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Arbeitsrecht
04.02.2010
Arbeitsrecht
LAG Köln: Betriebliches Eingliederungsmanagement

LAG Köln, Urteil  vom 26.10.2009 - Aktenzeichen 2 Sa 292/09 (Vorinstanz: ArbG Köln - AZ: 1 Ca 5175/08 )
Das betriebliche Eingliederungsmanagement dient nicht nur dazu, andere krankheitsgerechte Arbeitsplätze zu finden, auf denen der Arbeitnehmer eingesetzt werden kann, sondern auch auf dem bisherigen Arbeitsplatz krankmachende Faktoren auszuschalten. Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer vorausgegangenen Kündigung bereits 6 Monate nicht mehr im Betrieb gewesen und liegt eine Überleitungsanzeige der Bundesanstalt für Arbeit vor, wird die Personalrats-/Betriebsratsanhörung fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber ins Blaue hinein ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit behauptet.
 
Tatbestand 
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingt am 16.06.2008 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist zum 31.12.2008. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf das stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts Köln verwiesen. RN 3
Mit ihrer Berufung vertritt die Beklagte die Rechtsansicht, dass die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu keinem anderen Ergebnis als der Kündigungsentscheidung geführt hätte, da die Erkrankung der Klägerin nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehe, sondern auf Ursachen beruhe, die in der Psyche der Klägerin zu lokalisieren seien. Da der konkrete Arbeitsplatz der Klägerin als Fotolaborantin der einzige derartige Arbeitsplatz bei der Beklagten sei, stehe ein anderer Arbeitsplatz mit gleichen Arbeitsinhalten ohnehin nicht zur Verfügung. Die psychische Erkrankung wirke sich auch auf sämtlichen anderen Arbeitsplätzen aus. Weiterhin führt die Beklagte aus, dass die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgt sei, da diesem der Entwurf des Kündigungsschreibens vorgelegt wurde. Auch sei die Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB unerheblich, da die Kündigung von der Vertreterin des gesetzlichen Vertreters, des Kanzlers der Universität unterzeichnet worden sei. RN 4
Die Beklagte beantragt, RN 5
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 09.01.2009 - 1 Ca 5175/08 - die Klage kostenpflichtig abzuweisen. RN 6
Die Klägerin beantragt, RN 7
die Berufung zurückzuweisen. RN 8
Sie verweist zunächst darauf, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement auch dazu diene, krankmachende Faktoren auf dem konkreten Arbeitsplatz als Fotolaborantin festzustellen und auszuschalten. Bei einer Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements hätte sie Gelegenheit erhalten, diese krankmachenden Faktoren im Zusammenhang mit den aus ihrer Sicht gegebenen Arbeitsplatzkonflikten zu benennen. Sie verweist weiter darauf, dass sie im Kündigungszeitpunkt arbeitsfähig war und nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sondern auch darüber hinaus im Rahmen eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses dauerhaft arbeitsfähig sei. Die psychiatrische Erkrankung sei soweit ausgeheilt, dass eine Arbeitsunfähigkeit deshalb jedenfalls nicht bestehe. RN 9
Die Klägerin vertieft ihren Vortrag zur fehlerhaften Personalratsanhörung dahingehend, dass die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt gewusst habe, dass die Klägerin arbeitsfähig war, da der Beklagten die Überleitungsanzeige des Arbeitsamtes zugegangen sei. Bereits hieraus habe die Beklagte ersehen müssen, dass die Klägerin nicht mehr im Krankengeldbezug und damit entsprechend nicht mehr arbeitsunfähig sei. Die Aussage im Kündigungsentwurf, der zur Grundlage der Personalratsanhörung gemacht wurde, sie sei ununterbrochen seit 15 Monaten erkrankt, sei damit vorsätzlich falsch. Zudem habe die Beklagte den Personalrat darüber im Unklaren gelassen, dass nach Ablauf der vorhergehenden Kündigungsfrist der Kündigung vom 16.05.2007 am 31.12.2007 für die Klägerin ohnehin keine Arbeitspflicht bestanden habe, weshalb sie auch die Wiedergenesung nicht habe anzeigen müssen. RN 10
Auch hinsichtlich der Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB vertieft die Klägerin ihre Rechtsansicht, wonach sich dem Kündigungsschreiben nicht habe entnehmen lassen, in welcher Funktion der oder die Unterzeichner/in tätig sei und ob Kündigungsvollmacht bestehe. Denn unstreitig hat weder der organschaftliche Vertreter der Beklagten noch ein regelmäßig zur Kündigung berechtigter Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten unterzeichnet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen. Das Schreiben des Klägerprozessbevollmächtigten vom 24.09.2009 blieb unberücksichtigt, da es für die Entscheidungsbegründung nicht relevant war und der Beklagten insoweit auch keine Gelegenheit gegeben war, hierauf zu erwidern. RN 11
Entscheidungsgründe 
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die erkennende Kammer folgt dabei zunächst der ausführlichen Begründung des erstinstanzlichen Urteils zur Erforderlichkeit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Die Beklagte hat die hier streitige Folgekündigung ausgesprochen, ohne sich über den bei Zugang der Kündigung am 17.06.2008 vorliegenden Gesundheitszustand der Klägerin zu informieren und ohne die Klägerin dazu befragt zu haben, ob es gegebenenfalls auch Arbeitsbedingungen im zwischenmenschlichen Miteinander gibt, die zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin beitragen. RN 12
Dabei erscheint es zunächst nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte möglicherweise von einer krankheitsbedingt begründeten Kündigung ohnehin abgesehen hätte, wenn sie sich sorgfältig darüber Gedanken gemacht hätte, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung im Juni 2008 arbeitsfähig war. Sie hat damit nicht berücksichtigt, dass bei der Klägerin seit dem 23.04.2008 ein zumindest bis zum 25.05.2009 andauernder Prozess der psychischen Stabilisierung in Gang gesetzt war, der eine über ein Jahr ununterbrochen andauernde Arbeitsfähigkeit mit sich brachte. Offensichtlich ist damit die von der Klägerin während ihrer Erkrankung jedenfalls subjektiv wahrgenommene Mobbingsituation am Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits soweit beendet gewesen, dass Arbeitsfähigkeit der Klägerin gegeben war. Unabhängig davon, ob die erneuten Erkrankungen ab Mai 2009 auf den von der Klägerin nunmehr behaupteten Ursachen oder erneut auf psychischen Ursachen beruhten, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement die Beklagte in die Lage versetzt hätte, das Arbeitsumfeld der Klägerin so zu gestalten, dass der Prozess der Stabilisierung unterstützt worden wäre und weitere Erkrankungen aus dem psychischen Formenkreis dauerhaft vermieden worden wären. RN 13
Treffen allerdings die von der Klägerin behaupteten Erkrankungsursachen (Ischiasnerv eingeklemmt und Handgelenksbruch) zu, so würde die Tatsache, dass seit dem 23.04.2008 die psychiatrischen Krankheitsursachen nicht wieder zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben dafür sprechen, dass die Beklagte schon bei Ausspruch der Kündigung die weitere Krankheitsentwicklung bei der genesenen Klägerin nicht richtig prognostiziert hat. RN 14
Die Kündigung ist aber auch zusätzlich wegen fehlerhafter Personalratsanhörung unwirksam. Wie sich dem Entwurf des Kündigungsschreibens entnehmen lässt, hat die Beklagte ihrem Personalrat im Juni 2008 mitgeteilt, dass die Klägerin durchgehend seit dem 07.03.2007 arbeitsunfähig sei. Diese Mitteilung war objektiv falsch. Da das Arbeitsverhältnis zunächst durch die vorhergehende Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.12.2007 von beiden Seiten nicht erfüllt wurde, hatte die Beklagte keine unmittelbaren Erkenntnisse darüber, ob die Klägerin zwischenzeitlich genesen war. Die richtige Information des Personalrates hätte deshalb lauten müssen, dass seit dem 01.01.2008 mit Ausnahme des ärztlichen Gutachtens vom 05.01.2008 keine Informationen mehr gegeben sind. Tatsächlich hatte die Beklagte aber durch die Überleitungsanzeige des Arbeitsamtes jedenfalls mittelbar die Möglichkeit hieraus darauf zu schließen, dass zwischenzeitlich Arbeitsfähigkeit eingetreten ist. Die Behauptung, die Klägerin sei ununterbrochen erkrankt, erfolgte damit, wenn nicht wider besseres Wissen so doch ins Blaue hinein. Die fehlerhafte Tatsachenmitteilung war geeignet, dem Personalrat eine fehlerhafte Entscheidungsgrundlage für seine Kündigungsanhörung zu vermitteln. Sie führt dazu, dass die Kündigung als insgesamt ohne Personalratsanhörung zu werten ist und damit unwirksam ausgesprochen wurde. RN 15
Die Kammer folgt auch dem Vortrag der Klägerin zur Zurückweisung der Kündigung mangels Vorlage der Vollmachturkunde nach § 174 BGB. Das Kündigungsschreiben enthält im Briefkopf auf der rechten Spalte die Angaben, das Schreiben komme vom Kanzler der Universität, dort von der Abteilung Personalangelegenheiten der Tarifbeschäftigten und sei von Frau K K erstellt. Unterzeichnet ist das Schreiben mit der Unterschrift "Hochachtungsvoll in Vertretung (G ) und dem Handzeichen Ga. Dabei lässt sich weder erkennen, ob es sich überhaupt um eine vollständige Unterschrift oder nur um eine Paraphe (zwei Buchstaben) handelt. Auch ist nicht erkennbar, ob es sich bei G um eine Frau oder um einen Mann handelt und auch nicht in Beziehung auf welche Person das Vertretungsverhältnis bestehen soll. So ist es denkbar, dass es sich um die Vertretung des Kanzlers oder um die Vertretung von Frau K handelt. RN 16
Die Rechtsprechung, wonach sich ein Arbeitnehmer nicht auf das Fehlen der Vollmachturkunde berufen darf, wenn die Kündigung von einem Mitarbeiter stammt, der aufgrund seiner betrieblichen Position regelmäßig zur Kündigung befugt ist, ist dabei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass der Arbeitnehmer, der seine arbeitsvertraglichen Verhandlungen mit der Personalabteilung eines Unternehmens geführt hat, regelmäßig auch damit rechnen muss, dass zumindest die Leitung der Personalabteilung berechtigt ist, die entsprechenden Willenserklärungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenso abzugeben. Auch wenn die konkrete Person der Personalleitung nicht bekannt ist, gilt deshalb in diesem Fall das Berufen auf die fehlende Vollmachtvorlage als missbräuchlich. Im vorliegenden Fall ist weder ersichtlich, dass die arbeitsvertraglichen Angelegenheiten der Klägerin stets durch die persönliche Vertretung des Kanzlers der Universität geregelt worden wären. Noch, dass für den Kanzler die Leitung der Personalabteilung gehandelt hätte. Die Klägerin durfte deshalb zu Recht die Unsicherheit über die Bevollmächtigung der Unterzeichnerin dadurch beenden, dass sie unverzüglich die Vorlage der Originalurkunde verlangte, was bei einseitigen Willenserklärungen zur Unwirksamkeit der Erklärung führt. RN 17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen. RN 18
 

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