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Arbeitsrecht
21.04.2017
Arbeitsrecht
EuGH: Betriebsübergang – Anrechnung der Beschäftigungsdauer beim Veräußerer für die Berechnung der Kündigungsfrist

EuGH, Urteil vom 6.4.2017 – C-336/15, Unionen gegen Almega Tjänsteförbunden, ISS Facility Services AB

ECLI:EU:C:2017:276

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2017-947-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass der Erwerber unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens bei der Kündigung eines Arbeitnehmers, die mehr als ein Jahr nach dem Übergang des Unternehmens erfolgt, in die Berechnung der Beschäftigungszeiten des betreffenden Arbeitnehmers, die für die Bestimmung der ihm zustehenden Kündigungsfrist maßgeblich sind, die Beschäftigungszeiten einzubeziehen hat, die dieser Arbeitnehmer beim Veräußerer zurückgelegt hat.

Richtlinie 2001/23/EG Art. 3

Aus den Gründen

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Unionen, einer Gewerkschaft, einerseits, und Almega Tjänsteförbunden, einem Arbeitgeberverband (im Folgenden: Almega), und der ISS Facility Services AB, einer Gesellschaft schwedischen Rechts (im Folgenden: ISS), andererseits, weil die von vier Arbeitnehmern bei Veräußerern zurückgelegten Beschäftigungszeiten im Anschluss an Unternehmensübergänge nicht berücksichtigt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 sieht vor:

„Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.“

4

In Art. 3 der Richtlinie heißt es:

„1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

3. Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw[.] bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.

Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.

…“

Schwedisches Recht

5

Nach § 6b Lagen (1982:80) om anställningsskydd (Gesetz [1982:80] betreffend den Schutz des Arbeitsplatzes) gehen beim Übergang eines Unternehmens, eines Betriebs oder eines Teils eines Betriebs von einem Arbeitgeber auf einen anderen auch die Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen auf den neuen Arbeitgeber über.

6

Mit § 28 Lagen (1976:580) om medbestämmande i arbetslivet (Gesetz [1976:580] über die Mitbestimmung im Arbeitsleben) wird Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23 wie folgt in schwedisches Recht umgesetzt:

„Geht ein Unternehmen, ein Betrieb oder ein Teil eines Betriebs von einem durch einen Kollektivvertrag gebundenen Arbeitgeber im Wege eines Übergangs im Sinne von § 6b des Gesetzes (1982:80) … auf einen neuen Arbeitgeber über, so gelten die einschlägigen Teile des Kollektivvertrags für den neuen Arbeitgeber. Dies gilt jedoch nicht, wenn der neue Arbeitgeber bereits durch einen anderen Kollektivvertrag gebunden ist, der auf die übernommenen Arbeitnehmer anwendbar ist.

Sind die Arbeitsverträge und die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer gemäß § 6b des Gesetzes (1982:80) … auf einen neuen Arbeitgeber übergegangen, muss dieser während des ersten Jahres nach dem Übergang die die Arbeitsbedingungen betreffenden Klauseln aus dem für den früheren Arbeitgeber geltenden Kollektivvertrag anwenden. Die Klauseln sind so anzuwenden, wie der frühere Arbeitgeber sie anzuwenden hatte. Dies gilt jedoch nicht mehr, wenn die Geltungsdauer des Kollektivvertrags abgelaufen oder für die übernommenen Arbeitnehmer ein neuer Kollektivvertrag in Kraft getreten ist.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

7

Die Arbeitnehmer BSA, JAH, JH und BL sind Mitglieder der Gewerkschaft Unionen. BSA war bei der Apoteket AB beschäftigt. JAH, JH und BL waren bei der AstraZeneca AB tätig, bevor infolge von Unternehmensübergängen ISS ihr Arbeitgeber wurde.

8

Am 27. Juli 2011 sprach ISS gegenüber BSA eine betriebsbedingte Kündigung mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten aus. Bei ihrer Kündigung war BSA über 55 Jahre alt. Ihre Beschäftigungszeit bei Apoteket und bei ISS betrug mehr als zehn Jahre.

9

Am 31. Oktober 2011 sprach ISS gegenüber den drei anderen Arbeitnehmern, JAH, JH und BL, ebenfalls betriebsbedingte Kündigungen mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten aus, die anschließend um fünf weitere Monate verlängert wurde. Auch sie hatten zum Zeitpunkt ihrer Kündigung das 55. Lebensjahr vollendet und konnten Beschäftigungszeiten von mehr als zehn Jahren bei AstraZeneca und anschließend bei ISS vorweisen.

10

Beim Übergang der Arbeitsverhältnisse der vier Arbeitnehmer auf ISS waren die Veräußerer, Apoteket und AstraZeneca, durch Kollektivverträge gebunden. Nach diesen Kollektivverträgen verlängert sich die Kündigungsfrist um sechs Monate, wenn ein Mitarbeiter, dem betriebsbedingt gekündigt wird, zum Zeitpunkt seiner Kündigung das 55. Lebensjahr, nicht aber das 64. Lebensjahr vollendet hat und er eine ununterbrochene Beschäftigungszeit von zehn Jahren vorweisen kann.

11

ISS war ebenfalls durch einen – zwischen dem Arbeitgeberverband Almega und der Gewerkschaft Unionen geschlossenen – Kollektivvertrag gebunden. Nach diesem Kollektivvertrag kommt einem Mitarbeiter, dem betriebsbedingt gekündigt wird, eine Kündigungsfrist zugute, die jener entspricht, die, unter den gleichen Bedingungen, in den für die Veräußerer geltenden Kollektivverträgen vorgesehen ist.

12

ISS gestand den Arbeitnehmern BSA, JAH, JH und BL bei ihrer Kündigung keine um sechs Monate verlängerte Kündigungsfrist zu. Nach Ansicht von ISS verfügten die betreffenden Arbeitnehmer nämlich beim Erwerber nicht über eine ununterbrochene Beschäftigungszeit von zehn Jahren, weshalb sie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verlängerung dieser Frist nicht erfüllten.

13

Unionen ist der Auffassung, dass dieser Ansatz das Recht ihrer Mitglieder verletze. ISS hätte nämlich die von den Arbeitnehmern BSA, JAH, JH und BL bei den Veräußerern zurückgelegten Beschäftigungszeiten berücksichtigen müssen.

14

Das vorlegende Gericht, das mit einer Klage der genannten Gewerkschaft befasst wurde, mit der beantragt wird, ISS zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, den die Arbeitnehmer – denen sie ohne Verlängerung ihrer Kündigungsfrist gekündigt habe – erlitten hätten, stellt fest, dass der Ausgangsrechtsstreit Fragen hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts aufwerfe, die Raum für Zweifel ließen. Es weist insbesondere darauf hin, dass sich diese Rechtssache von denen unterscheide, die bereits Anlass zu Entscheidungen des Gerichtshofs gegeben hätten, in denen es um Arbeitnehmer gegangen sei, deren Rechte unmittelbar nach dem Übergang ihres Beschäftigungsverhältnisses beeinträchtigt worden seien und nicht erst nach Ablauf einer vorübergehenden Schutzfrist, nachdem seit dem Übergang mehr als ein Jahr vergangen sei.

15

Unter diesen Umständen hat der Arbetsdomstolen (Arbeitsgerichtshof, Schweden) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist es mit der Richtlinie 2001/23 vereinbar, dass ein Erwerber – nachdem seit dem Übergang des Betriebs ein Jahr vergangen ist – bei der Anwendung einer Bestimmung in seinem Kollektivvertrag, wonach für eine verlängerte Kündigungszeit eine gewisse ununterbrochene Beschäftigungszeit bei ein und demselben Arbeitgeber vorausgesetzt wird, die Beschäftigungszeit beim Veräußerer nicht berücksichtigt, wenn die Arbeitnehmer nach einer gleichlautenden Bestimmung in dem für den Veräußerer geltenden Kollektivvertrag einen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Beschäftigungszeit hatten?

Zur Vorlagefrage

16

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass der Erwerber bei der Kündigung eines Arbeitnehmers, die mehr als ein Jahr nach dem Übergang des Unternehmens erfolgt, in die Berechnung der Beschäftigungszeiten des betreffenden Arbeitnehmers, die für die Bestimmung der ihm zustehenden Kündigungsfrist maßgeblich sind, die Beschäftigungszeiten einzubeziehen hat, die dieser Arbeitnehmer beim Veräußerer zurückgelegt hat.

17

Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2001/23 nach ihren Erwägungsgründen 1 und 3 auf den Schutz der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, insbesondere auf die Wahrung ihrer Ansprüche, abzielt.

18

Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, soll diese Richtlinie die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (vgl. u. a. Urteil vom 27. November 2008, Juuri, C-396/07, EU:C:2008:656, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Richtlinie soll so weit wie möglich gewährleisten, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber in unveränderter Form fortgesetzt wird, um zu verhindern, dass sich die Lage der betroffenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Übergangs verschlechtert (vgl. Urteil vom 6. September 2011, Scattolon, C108/10, EU:C:2011:542, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19

Was Art. 3 der Richtlinie 2001/23 angeht, hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass das Ziel dieser Richtlinie auch darin besteht, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits zu gewährleisten. Daraus ergibt sich insbesondere, dass der Erwerber in der Lage sein muss, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C328/13, EU:C:2014:2197, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20

Der Gerichtshof hat insbesondere zu Fragen der Anerkennung von Beschäftigungszeiten beim Übergang von Unternehmen im Hinblick auf die Berechnung finanzieller Rechte der im Sinne dieser Richtlinie übergegangenen Arbeitnehmer Stellung genommen (vgl. Urteile vom 14. September 2000, Collino und Chiappero, C343/98, EU:C:2000:441, und vom 6. September 2011, Scattolon, C108/10, EU:C:2011:542).

21

In jenen Urteilen hat er entschieden, dass eine beim Veräußerer zurückgelegte Beschäftigungszeit zwar als solche kein Recht darstellt, das die übernommenen Arbeitnehmer gegenüber dem Erwerber geltend machen könnten, doch gegebenenfalls dazu dient, bestimmte finanzielle Rechte der Arbeitnehmer zu bestimmen, und dass diese Rechte grundsätzlich vom Erwerber in gleicher Weise, wie sie beim Veräußerer bestanden, aufrechterhalten werden müssen (vgl. Urteil vom 6. September 2011, Scattolon, C108/10, EU:C:2011:542, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22

Dementsprechend hat der Gerichtshof – unter Hinweis darauf, dass der Erwerber aus einem anderen Grund als dem eines Unternehmensübergangs und im Rahmen des nach dem nationalen Recht Zulässigen die Entgeltbedingungen zum Nachteil der Arbeitnehmer ändern kann – entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26), dessen Wortlaut im Wesentlichen dem von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 entspricht, dahin auszulegen ist, dass der Erwerber bei der Berechnung finanzieller Rechte alle von dem übernommenen Personal geleisteten Beschäftigungsjahre zu berücksichtigen hat, soweit sich diese Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zwischen diesem Personal und dem Veräußerer ergab, und zwar gemäß den im Rahmen dieses Verhältnisses vereinbarten Modalitäten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2000, Collino und Chiappero, C343/98, EU:C:2000:441, Rn. 51 und 52).

23

Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist um sechs Monate, auf die sich Unionen beruft, einen Anspruch auf Zahlung von sechs Monatsgehältern eröffnet. Dieser Anspruch auf eine Kündigungsfrist, die sich nach den Bedingungen bestimmt, die in den auf die Arbeitnehmer der Veräußerer beim Unternehmensübergang anzuwendenden Kollektivverträgen aufgestellt wurden, ist folglich als finanzielles Recht einzustufen.

24

Diese Schlussfolgerung wird durch die vorerwähnte Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, aus der ausdrücklich hervorgeht, dass die vom Arbeitnehmer beim Veräußerer eines Unternehmens zurückgelegte Beschäftigungszeit nicht nur bei der Berechnung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers (vgl. Urteil vom 6. September 2011, Scattolon, C108/10, EU:C:2011:542, Rn. 81), sondern auch bei der Berechnung einer Abfindung bei Vertragsende (vgl. Urteil vom 14. September 2000, Collino und Chiappero, C343/98, EU:C:2000:441, Rn. 53) zu berücksichtigen ist.

25

Wie der Generalanwalt in Nr. 25 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist das Recht auf eine solche Abfindung bei Vertragsende nämlich vergleichbar mit einem dem Arbeitnehmer zu gewährenden Recht auf Verlängerung einer Kündigungsfrist bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

26

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zwar, dass Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass der Erwerber im Anschluss an einen Unternehmensübergang bei der Kündigung eines Arbeitnehmers in die Berechnung der Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers, nach denen sich bestimmt, welche Kündigungsfrist diesem zusteht, die von dem Arbeitnehmer beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten einzubeziehen hat, doch ist zu prüfen, ob sich diese Auslegung unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens im Licht von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Richtlinie als richtig erweist.

27

Wie in Rn. 19 des vorliegenden Urteils dargelegt, ist es nämlich, um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits zu gewährleisten, dem Erwerber gestattet, aus einem anderen Grund als dem eines Übergangs von Unternehmen und im Rahmen des nach dem nationalen Recht Zulässigen die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen.

28

In Bezug auf das Ausgangsverfahren ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass der schwedische Gesetzgeber bei der Umsetzung von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23 in das innerstaatliche Recht von der in Unterabs. 2 dieser Bestimmung genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Ist der Erwerber zum Zeitpunkt des Übergangs bereits durch einen anderen Kollektivvertrag gebunden, der damit auf die übernommenen Arbeitnehmer Anwendung findet, so ist seine Pflicht zur Aufrechterhaltung der die Arbeitsbedingungen betreffenden Klauseln aus dem beim Veräußerer geltenden Kollektivvertrag zugunsten der übernommenen Arbeitnehmer daher auf einen Zeitraum von einem Jahr ab dem Unternehmensübergang beschränkt.

29

ISS, die zum Zeitpunkt der Unternehmensübergänge durch einen anderen Kollektivvertrag gebunden war, war zwar berechtigt, nach Ablauf einer einjährigen Frist betriebsbedingt – und somit aus einem anderen Grund als dem eines Unternehmensübergangs – die die Arbeitsbedingungen betreffenden Klauseln des auf die übernommenen Arbeitnehmer anwendbaren Kollektivvertrags nicht länger aufrechtzuerhalten, doch lässt sich der dem Gerichtshof vorliegenden Akte nicht entnehmen, dass der Erwerber irgendeine Anpassung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil der übernommenen Arbeitnehmer vorgenommen hätte.

30

Nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen, die vom nationalen Gericht zu überprüfen sind, wurde der Kollektivvertrag, der auf die übernommenen Arbeitnehmer seit ihrer Übernahme anwendbar war, nämlich weder gekündigt noch neu verhandelt. Ebenso wenig ist er abgelaufen und/oder durch einen anderen Kollektivvertrag ersetzt worden.

31

Folglich dürfen den Arbeitnehmern dann, wenn der Erwerber nach Ablauf eines Jahres keine Anpassung der Arbeitsbedingungen vorgenommen hat und die Bestimmungen des für den Veräußerer geltenden Kollektivvertrags gleichlautend mit denen des für den Erwerber geltenden Kollektivvertrags sind, keine schlechteren Bedingungen als die vor dem Übergang geltenden auferlegt werden.

32

Vor diesem Hintergrund geht das Vorbringen des Erwerbers, Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/23 sei dahin auszulegen, dass die von den übernommenen Arbeitnehmern vor ihrer Übernahme zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht zu berücksichtigen seien, ins Leere.

33

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass der Erwerber unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens bei der Kündigung eines Arbeitnehmers, die mehr als ein Jahr nach dem Übergang des Unternehmens erfolgt, in die Berechnung der Beschäftigungszeiten des betreffenden Arbeitnehmers, die für die Bestimmung der ihm zustehenden Kündigungsfrist maßgeblich sind, die Beschäftigungszeiten einzubeziehen hat, die dieser Arbeitnehmer beim Veräußerer zurückgelegt hat.

 

Kosten

34

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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