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Arbeitsrecht
15.01.2016
Arbeitsrecht
BAG: Beteiligung der Mitarbeiter-vertretung bei Änderungskündigung

BAG, Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 124/14

Amtliche Leitsätze

1. Eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme gilt nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG-EKiR als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt. Eine Erklärung der Mitarbeitervertretung, die zwar abschließend ist, aber keine Zustimmung darstellt, bewirkt keinen vorzeitigen Eintritt der Fiktion.

2. Ein Mangel in der Kündigungserklärung kann auch dann zum Erfolg einer Änderungsschutzklage führen, wenn die Änderungskündigung "überflüssig" war und der Arbeitnehmer das "Änderungsangebot" unter Vorbehalt angenommen hat.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung und einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen. 

Die Beklagte ist Mitglied der Diakonie. Sie betreibt das evangelische Krankenhaus B. Für dieses besteht nach dem Kirchengesetz über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (MVG-EKiR) eine Mitarbeitervertretung. Der Kläger war seit Mai 2004 als Chefarzt der Klinik für Innere Medizin im „B“ beschäftigt. Nach seinem Anstellungsvertrag sollte er „im Sinne des Arbeitsrechts leitender Angestellter“ sein. 

Mit Schreiben vom 26. Juni 2012 hörte die Beklagte die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung an. Die Mitarbeitervertretung dankte mit Schreiben vom 27. Juni 2012 für die „umfassende Information“ und teilte mit, dass sie „für einen weiteren Austausch zur Verfügung“ stehe. 

Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. September 2012 und bot ihm gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Oktober 2012 als Chefarzt der medizinischen Klinik I - Allgemeine Innere, Diabetologie, Gastroenterologie, Hämato-/Onkologie - des „B“ an. 

Der Kläger hat das Angebot unter Vorbehalt angenommen und fristgerecht Klage erhoben. Er hat gemeint, die Änderungskündigung sei unwirksam, weil die Mitarbeitervertretung ihr nicht zugestimmt habe und die Zustimmung auch nicht fingiert worden sei. 

Der Kläger hat sinngemäß beantragt

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ordentliche Änderungskündigung der Beklagten vom 28. Juni 2012 zum 30. September 2012 unwirksam ist;

2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen auch über den 30. September 2012 hinaus als Chefarzt der Medizinischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses B in M weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Mitarbeitervertretung habe nicht beteiligt werden müssen, weil der Kläger leitender Mitarbeiter sei. Im Übrigen habe diese mit dem Schreiben vom 27. Juni 2012 eine das Beteiligungsverfahren abschließende Stellungnahme abgegeben. 

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen. 

Aus den Gründen

9          Die Revision bleibt überwiegend erfolglos.

10        A. Hinsichtlich des Änderungsschutzantrags ist sie unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Änderungskündigung zu Recht für unwirksam befunden. 

11        I. Die Unwirksamkeit folgt aus § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG-EKiR. Die Mitarbeitervertretung wurde nicht ordnungsgemäß beteiligt. Die Beklagte hat die Kündigung erklärt, bevor das durchzuführende Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen war. 

12        1. Nach § 42 Buchst. b MVG-EKiR unterliegt die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers, der kein leitender Mitarbeiter iSv. § 44 MVG-EKiR ist, nach Ablauf der Probezeit der eingeschränkten Mitbestimmung gemäß § 41 MVG-EKiR. Der Senat hat davon auszugehen, dass der Kläger kein leitender Mitarbeiter war.

13        a) Nach § 44 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKiR sind solche Personen - als zur Dienststellenleitung gehörend - von der Beteiligung der Mitarbeitervertretung in Personalangelegenheiten ausgenommen, die allein oder gemeinsam mit anderen ständig und nicht nur in Einzelfällen zu Entscheidungen in Angelegenheiten befugt sind, die nach dem MVG-EKiR der Mitberatung oder Mitbestimmung unterliegen. Gemäß § 44 Abs. 2 MVG-EKiR findet eine Beteiligung in Personalangelegenheiten nicht statt bei leitenden Mitarbeitern, die nach Dienststellung und Dienstvertrag im Wesentlichen eigenverantwortliche Aufgaben wahrnehmen, die ihnen regelmäßig wegen deren Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung der Einrichtung im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse übertragen werden.

14        b) Allein die formale Stellung als Chefarzt und die Bezeichnung als „leitender Angestellter“ genügen nicht, um einen Beschäftigten als Mitarbeiter iSv. § 44 MVG-EKiR ansehen zu können (vgl. BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 97/08 - Rn. 15, 21 zu § 5 Abs. 3 BetrVG). Dafür muss ua. hinzukommen, dass die Ausübung von Entscheidungsbefugnissen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten (§ 44 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKiR) bzw. die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben, die für den Bestand oder die Entwicklung der Einrichtung bedeutsam sind (§ 44 Abs. 2 MVG-EKiR), die Tätigkeit des Chefarztes prägt, dh. sie schwerpunktmäßig bestimmt (vgl. Baumann-Czichon/Gathmann/Germer MVG-EKD 4. Aufl. § 4 Rn. 5; Fey/Rehren MVG-EKD Stand April 2013 § 4 Rn. 3; siehe auch BAG 10. Oktober 2007 - 7 ABR 61/06 - Rn. 15 zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG; 5. Mai 2010 - 7 ABR 97/08 - Rn. 13 zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG). Aus § 44 Abs. 2 Satz 2 und § 4 Abs. 2 Satz 3 MVG-EKiR, nach denen die betreffenden Stellen bzw. Personen der Mitarbeitervertretung zu benennen sind, folgt nicht, dass es allein auf die Vertragsgestaltung ankäme. Die Benennung dient lediglich der Klarstellung. Sie soll es beiden Seiten ermöglichen, bereits im Vorfeld eine Klärung der Sach- und Rechtslage herbeizuführen (vgl. Baumann-Czichon/Gathmann/Germer MVG-EKD 4. Aufl. § 4 Rn. 6). 

15        c) Um den Status des Klägers als leitender Mitarbeiter iSd. MVG-EKiR zu begründen, hat die Beklagte lediglich auf die Regelungen im Anstellungsvertrag und darauf verwiesen, dass es der „gängigen Praxis“ aller Einrichtungen im Geltungsbereich des Gesetzes entspreche, Chefärzte als leitende Mitarbeiter anzusehen. Zur konkreten Durchführung des Vertragsverhältnisses der Parteien hat sie nichts vorgetragen. Indes lässt sich dem Anstellungsvertrag - vor allem dessen § 4 („Personalangelegenheiten“) - nicht ohne weiteres entnehmen, dass die Tätigkeit des Klägers iSv. § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKiR von der Ausübung von Entscheidungsbefugnissen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten geprägt würde. Aus den vertraglichen Regelungen folgt auch nicht, dass seine Tätigkeit iSv. § 44 Abs. 2 MVG-EKiR schwerpunktmäßig durch die eigenverantwortliche Wahrnehmung von für den Bestand oder die Entwicklung des Krankenhauses bedeutsamen Aufgaben bestimmt sein müsse. Dagegen spricht die lediglich seine Anhörung vorsehende sog. Entwicklungsklausel in § 13 des Anstellungsvertrags. 

16        d) Mit ihrem erstmals im Revisionsverfahren erfolgten Sachvortrag kann die Beklagte gemäß § 559 Abs. 1 ZPO nicht mehr gehört werden. Die von ihr erhobene Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat nicht gegen seine Pflichten aus § 139 ZPO verstoßen. Es war nicht verpflichtet, auf die Erforderlichkeit weiteren Sachvortrags hinzuweisen. Der Kläger hatte bereits in der Berufungserwiderung geltend gemacht, dass der Vortrag der Beklagten zu seiner Eigenschaft als leitender Mitarbeiter nicht hinreichend substantiiert sei. Eines weiteren Hinweises durch das Landesarbeitsgericht bedurfte es nicht. Das Berufungsgericht ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn eine Partei bereits darauf aufmerksam gemacht hat, dass nötiges Vorbringen fehlt (vgl. BAG 30. September 2014 - 3 AZR 998/12 - Rn. 18; 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 47 mwN). Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 7. Oktober 2013 - wenn auch bloß „in Klammern“ - selbst noch einmal mitgeteilt, dass es an „konkretem Tatsachenvortrag“ der Beklagten zu den Voraussetzungen des § 44 MVG-EKiR fehle.

17        2. Das damit erforderliche Verfahren der eingeschränkten Mitbestimmung ist nicht ordnungsgemäß iSv. § 41 Abs. 3 iVm. § 38 MVG-EKiR durchgeführt worden. 

18        a) Es spricht vieles dafür, dass die Beklagte das Beteiligungsverfahren schon nicht ordnungsgemäß eingeleitet hat. Dazu hätte sie bei der Mitarbeitervertretung nach § 38 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKiR die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung beantragen müssen. Das an diese gerichtete Schreiben ist indes als bloße Anhörung bezeichnet. Am Ende bittet die Beklagte um Stellungnahme. Zwar kann sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, dass die Dienststellenleitung mit der Unterrichtung zugleich einen Antrag auf Zustimmung stellen wollte (vgl. Baumann-Czichon/Gathmann/Germer MVG-EKD 4. Aufl. § 38 Rn. 3; siehe auch BAG 10. November 2009 - 1 ABR 64/08 - Rn. 17 zu § 99 BetrVG). Jedoch erscheint hier zweifelhaft, ob die Mitarbeitervertretung, die nach dem Vortrag der Beklagten davon ausging, der Kläger unterliege als leitender Mitarbeiter nicht ihrer Mitbestimmung, annehmen konnte, es werde gleichwohl ihre Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme erbeten.

19        b) In jedem Fall hat die Beklagte die Änderungskündigung erklärt, bevor das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen war. Es lag weder eine Zustimmung der Mitarbeitervertretung vor, noch ist die Zustimmung ersetzt oder fingiert worden.

20        aa) Die Mitarbeitervertretung hat der beabsichtigten Kündigung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt. Sie hat sich mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2012 lediglich für die „umfassende Information“ bedankt und mitgeteilt, „für einen weiteren Austausch zur Verfügung“ zu stehen. Darin liegt keine Zustimmung. Diese ist auch nicht gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG-EKiR kirchengerichtlich ersetzt worden.

21        bb) Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung wurde nicht nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG-EKiR fingiert. 

22        (1) Nach dieser Vorschrift gilt eine der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegende Maßnahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung die erbetene Zustimmung nicht innerhalb von zwei Wochen schriftlich aus einem der in § 41 Abs. 2 MVG-EKiR aufgeführten Gründe verweigert (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 299/12 - Rn. 20 ff.) oder eine mündliche Erörterung beantragt. Diese Frist begann hier frühestens am 26. Juni 2012. Bei Erklärung der Kündigung am 28. Juni 2012 war sie, selbst wenn sie auf ein Mindestmaß von drei Arbeitstagen abgekürzt worden wäre, noch nicht abgelaufen. 

23        (2) Die Erklärung der Mitarbeitervertretung vom 27. Juni 2012 hat keinen vorzeitigen Eintritt der Fiktion bewirkt.

24        (a) Nach dem Wortlaut des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG-EKiR gilt die Maßnahme erst nach Ablauf von zwei Wochen und nicht schon mit Zugang einer abschließenden, keine Zustimmung darstellenden Erklärung der Mitarbeitervertretung als gebilligt (vgl. Fey/Rehren MVG-EKD Stand August 2014 § 38 Rn. 55; siehe auch BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 50/09 - Rn. 19 mwN zum insoweit inhaltsgleichen § 68 Abs. 2 NPersVG). Die Beklagte hätte die Kündigung deshalb selbst dann nicht wirksam vor Ablauf der Zweiwochenfrist aussprechen können, wenn die Erklärung der Mitarbeitervertretung als abschließende Äußerung anzusehen gewesen sein sollte.

25        (b) Eine Abkürzung der Äußerungsfrist und einen darauf beruhenden vorzeitigen Eintritt der Zustimmungsfiktion lässt das Gesetz nicht zu. Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, derzufolge der Arbeitgeber bereits vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kündigen kann, wenn der Betriebsrat abschließend zur Kündigungsabsicht Stellung genommen hat, kann wegen der Unterschiedlichkeit der Beteiligungsrechte auf das Mitbestimmungsverfahren nach § 38 MVG-EKiR nicht übertragen werden. Sie verstieße gegen das im MVG-EKiR normierte positive Konsensprinzip. Die Mitarbeitervertretung besitzt bei der ordentlichen Kündigung außerhalb der Probezeit nicht nur ein Anhörungsrecht. Eine solche Kündigung bedarf ihrer vorherigen Zustimmung. Diese muss in jedem Fall vor der Erklärung der Kündigung vorliegen. Entweder sie wurde von der Mitarbeitervertretung innerhalb zweier Wochen erteilt oder sie wurde nach Ablauf von zwei Wochen gesetzlich fingiert oder sie wurde kirchengerichtlich ersetzt. Einen „vierten Weg“ in Gestalt einer Zustimmungsfiktion vor Fristablauf gibt es nicht (vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 50/09 - Rn. 20 zum insoweit inhaltsgleichen § 68 Abs. 2 NPersVG).

26        II. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die ohne eine ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung erklärte Änderungskündigung „überflüssig“ war. 

27        1. Ob die mit der Kündigung erstrebte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger als Chefarzt nurmehr der medizinischen Klinik I eine Änderung der Vertragsbedingungen iSd. § 2 Satz 1 KSchG erforderte, steht nicht fest. Entgegen der Ansicht des Klägers und des Landesarbeitsgerichts sind Veränderungen des Klinikzuschnitts im Arbeitsvertrag der Parteien nicht ausgeschlossen. Deshalb käme es darauf an, ob mit der Zuweisung eines kleineren Zuständigkeitsbereichs die Grenzen des Direktionsrechts etwa dadurch überschritten würden, dass wegen erheblicher Einbußen bei den Liquidationserlösen der Kernbereich des Austauschverhältnisses betroffen wäre oder die neue Tätigkeit des Klägers sich gegenüber der Leitung der Klinik für - die gesamte - Innere Medizin nicht als gleichwertig darstellte (vgl. dazu BAG 30. August 1995 - 1 AZR 47/95 - zu II 2 b der Gründe). 

28        2. Wenn aber bereits die Kündigungserklärung als solche an einem rechtlichen Mangel leidet, kann einer Änderungsschutzklage trotz der Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt auch dann stattgegeben werden, wenn die Änderungskündigung „überflüssig“ war. Das Gericht kann diese Frage - wie es das Arbeitsgericht getan hat - in einem solchen Fall unbeantwortet lassen. Die Parteien haben keinen Anspruch auf die Erstattung eines entsprechenden Rechtsgutachtens.

29        a) Die Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zu der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Kündigungserklärung tritt als zweites Element das Angebot zu seiner Fortsetzung unter geänderten vertraglichen Bedingungen hinzu. Auch wenn die Änderungskündigung im Ergebnis lediglich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen zielt, handelt es sich bei ihr doch - wegen der mit ihr verbundenen Kündigungserklärung - um eine „echte“ Kündigung. Diese unterliegt allen formalen Anforderungen, die an die Wirksamkeit einer Kündigung zu stellen sind. Die jeweiligen Vorgaben muss der Arbeitgeber vor Zugang der Kündigungserklärung und unabhängig von einer Ablehnung oder (Vorbehalts-)Annahme des Änderungsangebots beachten. Werden die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung missachtet, ist dies auch bei Annahme des Änderungsangebots rechtlich von Bedeutung, wenn die Annahme unter Vorbehalt erfolgt. Auch der Arbeitnehmer, der das Angebot auf Änderung seiner Arbeitsbedingungen gemäß § 2 Satz 1 KSchG unter Vorbehalt angenommen hat, kann sich im Änderungsschutzprozess darauf berufen, die Änderung der Vertragsbedingungen sei schon aus einem anderen Grund als dem ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 38, BAGE 147, 237). 

30        b) Die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt lässt zwar die Beendigungswirkung der Kündigung entfallen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien soll in jedem Fall - und sei es zu geänderten Arbeitsbedingungen - fortgesetzt werden. Damit wird jedoch der Umstand, dass der Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen mit Hilfe einer Kündigung durchzusetzen versucht hat, nicht bedeutungslos. Ein Arbeitnehmer, der die ihm „unter dem Druck“ einer Kündigung angesonnene Vertragsänderung unter dem Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG annimmt, bringt damit in der Regel gerade nicht zum Ausdruck, er wolle „andere Gründe“ iSv. § 4 Satz 2 Alt. 2 KSchG, die zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führen könnten, nicht geltend machen. Er gibt regelmäßig nicht zu erkennen, auf sonstige Rechtsmängel wie eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG), das Fehlen einer vorherigen Zustimmung des Integrationsamts (§ 85 SGB IX) oder das Fehlen einer Zulässigerklärung durch die zuständige Stelle (§ 9 Abs. 3 MuSchG) solle es nicht ankommen. Wenn bei Ablehnung des Änderungsangebots die Kündigung aus „anderen Gründen“ unwirksam wäre und das Arbeitsverhältnis schon deshalb unverändert fortbestünde, soll diese Rechtsfolge vielmehr auch dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer die ihm mit Hilfe einer Kündigung „aufgezwungenen“ Änderungen der Arbeitsbedingungen vorläufig akzeptiert. In diesem Sinn muss ein Arbeitgeber, gedacht als sorgfältiger Erklärungsempfänger, den Vorbehalt in der Regel verstehen (§§ 133, 157 BGB). Ein Verzicht darauf, „andere Gründe“ iSv. § 4 Satz 2 Alt. 2 KSchG geltend zu machen, müsste ausdrücklich oder doch nach den Umständen eindeutig erklärt sein (vgl. BAG 28. Mai 1998 - 2 AZR 615/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 89, 48). Nur wenn sich aus einer entsprechenden Beschränkung des Vorbehalts oder dem Vorbringen des Arbeitnehmers im Prozess ergibt, dass die Wirksamkeit der Kündigungserklärung als solcher nicht in Frage gestellt werden soll, ist Streitgegenstand gemäß § 4 Satz 2 Alt. 1 KSchG allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen (vgl. BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13, BAGE 140, 328; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17).

31        c) Das Verständnis des Vorbehalts dahin, der Inhalt des Arbeitsverhältnisses solle sich nur dann entsprechend dem Angebot des Arbeitgebers ändern, wenn dieses sozial gerechtfertigt ist und die Kündigung mit der Rechtsordnung und ihren Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Einklang steht, bedeutet keine Ablehnung des Änderungsangebots gemäß § 150 Abs. 2 BGB. Das Angebot des Arbeitgebers wird nicht unter Einschränkungen oder Änderungen iSd. Vorschrift, sondern so akzeptiert, wie es gemacht wurde (vgl. BAG 28. Mai 1998 - 2 AZR 615/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 89, 48). Jedenfalls ist - wie auch die Formulierung des § 4 Satz 2 Alt. 2 KSchG zu erkennen gibt - der so verstandene Vorbehalt von der lex specialis des § 2 Satz 1 KSchG gedeckt.

32        d) Einer Klage gegen die Wirksamkeit einer Änderungskündigung ist bei einem „Fehler“ in der Kündigungserklärung, wie er hier mangels Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt, regelmäßig auch dann stattzugeben, wenn der Arbeitnehmer das „Änderungsangebot“ unter Vorbehalt angenommen hat und die Kündigung - möglicherweise - „überflüssig“ war. In einem solchen Fall sollte die im Gesetz angelegte Urteilsformel mit Blick auf die Entscheidungsgründe und um der Klarstellung willen lauten: „Es wird festgestellt, dass die Änderungskündigung (des Arbeitgebers) vom (…) rechtsunwirksam ist.“ Diese Feststellung entsprechend der zweiten Alternative des § 4 Satz 2 KSchG verhilft der Änderungsschutzklage zum - vollen - Erfolg, ohne dass - wie in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Gesetzesfassung noch zwingend vorgesehen (vgl. BAG 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, BAGE 111, 361) - eine Aussage dazu getroffen würde, ob für eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen iSd. ersten Alternative des § 4 Satz 2 KSchG Raum gewesen wäre. 

33        B. Bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrags ist die Revision begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte ihm nicht stattgeben dürfen. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen scheidet grundsätzlich aus, wenn er das Angebot auf Vertragsänderung unter Vorbehalt angenommen hat (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 844/07 - Rn. 26 mwN, BAGE 131, 78). 

34        C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

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