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Arbeitsrecht
15.08.2013
Arbeitsrecht
EuGH: Betriebserweber ist nicht an dynamische Tarifklauseln gebunden

EuGH, Urteil vom 18.7.2013 - C-426/11


Tenor


Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, vorzusehen, dass im Fall eines Unternehmensübergangs die Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs verhandelte und abgeschlossene Kollektivverträge verweisen, gegenüber dem Erwerber durchsetzbar sind, wenn dieser nicht die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen über diese nach dem Übergang abgeschlossenen Kollektivverträge teilzunehmen.


Aus den Gründen


1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16).



2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Alemo-Herron u. a. einerseits und der Parkwood Leisure Ltd (im Folgenden: Parkwood) andererseits über die Anwendung eines Kollektivvertrags.



Rechtlicher Rahmen



Unionsrecht



3. Die Richtlinie 2001/23 kodifiziert die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) in der durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 77/187).



4. Art. 3 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2001/23 bestimmt:



„1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.



Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer und der Erwerber nach dem Zeitpunkt des Übergangs gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen haften, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs durch einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis entstanden sind, der bzw. das zum Zeitpunkt des Übergangs bestand.



2. Die Mitgliedstaaten können geeignete Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass der Veräußerer den Erwerber über alle Rechte und Pflichten unterrichtet, die nach diesem Artikel auf den Erwerber übergehen, soweit diese dem Veräußerer zum Zeitpunkt des Übergangs bekannt waren oder bekannt sein mussten. Unterlässt der Veräußerer diese Unterrichtung des Erwerbers, so berührt diese Unterlassung weder den Übergang solcher Rechte und Pflichten noch die Ansprüche von Arbeitnehmern gegenüber dem Erwerber und/oder Veräußerer in Bezug auf diese Rechte und Pflichten.



3. Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.



Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen."



5. Art. 8 dieser Richtlinie lautet:



„Diese Richtlinie schränkt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten nicht ein, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder für die Arbeitnehmer günstigere Kollektivverträge und andere zwischen den Sozialpartnern abgeschlossene Vereinbarungen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind, zu fördern oder zuzulassen."



Das Recht des Vereinigten Königreichs



6. Die Richtlinie 77/187 wurde im Vereinigten Königreich durch die Transfer of Undertakings (Protection of Employment) Regulations 1981 (Verordnung von 1981 über den Übergang von Unternehmen [Arbeitnehmerschutz], im Folgenden: TUPE) umgesetzt.



7. Regulation 5 (2) (a) der TUPE, mit der Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23 umgesetzt wird, bestimmt:



„[S]ämtliche Rechte, Befugnisse und Pflichten des Veräußerers, die sich aus dem Vertrag ergeben oder mit ihm im Zusammenhang stehen, [gehen] aufgrund dieser Regulation auf den Erwerber über".



8. Nach dem nationalen Recht haben die Parteien die Möglichkeit, in den von ihnen geschlossenen Vertrag eine Klausel aufzunehmen, wonach das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers periodisch von einem Dritten wie z. B. dem National Joint Council for Local Government Services (im Folgenden: NJC) bestimmt wird, dem der Arbeitgeber nicht angehört oder in dem er nicht vertreten ist. Nach dem kollektiven Arbeitsrecht des Vereinigten Königreichs sind tarifvertragliche Vereinbarungen dieser Art nur dann rechtsverbindlich, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren. In diesem Fall können die Bestimmungen eines solchen Tarifvertrags als Bestimmungen des individuellen Arbeitsvertrags zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer wirksam werden. Dies kann, wie im vorliegenden Fall, dadurch erreicht werden, dass in den Vertrag eine Klausel aufgenommen wird, wonach für den Arbeitnehmer die zwischen dem Arbeitgeber und einer Gewerkschaft vereinbarten oder von einer anderen Stelle wie dem NJC ausgehandelten Bedingungen gelten. Mit ihrer Einbeziehung werden diese Bedingungen als Bestimmungen des Arbeitsvertrags wirksam.



Ausgangsverfahren und Vorlagefragen



9. Im Jahr 2002 übertrug einer der Bezirksräte Londons, der Lewisham London Borough Council (im Folgenden: Lewisham), das Leisure Department (Abteilung für Freizeit) auf das Privatunternehmen CCL Limited (im Folgenden: CCL), das die Arbeitnehmer dieser Abteilung übernahm. Im Mai 2004 übertrug CCL diesen Geschäftsbereich auf Parkwood, ein anderes Privatunternehmen.



10. Solange das Leisure Department Lewisham unterstand, galten für die Verträge mit den Arbeitnehmern dieser Abteilung die Arbeitsbedingungen, die im Rahmen des NJC, einem Tarifverhandlungsorgan auf der lokalen öffentlichen Ebene, ausgehandelt wurden. Die Anwendbarkeit der im Rahmen des NJC ausgehandelten Vereinbarungen beruhte nicht auf dem Gesetz, sondern auf einer im jeweiligen Arbeitsvertrag enthaltenen Vertragsklausel, die Folgendes vorsah:



„Während der Dauer Ihres Arbeitsverhältnisses mit [Lewisham] richten sich die Arbeitsbedingungen nach den vom [NJC] periodisch ausgehandelten Tarifverträgen ..., die durch von den Verhandlungsausschüssen von [Lewisham] auf lokaler Ebene geschlossene Vereinbarungen ergänzt werden."



11. Zum Zeitpunkt des Übergangs des Leisure Departments auf CCL galt der im Rahmen des NJC für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. März 2004 geschlossene Kollektivvertrag. Im Mai 2004 ging das diesen Geschäftsbereich betreibende Unternehmen auf Parkwood über.



12. Parkwood beteiligt sich nicht am NJC und könnte dies auch gar nicht, da sie ein privates Unternehmen ist und nicht zur öffentlichen Verwaltung gehört.



13. Im Rahmen des NJC wurde im Juni 2004 eine neue Vereinbarung geschlossen, die rückwirkend zum 1. April 2004 in Kraft trat und bis zum 31. März 2007 galt. Diese Vereinbarung wurde mithin nach dem Übergang des betreffenden Unternehmens auf Parkwood geschlossen. Aufgrund dessen war Parkwood der Auffassung, dass die neue Vereinbarung für sie nicht bindend sei, und teilte dies den Arbeitnehmern mit, denen sie die im Rahmen des NJC für die Zeit von April 2004 bis März 2007 vereinbarte Lohnerhöhung verweigerte.



14. Da sich Parkwood weigerte, die im Rahmen des NJC vereinbarten Bedingungen zu akzeptieren, erhoben die Arbeitnehmer eine Klage beim Employment Tribunal, die 2008 abgewiesen wurde. Gegen dieses Urteil legten sie Berufung beim Employment Appeal Tribunal ein, das ihrem Rechtsmittel am 12. Januar 2009 stattgab. Gegen das Urteil dieses Gerichts legte Parkwood beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) ein Rechtsmittel ein.



15. Am 29. Januar 2010 gab dieses Gericht dem Rechtsmittel von Parkwood statt und stellte die Entscheidung des Employment Tribunal wieder her, mit der die Klagen der Kläger des Ausgangsverfahrens abgewiesen worden waren. Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) war der Auffassung, dass sich aus dem Urteil vom 9. März 2006, Werhof (C-499/04, Slg. 2006, I-2397), ergebe, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187 den Erwerber nicht an Tarifverträge binde, die nach dem Übergang des Unternehmens zustande gekommen seien.



16. Die Kläger des Ausgangsverfahrens haben gegen die Entscheidung des Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) ein Rechtsmittel beim Supreme Court of the United Kingdom eingelegt, das beschloss, dem Gerichtshof bestimmte Fragen zur Auslegung und Wirkung der Richtlinie 2001/23 vorzulegen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist nämlich die Frage, die der Gerichtshof im Urteil Werhof zu beantworten hatte, nicht die gleiche wie diejenige, die im Ausgangsverfahren zu entscheiden ist.



17. Hierzu trägt es vor, dass das deutsche Recht, das in der dem Urteil Werhof zugrunde liegenden Rechtssache gegenständlich gewesen sei, in der Frage des Schutzes von Arbeitnehmern nach dem Übergang eines Unternehmens oder Betriebs einen „statischen" Ansatz verfolge. Es sehe vor, dass tarifvertraglich vereinbarte Regelungen nur mit dem Inhalt Teil des Arbeitsvertrags würden, den sie zum Zeitpunkt des Unternehmens- oder Betriebsübergangs hätten, und dass sie nach dem Übergang nicht angepasst würden.



18. Hingegen stelle sich im Ausgangsverfahren die Frage, ob ein Mitgliedstaat daran gehindert sei, den Arbeitnehmern im Fall eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs in Anwendung des nationalen Vertragsrechts einen „dynamischen" Schutz zu gewähren, d. h. einen Schutz, der den Erwerber nicht nur den zum Zeitpunkt des betreffenden Übergangs geltenden Kollektivverträgen, sondern auch den nach dem Übergang geschlossenen Kollektivverträgen unterwerfe.



19. Daher beschloss der Supreme Court of the United Kingdom, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:



1. Besteht unter der im vorliegenden Fall gegebenen Voraussetzung, dass ein Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch gegen den Veräußerer auf Arbeitsbedingungen hat, die von einer dritten Partei als Tarifvertragspartner periodisch verhandelt und vereinbart werden, und dass dieser Anspruch im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und veräußerndem Arbeitgeber nach nationalem Recht als dynamisch und nicht als statisch angesehen wird, nach Art. 3 der Richtlinie 2001/23 in Verbindung mit dem Urteil Werhof



a) eine Verpflichtung, diesen Anspruch im Fall eines relevanten Übergangs, auf den diese Richtlinie anwendbar ist, gegenüber dem Erwerber zu schützen und durchzusetzen



oder



b) eine Befugnis der nationalen Gerichte, zu entscheiden, dass dieser Anspruch im Fall eines relevanten Übergangs, auf den die genannte Richtlinie anwendbar ist, gegenüber dem Erwerber geschützt und durchsetzbar ist,



oder



c) ein Hindernis für die nationalen Gerichte, zu entscheiden, dass dieser Anspruch im Fall eines relevanten Übergangs, auf den dieselbe Richtlinie anwendbar ist, gegenüber dem Erwerber geschützt und durchsetzbar ist?



2. Steht es den Gerichten eines Mitgliedstaats in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen zur Umsetzung der Mindestanforderungen in Art. 3 der Richtlinie 2001/23 erfüllt hat, aber in Frage steht, ob die zur Umsetzung ergangenen Rechtsvorschriften dahin auszulegen sind, dass sie zugunsten des geschützten Arbeitnehmers über diese Anforderungen hinausgehen, indem sie dynamische vertragliche Ansprüche gegen den Erwerber gewähren, frei, zur Auslegung der zur Umsetzung ergangenen Rechtsvorschriften nationales Recht unter der grundlegenden Voraussetzung anzuwenden, dass eine solche Auslegung dem Gemeinschaftsrecht nicht widerspricht, oder ist ein anderer Auslegungsansatz zu wählen, und wenn ja, welcher?



3. Steht es dem nationalen Gericht im vorliegenden Fall, in dem der Arbeitgeber keine Verletzung seiner Rechte nach Art. 11 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die rechtliche Stellung dynamischer Ansprüche der Arbeitnehmer nach innerstaatlichem Recht auf tarifvertraglich vereinbarte Arbeitsbedingungen geltend macht, frei, die TUPE in dem von den Arbeitnehmern geltend gemachten Sinn auszulegen?



Zu den Vorlagefragen



20. Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, vorzusehen, dass im Fall eines Unternehmensübergangs wie dem des Ausgangsverfahrens die Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs verhandelte und geschlossene Kollektivverträge verweisen, gegenüber dem Erwerber durchsetzbar sind.



21. Vorab ist festzustellen, dass das Urteil Werhof zu Art. 3 der Richtlinie 77/187 einige für das Ausgangsverfahren sachdienliche Ausführungen enthält. Das Ausgangsverfahren betrifft zwar die Richtlinie 2001/23, doch sind diese Ausführungen auf diese Richtlinie vollständig übertragbar, da sie die Richtlinie 77/187 kodifiziert und die einschlägigen Bestimmungen von Art. 3 der beiden Richtlinien gleichlautend sind.



22. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnr. 37 des Urteils Werhof festgestellt hat, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187 dahin auszulegen ist, dass er nicht dem entgegensteht, dass der Erwerber, der nicht Partei eines den Veräußerer bindenden Kollektivvertrags ist, auf den der Arbeitsvertrag verweist, durch Kollektivverträge, die dem zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs geltenden nachfolgen, nicht gebunden ist.



23. Ferner ergibt sich aus Art. 8 der Richtlinie 2001/23, dass diese Richtlinie die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten nicht einschränkt, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder für die Arbeitnehmer günstigere Kollektivverträge und andere zwischen den Sozialpartnern abgeschlossene Vereinbarungen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind, zu fördern oder zuzulassen.



24. Im Ausgangsverfahren steht, wie bereits aus dem Wortlaut der zweiten Vorlagefrage hervorgeht, fest, dass sich diese Klauseln, die auf Kollektivverträge verweisen, die nach dem Zeitpunkt des betreffenden Unternehmensübergangs ausgehandelt und geschlossen wurden, und dynamische vertragliche Ansprüche gewähren, als für die Arbeitnehmer günstiger erweisen.



25. Jedoch dient die Richtlinie 77/187 nicht nur dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen bei einem Unternehmensübergang, sondern sie soll auch einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits gewährleisten. Insbesondere stellt sie klar, dass der Erwerber in der Lage sein muss, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Werhof, Randnr. 31).



26. Insoweit ist festzustellen, dass im Ausgangsverfahren das Unternehmen von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf eine juristische Person des Privatrechts übergegangen ist.



27. Da es sich um den Übergang eines Unternehmens vom öffentlichen auf den privaten Sektor handelt, ist davon auszugehen, dass die Fortsetzung der Tätigkeit des Erwerbers in Anbetracht der unvermeidlichen Unterschiede, die zwischen diesen beiden Sektoren bei den Arbeitsbedingungen bestehen, beträchtliche Anpassungen erfordert.



28. Eine Klausel, die dynamisch auf nach dem Übergang des betreffenden Unternehmens verhandelte und geschlossene Kollektivverträge verweist, welche die Entwicklung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Sektor regeln sollen, könnte jedoch den Handlungsspielraum, den ein privater Erwerber benötigt, um diese Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen, erheblich einschränken.



29. In einer solchen Situation kann eine solche Klausel den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Erwerbers in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber einerseits und denen der Arbeitnehmer andererseits beeinträchtigen.



30. Zweitens ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Bestimmungen der Richtlinie 2001/23 im Einklang mit den Grundrechten auszulegen sind, wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) anerkannt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Cimade und GISTI, C-179/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).



31. Hierzu führt das vorlegende Gericht zwar aus, dass das Recht auf negative Vereinigungsfreiheit nicht Gegenstand des Ausgangsverfahrens sei. Art. 3 der Richtlinie 2001/23 ist jedoch auf jeden Fall im Einklang mit Art. 16 der Charta zur unternehmerischen Freiheit auszulegen.



32. Dieses Grundrecht umfasst insbesondere die Vertragsfreiheit, wie sich aus den Erläuterungen ergibt, die als Anleitung für die Auslegung der Charta der Grundrechte verfasst wurden (ABl. 2007, C 303, S. 17) und die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta für deren Auslegung zu berücksichtigen sind (Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C-283/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).



33. Im Hinblick auf Art. 3 der Richtlinie 2001/23 folgt daraus, dass es dem Erwerber möglich sein muss, im Rahmen eines zum Vertragsabschluss führenden Verfahrens, an dem er beteiligt ist, seine Interessen wirksam geltend zu machen und die die Entwicklung der Arbeitsbedingungen seiner Arbeitnehmer bestimmenden Faktoren mit Blick auf seine künftige wirtschaftliche Tätigkeit auszuhandeln.



34. Dem Erwerber, um den es im Ausgangsverfahren geht, ist es jedoch verwehrt, in dem betreffenden Tarifverhandlungsorgan mitzuwirken. Dieser Erwerber hat daher weder die Möglichkeit, im Rahmen eines zum Vertragsabschluss führenden Verfahrens seine Interessen wirksam geltend zu machen, noch die Möglichkeit, die die Entwicklung der Arbeitsbedingungen seiner Arbeitnehmer bestimmenden Faktoren mit Blick auf seine künftige wirtschaftliche Tätigkeit auszuhandeln.



35. Unter diesen Umständen ist die Vertragsfreiheit dieses Erwerbers so erheblich reduziert, dass eine solche Einschränkung den Wesensgehalt seines Rechts auf unternehmerische Freiheit beeinträchtigen kann.



36. Art. 3 der Richtlinie 2001/23 in Verbindung mit Art. 8 dieser Richtlinie ist aber nicht dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten zum Erlass von Maßnahmen ermächtigt, die zwar für die Arbeitnehmer günstiger sind, aber den Wesensgehalt des Rechts des Erwerbers auf unternehmerische Freiheit beeinträchtigen können (vgl. entsprechend Urteil vom 6. September 2012, Deutsches Weintor, C-544/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 54 und 58).



37. Nach alledem ist auf die drei vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 3 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, vorzusehen, dass im Fall eines Unternehmensübergangs die Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs ausgehandelte und abgeschlossene Kollektivverträge verweisen, gegenüber dem Erwerber durchsetzbar sind, wenn dieser nicht die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen über diese nach dem Übergang geschlossenen Kollektivverträge teilzunehmen.



Kosten



38. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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