähere Operationsform zur Verfügung. Es könnten damit weiße Flecken auf der Betriebsverfassungslandkarte geschlossen werden. Diese Option erscheine daher ersichtlich sachgerechter, da nur damit dem Grundsatz der Ortsnähe Rechnung getragen werden könne. Die Befürchtung, dass sich für die entsprechende Wahl in den Bezirken keine ausreichende Anzahl von Kandidaten finden lasse, sei aus Sicht der Kammer spekulativ und könne den vorliegenden Rechtsstreit damit nicht beeinflussen.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 06.12.2023 ist dem Beteiligten zu 41 und der Beteiligten zu 42 am 16.01.2024 zugestellt worden. Die Beschwerdeschrift der Beteiligten zu 42 vom 13.02.2024 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 13.02.2024 eingegangen. Die Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 42 vom 16.03.2024 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 16.04.2024 eingegangen. Die Begründungsfrist war für den Beteiligten zu 42 bis zum 16.04.2024 verlängert worden. Die Beschwerdeschrift des Beteiligten zu 41 vom 16.02.2024 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 16.02.2024 eingegangen. Die Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 41 vom 16.04.2024 ist am 16.04.2024 innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen.
Der Beteiligte zu 41 verweist zunächst auf die als Anlage BB1 aktualisierte Geschäftsordnung des Betriebsrates vom 24.02.2024. Auf Grundlage dieser Geschäftsordnung praktiziere der Betriebsrat mit 35 voll freigestellten Mitgliedern und der gleichen Anzahl von Kommunikationsbeauftragten als Helfer ein Betreuungsmodell und zeige damit, wie mit dieser Besetzung eine ortsnahe und gleichsam intensive Betreuung möglich sei. Der Betriebsrat habe auf Basis des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums die Situation so eingeschätzt, dass mit Hilfe eines solchen Konzepts die vom Hauptbetrieb in CC-Stadt örtlich weit entfernten Filialen regelmäßig besucht werden könnten und im Bedarfsfall immer ein Ansprechpartner auf Zuruf schnell in die Filiale kommen könne. Die konsequente Umsetzung des Betreuungskonzepts, dessen Grundlage in der Strukturbetriebsvereinbarung vom 22.02.2023 vereinbart worden sei, würde auch die Basis für einen intensiven Austausch mit den Beschäftigten bilden. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung den Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien verkannt. Dieser sei nämlich erst dann verletzt, wenn sich die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates als ersichtlich weniger sachgerechte Lösung darstelle bzw. wenn die Erleichterung der Bildung von Betriebsräten ohne Weiteres bereits durch die Zusammenfassung von Betrieben erreicht werden könne und sich demgegenüber die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates als ersichtlich weniger sachgerechte Lösung darstelle. Dabei verkenne das Arbeitsgericht auch, dass die klare, spätestens seit 2019 bestehende Zentralisierung der Zuständigkeit auf Unternehmensseite in Bezug auf die mitbestimmungsfähigen sozialen und personellen Kernkompetenzen maßgebend ins Gewicht fallen würde als Aspekt, der für die Zulässigkeit der Vereinbarung sprechen würde. Weiter verkenne das Arbeitsgericht auch, dass der Aspekt der zunehmenden Digitalisierung der Betriebsratstätigkeit die Möglichkeiten und tatsächliche Praxis der Kommunikation zwischen Betriebsrat und den Beschäftigten maßgeblich mit beeinflusse und in der Corona-Zeit und seit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes eine Veränderung erfahren habe. Alleine die Existenz des § 30 Abs. 2 BetrVG zeige, dass Kommunikationsmittel der Video- und Telefonkonferenz üblich geworden seien. Das Arbeitsgericht Weiden verschließe auch die Augen davor, dass die Kommunikation des Betriebsrates mit der Belegschaft durch das betriebliche Internet, digitale Sprechstunden, digitale Townhall-Meetings und die Zunahme fernmündlicher Kommunikation durch Nutzung von Smartphones sich deutlich verändert habe und der Gesetzgeber hierauf auch bereits maßvoll reagiert habe. Das Arbeitsgericht verkenne schlussendlich, dass eine Anknüpfung an die gesetzlichen Mitgliederzahlen nach § 9 BetrVG den Betriebsparteien nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, da dies nun einmal die gesetzlichen Vorgaben seien. Alleine entscheidend dürfte entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Weiden sein, ob mit 35 hier voll freigestellten Mitgliedern Sprechstunden, Betriebsversammlungen und auch Begleitung von Personalgesprächen in örtlich vom Hauptsitz weit entfernten Filialen möglich seien. Unabhängig davon, dass moderne Kommunikationsmittel eingesetzt würden, zeige die Praxis eindrucksvoll, dass mit 35 voll freigestellten Betriebsratsmitgliedern eine intensive Betreuung aller Beschäftigten stattfinden könne.
Die Beteiligte zu 42 weist darauf hin, dass die Unternehmensleitung sowie der unternehmenseinheitliche Betriebsrat sich darüber einig seien, dass allein ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat eine vollständige und sachgerechte Wahrnehmung der Interessen aller Beschäftigten der CE. GmbH & Co.KG gewährleisten könne. Nach § 2 Abs. 4 der Betriebsvereinbarung vom 22.03.2023 würden dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat bei Bedarf auf Beschlussfassung des Betriebsrates dauerhaft bis zu maximal 35 Arbeitnehmer als Kommunikationsbeauftragte mit einem Zeitkontingent des Betriebsrats für diese von bis zu maximal 60.000 Stunden im Jahr zur Verfügung gestellt. Die Kommunikationsbeauftragten sollen dem Betriebsrat unter anderem dabei helfen, sich ortsnah der Belange der Beschäftigten anzunehmen. In § 3 der Betriebsvereinbarung sei auch vorgesehen, dass Betriebsratsmitgliedern und Kommunikationsbeauftragten ein Smartphone und ein Laptop mit mobilem Internet-Zugang zur Verfügung gestellt würde. Ferner würden alle Betriebsratsmitglieder sowie die Kommunikationsbeauftragten in Ausübung ihrer Tätigkeit einen mobilen Arbeitsplatz sowie eine Betriebskostenpauschale erhalten.
Das Arbeitsgericht verkenne, dass durch die Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats zukünftig die bestehenden weißen Flecken auf der Betriebsverfassungslandkarte vermieden werden. 57% der Filialen, die vor der Wahl am 01.03.2022 ohne Betriebsrat gewesen seien, seien in die Mitbestimmung geführt worden. Die Betriebsvereinbarung diene auch einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer, dabei führe bereits das Kriterium der Entscheidungsnähe zur Sachdienlichkeit. Die beteiligungspflichtigen Entscheidungen würden vorliegend nicht in den örtlichen Filialen oder auf der Ebene der Bezirke getroffen, sondern durch die Unternehmensleitung der CE.
GmbH & Co.KG in der Zentrale in CC-Stadt. Entscheidungen für die Filialen, welche betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte auslösen könnten, würden zentral auf der Unternehmensebene getroffen. Der Kontakt zwischen den Arbeitnehmern und der sie repräsentierenden Betriebsvertretung würde auch nicht unangemessen beschwert. Das Argument des Arbeitsgerichts, dass die Reduzierung der Betriebsratsmitglieder von 71 auf die gesetzlich vorgesehene Zahl von 35 das Defizit im Bereich der Ortsnähe verschlimmert habe, gehe an der Realität vorbei. Die Beteiligten zu 41 und 42 hätten im Rahmen der neuen Betriebsvereinbarung nur auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 02.09.2022 (Az. 8 TaBV 15/22) und vom 29.11.2022 (Az. 1 TaBV 22/22) reagiert und die Anzahl der Mitglieder des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ausgestaltet. Mit Blick auf die Ortsnähe werde der unternehmenseinheitliche Betriebsrat mit seinen 35 voll freigestellten Mitgliedern zudem durch die Kommunikationsbeauftragten unterstützt. Die Kommunikationsbeauftragten würden dem Betriebsrat dabei helfen, sich ortsnah den Belangen der Beschäftigten anzunehmen und im Rahmen des Informations- und Meinungsaustausches zu unterstützen. Entscheidend sei, dass die Arbeitnehmer einen effektiven Kommunikationskanal zum Betriebsrat hätten. Darüber hinaus verliere das Kriterium der Ortsnähe zunehmend an Bedeutung. Das Arbeitsgericht gehe insofern zu Unrecht davon aus, dass technische Ausstattung „nur bedingt“ helfe. Das Gegenteil sei der Fall, insbesondere nach den Erfahrungen der Covid-19-Pandemie und der damit einhergehenden Digitalisierung sei der technische Fortschritt zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien auch Regionalbetriebsräte keine ersichtlich sachgerechtere Lösung und im Übrigen sei der Beurteilungs- und Ermessensspielraum der Betriebsparteien zu beachten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowohl beim Arbeitsgericht als auch beim Landesarbeitsgericht sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.
II.
Die Beschwerden der Beteiligten zu 41 und 42 sind zulässig. Sie sind insbesondere form- und fristgerecht innerhalb der Fristen der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG eingereicht und auch begründet worden.
Die Beschwerden sind in der Sache aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 19.07.2023 zutreffend für unwirksam erklärt. Es kann hierzu zunächst auf die ausführliche Begründung des Arbeitsgerichts bezuggenommen werden (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Beschwerden sind noch folgende ergänzenden Ausführungen veranlasst:
1. Die formalen Voraussetzungen der Anfechtung der Betriebsratswahl vom 19.07.2023 sind erfüllt. Insbesondere sind nach wie vor mehr als drei wahlberechtigte Arbeitnehmer am Anfechtungsverfahren beteiligt und halten dieses aufrecht. Die Anfechtung ist rechtzeitig und mit einer ausreichenden Begründung erfolgt.
2. Die angefochtene Betriebsratswahl ist zwar nicht nichtig. Sie ist aber anfechtbar, da der Betriebsbegriff verkannt wurde. Die Betriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 22.02.2023 ist unwirksam. Es hätte kein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt werden dürfen. Die Durchführung der Wahl auf der Grundlage der unwirksamen Gesamtbetriebsvereinbarung vom 22.02.2023 stellt einen das Wahlergebnis beeinflussenden Wahlverstoß im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG dar.
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens war nicht zu prüfen, inwieweit die angefochtene Betriebsratswahl nichtig ist. Insoweit ist mangels gegengerichteter Beschwerde Rechtskraft eingetreten.
Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nur die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge. Dies gilt auch dann, wenn es um eine Verkennung der „richtigen“ Rechtsgrundlage für die Bestimmung des Betriebsbegriffs geht. Vorliegend also um die Frage, ob bei der Beteiligten zu 42 weiterhin jeweils in den bisherigen Organisationseinheiten nach § 1 und 4 BetrVG oder eben der unternehmenseinheitliche Betriebsrat auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 22.03.2023 zu wählen ist (vgl. BAG vom 13.03.2013, 7 ABR 70/11; GK-BetrVG/Franzen, 11. Aufl., § 3 BetrVG Rdnr. 76).
Bei der am 19.07.2023 durchgeführten Betriebsratswahl wurde bei der Wahldurchführung der Betriebsbegriff verkannt, da die der vorliegenden Wahl zugrundeliegende Betriebsvereinbarung unwirksam ist und dennoch auf deren Grundlage der Beteiligte zu 41 gewählt wurde. Die Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 ist unwirksam. Diese Betriebsvereinbarung legt von der gesetzlichen Betriebsverfassung abweichende Strukturen fest, ohne dass die hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
a. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann durch Tarifvertrag für Unternehmen mit mehreren Betrieben die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder die Zusammenfassung von Betrieben bestimmt werden, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Erforderlich ist nach dem Zweck dieser Regelung, dass die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer durch die vom gesetzlichen Vertretungsmodell vorgenommenen Abweichungen verbessert wird (vgl. auch BAG vom 13.03.2013, 7 ABR 70/11). Ob das der Fall ist, haben zunächst die Betriebsparteien zu beurteilen. Diesen steht insofern ein zu beachtender Beurteilungsspielraum zu. Ob die Betriebsparteien hierbei die gesetzlichen Vorgaben eingehalten oder überschritten haben, unterliegt allerdings im Streitfall der gerichtlichen Überprüfung (vgl. BAG vom 24.04.2013, 7 ABR 71/11).
Nach § 3 I Nr. 1 a, 1. Alt. iVm. II BetrVG ist die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats durch Betriebsvereinbarung möglich, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn anderenfalls die Gefahr besteht, dass in einzelnen Betrieben oder Betriebsteilen gar kein Betriebsrat gewählt wird (vgl. Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 3 Rn. 29 m.w.N.). Die Bestimmung dient dabei dem Zweck, „weiße Flecken” auf der Betriebsverfassungslandkarte zu vermeiden. Allerdings ist die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach der maßgebenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann vom Zweck der Regelung nicht mehr gedeckt, wenn die Erleichterung der Bildung von Betriebsräten ohne Weiteres bereits durch eine Zusammenfassung von Betrieben nach § 3 I 1 Nr. 1 b iVm. II BetrVG erreicht werden kann und sich demgegenüber die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats als ersichtlich weniger sachgerechte Lösung darstellt. Bei der Wahl zwischen den sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 a, b BetrVG ergebenden Möglichkeiten haben die Betriebsparteien den Grundsatz der Ortsnähe zu berücksichtigen (vgl. BAG vom 24.04.2013, a.a.O.).
Der Grundsatz der Ortsnähe spielt aber auch bei der zweiten Alternative des § 3 I Nr. 1 a BetrVG eine wesentliche Rolle. Danach ist die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats möglich, wenn sie einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Bei der Prüfung, ob die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach dieser Alternative sachdienlich ist, ist nach der auch insoweit maßgebenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von besonderer Bedeutung, wo die mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen im Betrieb getroffen werden. Insoweit sind für die sachgerechte Bildung von Arbeitnehmervertretungen die organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers maßgeblich. An ihnen darf sich bei der Schaffung einer betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit die maßgebliche Regelung grundsätzlich orientieren (vgl. BAG vom 24.4.2013, a.a.O.).
Bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sind allerdings noch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen und zwar insbesondere wiederum der Grundsatz der Ortsnähe (vgl. BAG a.a.O.). Dieser Aspekt ist auch hier von besonderer Bedeutung, da der Gesetzgeber die Probleme bei der Kontaktaufnahme und -pflege bei größeren räumlichen Entfernungen zwischen den Arbeitnehmern und der sie repräsentierenden Betriebsvertretung gesehen hat und daher die wechselseitige Erreichbarkeit bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung als ganz wesentlichen Punkt berücksichtigt hat (vgl. BAG a.a.O.).
Der in dieser Rechtsprechung besonders zur Geltung gebrachte Aspekt der Ortsnähe gilt auch weiterhin. Zwar führt die zunehmende Digitalisierung im Grundsatz zu einer Vereinfachung der Kommunikation und zu einer abnehmenden Bedeutung des Aufenthaltsortes der jeweiligen Gesprächspartner. Allerdings spielt der persönliche Kontakt im Vertrauensverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern nach wie vor eine besondere Rolle. Dieser kann bei Berücksichtigung des weiterhin auf einen möglichst engen persönlichen Kontakt zwischen den Arbeitnehmern eines Betriebes und den Mitgliedern des Betriebsrates ausgerichteten Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes nur sehr begrenzt durch den Einsatz von Technik ersetzt werden (vgl. Fündling/Sorber, NZA 2017, 552, 554).
Diese Grundsätze hat das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung auch schon zutreffend und umfassend ausgeführt.
b. Weitergehend ist aber auch die gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 5 BetrVG zu berücksichtigen. Nach der gesetzlichen Konzeption bildet die neugebildete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit den Betrieb im Sinne dieses Gesetzes. Für diesen Betrieb ist der Betriebsrat zuständig. Den Betriebs- oder Tarifvertragsparteien ist dabei keine beliebige Ausgestaltung der Repräsentationsstrukturen der Arbeitnehmervertretung eröffnet, vielmehr sind diese an die vorliegenden Tatbestandsvoraussetzungen zum einen des § 3 Abs. 1 BetrVG, aber auch an die weiteren gesetzlichen Regelungen des Betriebsverfassungsrechtes gebunden. So auch an die Regelung des § 9 BetrVG. Sinn und Zweck des § 9 BetrVG ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, seine Aufgaben mit ausreichender Mitgliederzahl effektiv wahrzunehmen. Eine Herabsetzung der gesetzlichen Mitgliederzahl vermindert die Effektivität der Betriebsratstätigkeit und ist damit unzulässig, aber auch eine Erhöhung der Betriebsratsmitglieder ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 24.04.2013 – Az. 7 ABR 71/14 und Beschluss vom 07.05.2008 – Az. 7 ABR 17/07) nicht möglich. Es können lediglich zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer nach § 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 BetrVG durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung errichtet werden. Der Betriebsrat selbst wird nicht vergrößert, es wird lediglich eine zusätzliche Betriebsvertretung für bestimmte Beschäftigungsarten oder Arbeitsbereiche geschaffen, um die Zusammenarbeit des Betriebsrats mit der Belegschaft zu fördern (Richardi, BetrVG, 17. Aufl., § 9 Rdnr. 18). Es handelt sich dabei also um zusätzliche Arbeitnehmervertretungen, die unter den Voraussetzungen des § 3 BetrVG gebildet werden könnten.
Folge dieser Grundsätze ist, dass die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates auch nur dann möglich ist, wenn durch den unternehmenseinheitlich gewählten Betriebsrat auch eine ordnungsgemäße Erledigung der Betriebsratsaufgaben möglich ist. Eine Delegation von Betriebsratsaufgaben ist auch nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (§§ 27- 28 a BetrVG) möglich.
c. Wie schon ausgeführt haben die Betriebsparteien dabei einen Einschätzungs- und Ermessensspielraum. Dieser wird jedoch dann überschritten, wenn der Betriebsrat seine ihm obliegenden Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann und seine ihm obliegenden originären Betriebsratsaufgaben auf andere Personen (hier der Kommunikationsbeauftragte) abgibt und ohne deren Tätigkeit nicht in der Lage ist, seine betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben zu erfüllen. So liegt der Fall hier.
Dabei ist zunächst nochmals der Zustand in der Vergangenheit zu betrachten. Vor der Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates waren 235 der 532 Filialen durch einen Betriebsrat vertreten. Zudem gab es einen Gesamtbetriebsrat mit 51 Mitgliedern, von denen 21 Mitglieder zu 100% und weitere 30 Mitglieder zu 50% freigestellt waren. Damit ergibt sich eine Komplettfreistellung von 36 GBR-Mitgliedern.
Dies zeigt, dass in dem damaligen Stand die Gesamtbetriebsvertretung offensichtlich davon ausgegangen ist, dass 36 Komplettfreistellungen notwendig sind, um die erforderliche Betriebsratstätigkeit des Gesamtbetriebsrates abzudecken. Dazu zu rechnen sind noch die Freistellungen der örtlichen Betriebsräte nach § 37 Abs. 2 BetrVG.
In der ersten Gesamtbetriebsvereinbarung vom 25.01./05.02.2021 regelten die Betriebsparteien, dass die Zahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates auf 71 festgelegt wird mit der Begründung, dass jeder Vertriebsbezirk gleich stark im unternehmenseinheitlichen Betriebsrat vertreten sei. Zusätzlich wurden noch bei Bedarf bis zu maximal zehn sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen gem. § 80 Abs. 2 Satz 4 BetrVG zur Verfügung gestellt. In der Folge wurde diese GBV unter dem Datum 05.01./23.02.2022 präzisiert bzw. ergänzt dahingehend, dass die 71 Betriebsratsmitglieder für die Erledigung ihrer Aufgaben – soweit erforderlich – gemäß § 38 BetrVG voll freigestellt werden. Zusätzlich würden dem Betriebsrat bis zu maximal zehn sachkundige Arbeitnehmer als Kommunikationsbeauftragte nach § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der zwei genannten Gesamtbetriebsvereinbarungen wird deutlich, dass beide Betriebspartner im Kalenderjahr 2021 und 2022 davon ausgegangen sind, dass für die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben ein Betriebsratsgremium von 71 Betriebsratsmitgliedern erforderlich ist und wiederum auch eine Freistellung in gleicher Höhe erforderlich sein dürfte. Dies ist insoweit nachvollziehbar, als ja schon der Gesamtbetriebsrat über 36 Komplettfreistellungen verfügte. Nachdem das Landesarbeitsgericht Nürnberg am 02.09.2022 in dem Verfahren 8 TaBV 15/22 entschieden hat, dass eine Festlegung der Betriebsratsstärke in dieser Höhe nicht möglich ist, wurde in der Folge die Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 zwischen den Betriebspartnern geschlossen. Auffällig hierbei ist, dass die abgeschlossene Betriebsvereinbarung vereinbart wurde durch den Betriebsrat der Filialen der CE. GmbH & Co.KG, also dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat. Die erkennende Kammer hat insofern Zweifel, inwieweit dieser Betriebsrat hierfür zuständig ist. Dies würde voraussetzen, dass die zunächst abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarungen aus dem Kalenderjahr 2021/2022 wirksam eine Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates erreichen konnte. Für eine solche Annahme sprechen aber nicht die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen im Wahlanfechtungsverfahren. Damit wäre immer noch die Zuständigkeit des ehemals bestehenden Gesamtbetriebsrats gegeben (Fitting, 31. Aufl., § 3 Rdnr. 73 m.w.N.). Hierzu hätte es jedoch weiterer Feststellungen bedurft und kann damit offenbleiben, da die getroffene Betriebsvereinbarung mit den hier genannten Erwägungen bereits unwirksam ist.
Die zeitliche Entwicklung zeigt, dass die Betriebsparteien bei Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarungen I und II nicht davon ausgehen konnten und auch nicht ausgegangen sind, dass die erforderliche Betriebsratstätigkeit alleine durch 35 Betriebsratsmitglieder bewerkstelligt werden kann. Im Hinblick auf den Zeitlauf zwischen der ersten Gesamtbetriebsvereinbarung und der dritten Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Einschätzungsprärogative der Betriebspartner zu der anfallenden erforderlichen Betriebsratstätigkeit aus tatsächlichen Umständen heraus verändert hat. Die Betriebsvereinbarung vom 22.03.2023 versucht nur unter Erhöhung der Anzahl der Kommunikationsbeauftragten die Bewältigung der anfallenden Aufgaben zu ermöglichen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich vorliegend bei den Kommunikationsbeauftragten nicht um eine zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG handelt, da insoweit die notwendigen betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen nicht gegeben sind. Es handelt sich bei den in der Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 genannten Kommunikationsmitarbeitern letztendlich um Büropersonal im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG.
Zu den Kommunikationsbeauftragten hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 29.04.2015 – 7 ABR 102/12 – ausgeführt, dass es sich bei den Kommunikationsbeauftragten um Hilfspersonen im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG handelt. Sie unterstützen den Betriebsrat durch Hilfstätigkeiten bei der Wahrnehmung seiner Kommunikationsaufgabe. Dabei gehört es zu den Aufgaben des Betriebsrates, im Rahmen seiner Zuständigkeit die Belegschaft umfassend und grundlegend zu informieren. Die Einhaltung der allgemeinen Überwachungspflichten nach § 75 BetrVG und § 80 BetrVG verlangen zwingend, sich mit dem von ihm zu vertretenden Arbeitnehmern auszutauschen. Auch die sachgerechte Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ist ohne einen Informations- und Meinungsaustausch zwischen Betriebsrat und Belegschaft nicht denkbar (BAG a.a.O.). Es handelt sich damit um eine grundsätzlich wichtige Aufgabe des Betriebsrates, einen Informations- und Meinungsaustausch mit der Belegschaft zu unterhalten. Dabei kann der Betriebsrat bei der Erledigung dieser Aufgabe auch Hilfspersonen in Anspruch nehmen. Es wird vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 29.04.2015 – 7 ABR 102/12 – nicht beanstandet, wenn die Kommunikationsbeauftragten lediglich Informationsmaterial des Betriebsrats an den Arbeitnehmer weiterleiten und diese Tätigkeit auf einen Botendienst beschränkt ist. Eine Übertragung von Betriebsratsaufgaben an Dritte ist jedoch außer in den gesetzlich geregelten Fällen nicht zulässig.
Die Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 regelt zwar zunächst nur die Anzahl der Kommunikationsbeauftragten und nicht näher deren Aufgaben. Die Anzahl der Kommunikationsbeauftragten und deren Stundenkontingent sind aber so gewählt, um den notwendigen zu erwartenden zeitlichen Einsatz des Betriebsrates hinsichtlich der vorangehenden Vereinbarungen zu sichern. Der konkrete Aufgabenbereich der Kommunikationsbeauftragten wird lediglich pauschal dahingehend formuliert, dass die Kommunikationsbeauftragten den Betriebsrat u.a. dabei helfen sollen, sich ortsnah der Belange der Beschäftigten anzunehmen. Konkrete Regelungen zum Aufgabenbereich und Stellung des Kommunikationsbeauftragten finden sich in der Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 nicht. Allerdings zeigt die vom Betriebsrat erlassene Geschäftsordnung (GO) vom 09.01.2024, welches Verständnis zumindest der Betriebsrat hinsichtlich der Einbindung und Aufgabenzuweisung der Kommunikationsbeauftragten hat. Es geht deutlich über reine Botendienste hinaus. So sind nach § 6 Ziff. 4 der GO zu den Betriebsratssitzungen alle Kommunikationsbeauftragten als Gäste einzuladen. Zwar ist es dem Betriebsrat im Rahmen einer Sitzung durchaus möglich, andere Personen im Wesentlichen als Auskunftspersonen hinzuzuziehen. Das schrankenlose Zulassen der Kommunikationsbeauftragten zu allen Themen einer Betriebsratssitzung ist jedoch ein deutlicher Verstoß gegen den Nicht-ÖffentlichkeitsGrundsatz von Betriebsratssitzungen (§ 30 Abs. 1 Satz 4 BetrVG). Auch dass sich Kommunikationsbeauftragte nach § 6 Ziff. 6 GO unverzüglich unter Angabe der vorliegenden Gründe gegenüber den Betriebsratsvorsitzenden erklären müssen, wenn sie an einer Sitzung nicht teilnehmen können, zeigt zumindest, dass der Anwesenheit der Kommunikationsbeauftragten eine gewisse Wichtigkeit beigemessen wird bei allen Themen der Betriebsratstätigkeit. Die Regelungen in § 9 Ziff. 4, 6 und 8 GO zeigen ebenfalls die Notwendigkeit, den Kommunikationsbeauftragten deutlich stärker in die Betriebsratstätigkeit einzubinden als normale Auskunftspersonen. Nach § 10 GO erhalten alle teilnehmenden Kommunikationsbeauftragten eine Kopie der Niederschrift der Betriebsratssitzung. Dies ist im Hinblick auf § 79 BetrVG problematisch, da zwar der Kommunikationsbeauftragte nach der Betriebsvereinbarung einer ähnlichen Schweigeverpflichtung unterworfen werden soll wie ein Betriebsratsmitglied. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich hierbei nur um eine vertragliche Verschwiegenheitsregelung handelt und damit nicht die Stärke einer gesetzlichen Regelung im Sinne der §§ 79,120 BetrVG entfalten kann.
In § 12 der GO wird in Ziff. 2 die Arbeitsweise der Kommunikationsbeauftragten in Anlage 1 beschrieben. Auch hier wird nochmals in besonderer Weise deutlich, dass der Betriebsrat die Kommunikationsbeauftragten nicht lediglich als Boten von Willenserklärungen betrachtet, sondern diese weitreichend in normale Betriebsratstätigkeit einbindet. Auf der ersten Seite, zweiter Punkt, ist formuliert, dass u.a. auch der Kommunikationsbeauftrage zuständig sein soll, „Stimmungen“ der Arbeitnehmer an den Betriebsrat heranzutragen. Überschritten wird jedenfalls eine Botentätigkeit, wenn der Kommunikationsbeauftragte „Stimmungen“ interpretiert und diese dann quasi durch seine Person gefiltert an den Betriebsrat heranträgt, um beim Betriebsrat eine Meinungsbildung zu ermöglichen. Eine Botentätigkeit liegt nur vor bei der Entgegennahme einer Erklärung und deren Übermittlung an den Adressaten.
Auf der ersten Seite der Anlage 1, letzter Unterpunkt, ist formuliert, dass die Kommunikationsbeauftragten den Mitarbeitern der zugeordneten Filialen zum persönlichen Gespräch und zum Meinungsaustausch zur Verfügung stehen. Bei einem Meinungsaustausch handelt es nicht um eine reine Informationsmitteilung, sondern um Austausch von Meinungen, die natürlich dann auch bei den betroffenen (Arbeitnehmer/Betriebsrat) zu Meinungsbildungen werden können. Auf Seite 2 der Anlage, fünfter Unterpunkt, ist formuliert, dass Kommunikationsbeauftragte beschlossene Betriebsvereinbarungen vorstellen und deren Inhalt erklären. Auch das Erklären einer Betriebsvereinbarung ist mit einer reinen Botentätigkeit nicht zu vereinbaren. Auf Seite 2, sechster Punkt, können auf Wunsch der Mitarbeiter Kommunikationsbeauftragte als Vertrauenspersonen hinzugezogen werden. Dies ist zwar aus Sicht des Arbeitnehmers generell möglich. Ungewöhnlich ist jedoch, dass der Arbeitgeber schon vorab sein Einverständnis hierzu erklärt. Auch dies zeigt das Einbinden der Kommunikationsbeauftragten in die Betriebsratsarbeit. Auf Seite 2, achter Unterpunkt, hat der Kommunikationsbeauftragte unter anderem auch die Aufgabe, bei Fragen zur Planung und Gewährung von Urlaub über geltende Betriebsvereinbarungen und geltende Gesetze zu informieren. Auch das selbstständige Informieren über rechtliche Regelungen ist keine reine Botentätigkeit mehr. Gleiches betrifft die Einbindung der Kommunikationsbeauftragten bei jährlichen Mitarbeitergesprächen, Einstellungen, Versetzungen, Kündigungen (Anlage Seite 2, letzter Unterpunkt, Seite 3, zweiter Punkt). Auf Seite 3 der Anlage, fünfter Unterpunkt, können Kommunikationsbeauftragte in den Fachausschüssen beratend mitarbeiten oder vorbereitende Aufgaben erledigen. Damit nehmen sie auf die Willensbildung des Betriebsrates direkt Einfluss.
Dies hat mit einer reinen Botentätigkeit nichts zu tun.
Die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates zeigen damit zum einen den von beiden Parteien notwendigen Bedarf an Betriebsratsmitgliedern, um eine ordnungsgemäße Betriebsratstätigkeit ausüben zu können. Die Betriebsvereinbarung vom 22.02.2023 ist eine alleinige Reaktion auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg dahingehend, dass eine Erhöhung der gesetzlich vorgesehenen Zahl der Betriebsratsmitglieder nicht möglich ist und die Geschäftsordnung des gewählten unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 09.01.2024 nebst seiner Anlage zeigt nachhaltig, dass die vom Betriebsrat an die Kommunikationsbeauftragten zugewiesenen Aufgaben mit einer reinen Botentätigkeit oder einfacher Erledigung von Bürotätigkeiten nichts zu tun haben. Die Übertragung von Aufgaben des Betriebsrates an Dritte (Kommunikationsbeauftragte) ist aber mit Ausnahme der im BetrVG vorgesehenen Fälle (§§ 27-28 a BetrVG) nicht möglich. Bei Bewertung des Gesamtsachverhalts ist ergänzend auch zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat durch die Vornahme einer Komplettfreistellung aller Betriebsratsmitglieder auch zeigt, dass seine Resourcen für anfallende Betriebsratstätigkeit vollausgeschöpft sind. Es ist nicht ersichtlich wie der Betriebsrat auf Zeiten eines erhöhten Bedarfes an Betriebsratsaufgaben angemessen reagieren kann ohne Aufgaben zu vernachlässigen. Damit erweist sich die Schlussfolgerung des Arbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 06.12.2023 als richtig, demnach die neue Betriebsvereinbarung vom 22.03.2023 das Ziel einer möglichst arbeitnehmernahen Gestaltung der Mitbestimmungsordnung verfehlt und erweist sich somit auch bei Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums und der für die vorgesehenen neue Betriebsratsstruktur Aspekte als unwirksam. Mit einer Regionalstruktur könnte eine wesentlich ortsnähere Organisationsform zur Verfügung stehen. Es könnten damit die weißen Flecken auf der Betriebsverfassungslandkarte geschlossen werden. Es könnten aber auch entsprechend der Vorgabe des § 9 BetrVG rechnerisch auch mehr Betriebsräte für die anfallende Betriebsratstätigkeit gewählt werden. Die Option gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 BetrVG erscheint nach alledem ersichtlich sachgerechter, da nur damit dem Grundsatz der Ortsnähe Rechnung getragen werden kann, aber auch nur so eine funktionsfähige Betriebsratsstruktur erreicht werden kann (so aber auch schon das Landesarbeitsgericht Nürnberg in seiner Entscheidung vom 26.01.2023, 1 TaBV 22/22).
Die Betriebsratswahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 17.07.2023 war, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, unwirksam. Die Beschwerden der Beteiligten zu 41 und 42 waren als unbegründet zurückzuweisen.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigt sich, da entscheidungserheblichenRechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beizumessen war.