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Arbeitsrecht
28.02.2013
Arbeitsrecht
LAG Berlin: Bestenauslese bei befristeter Stelle

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.01.2013 - 15 SaGa 1738/12


Leitsatz


1. Ein öffentlicher Arbeitgeber kann aus sachlich vertretbaren Gründen festlegen, dass eine Stelle nur befristet besetzt werden soll.


2. Wird ein Bewerber nicht berücksichtigt, der in seiner Person nicht die Möglichkeit bietet, mit ihm einen wirksamen befristeten Vertrag abzuschließen, verstößt dies nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG.


 (Hinweis: So LArbG Hamm vom 09.10.2008 - 17 Sa 927/08 - LAGE § 1 WissZeitVG Nr. 1; a. A. LArbG Berlin vom 25.08.2006 - 6 Sa 592/06 - ZTR 2006, 671)


Sachverhalt


Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob der Antragsteller bei der Auswahlentscheidung zur Besetzung einer offenen Stelle hätte berücksichtigt werden müssen und ob diese Stelle vorläufig freizuhalten ist.


Der Antragsteller war bei dem beklagten Land für zwei Jahre als Systemtechniker bis zum 31. August 2012 beschäftigt. Für diese Stelle besteht ein nicht nur vorübergehender Bedarf. Der Präsident des Landesarbeitsgerichts hatte dementsprechend angeregt, diese Stelle dauerhaft zu besetzen. Das Ministerium für Justiz hat dies abgelehnt mit dem Hinweis, dass bis zum Jahre 2015 im großen Umfang KW-Stellen vorhanden seien.


Nachdem die Stelle des Antragstellers zur befristeten Besetzung für ein Jahr bis zum 31. August 2013 ausgeschrieben worden war, hat der Antragsteller sich hierauf beworben. Mit Schreiben vom 26. Juli 2012 wurde seine Bewerbung abgelehnt mit dem Hinweis, mit ihm könne ein sachgrundlos befristeter Vertrag nicht abgeschlossen werden.


Hinsichtlich des übrigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in der I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.


Mit Urteil vom 16. August 2012 hat das Arbeitsgericht Potsdam den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Die Stelle hätte mit dem Antragsteller nicht besetzt werden können. Es fehle ein sachlicher Grund für eine Befristung. Dies verstoße nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG, sondern entspreche der Organisationsgewalt des öffentlichen Arbeitgebers.


Hiergegen wendet sich die Berufung des Antragstellers. Er ist weiterhin der Ansicht, dass er gem. Art. 33 Abs. 2 GG hätte berücksichtigt werden müssen. Wenn diese Norm durch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hätte eingeschränkt werden sollen, hätte diese im Gesetz zitiert werden müssen. Daran fehle es jedoch. Im Übrigen hätte mit ihm ein wirksamer befristeter Vertrag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1, 3, 6 und 8 geschlossen werden können.


Der Antragsteller beantragt,


unter Abänderung des am 16. August 2012 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam, Geschäftszeichen 2 Ga 16/12 das beklagte Land zu verurteilen, die Auswahlentscheidung zum Stellenangebot als Systemtechniker/in (Telekommunikationstechnik) zur Referenznummer 10000-1087541525-S beim Arbeitsgericht P. unter Berücksichtigung seiner Bewerbung zu treffen;


hilfsweise


unter Abänderung dieses Urteils die Stelle als Systemtechniker/in (Telekommunikation) beim Arbeitsgericht P. zur 10000-1087541525-S vor Abschluss eines neuen Auswahlverfahrens unter Berücksichtigung seiner Bewerbung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache endgültig zu besetzen.


Das beklagte Land beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.


Das beklagte Land ist der Ansicht, es unterfalle seiner Organisationsgewalt, ob eine Stelle befristet oder unbefristet besetzt werden solle.


Aus den Gründen


Die form- und fristgerechte eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Potsdam den Antrag abgelehnt. Die Nichtberücksichtigung des Antragstellers stellt keinen Fehler im Auswahlverfahren dar. Insofern kann der Antragsteller nicht verlangen, dass eine Auswahlentscheidung unter seiner Berücksichtigung zu treffen ist und die Stelle bis auf weiteres nicht besetzt werden darf.


1. Ein Anspruch des Antragstellers ergibt sich nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG.


Diese Norm dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interessen des Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung. Insofern begründet diese Bestimmung ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und deren Durchführung anhand der im Grundgesetz genannten Auswahlkriterien (BAG 19.02.2008 - 9 AZR 70/07 - NZA 2008, 1016). Dieser Anspruch wird im einstweiligen Verfügungsverfahren dadurch abgesichert, dass ein unterlegener Bewerber die Offenhaltung der entsprechenden Stelle verlangen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass der öffentliche Arbeitgeber im Auswahlverfahren Fehler begangen hat und in einem erneuten Verfahren mindestens die Möglichkeit besteht, dass der unterlegene Bewerber ausgewählt werden könnte.


1.1 Der Bewerbungsverfahrensanspruch bedarf einer Abgrenzung zur Organisationsfreiheit des öffentlichen Arbeitgebers (BAG 23.01.2007 - 9 AZR 492/06 - NZA 2007, 1450 Rn. 40). Er kann insbesondere bestimmen, ob die Stelle im Rahmen von Umsetzungen, Versetzungen oder Beförderungen besetzt werden soll. Nur bei einem beruflichen Aufstieg durch Beförderungen ist zwingend eine Auswahl nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG geboten (BAG a. a. O.). Der Dienstherr kann nach seinem organisatorischen Ermessen über den Zuschnitt von Dienstposten bzw. Arbeitsplätzen befinden. Dies schließt die Aufstellung der jeweiligen Anforderungen ein. Da das Anforderungsprofil eine Einengung des berücksichtigungsfähigen Personenkreises zur Folge hat, muss sich das Ermessen an sachlichen Kriterien ausrichten (v. Roetteken ZTR 2008, 522, 523). Insofern darf der Dienstherr im Rahmen seiner Organisationsgewalt entscheiden, dass ein frei gewordener Arbeitsplatz ausschließlich aus dem vorhandenen Mitarbeiterstamm besetzt werden soll (LAG Hamm 03.05.2007 - 11 Sa 2/07 - juris Rn. 42). Hiervon sei es auch gedeckt, dass nur Arbeitnehmer berücksichtigt werden, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen (a. a. O. Rn. 43). Auch sei nicht zu beanstanden, wenn ein Land die im Streit stehende freie Stelle nur mit Arbeitskräften besetzen will, deren Arbeitsplatz infolge einer Verwaltungsreform weggefallen ist oder vor dem Wegfall steht (LAG Niedersachsen 06.09.2001 - 7 Sa 85/01 - LAGE Art. 33 GG Nr. 10).


Ein öffentlicher Arbeitgeber kann daher aus sachlich vertretbaren Gründen festlegen, dass eine Stelle nur befristet besetzt werden soll (ebenso LAG Hamm 09.10.2008 - 17 Sa 927/08 - Rn. 76).


Derartige sachliche Gründe liegen hier vor. Das beklagte Land muss unstreitig bis zum Jahre 2015 zahlreiche Stellen abbauen. Dies schließt jedoch die Möglichkeit mit ein, dass in diesem Zeitrahmen dauerhaft beim Land beschäftigte Arbeitnehmer gefunden werden, die - ggf. nach Umschulung - unter Wegfall ihrer bisherigen Stelle auf die hier streitige Stelle versetzt werden könnten. Insofern ist es nicht willkürlich, sondern sachlich vertretbar, die hiesige Stelle nur befristet zu besetzen.


1.2 Die hiesige Stelle konnte nicht mit dem Antragsteller besetzt werden. Insofern liegt kein Fehler im Auswahlverfahren vor. Wird ein Bewerber nicht berücksichtigt, der in seiner Person nicht die Möglichkeit bietet, mit ihm einen wirksamen befristeten Vertrag abzuschließen, so verstößt dies nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Insofern schließt sich die hiesige Kammer der Rechtsansicht des LAG Hamm (09.10.2008 a. a. O. Rn. 77) an.


Es mag sein, dass es zu eng ist, eine Stelle befristet nur gem. § 14 Abs. 2 TzBfG auszuschreiben (so LAG Berlin 25.08.2006 - 6 Sa 592/06 - juris Rn. 14). Insofern dürfte viel dafür sprechen, dass der öffentliche Arbeitgeber sich nicht über die Festlegung der Befristung hinaus ausschließlich auf eine konkreten Befristungsgrund festlegen darf. Der jeweilige Bewerber muss in seiner Person aber die rechtliche Gewähr dafür bieten, dass mit ihm ein befristetes Arbeitsverhältnis wirksam vereinbart werden kann, da anderenfalls die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers ohne Bedeutung bliebe.


1.3 Mit dem Antragsteller kann jedoch ein wirksamer befristeter Vertrag nicht geschlossen werden.


Eine sachgrundlose Befristung ist nicht möglich, da der Antragsteller zuvor bei dem beklagten Land beschäftigt war. Auch liegt kein Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 TzBfG vor. Der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung besteht nicht nur vorübergehend, sondern unstreitig dauerhaft. Eine Befristung zur Vertretung ist ebenfalls nicht wirksam möglich, da der hier zu besetzenden Stelle kein Arbeitnehmer zugeordnet war, den der Antragsteller vertreten könnte. Eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 6 TzBfG kommt nicht in Betracht, da die Befristung des Arbeitsverhältnisses auch im Interesse des beklagten Landes liegt. Ferner scheidet ein Rückgriff auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 8 TzBfG aus, da der Antragsteller keinen Anspruch darauf hat, dass mit ihm ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen wird. Auch liegt kein sonstiger Befristungsgrund vor, der - ähnlich wie die gesetzlich festgelegten Gründe - eine Befristung rechtfertigen könnte (Vgl. hierzu BAG 9.12.2009 - 7 AZR 399/08 - NZA 2010, 495 Rn 16). Die mangelnde Eigenschaft, den Antragsteller auf der hier streitigen Stelle einsetzen zu können, kann eine Befristung außerhalb der Kataloggründe nicht rechtfertigen. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 6 TzBfG. Von der Rechtsprechung wird verlangt, dass der Befristungsgrund ausschließlich in der Person des Arbeitnehmers liegt. Insofern reicht es gerade nicht aus, dass der Arbeitnehmer sich selbst eine Befristung „wünscht", weil er anderenfalls von einem Arbeitgeber nicht berücksichtigt werden würde. Insofern ist der hiesige Fall durchaus mit dieser Befristungskonstellation zu vergleichen. Dies rechtfertigt es, keinen weiteren Befristungsgrund außerhalb der im Gesetz genannten Kataloggründe bzgl. der hiesigen Fallkonstellation zu schaffen.


2. Der Antragsteller hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).


Ein Rechtsmittel ist gegen die hiesige Entscheidung nicht gegeben.

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